Zusammenfassung
Der für die Zeitschrift „Gruppe. Interaktion. Organisation. (GIO)“ verfasste theoretische Beitrag diskutiert, wie medizinische und therapeutische Leistungserbringung in der heutigen Versorgungslandschaft unter dem Eindruck der aktuellen Gesundheitsreform effizient organisiert werden können. Methodisch kommen als Erfahrungsbasis praktisch durchgeführte Implementierungsprojekte, selektive Literaturrecherchen und eine darauf aufbauende deskriptive Modellbildung zum Einsatz. Es wird ein Standpunkt zur Ausgestaltung von Netzwerken (Kooperationen) auf der Basis systemischer Organisationsentwicklung (OE) dargelegt. Ergebnis: Das Netzwerk als strukturelles Produkt einer interorganisationalen Kooperation kann zu einer Emanzipation und einem Paradigmenwechsel in der Steuerung komplexer Systeme führen. Diese horizontale Koordination vereinigt auch für Expertenorganisationen wie die Psychiatrie Flexibilität der marktförmigen Interaktion mit der (mehrheitlich) hierarchischen Effizienz organisierter Strukturen. Damit Netzwerke wirksam werden und gleichzeitig an Stabilität gewinnen, ist eine bestimmte Designleistung erforderlich. Das Management des Netzwerkes lenkt den Blick auf die Fähigkeiten der Führung und die Kommunikation, mit deren Hilfe Organisationsentwicklung betrieben wird. Im Gegensatz zum Planungsansatz liefert der OE-Ansatz Prozessorientierung und Partizipation als Voraussetzung einer nachhaltigen Netzwerk-Implementierung.
Abstract
The one for the magazine “Group. Interaction. Organization. (GIO)” theoretical article discusses how medical and therapeutic service provision can be organized efficiently in today’s healthcare landscape under the influence of the current healthcare reform. Methodologically, practically implemented implementation projects, selective literature research and descriptive modeling based on this are used as a basis for experience. A point of view on the design of networks (cooperations) on the basis of systemic organizational development (OD) is presented. Result: The network as a structural product of interorganizational cooperation can lead to emancipation and a paradigm shift in the control of complex systems. For expert organizations such as psychiatry, this horizontal coordination also combines the flexibility of market-based interaction with the (mostly) hierarchical efficiency of organized structures. In order for networks to be effective and at the same time gain stability, a certain design effort is required. The management of the network focuses on the skills of leadership and communication, with the help of which organizational development is carried out. In contrast to the planning approach, the OD approach provides process orientation and participation as a prerequisite for sustainable network implementation.
Notes
Strategien werden vielfach in der soziologischen Struktur als „nachgeordnetes“ Instrument aufgefasst, an dem man auch die Art und Weise ablesen kann, wie Organisationen ihren bisherigen Erfolg begründen. Mintzberg hat schon früh auf den Sachverhalt hingewiesen, dass Strategien nicht notwendigerweise das Ergebnis eines gezielten Planungsprozesses sein müssen, sondern sich häufig ungeplant aus den täglichen Vollzügen und Kommunikationen heraus entwickeln. So werden Strategien häufig erst nachträglich als solche konstruiert (emergente Strategien) (Mintzberg 1978, S. 945). Das scheint aber nicht primärer Zweck zu sein. Strategien sind ein präskriptives Instrument, mit deren Hilfe begründet wird, „wie“ definierte Ziele zu erreichen sind. Dies kann dann der Unsicherheitsabsorption bei der Entscheidungsfindung und organisationalem Lernen dienen.
Kritisch zu den Möglichkeiten der strategischen Steuerung und der Wirksamkeit von OE-Interventionen in Bezug auf die nachhaltige Veränderung der Organisationskultur Preisendörfer (2016, S. 129f), Pohlmann (2016, S. 153.), Luhmann (2000, S. 246). Wenn man nicht „am Ball bleibt“, kann es auch wieder zu Rückschritten kommen (Kühl 2011, S. 161).
„Strategische Kommunikation“ ist ein Steuerungskonzept, das aus den theoriebildenden Elementen des strategischen Managements, der Organisationsentwicklung und der Unternehmenskommunikation besteht (Dirksen 2010). Die so genannte Kommunikationslatenz ist ein Phänomen, dessen Akzeptanz und Berücksichtigung Verkrustungen und unhaltbare Zustände manifestieren. Es gibt aber auch tolerante Manager, die Transparenz und Ansprechbarkeit geradezu einfordern.
Anders als die klassische Kollaboration, die ideell auf ein gemeinsames Ziel gerichtet ist, wird hier ein professionelle Multiperspektive zugunsten des Gesamtsystems eingenommen.
Literatur
Barnard, C. (1968). The functions of the executive. Cambridge: Harvard University Press.
Becker, H., & Langosch, I. (2002). Produktivität und Menschlichkeit. Organisationsentwicklung und ihre Anwendung in der Praxis. Stuttgart: Luzius & Luzius Verlagsgesellschaft.
Coleman, J. (1992). Körperschaften und die moderne Gesellschaft. In J. Coleman (Hrsg.), Grundlagen der Sozialtheorie Bd. 2. München: Oldenbourg.
Dirksen, R. (2010). Strategische Kommunikation. Wie man mit Organisationsentwicklung in Unternehmen der Gesundheitswirtschaft führt. Saarbrücken: SVH.
Dirksen, R. (2020). Der soziale Konzern. Modell für eine qualitativ hochwertige Versorgung im Gesundheitswesen. Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement,, 25(2), 91–97.
Dirksen, R. (2020c). „Komm, lass uns mal entwickeln!“ Wie Mitarbeiter ihre Beteiligung in Changemanagement-Prozessen als Bereicherung empfinden. KU Gesundheitsmanagement, 89(8), 23–26.
Dirksen, R.-G. (2020a). Die richtigen Dinge tun. Wie man mit Organisationspsychologie in Gesundheitsunternehmen führt. KU Gesundheitsmanagement, 89(6), 30–33.
Dirksen, R.-G. (2020b). Die Strategie der Kommunikation in der Organisationsentwicklung 2.0. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 51(3), 345–352. https://doi.org/10.1007/s11612-020-00524-y.
Dirksen, R.-G. (2021). Organisationsentwicklung durch Markenstrategie. Der Ursprung in der Praxis. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 52(3), 525–536. https://doi.org/10.1007/s11612-021-00584-8.
Dirksen, R.-G. (2021a). Mindestfallzahlensteuerung und Bedarfsgerechtigkeit in der stationären Versorgung. Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein im Vergleich. In J. C. Joerden (Hrsg.), Jahrbuch Recht und Ethik (JRE) (Bd. 29, S. 239–276). Berlin: Duncker & Humblot.
Dirksen, R. G. (2023). Change Management im Wandel: Interne Organisationsentwicklung in der deutschen Psychiatrie. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 54(2), 199–209. https://doi.org/10.1007/s11612-023-00680-x.
Doppler, K., & Lauterburg, C. (2002). Change Management. Den Unternehmenswandel gestalten (10. Aufl.). Frankfurt New York: Campus.
Fuhse, J. (2018). Soziale Netzwerke. Konzepte und Forschungsmethoden (2. Aufl.). München Konstanz: UVK.
Grossmann, R., Lobnig, H., & Scala, K. (2007). Kooperationen im Public Management. Theorie und Praxis erfolgreicher Organisationsentwicklung in Leistungsverbünden, Netzwerken und Fusionen. Weinheim München: Juventa.
Grossmann, R., Prammer, K., & Neugebauer, C. (2013). Beiträge der Organisationsentwicklung beim Aufbau interorganisationaler Kooperationen in der Gesundheitsversorgung. In H. Lobnig & R. Grossmann (Hrsg.), Organisationsentwicklung im Krankenhaus (S. 191–217). Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
Grossmann, R., Bauer, G., & Scala, K. (2015). Einführung in die systemische Organisationsentwicklung. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag.
Heidenreich, M. (2014). Regionale Netzwerke. In J. Weyer (Hrsg.), Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung (3. Aufl. S. 161–181). Berlin: De Gruyter.
Heidling, E. (2014). Strategische Netzwerke. Kooperation und Interaktion in asymmetrisch strukturierten Unternehmensnetzwerken. In J. Weyer (Hrsg.), Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung (3. Aufl. S. 131–160). Berlin: De Gruyter.
Kühl, S. (2011). Organisationen. Eine sehr kurze Einführung. Wiesbaden: VS.
Kühl, S. (2018). Organisationskulturen beeinflussen. Eine sehr kurze Einführung. Wiesbaden: Springer VS.
Luhmann, N. (1986). Die Lebenswelt – nach Rücksprache mit Phänomenologen. Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, 72, 176–194.
Luhmann, N. (2000). Organisation und Entscheidung. Wiesbaden: VS.
Mayntz, R. (1961). Die Organisationssoziologie und ihrer Beziehungen zur Organisationslehre. In E. Schnaufer & K. Agathe (Hrsg.), Organisation. TFB-Handbuch, (Bd. 1, S. 29–54). Berlin, Baden-Baden.
Mintzberg, H. (1978). Patterns in strategy formation. Management Science, 24, 934–948.
Penter, V., & Beivers, A. (2023). Krankenhausreform. Mehr Plan weniger Markt. KU Gesundheitsmanagement, 92(7), 55–57.
Pohlmann, M. (2016). Soziologie der Organisation. Eine Einführung (2. Aufl.). Konstanz, München: UVK.
Preisendörfer, P. (2016). Organisationssoziologie. Grundlagen, Theorien und Problemstellungen (4. Aufl.). Wiesbaden: Springer VS
Raeder, S. (2023). Sustaining psycholocical contracts during organizational change. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 54(2), 211–221.
Staehle, W. H., & Conrad, P. (1999). Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive (8. Aufl.). München: Vahlen.
Weyer, J. (Hrsg.). (2014). Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung (3. Aufl.). Berlin: De Gruyter.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Additional information
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Rights and permissions
Springer Nature oder sein Lizenzgeber (z.B. eine Gesellschaft oder ein*e andere*r Vertragspartner*in) hält die ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Artikel kraft eines Verlagsvertrags mit dem/den Autor*in(nen) oder anderen Rechteinhaber*in(nen); die Selbstarchivierung der akzeptierten Manuskriptversion dieses Artikels durch Autor*in(nen) unterliegt ausschließlich den Bedingungen dieses Verlagsvertrags und dem geltenden Recht.
About this article
Cite this article
Dirksen, RG.C. Netzwerke der psychiatrischen Gesundheitsversorgung. Gr Interakt Org 55, 79–88 (2024). https://doi.org/10.1007/s11612-024-00726-8
Accepted:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s11612-024-00726-8