1 Einleitung

Im Bildungsbericht 2014 wird erstmals seit 15 Jahren wieder ein Anstieg der Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland verzeichnet, der im Jahr 2012 bei 49 % lag (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, S. 140). Damit wird das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel einer Beteiligungsquote von 50 % beinahe erreicht. Eine erstmalige Erfassung der alltagsmathematischen und Lesekompetenz der deutschen erwachsenen Bevölkerung zeigt unabhängig von der steigenden Bildungsbeteiligung Spielräume der Entwicklung auf (Rammstedt 2013, S. 13 f.); die in Deutschland erreichten Werte liegen leicht unter dem bzw. im Durchschnitt der 24 teilnehmenden OECD-Länder.

Sowohl die positiven aktuellen Befunde zur Weiterbildungsbeteiligung als auch die Ergebnisse der Kompetenzmessung stehen vor dem Hintergrund der unbestritten hohen Bedeutung von Bildung und lebenslangem Lernen für gesellschaftliche und individuelle Entwicklung und Wachstum in allen Bevölkerungsgruppen. Vergleichende Analysen zeigen jedoch eine ausgeprägte Selektivität bei der Weiterbildungsbeteiligung und der Verteilung grundlegender Kompetenzen in der Bevölkerung: Nach wie vor sind es vor allem erwerbstätige Personen mit einem hohen Bildungsniveau, die häufiger an Weiterbildung teilnehmen und ein hohes Kompetenzniveau aufweisen, während viele Personen mit niedrigem Bildungsniveau über verminderte Chancen auf Weiterbildungsbeteiligung und damit auf einen sozialen und beruflichen Aufstieg durch Bildung verfügen. Sowohl die Selektivität der Beteiligung an Weiterbildung als auch die differenten Folgen und Wirkungen von Weiterbildung sind daher ein wichtiges und praktisch relevantes Forschungsfeld der Erwachsenen- und Weiterbildungsforschung.

Fragen nach der Erklärung von Weiterbildungsbeteiligung bzw. -abstinenz werden grundsätzlich auf verschiedenen Aggregatebenen bearbeitet (vgl. Boeren et al. 2010). So stehen auf einer übergreifenden gesellschaftlichen Ebene kulturelle Voraussetzungen und regulative Rahmenbedingungen im Mittelpunkt. Auf organisationaler Ebene werden u. a. Weiterbildungsanbieter und ihre Programme untersucht. Auf der Mikro-Ebene liegt der Fokus auf individuellen Weiterbildungsentscheidungen, Gelegenheitsstrukturen und individuellen Lernerfolgen. Alle drei Ebenen werden in Deutschland – und seit einigen Jahren auch in Europa – in einer langjährigen Tradition von Monitoringstudien untersucht. Diese Daten gehen in die Bildungsberichterstattung ein und werden mit ökonomischen sowie soziologischen Ansätzen sekundäranalytisch ausgewertet. Sie haben eine erhebliche strukturelle Bedeutung für die empirische Weiterbildungsforschung (vgl. Kuper und Schrader 2013).

Die Ausrichtung der Monitoringstudien geht einher mit einer gewissen Dominanz theoretischer Ansätze, die in der Auseinandersetzung mit der Humankapitaltheorie entstanden sind. Sie betrachten Weiterbildungsentscheidungen im Verhältnis von Investitionen und Erträgen; individuelle Motive der Beteiligung werden dabei in einem black-box-Modell und folglich wenig differenziert behandelt. Metaanalysen kleinerer Studien legen jedoch auch im Hinblick auf die Wirkung von Weiterbildung im Sinne von Kompetenzentwicklung und Transfer des Gelernten in den beruflichen und/oder privaten Alltag nahe, dass individuelle Faktoren eine zentrale Rolle spielen (z. B. Colquitt et al. 2000). Auch individuelle Motivlagen werden bislang entweder in Studien mit sehr niedriger Fallzahl oder in einer stark verallgemeinerten Weise thematisiert (vgl. etwa Manninen 2005; Reich-Classen und Tippelt 2011). Betrachtet man Weiterbildungsbeteiligung und Transfer aus einer Perspektive des methodologischen Individualismus jedoch als bewusste, zielgerichtete Handlungen, so kommt den subjektiven Gründen, d. h. der Motivation zur Weiterbildungsteilnahme und zur Anwendung des Gelernten, eine herausragende Bedeutung bei der wissenschaftlichen Analyse zu. Hier setzt das vorliegende Sonderheft an, indem es einschlägige Beiträge der psychologischen Bildungsforschung vorstellt.

Für die Erklärung von Weiterbildungsbeteiligung sowie Weiterbildungswirkung durch Transfer ist vor allem ein Rückgriff auf Ansätze der Motivationspsychologie vielversprechend (vgl. Siebert 2006). In der Psychologie ist die Erklärung und Vorhersage menschlichen Verhaltens und Erlebens erklärtes Ziel empirischer Forschung (vgl. Rheinberg 2008). Dabei hat die Motivationspsychologie seit der kognitiven Wende in den 1960er Jahren eine Vielzahl theoretischer Ansätze und empirischer Befunde hervorgebracht, die insbesondere in der Bildungsforschung weiterentwickelt wurden (vgl. Schunk et al. 2008).

Auch in der Weiterbildungsforschung wird auf psychologische Ansätze zurückgegriffen. Dennoch gibt es keine Anleihen bei der Motivationspsychologie in der jüngeren erziehungswissenschaftlichen Weiterbildungsforschung. Auch eine von psychologischen Ansätzen inspirierte Wirkungsforschung – wie sie sich etwa für die Forschung zum Kompetenzerwerb in Schulen entwickelt hat – hat sich in der Weiterbildungsforschung bislang kaum etabliert (vgl. Kuper 2011).

Andererseits hat die psychologische Bildungsforschung insbesondere im Bereich der Arbeits- und Organisationspsychologie Fragen der Personalentwicklung und der beruflichen Weiterbildung adressiert (vgl. Garofano und Salas 2005). Zwar erscheint Motivation im Lichte verpflichtender beruflicher Weiterbildung zunächst weniger zentral als Fragen der Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen und des Transfers im Sinne von Handlungssteuerung. Tatsächlich zeigen jedoch empirische Befunde, dass Motivation nicht nur das Wahlverhalten bei Bildungsentscheidungen beeinflusst, sondern auch ein wesentlicher Einflussfaktor von Lernerfolg und Lernerleben bei verpflichtender Bildungsbeteiligung ist (vgl. Pintrich und Schrauben 1992). Dabei liegt der Schwerpunkt allerdings auf der Schul- und Unterrichtsforschung, während erwachsene Lerner bzw. Weiterbildung allenfalls am Rande und dann oft mit Blick auf Lehrer als spezifische Berufsgruppe berücksichtigt werden (z. B. Nitsche et al. 2013).

Aus der Perspektive der psychologischen Motivationsforschung erscheint die Untersuchung von Motivation im Weiterbildungskontext also trotz des großen Einflusses von Gelegenheitsstrukturen und Teilnahmepflicht als lohnenswertes Unterfangen. Obwohl Weiterbildung in der pädagogisch-psychologischen Forschung bislang kaum adressiert wurde, haben die etablierten Theorien und Modelle grundsätzlich einen universellen Anspruch und können als theoretische Grundlage für Motivationsforschung im Weiterbildungskontext herangezogen werden.

Mit dem Fokus Motivation im Weiterbildungskontext sollen im vorliegenden Heft zwei Forschungsfelder verknüpft werden, die bislang eher lose gekoppelt waren. Der Schwerpunkt liegt auf empirischer, motivationspsychologischer Forschung zu Fragestellungen der Weiterbildungsbeteiligung und des Weiterbildungstransfers. Ergänzt werden die hier präsentierten Studien durch zwei einleitende Beiträge, in denen vorab eine theoretische Perspektive auf die beiden Themen eingeführt wird. Die Studien adressieren überwiegend intentionales formal-organisiertes Lernen nach Abschluss einer initialen (Aus-)Bildung (im anglo-amerikanischen Raum bekannt als non-formal education). Dabei greifen die Autoren auf verschiedene, aber allesamt etablierte theoretische Ansätze zurück (Erwartungs-Wert-Theorie, Zielorientierung, Selbstbestimmungstheorie, Theorie des begründeten Handelns) und können so aufzeigen, inwiefern diese Ansätze für die Weiterbildungsforschung fruchtbar gemacht werden können.

2 Übersicht der Beiträge des Sonderheftes

Mit dem vorliegenden Sonderheft werden zentrale Ansatzpunkte der Motivationsforschung im Weiterbildungskontext gebündelt dargestellt. Das Heft ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil stehen die Teilnahmemotivation vor Aufnahme einer Weiterbildung und die Lernmotivation während der Weiterbildungsteilnahme im Fokus. Die Beiträge im zweiten Teil behandeln das Ergebnis der Weiterbildungsteilnahme im Sinne der Teilnehmerzufriedenheit sowie die Motivation, das Gelernte im Anschluss an die Weiterbildung praktisch umzusetzen (Transfermotivation).

Den Auftakt des ersten Teils bildet eine Literaturübersicht von Gorges, in dem die Motivation erwachsener Lerner an Weiterbildung teilzunehmen bzw. nicht teilzunehmen beleuchtet wird. Den theoretischen Rahmen bildet dabei das Erwartungs-Wert-Modell von Eccles und Kollegen (vgl. Wigfield und Eccles 2000), welches in der pädagogischen Psychologie weit verbreitet ist und als empirisch gut untersucht gilt. Diethert et al. gehen in ihrem Beitrag der Frage nach, inwiefern Weiterbildungsbeteiligung von Akademikern auf Basis einer erweiterten Version der Theorie des begründeten Handelns von Ajzen (2001) erklärt werden kann. Das hierbei zentrale Konzept der Einstellung kann als weitreichend überlappend mit dem Eccles’schen Aufgabenwert aufgefasst werden. Die Autoren ergänzen darüber hinaus weitere motivationale Einflussfaktoren wie Lernzielorientierung, um die Vorhersagekraft des Modells zu verbessern. Gorges und Hollmann interpretieren in ihrem Beitrag die im Adult Education Survey erfasste Einstellung gegenüber Weiterbildung als subjektiven Aufgabenwert und nehmen wiederum eine erwartungs-wert-theoretische Perspektive ein. Die Autorinnen gehen der Frage nach, inwiefern affektgeladene Erinnerungen an die eigene Schulzeit vermittelt über den Aufgabenwert die Weiterbildungsbeteiligung beeinflussen. Während dieser Beitrag erwachsene Lerner im Erwerbsalter (25–64 Jahre) betrachtet, fokussieren Thieme et al. im folgenden Beitrag speziell ältere Arbeitnehmer. Auf Basis des Weiterbeschäftigungssurveys des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung untersuchen sie, inwiefern die Motivation älterer Arbeitnehmer an Weiterbildung teilzunehmen den Befunden für die Gesamtbevölkerung entspricht oder von ihnen abweicht. Über die Teilnahmeentscheidung hinaus geht anschließend der Beitrag von Vanthournout et al., der qualitativ unterschiedliche Motivationsformen und ihren Einfluss auf den Einsatz selbstregulierter Lernstrategien beleuchtet. Dabei zeigen die Autoren auf, inwiefern eine Kombination der Selbstbestimmungstheorie und der Theorie der Zielorientierung differenzierte Einblicke in die Motivation von Weiterbildungsteilnehmern bieten kann.

Auch der zweite Teil des Sonderheftes, in dem neben der Zufriedenheit während der Weiterbildungsteilnahme vor allem die Transfermotivation im Mittelpunkt steht, wird mit einer theoretischen Arbeit eröffnet. Quesada Pallarès und Gegenfurtner beleuchten darin die Möglichkeit einer motivations- wie handlungstheoretischen Untersuchung von Transfer durch eine Verbindung des theoretischen Ansatzes von Ajzen (2001), des Konzepts der Selbstwirksamkeit (Bandura 1997) und handlungsleitender Ziele (Locke und Latham 2002). Hochholdinger und Leidig nehmen sowohl die Perspektive der Lernenden als auch der Lehrenden in den Blick. Sie werten die Angaben von Kursteilnehmer/innen und den jeweiligen Kursleiter/innen mehrebenenanalytisch aus, um Zusammenhänge zwischen der Lehrorientierung der Kursleiter/innen und der affektiv-motivationalen Reaktion der Teilnehmer/innen zu identifizieren. Massenberg und Kauffeld adressieren mit ihrem Beitrag die Rolle der Unterstützung durch den Vorgesetzten für die Transfermotivation. Es zeigt sich, dass Transfermotivation nicht immer davon profitiert, wenn der oder die Vorgesetzte den Transfer explizit fördern (will). Eine andere Perspektive auf Transfermotivation nehmen Bosset und Bourgeois ein, wenn sie mithilfe eines qualitativen Zugangs die Interaktion organisationaler und persönlicher Faktoren der Transfermotivation analysieren. In zwei Studien gehen sie der Frage nach, inwiefern persönliche Transferziele und organisationale Transferunterstützung die Transfermotivation wechselseitig beeinflussen könnten. Schließlich zeigt die Literaturübersicht von Jacot et al. Parallelen zwischen Teilnahme- und Transfermotivation auf und ordnet wesentliche Ansätze der Motivationsforschung ein, um eine theoriegeleitete Untersuchung (auch) von Transfermotivation anzuregen.

3 Fazit und Ausblick

Die hier zusammengestellten Beiträge geben einen breiten Einblick in motivationspsychologische Ansätze der Weiterbildungsforschung. Dadurch wird deutlich, wie mit theoriegeleiteten empirischen Studien das Verständnis der Teilnahme- und Transfermotivation weiter vorangetrieben werden kann. Die Ergebnisse zeigen, dass sich motivationspsychologische Studien im Weiterbildungskontext lohnen und letztlich auch die Verschränkung von Forschung und Praxis unterstützen können. So bringt der Fokus auf Weiterbildungsteilnahme neue Erkenntnisse über Prozesse, die zu Beteiligung und Abstinenz führen, woraus perspektivisch Interventionsansätze abgeleitet werden könnten. Ein Fokus auf Transfer trägt u. a. zu Wirkungsforschung bei und zeigt auf, unter welchen Bedingungen ein möglicher Transfer vom Individuum gewollt und angestrebt wird. Gleichzeitig weisen die Theorieteile aller Beiträge darauf hin, dass bislang wenig einschlägige Befunde vorliegen, was einmal mehr deutlich macht, dass sich die Motivationsforschung im Weiterbildungskontext noch in einer initialen Phase der Entwicklung befindet.

Durch einen Rückgriff auf bewährte theoretische Ansätze könnte die bislang eher deskriptiv-explorativ angelegte Teilnahme- und Transfermotivationsforschung um theoriegeleitete Ansätze ergänzt werden. Damit würde sich insbesondere die Chance eröffnen, empirische Befunde auf Basis eines gemeinsamen theoretischen Hintergrunds zueinander in Beziehung zu setzen und gezielt Forschungslücken schließen zu können. Voraussetzung dafür ist gleichwohl eine breitere Rezeption pädagogisch-psychologischer Forschung sowie eine systematische Grundlegung der übertragung theoretischer Modelle durch Validierungsstudien und Entwicklung weiterbildungsspezifischer Instrumente.

Weiterbildungsbeteiligung tangiert nicht nur die Motivation zur eigentlichen Kursteilnahme und dem anschließenden Transfer des Gelernten, sondern muss jeweils in den Alltag der Menschen integriert werden. Damit steht Weiterbildung auch immer in (ressourcenbezogener) Konkurrenz zu anderen Zielen und Wünschen, wie z. B. Familienaktivitäten, Hobby oder Beruf. Zudem ist der Transfer des Gelernten nicht ausschließlicher Sinn und Zweck von Weiterbildung. Vielmehr kann Weiterbildung auch Selbstzweck sein, also Ausübung eines Hobbys, oder auf die Erlangung formaler Qualifikation abzielen. Motivation im Weiterbildungskontext geht also noch über die hier dargestellten Fragen hinaus und sollte auch vor dem Hintergrund einer Lebensspannenpsychologie betrachtet werden. Hierzu kann z. B. das kürzlich implementierte nationale Bildungspanel (NEPS; vgl. Blossfeld et al. 2011) wertvolle Daten liefern. Auch andere regelmäßig durchgeführte Monitoringstudien wie der Adult Education Survey (AES; vgl. Bilger et al. 2013) oder large-scale assessments wie das Programme for the International Assessment of Adult Competencies (PIAAC; vgl. Rammstedt 2013) können für die Motivationsforschung nutzbar gemacht werden. Die existierende weiterbildungsspezifische Dateninfrastruktur weist jedoch einen Mangel an etablierten Messinstrumenten zur Erfassung psychologischer Konstrukte auf (z. B. Selbstkonzept/Selbstwirksamkeit, Aufgabenwert, Zielorientierungen). Es wäre wünschenswert, wenn zukünftig verstärkt psychologische Skalen eingesetzt werden würden.

Insgesamt ist zu konstatieren, dass sich die derzeitige Motivationsforschung im Weiterbildungskontext als Entwicklungsfeld bezeichnet werden muss. Die hier präsentierten Beiträge verfolgen jeweils disparate Fragestellungen, wodurch ein Überblick möglicher Ansätze geboten wird. Um letztlich gegenseitig ergänzende, konvergierende Befunde zu generieren und gezielt theoretische Annahmen empirisch zu prüfen, ist jedoch eine Vielzahl von Studien mit gemeinsamer theoretischer Basis erforderlich. Eine besondere Herausforderung ist dabei die Heterogenität des Weiterbildungskontextes, der mit entsprechend kreuzvalidierten Instrumenten und übergeordneten Segmenten, in denen Studien angesiedelt werden können, begegnet werden kann. Hier bietet das vorliegende Sonderheft Ansatzpunkte für daran anschließende Arbeiten, um sukzessive ein evidenzbasiertes Verständnis von motivationalen Prozessen im Weiterbildungskontext aufzubauen.