Zusammenfassung
In diesem Beitrag der Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie wird die in jüngster Zeit entstandene, psychodramatische Theorie zur Entstehung und Aufrechterhaltung von (substanzgebundenen) Suchterkrankungen konsequent aus der Perspektive des soziokulturellen Atoms nachgezeichnet. In bisherigen Arbeiten wurden vor allem die Dynamiken im Individuum und in dessen kulturellem Atom mithilfe psychodramatischer Konzepte beschrieben und differenziert aufgeschlüsselt, wobei Veränderungen im sozialen Atom vernachlässigt und eher deskriptiv behandelt wurden. Um die psychodramatische Theorie zu Suchterkrankungen zu ergänzen, wird hier mithilfe eines Fallbeispiels der Versuch unternommen, die Binnendynamik der kulturellen (intraindividuellen) und der sozialen Sphäre des soziokulturellen Atoms im Laufe der Entstehung und Aufrechterhaltung von Suchterkrankungen nachzuzeichnen und deren wechselseitige Bedingtheit sichtbar zu machen.
Abstract
This contribution to the Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie describes the psychodramatic theory on the origin and maintenance of (substance bound) addictions that has recently emerged in the scientific literature consistently from the perspective of the socio-cultural atom. In previous efforts, especially the cultural atom and its intraindividual dynamics were described and differentiated using psychodramatic concepts, whereas changes in the social atom were neglected. To complement the psychodramatic theory of addictions, this paper tries to disclose the internal dynamics of the two levels within the socio-cultural atom towards the development and maintenance of addictive disorders by using a case study to make their mutual dependence visible.
Notes
Der Begriff sociostasis kommt in englischsprachigen Schriften von Moreno vor (Moreno 1951, zitiert nach Leutz 1974; Moreno 1947, zitiert nach Hutter und Schwehm 2009) und wurde mit Soziostasis ins Deutsche übersetzt. In Anlehnung an den Betriff der Homöostase (engl. homeostasis) übersetze ich den Begriff mit Soziostase.
Krüger (2004) wählt in seinem Konzept der Identitätskonfusion ein analoges Bild hinsichtlich der intraindividuellen Prozesse, in dem die „süchtige Identität“ (die durch süchtiges Denken, Fühlen und Handeln gekennzeichnet ist) mit der „persönlichen Identität“ (die freie Wahlen treffen kann) verschmilzt. Die Folge davon ist, dass Betroffene nicht mehr zwischen diesen Identitäten (oder Ich-Zuständen) wechseln können, sondern sich süchtiges Denken, Fühlen und Handeln umfassend ins Erleben einschreibt, weswegen Krüger von „Identitätskonfusion“ spricht.
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Mayrhofer, D. Soziokulturelle Atome im Wandel der Suchtdynamik. Z Psychodrama Soziom 15, 261–273 (2016). https://doi.org/10.1007/s11620-016-0339-8
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