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Wenn Wenige den Ausschlag geben … Strategisches Erststimmenwählen bei deutschen Bundestagswahlen 1994–2009

When a Few Tip the Scales … Strategic Voting in German Constituencies 1994–2009

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Zusammenfassung

Anhand der offiziellen Wahlergebnisse aus Wahlkreisen in Ostdeutschland wird in diesem Beitrag untersucht, welche Bedeutung strategisches Erststimmenwählen bei deutschen Bundestagswahlen hat. Die Analyse zeigt: 1) Es wurde tatsächlich strategisch gewählt; 2) je nach Bundestagswahl profitierten CDU oder SPD am häufigsten von strategischem Wählen; 3) bis zu 9 % der Wähler im Wahlkreis wählten strategisch; 4) diese Zahl war groß genug, um in einer Reihe von (überhangmandatsrelevanten) Wahlkreisen den Wahlausgang und damit die Zusammensetzung des Bundestages zu beeinflussen.

Abstract

Based on official election records from East German constituencies, this paper examines the importance of strategic voting in German Bundestag elections. The results show that: (1) voters do indeed cast strategic ballots; (2) overall, the CDU and SPD benefit most often from strategic votes; (3) up to 9% of voters in the constituency cast strategic votes; and (4) that number was large enough to tip the scales in a number of constituencies, thus affecting the allocation of surplus seats in the Bundestag.

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Abb. 1
Abb. 2

Notes

  1. Das muss sich nicht zwangsläufig zum Nachteil des führenden Kandidaten auswirken. Im obigen Beispiel könnte man auch davon ausgehen, dass es Anhänger von B gibt, die den Amtsinhaber dem Herausforderer A vorziehen und deswegen strategisch für den Amtsinhaber stimmen (um sicherzustellen, dass jener wiedergewählt wird).

  2. In Wahlen mit nur zwei Bewerbern besteht keine Möglichkeit, strategisch einen zweitbesten Kandidaten zu wählen, um das Schlimmste zu verhindern. Jeder Wähler sollte deshalb für seinen favorisierten Kandidaten stimmen.

  3. Zur Entstehung von Überhangmandaten, ihrer politischen Relevanz und ihrem verfassungsrechtlichen Stellenwert siehe Behnke (2003, 2007). Die Anzahl von Überhangmandaten getrennt nach Ost und West (in Klammern) beträgt 1990: 6 (0), 1994: 13 (3), 1998: 4 (1), 2002: 4 (1), 2005: 11 (5) und 2009: 8 (17).

  4. Zum Vergleich: In Großbritannien kamen die drei großen Parteien Konservative, Labour und Liberale in den vergangenen vier Parlamentswahlen ebenfalls auf jeweils 90 % der Stimmen (Rallings u. Thrasher 2007; http://news.bbc.co.uk/2/shared/election2010/results/. Zugegriffen: 10. August 2010).

  5. Die Wahl der drittbesten Alternative kann nicht optimal sein, daher zählt nur der Vergleich der beiden besseren Optionen.

  6. Im Einklang mit der Literatur wird ein Dreiparteienpatt ausgeschlossen (vgl. etwa Myerson u. Weber 1993).

  7. Dies ist ein anderer Zusammenhang als bei der Entscheidung zur Wahlteilnahme. Letztere hängt tatsächlich von der absoluten Wahrscheinlichkeit eines Patts ab (vgl. Riker u. Ordeshook 1968).

  8. Generell wird die Dirichletverteilung verwendet, um Zufallsvariablen mit mehr als zwei Ausprägungen zu modellieren, wobei letztere stets positive Werte annehmen müssen, die in der Summe 1 ergeben.

  9. Die unvollständige Beta-Funktion bis zur Stelle \({g \in [{0,1}]}\) mit Parametern a und b ist das Integral: \({{B_g}(a,b) = \int_0^g {{t^{a - 1}}{{(1 - t)}^{b - 1}}dt{.}} }\).

  10. Der interessierte Leser sei verwiesen auf Myatt und Fisher (2002, S. 30–31) oder Herrmann (2008, S. 31).

  11. Aus rechnerischen Gründen wird im Folgenden mit dem Logarithmus des Verhältnisses der Pivot-Wahrscheinlichkeiten gearbeitet. Inhaltlich ändert sich dadurch nichts, weshalb wir weiter vom ‚strategischen Anreiz‘ sprechen werden.

  12. Die von Herrmann (2008) geschätzten Werte sind: 1994, s = 3,8; 1998, s = 7,55; 2002, s = 5,04 und 2005, s = 1,43. Auch für die Bundestagswahl 2009 wird angenommen, dass die Wähler sehr unsicher bezüglich der Anhängerschaften in ihrem Wahlkreis waren, und s = 1 gesetzt. Andere Werte für s führen zu keiner wesentlichen Änderung der Ergebnisse.

  13. Es sei angemerkt, dass in der folgenden Analyse nicht angenommen wird, Wähler würden die genaue Verteilung der Parteianhängerschaften in ihrem Wahlkreis kennen. Wie oben bereits erwähnt, wird im Gegenteil davon ausgegangen, dass Wähler nur geringe Kenntnis dieser Verteilung besitzen und daher eher unsicher sind und wenig geneigt, strategisch zu wählen.

  14. Es ist einfach, diesen Zusammenhang zu zeigen (vgl. Herrmann 2008).

  15. Genauer gesagt, wird davon ausgegangen, dass die Fehlerterme der Stimmendifferenzen einer multivariaten Normalverteilung mit Mittelwert null und Varianz σ folgen.

  16. Da für jede Wahl andere Werte des Unsicherheitsparameters s angenommen wurden, sind die strategischen Anreizvariablen für jede Wahl unterschiedlich skaliert.

  17. Dies liegt an der im vorherigen Kapitel beschriebenen Symmetrie des strategischen Anreizes.

  18. Zur Berechnung dieses ‚Nettovorsprungs‘ werden vom Stimmenvorsprung des Siegers alle strategischen Stimmen, die zu dessen Gunsten gingen, abgezogen und alle strategische Stimmen, die zugunsten des Zweitplatzierten gingen, hinzu addiert.

  19. Diese und die folgenden Schlussfolgerungen beruhen auf den Angaben zur Sitzzuteilung der Parteien nach Ländern, wie sie offiziellen Quellen, etwa den Veröffentlichungen des Bundeswahlleiters (http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/fruehere_bundestagswahlen/; Zugegriffen am 16. Februar 2010), zu entnehmen sind.

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Ungleichung (2) lässt sich aus Ungleichung (1) wie folgt herleiten:

$$ {\begin{aligned} {p_{12}}({u_1} - {u_2}) + {p_{13}}({u_1} - {u_3}) \ge &\;{p_{12}}({u_2} - {u_1}) + {p_{23}}({u_2} - {u_3}) \\{p_{12}}({u_1} - {u_2}) + {p_{13}} ({u_1} - {u_3}) \ge & -{p_{12}}({u_1} - {u_2}) + {p_{23}}({u_2} - {u_3}) \\ 2{p_{12}}({u_1} - {u_2}) + {p_{13}}({u_1} - {u_3}) \ge &\;{p_{23}}({u_2} -{u_3}) \\ 2{p_{12}}({u_1} - {u_2} + {u_3} - {u_3}) +{p_{13}}({u_1} - {u_3}) \ge &\;{p_{23}}({u_2} - {u_3})\\ 2{p_ {12}}({u_1} - {u_3}) - 2{p_{12}}({u_2} - {u_3}) +{p_{13}}({u_1} - {u_3}) \ge &\;{p_{23}} ({u_2} - {u_3}) \\2{p_{12}}({u_1} - {u_3}) + {p_{13}}({u_1} - {u_3}) \ge &\;2{p_{12}} ({u_2} - {u_3}) + {p_{23}}({u_2} - {u_3})\\ (2{p_{12}} + {p_{13}})({u_1} - {u_3}) \ge &\;(2 {p_{12}} +{p_{23}})({u_2} - {u_3}) \\ \frac{{{u_1} - {u_3}}}{{{u_2} -{u_3}}} \ge &\;\frac{{2 {p_{12}} + {p_{23}}}}{{2{p_{12}} +{p_{13}}}} \end{aligned}} $$

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Herrmann, M. Wenn Wenige den Ausschlag geben … Strategisches Erststimmenwählen bei deutschen Bundestagswahlen 1994–2009. Polit Vierteljahresschr 51, 665–689 (2010). https://doi.org/10.1007/s11615-010-0035-7

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