Zusammenfassung
Mit der vorliegenden Studie soll die Frage beantwortet werden, ob ein Zusammenhang zwischen Kompetenzen in der Erst- und Zweitsprache und Sprachbewusstheit, operationalisiert als Häufigkeit und Art metasprachlicher Äußerungen, besteht und ob darüber hinaus mehrsprachige Schüler/innen ihre vorhandenen Sprachkompetenzen in interaktiven Lernsettings nutzen. Anhand einer Stichprobe von N = 400 Grundschüler/innen, die in Deutschland leben, wurden mithilfe einer Profilanalyse Sprachkompetenzen im Deutschen als Erst- oder Zweitsprache sowie – bei Kindern, die diese Sprachen sprechen – in den Sprachen Türkisch und Russisch erfasst. Diese und weitere Daten sowie die Auswertung der mithilfe des im Rahmen der Studie entwickelten Verfahrens M‑SPRA elizitierten metasprachlichen Interaktionssituationen lassen Rückschlüsse auf mehrsprachiges Sprachenkönnen und Sprachbewusstheit am Ende der Grundschulzeit zu. So zeigt sich, dass mehrsprachige Schüler/innen nicht nur häufiger metasprachliche Äußerungen produzieren als ihre monolingualen Altersgenossen, sondern dass dies auch häufiger auf einem höheren Niveau und in differenzierterer Art und Weise geschieht.
Abstract
This study analyses the relationship between mono- and bilingual language skills and the metalinguistic awareness of primary school children. It examines the question of whether bilingual students use their heritage languages when solving and talking about metalinguistic tasks with a tandem partner in interactive learning settings. In a study of a cohort of school students (N = 400) in years 3 and 4, we first focus on the students’ language skills in German by analyzing language profiles and on bilingual students’ skills in their heritage languages Turkish and Russian. At the second measurement point, we analyse the metalinguistic interactions of mono- and bilingual students and correlate the findings of this analysis with the data about their language and cognitive skills. The results show that bilingual students living with two languages have advantages: This group of students produces metalinguistic comments more frequently and achieves a higher level of metalinguistic proficiency in comparison with the monolingual student group.
Notes
Stichprobengröße MZP I: 500 Proband/innen, MZP II: 400 Proband/innen
Als Auswahlkriterien dienten zum einen das Ausmaß der Sprachkompetenzen in der Erst- und Zweitsprache (Schüler/innen, bei denen die Verständigung auf Alltagsebene nicht gesichert war, schieden aus) und zum anderen die Teilnahme an allen Messverfahren des Projekts (Schüler/innen, die an einem der Erhebungstage gefehlt haben, wurden nicht berücksichtigt)
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Bien-Miller, L., Akbulut, M., Wildemann, A. et al. Zusammenhänge zwischen mehrsprachigen Sprachkompetenzen und Sprachbewusstheit bei Grundschulkindern. Z Erziehungswiss 20, 193–211 (2017). https://doi.org/10.1007/s11618-017-0740-8
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