Die Pandemie hat mit den wiederholten Schulschließungen seit März 2020 und dem damit erforderlichen Distanzunterricht einen Digitalisierungsschub ausgelöst, welcher in erster Linie der Sicherung der Unterrichtsversorgung diente (Albó et al. 2020; Gogolin et al. 2021; Mußmann et al. 2021; Scully et al. 2021). Vor der Pandemie nutzen in deutschen Schulen der Sekundarstufe I/II 39 % der Lehrkräfte digitale Medien jeden Tag für das Unterrichten, ein Jahr später waren es 68 % (Mußmann et al. 2021). Eine stärkere Techniknutzung kann für alle Schulen konstatiert werden, jedoch zeigt sich eine sehr große Kluft bei ihrer digitalen Reife (Mußmann et al. 2021). Damit ist gemeint, dass Schulen hinsichtlich der Qualität ihrer technischen Ausstattung und deren Nutzung ein unterschiedlich hohes Niveau erreichen, das mit Hilfe von Evaluationskriterien ermittelt wird (Ilomäki und Lakkala 2018; Castano Munoz et al. 2018; Mußmann et al. 2021). In der Studie von Mußmann et al. (2021) werden dazu siebzehn Merkmale herangezogen, welche die schulische Strategie und die digitale Infrastruktur als zentrale Voraussetzungen für das digital unterstützte Lehren und Lernen bewerten. Die Autoren stellen fest, dass 12 % der Schulen sich demnach als „Digitale Vorreiter“ von anderen Schulen absetzen, während 33 % der Schulen als Digitale Nachzügler zu qualifizieren sind (Mußmann et al. 2021). Lehrkräfte an digitalen Nachzügler Schulen erleben gravierende Einschränkungen, überhaupt digitale Medien im Unterricht einsetzen zu können, Konzeptlosigkeit beim digital unterstützten Unterrichten und können somit einen Rückstand bei der Entwicklung der digitalen Kompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler kaum vermeiden (Eickelmann und Drossel 2020). Darüber hinaus werden sie aber auch mit schlechteren Arbeitsbedingungen und Einschränkungen hinsichtlich ihrer beruflichen Entwicklungsperspektiven konfrontiert (Mußmann et al. 2021). Schulen müssen wie alle Bildungseinrichtungen digitalen Medien integrieren und lernen, diese effektiv zu nutzen, um ihre Kernaufgabe erfüllen zu können, Schülerinnen und Schüler auf ein Leben in einer komplexen Welt mit raschen technologischem und sozialem Wandel vorzubereiten (Kampylis et al. 2015). Da die zentrale Leistung der Organisation Schule darin besteht, dass die Schülerinnen und Schüler die Kompetenzen erwerben sollen, „die für eine aktive, selbstbestimmte Teilhabe in einer digitalen Welt erforderlich sind“ (KMK 2017), ist eine solche digitale Kluft in einer demokratischen Gesellschaft kaum zu verantworten.

Die Schulforschung geht davon aus, dass eine erfolgreiche Implementierung digitaler Medien in den Schulen nicht allein durch Fortbildungen der Lehrkräfte (Personalentwicklung) ermöglicht werden kann. Denn es reicht nicht aus, wenn die digitalen Medien von einzelnen Lehrkräften nach deren individuellem Engagement genutzt werden. Vielmehr wird es für erforderlich gehalten, dass Schulen integrierte Konzepte für ein modernes Unterrichten umsetzen (Schmid et al. 2017). Dazu muss sich ein Kollegium gemeinsam über die pädagogischen und didaktischen Ziele für das digital unterstützte Unterrichtens verständigen und Konzepte für den Einsatz der Medien entwickeln (Heldt et al. 2020). Dabei geht es nicht einfach darum, analoge Werkzeuge (Schiefertafel) durch digitale (Smartboards) zu ersetzen, sondern neue Formen des digital unterstützten Lehrens und Lernens zu entwickeln (z. B. selbstgesteuertes Lernen mit digitalen Medien). Dies setzt voraus, dass eine Integration der Techniknutzung in das pädagogische Handeln erfolgt (Gilmore und Deos 2020). Zum Erwerb zukunftsfähiger Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler wird zudem eine Transformation des Unterrichtens in Richtung auf eine aktive, partizipative Form des Lernens für erforderlich gehalten (Glover et al. 2016; Jeladze und Pata 2018; Islam und Grönlund 2016). Um dies zu ermöglichen, müssen organisationale Verantwortlichkeiten und belastbare Infrastrukturen geschaffen werden. Das digitale Lehren und Lernen soll zudem nachhaltig implementiert und nicht nach dem Ende der Pandemie, dem Weggang von Promotoren oder dem Wegfall von Fördermitteln wieder eingestellt werden. „Diese Merkmale verdeutlichen, dass die Implementation digitaler Medien an Schulen untrennbar mit Schulentwicklung verbunden ist.“ (Gräsel et al. 2020) Als Schulentwicklung wird klassischer Weise die „Trias“ von Personal‑, Organisations- und Unterrichtsentwicklung verstanden, im Sinne einer Kombination dreier zusammenhängender Prozesse (Rolff und Thünken 2020). Vor diesem Hintergrund könnte man also vermuten, dass die digitale Spaltung zwischen den Schulen sich auch dadurch erklären lässt, dass viele Schulen die Implementierungsprozesse digitaler Medien nicht richtig beherrschen und daher bei ihrer Schulentwicklung unterschiedlich erfolgreich sind.

Das Ziel dieses Schwerpunktheftes der GIO ist es, darüber zu reflektieren, inwieweit soziotechnisches Gedankengut systematischer genutzt werden kann. In diesem Sinne soll in diesem Artikel diskutiert werden, inwieweit SchulenFootnote 1 Nachhilfe bei der sozio-technischen Systemgestaltung (STS) benötigen, um ihre Schulentwicklungsprozesse hinsichtlich der Nutzung digitaler Medien für das Lehren und Lernen zu verbessern. Ausgangspunkt der STS ist die Erfahrung, dass die Technik ihre Nutzung nicht determiniert („Sachzwänge“), sondern bedeutsame Gestaltungsspielräume existieren. Eine erfolgreiche Techniknutzung setzt voraus, dass die Menschen an ihrer Entwicklung und Umsetzung beteiligt werden. Der Fokus der STS liegt darauf, Wissen und die Fähigkeiten von Menschen besser zu nutzen, um die Techniknutzung in einer Organisation zu optimieren (Pasmore et al. 2019). Ziel der STS ist es, Menschen die Kontrolle über die Arbeitsprozesse und die eingesetzte Technik zu verschaffen, um die Leistung der Organisation zu optimieren und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten menschenfreundlicher zu gestalten (Bendel und Latniak 2020). Da durch die Digitalisierung das Tempo der Implementierung neuer Medien und die Komplexität der technischen Systeme stark zugenommen haben, werden sozio-technische Ansätze für die Gestaltung für besonders geeignet gehalten (Winby und Mohrman 2018; Parker und Grote 2022). Kann dies auch für die Schulentwicklung gelten? Dieser Beitrag möchte diese Frage beantworten und klären, worin der Mehrwert eines Rückgriffs der Schulentwicklung auf die STS bestehen könnteFootnote 2.

Diese Frage wird in fünf Schritten diskutiert. Erstens ist zu konstatieren, dass die sozio-technische Systemgestaltung bislang konzeptionell und begrifflich im Kontext der Schulentwicklung keine Rolle spielt. Abgesehen von einem Beitrag, auf den wir nachfolgend eingehen, findet das Stichwort in Datenbankrecherchen keinen Niederschlag. Aus sozio-technischer Perspektive ist dies ein niederschmetterndes Ergebnis, welches die Frage aufwirft, welchen Nutzen eine systematische Berücksichtigung sozio-technischer Ansätze für die Schulentwicklung hätte. Daher wird in einem zweiten Schritt auf der Basis jüngerer Beiträge das Angebot der STS vorgestellt, indem sechs grundlegende Erkenntnisse zur erfolgversprechenden Gestaltung digitaler Innovationsprozesse herausgearbeitet werden. Um uns dann in einem dritten Schritt anhand von ausgewählten Beiträgen aus der Forschung zur Implementierung des digital unterstützten Unterrichtens zu vergewissern, dass sozio-technische Konzepte auf die Techniknutzung in Schulen grundsätzlich übertragbar sind. In einem vierten Schritt wird anhand der praxisbezogenen Literatur, die Schulentwicklungsprozesse anleiten will, schließlich überprüft, inwieweit diese Erkenntnisse gegenwärtig in der Literatur zur Schulentwicklung bereits Berücksichtigung finden – inwieweit also eine sozio-technisch informierte Nachhilfe notwendig erscheint. Auf dieser Grundlage kann abschließend geklärt werden, welchen Nutzen STS Ansätze für die Praxis der Schulentwicklung haben könnten.

1 Sozio-technische Ansätze und Schule – eine Offenbarung

Der Artikel war ursprünglich als ein systematisches Review der Literatur zu sozio-technischen Beiträgen zur Schulentwicklung geplant und wird nun als Literaturanalyse ausgewählter Beiträge zur Weiterentwicklung des mit digitalen Medien unterstützten Unterrichtens in Schulen realisiert. Denn bei der Recherche in Datenbanken (Proquest, Google Scholar, Fachportal Pädagogik sowie Researchgate) wurde lediglich ein Artikel (Schüpbach 2008) gefunden, der Schulen ausdrücklich als sozio-technische Systeme beschreibt. Darin finden sich weitere Qualifikationsarbeiten, die heute nicht mehr zugänglich sind, daher unberücksichtigt bleiben. Darüber hinaus findet sich kein weiterer für diesen Beitrag verwendbarer Eintrag mit dem Schlagwort Schule und den Stichworten sozio-technisch oder soziotechnisch (bzw. den englischsprachigen Varianten).

Auch eine systematische Auswahl für ein Review zur Implementierung von Medien für das digital unterstützte Lehren und Lernen mit dem Fokus auf die Organisationsentwicklung bzw. Schulentwicklung schien nicht realisierbar. Offenbar hat sich noch keine einheitliche Schlagwortverwendung ergeben, um Prozesse der Implementierung oder Gestaltung der Nutzung von Technik in Schulen zu klassifizieren. Es ist nicht einmal sicher, dass das Wort „Schule“ bzw. „school“ als Schlagwort verwendet wird. Beispielsweise gibt es bei den vier für unser Thema einschlägigen englischsprachigen Artikeln des dritten Kapitels bei 21 Schlagworten nur zwei Dopplungen („ICT“ bzw. „Digital technolog*“) und das Wort „school“ taucht einmal allein sowie dreimal in Kombinationen („school leaders“, „school improvement“, „school transformation“) auf. Auch für Schulentwicklung findet sich kein durchgängiger Terminus. Neben „innovation“ wird „school improvement“ (Ilomäki und Lakkala 2018) oder „school development“ (Pettersson 2021) als Begriff verwendet. Mit dem Schlagwort „school development“ ergeben sich bei Proquest 9741 Ergebnisse. In Kombination z. B. mit „digitalization“ (alle Felder ohne Volltext) waren es noch 9 Ergebnisse, davon eines zu unserem Thema. Es stellte sich also sehr schnell heraus, dass ein systematisches Review im gegebenen Rahmen nicht realisierbar war.

Dementsprechend musste die Methode gewechselt werden. Zur Klärung der Leitfrage dieses Artikels, welchen Mehrwert die Berücksichtigung STS in der Schulentwicklung haben könnte, sollten mit Hilfe einer Literaturanalyse zwei Fragen geklärt werden:

Erstens: Beschreibt die analytische Schulentwicklungsforschung einen Anwendungskontext, der für sozio-technische Analyse- und Gestaltungskonzepte überhaupt geeignet ist – oder unterliegt die Nutzung digitaler Technik in Schulen grundsätzlich abweichenden Bedingungen? Dazu wird in Kap. 3 durch Interpretation ausgewählter analytischer Beiträge der Schulentwicklung geklärt, inwieweit ein sozio-technischer Anwendungsfall gegeben ist.

Zweitens: Inwieweit werden Grundannahmen STS in der empirisch fundierten normativen Schulentwicklung bereits berücksichtigt bzw. welche Lücken sind zu verzeichnen? Dazu wird anhand der Grundannahmen moderner STS herausgearbeitet, inwieweit die normative Literatur zur Schulentwicklung diese Grundannahmen bereits teilt. Aufgrund des Fehlens direkter Bezugnahmen auf sozio-technisch fundierte Quellen erfolgte auch hier eine inhaltliche Interpretation auf mögliche Übereinstimmungen und Unterschiede.

Zwar beruht dieser Beitrag nicht auf einer systematischen, kontrollierten Auswertung der verfügbaren Literatur zur Schulentwicklung, doch stehen die ausgewählten Artikel für einen bedeutsamen Ausschnitt der aktuellen empirischen Schulentwicklung. Sie beschäftigen sich mit der Frage, wie Schulen als Organisationen die Implementierung und Nutzung digitaler Medien für das Unterrichten bewältigen. Ein systematisches Review von 56 Studien zur Schulentwicklung mit Bezug auf das Schulleitungshandeln in der Digitalisierung (Waffner 2021) hat bei der Auswahl geeigneter Beiträge sehr geholfen. Zusätzlich wurden Literaturlisten der einschlägigen Artikel ausgewertet, die bei den verschiedenen Rechercheansätzen gefunden worden sind. Auf dieser Grundlage konnten relevante Beiträge ausgewählt werden, um die beiden angeführten Teilfragen zu beantworten.

Für die erste Frage waren Quellen der analytischen Schulentwicklungsforschung heranzuziehen, die systematisch Zusammenhänge einer erfolgreichen Nutzung digitaler Technik für das Unterrichten identifizieren. Mit zentralen Befunden war interpretativ zu klären, ob der von der sozio-technischen Systemgestaltung angenommene Anwendungsfall prinzipiell gegeben ist.

Für die zweite Frage wurden empirisch fundierte Beiträge ausgewählt, die Umsetzungsvorschläge für die Einführung digitaler Medien zum Unterrichten machen. Hier waren exemplarische Beispiele gefragt, die für den Stand der Diskussion in Schulen von Bedeutung sind (siehe Tab. 1). Waffner identifiziert sechs Konzepte für die Schulentwicklung, „die in der aktuellen Forschung diskutiert werden“ (Waffner 2021). Davon konnten drei für unsere Fragestellung übernommen werden (Ilomäki und Lakkala 2018; Gilmore und Deos 2020; Eickelmann und Gerick 2017). Allerdings wurde anstelle des Letzteren der Beitrag von Labusch et al. (2020) verwendet, da er aktueller ist und ebenfalls auf die Gestaltung orientiert. Drei wurden verworfen, weil sie entweder auf das Führungshandeln von Schulleitungen (Chua und Chua 2017; Kolb 2019) oder die Technikpolitik der Schulverwaltung (Sauers und Richardson 2019) fokussieren und nicht auf die Organisationsentwicklung. Der Beitrag von Rolff und Thünken (2020) wurde von Waffner (2021) zwar gefunden, aber aus unbekannten Gründen nicht in deren Review eingeschlossen. Er wurde in diesen Beitrag aufgenommen, da er für unsere Frage einschlägig ist.

Tab. 1 Übereinstimmung von Konzepten der Schulentwicklung mit den Grundannahmen moderner, soziotechnischer Systemgestaltung

Der einzige bei der Literaturrecherche gefundene Beitrag, der dezidiert den sozio-technischen Systemansatz für die Schulentwicklung empfiehlt, ist von Schüpbach (2008). Sein Gegenstand ist die Bewältigung von Arbeitsbelastungen und nicht die Gestaltung technischer Innovation in der Schule. Der Beitrag zieht in kanonischer Weise den Gründungstext der sozio-technischen Systemgestaltung aus den frühen 1950er-Jahren heran (Trist und Bamforth 1951). Darin werden nach einer Analyse der negativen Effekte eines fehlgesteuerten Industrialisierungsansatzes im britischen Bergbau zentrale Prinzipien der STS entwickelt.

Schüpbach empfiehlt auf dieser Grundlage vier Annahmen der STS auf Schulen zu übertragen: Erstens sollen Schulen als offene, komplexe Arbeitssysteme behandelt werden, die von ihrer Umwelt beeinflusst werden. Wobei diese Arbeitssysteme als ein interdependentes Zusammenspiel eines sozialen und eines technischen Systems zu verstehen seien. Wenn man diese Umweltabhängigkeit akzeptiere, dann ergäbe sich zweitens daraus, dass das Unterrichten in der Schule sich nicht als ungestörter Routineprozess darstellen könne. Vielmehr stellten sich ständig neue externe Anforderungen und ergäben sich Störungen vorhandener Routinen. Die Aufgabe der Schulorganisation bestünde also darin, immer wieder auf diese Störungen und Veränderungsimpulse reagieren zu müssen. Für Lehrkräfte würde dies bedeuten, dass sie neben der Primäraufgabe des Unterrichtens immer auch für die Sekundäraufgabe Schulentwicklung mitverantwortlich seien (z. B. Abstimmung zwischen den Fachlehrkräften, Weiterentwicklung des Curriculums, Einführung digitaler Technik usw.). Drittens ergebe sich daraus ein schulspezifischer Gestaltungsspielraum beim flexiblen Umgang mit den externen Anforderungen, da sich die pädagogischen Ziele auf verschiedene Weise erreichen lassen. Viertens sollten teilautonome Arbeitsgruppen eingeführt werden, da Lehrkräfte dadurch besser mit den Schwankungen im Arbeitssystem umgehen könnten. Sie könnten dann im Team die Aufgaben flexibel verteilen und Arbeitsbelastungen besser untereinander ausgleichen.

Darüber hinaus stellt er fest: „In der Literatur zur Schul- und Unterrichtsforschung finden sich bisher keine nennenswerten Bestrebungen, den soziotechnischen Systemansatz auf Schulen anzuwenden. (…) Erprobte Verfahren oder Instrumente zur soziotechnischen Systemanalyse in Schulen existieren somit beim gegenwärtigen Stand der methodischen Entwicklung nicht.“ (Schüpbach 2008) Dies nimmt er zum Anlass zu skizzieren, wie eine expertengetriebene Arbeits- und Organisationsanalyse auf den Schulkontext zu übertragen wäre (Strohm und Ulich 1997). Demnach würde „unter der Leitung einer Psycholog*in“ in einem „dreimonatigen“ Projekt umfangreiche Analysen mittels Interviews, Gruppendiskussionen, Dokumentenanalysen und schriftlichen Befragungen durchgeführt. Im Sinne des klassischen Survey-Feedback-Verfahrens sollen dann die Beteiligten auf Basis der Expertenrückmeldung in einem partizipativen Prozess ihre Arbeitssituation gezielt verbessern.

Diese recht abstrakten Prinzipien aus einer fünfzig Jahre alten Quelle mit industriellem Kontext als konzeptionellen und methodischen Orientierungsrahmen für die Schulentwicklung anzubieten, das hat die Menschen aus der Schulpraxis möglicherweise nicht überzeugt. Schließlich findet sich bis heute kein weiterer Beitrag mit sozio-technischen Bezügen.

2 Das Angebot der sozio-technischen Systemgestaltung

Es ist nun keineswegs so, wie Schüpbachs Beitrag vermuten ließe, dass sich die sozio-technische Systemgestaltung ausschließlich mit der Einführung teilautonomer Arbeitsgruppen in der Industrie befasst hat (Mohr und van Amelsvoort 2016). Vielmehr hat sie sich beispielsweise auch mit der Gestaltung von kreativen Arbeitsfeldern in Bereichen der Wissensarbeit (Austrom und Ordowich 2016), mit der Gestaltung der Arbeit mit Informationstechnologien (Mumford et al. 2006) oder mit der Techniknutzung im Gesundheitsbereich befasst, bei dem auch die Einbindung der Patientinnen und Patienten – die nicht Teil der Arbeitsorganisation sind – ein Erfolgsfaktor darstellt (Winby und Mohrman 2018). In einer sehr stark verdichteten Zusammenschau des aktuellen Stands der sozio-technischen Systemansätze lassen sich heute sechs Grundannahmen identifizieren, welche eine sozio-technisch informierte Technikgestaltung leiten. Sie werden im Folgenden dargestellt, damit wir in den folgenden Abschnitten prüfen können, inwieweit diese in der Literatur zur Schulentwicklung berücksichtigt werden.

  1. 1.

    Organisationen als „Ecosystem“: Organisationen werden als offene und komplexe Systeme betrachtet, die auf externe Anforderungen flexibel reagieren und die daraus resultierenden Impulse laufend intern verarbeiten müssen. Und zwar indem sie diese Anforderungen mit den Bedürfnissen der Menschen im System in Einklang bringen. Organisationen müssen damit notwendigerweise neben ihren Primäraufgaben (die Erzeugung der Dienstleistung) auch die Sekundäraufgabe der Systementwicklung bewältigen. Diese wird im sozio-technischen Ansatz mit entsprechenden Methoden und Vorgehensweisen als partizipative Gestaltung realisiert. Aufgrund der Komplexität moderner Arbeitsprozesse, ihrer räumlichen Verteilung und ihrer sozialen und informationstechnischen Vernetzung reicht es nicht mehr aus, die Gestaltung wie im klassischen STS-Ansatz auf einzelne Bereiche oder Organisationen zu beschränken. Vielmehr nimmt die moderne STS „ecosystems“ in den Blick und strebt eine Berücksichtigung der Interessen der unterschiedlichen Stakeholder (Beschäftigte, Management, Kunden usw.) an (Winby und Mohrman 2018). Im Zuge der Digitalisierung zwingen überbetriebliche Vernetzungen darüber hinaus zu einer kooperativen Gestaltung im Netzwerk (Winby und Mohrman 2018). Die praktische Konsequenz für die Gestaltung ist, dass ein Mehr-Ebenen-Ansatz erforderlich wird, bei dem Arbeitssysteme, Infrastrukturen und die Gesamtorganisation mit Blick auf strategische Ziele gestaltet werden (Pasmore et al. 2019; Strohm und Ulich 1997).

  2. 2.

    Techniknutzung als sozio-technische Innovation: Die namensgebende Erkenntnis des STS Ansatzes ist, dass Arbeitssysteme aus einer Dualität von sozialem und technischem System bestehen. Die beiden Systeme unterscheiden sich grundlegend in ihrer Steuer- und Planbarkeit (Herrmann 2012). Technische Systeme werden von Menschen geplant, sind von außen steuerbar und in ihrem Verhalten verlässlich, während soziale Systeme sich durch kommunikative Prozesse von innen heraus entwickeln und sich gegenüber Steuerungsversuchen von außen widersetzen können. Das sozio-technische Konzept wurde entwickelt, weil immer wieder gezeigt werden konnte, dass sich soziale Probleme und mangelnde Leistungsfähigkeit von Organisationen auf Widersprüche zwischen sozialem und technischem System zurückführen ließen. Daraus resultierte die Empfehlung, beide Systeme komplementär und aufeinander bezogen zu gestalten (Clegg 2000). Denn das Wie der Nutzung technischer Systeme erlaubt grundsätzlich unterschiedliche Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten (Parker und Grote 2022). Es gibt also einen Raum für innovative und feldspezifische Lösungen, die gemeinsam mit den Betroffenen entwickelt werden können. Dies gilt auch bei Prozessen der Digitalisierung (Latniak et al. 2018).

  3. 3.

    Menschenorientierte Gestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion: Die STS vertritt die normative Position, Menschen nicht als Anhängsel von Maschinen zu behandeln, sondern ihnen die Kontrolle über die technischen Systeme zu verschaffen. Die Arbeitsgestaltung folgt der Prämisse „Quality of working life“ bzw. den Kriterien humanorientierte Gestaltung von Arbeit (Bendel und Latniak 2020). Die STS hat schon früh auch Kriterien für die Gestaltung von Informationssystemen entwickelt (Clegg 2000). In diesen wird sehr deutlich herausgearbeitet, dass die Informationssysteme dazu dienen müssen die Ziele des Systems und dessen Art und Weise des Arbeitens zu unterstützen. Einer proaktiven Gestaltung der Mensch-Computer Interaktion wird im Zuge der Digitalisierung eine zentrale Rolle beigemessen (Parker und Grote 2022). Zusätzlich zur Gestaltung der primären Arbeitsaufgabe muss sich die Arbeitsgestaltung verstärkt mit der Gestaltung der Infrastruktur und der unterstützenden Netzwerke beschäftigen (Pasmore et al. 2019).

  4. 4.

    Ganzheitlichkeit der Systemgestaltung: Die Grundidee STS basiert darauf, dass alle Systemelemente miteinander verbunden sind und es keine Elemente gibt, die anderen vorgezogen werden, alle müssen kongruent aufeinander bezogen gestaltet werden (Clegg 2000). Ziele sozio-technischer Gestaltung sind eine adaptive, innovative und leistungsfähige Organisation sowie gute Arbeitsbedingungen („Gute Arbeit“). Der Focus sozio-technischer Gestaltung liegt auf der Arbeitsgestaltung im Zusammenspiel von Menschen, Technik und Organisation. Hinzu kommen die Qualifizierung und Kompetenzentwicklung der Beschäftigten („Personalentwicklung“) und die Gestaltung der Organisation als lernendes System (Organisationsentwicklung), um letztlich auch die Partizipation bei der Gestaltung zu ermöglichen. Im Zuge der Digitalisierung der Arbeit sieht sich die moderne STS mit dem Problem konfrontiert, unternehmensübergreifende Informationssysteme und ineinander verschachtelte Systeme von Arbeitssystemen gestalten zu müssen (Bendel und Latniak 2020). Im Zusammenhang mit dem Anspruch, die Interessen aller Anspruchsgruppen bei der Gestaltung zu berücksichtigen (siehe 1. Ecosystems) resultiert daraus eine Multidimensionalität der Ziele der STS.

  5. 5.

    Prozesskontrolle und Selbststeuerung: Der Systemansatz geht davon aus, dass alle ungeplanten Ereignisse im System (z. B. Störungen, neue Anforderungen) am besten direkt an dem Ort bearbeitet werden, an dem sie auftreten – ohne dass das Management oder Spezialisten sich damit befassen müssen (Clegg 2000). Dies ermöglicht eine effizientere Problemlösung und das Lernen aus Fehlern. Es setzt eine gewissen Autonomie und Multifunktionalität bei den Beschäftigten voraus. Die Übertragung der Prozesskontrolle betrifft nicht nur die Ausführung der Tätigkeiten, sondern v. a. in höherqualifizierten Bereichen zunehmend auch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch die Beschäftigten (Bendel und Latniak 2020; Hardwig und Weißmann 2021b).

  6. 6.

    Auf permanenten Wandel orientiertes Vorgehensmodell: Die klassische STS behandelte den Organisationswandel als Projekte, d. h. als temporäre Veränderungsprozesse nach dem Modell „Unfreezing, Moving, Freezing“ (Lewin 1947). In diesem Prozess spielte die ausführliche Analyse der Situation und das Feedback durch Expertinnen oder Experten an die Betroffenen eine Schlüsselrolle (Strohm und Ulich 1997). Da man aufgrund des Tempos des gesellschaftlichen Wandels heute davon ausgeht, dass eine permanente „co-evolution“ sozialer und technischer Systeme unverzichtbar ist, muss eine Organisation die Fähigkeit zur laufenden aktiven Gestaltung und die diesbezüglichen Kompetenzen bei ihren Mitgliedern entwickeln (Pasmore et al. 2019). Die Organisationsgestaltung wird zum permanenten Lern- und Entwicklungsprozess mit Methoden und Vorgehensmodellen der Beteiligung vielfältiger Anspruchsgruppen (Winby und Mohrman 2018) und iterativen („agilen“) Vorgehensmodellen (Herrmann und Nierhoff 2019). Letztere beruhen auf einem zyklischen Vorgehen der Planung, Erprobung und anschließenden Reflexion der gemachten Umsetzungserfahrungen. Durch die Reflexionsphasen können die in komplexen Systemen nicht im Voraus antizipierbaren Wirkungen von Maßnahmen auf der Grundlage von empirischen Erfahrungen wahrgenommen und im weiteren Vorgehen schrittweise realisiert werden. Vorhandene Erfahrungen mit kritischen Aspekten sozio-technischer Systemgestaltung können dabei anhand von Heuristiken zur Verfügung gestellt werden, um die Akteure gezielter zu unterstützen (Herrmann und Nierhoff 2019).

Diese sechs Grundannahmen leiten nicht nur das Denken, sondern bilden vor allem eine Leitschnur für sozio-technisch orientierte Praxis. Dafür liegen umfangreiche Analyse- und Gestaltungsmethoden sowie partizipative Vorgehensmodelle vor. Doch trotz der Breite der Anwendungsfelder der sozio-technischen Systemgestaltung fehlen fundierte Erfahrungen aus dem System Schule. Es ist also im nächsten Abschnitt zunächst zu prüfen, ob die Anwendung moderner sozio-technischer Gestaltungskonzepte für die Gestaltung der Implementierung und Nutzung von Technik zur Verbesserung des Lehrens und Lernens sinnvoll erscheint.

3 Implementierung digitaler Medien in Schulen als Anwendungsfall für die sozio-technische Systemgestaltung

Im Rahmen empirischer Schulentwicklungsforschung haben Vanderlinde et al. (2014) auf der Basis einer quantitativen Befragung von 433 Lehrkräften aus 53 Schulen gezeigt, dass Schulfaktoren für die Nutzung digitaler Medien im Unterricht eine zentrale Rolle spielen. Nicht die individuelle Kompetenz der Lehrkräfte, sondern ein Zusammenspiel von Professionalisierung und Kompetenzentwicklung von Lehrkräften, der Entwicklung gemeinsamer Vorstellungen guten Unterrichtens und der Entwicklung einer digitalen Schulstrategie erklärten die Ergebnisse am besten. Auch die Unterschiede in der IT-Kompetenz von Lehrkräften standen in einem deutlichen Zusammenhang zu ihrer Schulzugehörigkeit, was darauf verweist, dass schulbezogene Entwicklungsprozesse ausschlaggebend für die Weiterentwicklung des Lehrens und Lernens sind (Vanderlinde et al. 2014).

Diese Ergebnisse werden auch von den umfangreichen Studien zu den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern (ICILS) bestätigt (Eickelmann et al. 2019a). Gefragt wird hier nach den Faktoren, welche die Leistungsfähigkeit von Schule als Organisation bestimmen. Als zentrales Zielkriterium für die Organisationsleistung wird die Entwicklung computer- und informationsbezogener Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, die in Assessments sorgfältig dokumentiert werden, angenommen. Auf der Basis quantitativer Statistik wird gezeigt, dass die Leistungsfähigkeit von Schulen von Schulmerkmalen sowie von Prozessen in Schule und Unterricht bestimmt wird. Zu den Schulmerkmalen gehören die eingesetzten Medienkonzepte, die IT-Ausstattung, die Einstellungen der Akteure gegenüber der Technik, die digitalen Kompetenzen der Lehrpersonen sowie der Verfügbarkeit von pädagogischem und informationstechnischem Support bei der Techniknutzung. Zu den Prozessmerkmalen zählen die vereinbarten Zielsetzungen des Medieneinsatzes, die Prozesse des Wissens- und Kompetenzerwerbs zum Lehren und Lernen, die Schul- und Lernkultur. Es gibt Schulen, die sich durch eine höhere Schulleistung auszeichnen („digitale Optimalschulen“, Eickelmann und Drossel 2020), sogar unter ungünstigen Kontextbedingungen („resiliente Schulen“, Eickelmann et al. 2019b). Diese Schulen erreichen trotz ungünstigerer Bedingungen eine höhere Leistung, weil sie sich in ihrer Schulentwicklung auf die Umsetzung des digital unterstützten Lernens ausrichten.

Dies sind Belege für die Notwendigkeit, auch die Einführung und Nutzung von digitaler Technik für das Unterrichten als einen partizipativen, unterschiedliche Anspruchsgruppen integrierenden Organisationsentwicklungsprozess anzulegen. Dabei legt die Vielfalt der in diesen Beiträgen identifizierten Einflussfaktoren nahe, die Gestaltung auf das Zusammenspiel von Menschen, Technik und Organisation auszurichten, sich also an dem Kriterium Ganzheitlichkeit im Sinne der STS zu orientieren. Denn aus Sicht der Schulentwicklung wird ein leistungsfähiger Unterricht durch ein Zusammenspiel von Unterrichts- (UE), Personal- (PE), Organisations- (OE), Kooperations- (KE) und Technologieentwicklung (TE) erreicht (Waffner 2021).

Qualitative Fallanalysen von Schulentwicklungsprozessen zeigen darüber hinaus, unter welchen Bedingungen die Akteure in Schulen ihr schulspezifisches Konzept des digital unterstützten Lehren und Lernens erfolgreich realisieren (Pettersson 2021) bzw. wie schulische Akteure innovative pädagogische Nutzungsweisen der Technik hervorbringen (Ilomäki und Lakkala 2018). Pettersson (2021) kommt zu dem Schluss, dass es dabei vor allem darauf ankommt, sich nicht auf den Technikeinsatz zu konzentrieren, sondern auf den Nutzen, den dieser für die Schulgemeinschaft haben könne, und darauf, neue Wege des Arbeitens, Unterrichtens und der Schulorganisation zu finden. Als Anforderung an die Gestaltung formuliert sie die Notwendigkeit, einen mehrdimensionalen organisationalen Wandel auf mehreren Ebenen der Schule gleichzeitig zu realisieren. Damit wird letztlich die Notwendigkeit dargelegt, die Techniknutzung als eine sozio-technische Innovation zu gestalten. Aufgrund der Komplexität des eingeleiteten Wandels und der großen Bedeutung des individuellen und organisationalen Lernens empfiehlt sich hier ein auf permanenten Wandel orientiertes Vorgehensmodell für die Schulentwicklung.

Beide qualitative Beiträge beobachten, dass die Reichweite der Entwicklung neuer Lernformen größer ist, wenn in der Schule eine gemeinsame Vision vom Zweck der Digitalisierung geteilt wird. Vor diesem Hintergrund sind Konzepte notwendig, die eine menschenorientierte Gestaltung der Techniknutzung unter Beteiligung der Betroffenen instruieren können. Zudem ist es sinnvoll, eine Schulorganisation als ein „ecosystem“ zu behandeln, bei dem sowohl lernende und arbeitende Menschen als auch Organisationsmitglieder (Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte) und Externe (Eltern, Schulverwaltung) einen Einfluss auf die Nutzung der digitalen Technik nehmen – und ausdrücklich dazu eingeladen werden. Die empirische Schulentwicklung geht davon aus, dass Schulen Organisationen mit offenen Grenzen sind, zum einen in Richtung Elternhaus der Schülerinnen und Schüler, zum anderen in Richtung auf andere Schulen als Kooperationspartner sowie vor allem die Schuladministration als Ermöglicher oder Verhinderer von Innovation (Jeladze und Pata 2018). Diese Beispiele aus der empirischen Schulentwicklungsforschung zeigen, dass die Techniknutzung in den Schulen ein geeigneter Anwendungsfall für sozio-technische Gestaltungskonzepte darstellt.

4 Die Berücksichtigung sozio-technischer Erkenntnisse seitens der normativen Schulentwicklung

Schulleitungen, Personalräte und Lehrkräfte sowie die Schulträger orientieren sich bei der Einführung von Technik für das digitale Lehren und Lernen wahrscheinlich nicht an der empirische Schulentwicklungsforschung. Vielmehr dürften sie Rat bei einer normativen Literatur zur Schulentwicklung suchen, die konkrete Vorschläge und Anleitungen formuliert, wie die Einführung der Technik und die Gestaltung von Schulentwicklungsprozesse gestaltet werden können. Die hier berücksichtigte Gestaltungsliteratur zum digital unterstützten Lehren und Lernen gründet ihre Vorschläge und Anleitungen auf empirischer Forschung, die sie in der Regel auch selbst durchführen (Tab. 1). Im Folgenden wird vorgestellt, welches Ergebnis die Überprüfung auf Übereinstimmung zwischen den vorgestellten Konzepten und den sechs Grundannahmen sozio-technischer Systemgestaltung (siehe 2.) ergeben hat.

Die ersten drei der im Folgenden vorgestellten Beiträge (Kampylis et al. 2015; Ilomäki und Lakkala 2018; Labusch et al. 2020) stellen Bewertungskriterien bereit, die von Schulakteuren verwendet werden sollen, den Stand und Fortschritt eines Schulentwicklungsprozesses zu bewerten, der auf die Gestaltung der Nutzung digitaler Technik für das Unterrichten zielt. Außerdem kann die Schulverwaltung in die Lage versetzt werden, Transparenz über den Stand der Schulentwicklung erhalten. Diese Modelle bieten ein Werkzeug für die Schulentwicklung an, geben keine konkrete Hinweise zur Gestaltung der Umsetzungsprozesse. Sie formulieren normative Bezugspunkte für eine gelungene Techniknutzung, gehen aber damit von einem Vorgehensmodell aus, das die Schulentwicklung mit Hilfe regelmäßiger Selbstevaluationen vorantreibt. Aufgrund dieses Ansatzes erfüllen alle drei Beiträge implizit das sozio-technische Kriterium, ein Vorgehensmodell zu verfolgen, das einen permanenten Wandel gestaltet. Sie gehen zudem davon aus, dass die verschiedenen Anspruchsgruppen in den Schulen (Schulleitung, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, weitere Fachkräfte) in geeigneter Weise mindestens am Evaluationsprozess beteiligt werden müssen, was ansatzweise das Kriterium Prozesskontrolle und Selbststeuerung anspricht. Aus dem Anspruch eines ganzheitlichen Modells resultiert auch eine Übereinstimmung mit der sozio-technischen Prämisse, dass alle Systemelemente kongruent aufeinander bezogen werden sollen und dabei Menschen, Technik und Organisationsaspekte zu beachten sind. Unterschiede sind jedoch darin zu sehen, dass nicht alle aus sozio-technischer Sicht relevanten Aspekte in den Modellen enthalten sind und daher der Anspruch der Ganzheitlichkeit begrenzt ist.

Das im Auftrag der Europäischen Kommission entwickelte Rahmenwerk DigCompOrg (Kampylis et al. 2015) beschreibt in sieben Dimensionen detailliert (in 74 Deskriptoren), was eine digital kompetente Schule ausmacht: Eine auf digitales Lehren und Lernen orientierte Führung und Leitung, eine darauf bezogene pädagogische Praxis, die professionelle Entwicklung des Bildungspersonals, Bewertungspraktiken, Inhalte und Curricula, Zusammenarbeit und Netzwerke sowie schließlich die digitale Infrastruktur. Darauf aufbauend wurde mit SELFIE (Self-reflection on Effective Learning by Fostering the Use of Innovative Educational Technologies) ein Werkzeuge zur Selbsteinschätzung des Standes der Schulentwicklung vorgelegt, welches einen partizipativen Schulentwicklungsprozess unter Einbindung von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften vorsieht (Castano Munoz et al. 2018; Costa et al. 2021). Wie eine Analyse der Begründungen des Konzeptes ergibt (Tab. 1), erfüllt DigiCompOrg das sozio-technische Kriterium der Ganzheitlichkeit der Systemgestaltung und empfiehlt auch im sozio-technischen Sinne, Schulen als „ecosystems“ zu behandeln. Was aus sozio-technischer Sicht fehlt, ist eine klare Vorstellung von der Dualität von sozialem und technischen System. Sie thematisieren auch nicht, dass es sich um ein Arbeitssystem handelt. Daraus ergeben sich Lücken v. a. im Aspekt Techniknutzung als sozio-technische Innovation.

Das „Innovative Digital School Model“ (ID) von Ilomäki und Lakkala (2018) dient der Untersuchung, inwieweit die Schulen digitale Techniken in innovativer Weise zur Verbesserung des Unterrichtens und der Arbeit verwenden. Das Modell beschreibt in sechs Dimensionen Anforderungen an die Schulentwicklung auf zwei Ebenen: Auf der Unterrichtsebene werden Anforderungen an die Techniknutzung für die pädagogische Praxis, den Wissensaustausch zwischen den Beteiligten sowie an die Kompetenzen der verschiedenen Akteure beschrieben. Auf der Schulebene werden Anforderungen für eine integrierende Vision der Techniknutzung, für die Führungsprinzipien der Schulleitung sowie die pädagogische Zusammenarbeit und das Netzwerken definiert. Wie Tab. 1 dokumentiert, wird gegenüber dem Beitrag von Kampylis et al. (2015) der Aspekt sozio-technische Innovation stärker berücksichtigt und auch die Notwendigkeit, eines auf permanenten Wandel orientierten Vorgehensmodells expliziter formuliert.

Eine „Transferbroschüre“ aus dem ICILS-Forschungsteam (Labusch et al. 2020) entwickelt ausgehend von dem ICILS-Rahmenmodell der Schulentwicklung und den Ergebnissen der ICILS Erhebungen Evaluationsfragen in den fünf Dimensionen der Schulentwicklung (UE, PE, OE, KE, TE). Es stellt Instrumente (weitgehend praxisbezogene Übertragungen der ICILS Fragen) dafür bereit. In der Broschüre wird deutlich, dass eine sehr kontrollierte Form der Beteiligung vorgesehen wird, da man differenziert je nach Dimension unterscheidet, wer an der Evaluation beteiligt werden sollte. Bei der OE sind es die Schulleitungen, bei der UE sind es Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler, bei der TE Schulleitungen, Lehrkräfte und IT-Koordinatoren. Auch der Veränderungsimpuls durch die Selbstevaluationen bleibt unverbindlicher als bei SELFIE: „Diese können einen möglichen Anlass für Diskussionen“ über die in den jeweiligen Dimensionen des ICILS Modells jeweils reflektierten Aspekte bieten; immerhin Diskussionen. Mit diesem begrenzten Beteiligungsansatz erfüllen sie das STS Kriterium Prozesskontrolle und Selbststeuerung nur ansatzweise. Im Unterschied zu den anderen beiden Konzepten betonen sie die Notwendigkeit der Gestaltung der technischen Infrastruktur weniger.

Weitere Beiträge aus der normativen Schulentwicklung entwickeln im Unterschied zu den gerade diskutierten Selbstbewertungsmodellen Vorschläge wie Schulentwicklung konkret zu gestalten ist.

Das Konzept von Gilmore und Deos (2020) beschreibt wie die Techniknutzung in das Unterrichtsgeschehen integriert werden kann. Sie plädieren engagiert dafür, die Technik nicht als zusätzliches, belastendes Element („Add-on“) zu sehen, sondern integrativ mit dem Curriculum und dem Unterrichten zu verknüpfen. Wie Personen in unterschiedlichen Rollen (Lehrkräfte, Schulleitungen, IT-Verantwortliche, Schuladministration) dafür sorgen können, dass die Techniknutzung zum natürlichen Element des Unterrichtshandelns werden kann, wird bezogen auf das Unterrichten und die Curriculumsentwicklung praxisnah illustriert. Das Konzept basiert ebenfalls auf einem ganzheitlichen Konzept mit etwas anders akzentuierten Elementen (Purpose, Mindset, Pedagogy, Curriculum, Resources, Leadership). Widersprüchlich erscheint, dass sie einerseits betonen, dass diese untrennbar miteinander verknüpft seien, andererseits jedoch dazu auffordern, auch bei ungünstigen infrastrukturellen Voraussetzungen pragmatisch mit der Technikintegration anzufangen. Als ob eine Veränderung allein vom individuellen Engagement in seiner oder ihrer individuellen Rolle (z. B. als Lehrkraft oder Schulleitung) abhängig wäre. Insofern wird in diesem Beitrag das sozio-technische Kriterium Ganzheitlichkeit nicht erfüllt. Es fehlt zudem auch an einem Verständnis der wechselseitigen Abhängigkeiten von technischem und sozialem System und den daraus resultierenden Anforderungen an die Gestaltung der Schnittstelle von Mensch und Computer. Trotz verschiedener Vorgehensmodelle (z. B. für die Curriculumsentwicklung, für die Technikintegration) bleibt der Aspekt der Organisationsentwicklung am Ende merkwürdig blass. Dies liegt zum einen an der Überbetonung der individuellen Handlungsmöglichkeiten und zum anderen an einer systematischen Unterschätzung der technischen und organisationalen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung digital unterstützten Lehrens und Lernens. Eine leistungsfähige Hard- und Software-Ausstattung und ein qualifizierter IT-Support haben sich im pandemiebedingten Fernunterricht als Voraussetzungen für erfolgreiche Schulen erwiesen (Beywl et al. 2021) und gelten generell als Voraussetzung für eine hohe Schulleistung (Eickelmann et al. 2019a).

Der Beitrag von Rolff und Thünken (2020) stellt ihre Vorstellungen von Schulentwicklung anhand von zwei qualitativen Fallstudien vor. In denen haben sich Schulen auf den Weg gemacht, das „digital gestützte Lernen“ zu realisieren. Die Autoren beharren auf der Trias der Schulentwicklung OE, PE, UE und fordern statt eines „Hinzuaddierens“ weiterer Aspekte (KE, TE) deren Integration. Sie betrachten diese Dimensionen ganzheitlicher. Während bei Labusch u. a. OE auf die „gemeinsamen schulischen Ziel- und Prioritätensetzungen für eine nachhaltige Verankerung des Lernens und Lehrens mit digitalen Medien“ (Labusch et al. 2020) beschränkt wird, wird bei Rolff und Thünken OE quasi in sozio-technischer Weise geöffnet: „Organisationsentwicklung ist ein offenes, zielorientiertes, planmäßiges Vorgehen im Umgang mit Veränderungsanforderungen und Veränderungsabsichten in sozialen Systemen. (…) Organisationsentwicklung will die technischen und menschlichen Aspekte eines sozialen Systems integrieren, respektiert aber gleichzeitig deren je eigene Gesetzmäßigkeiten. Sie betrachtet die Bedürfnisse der Organisation und deren Mitglieder als gleichberechtigt. Organisationsentwicklung ist ein pädagogischer Ansatz. Er schafft gezielt Lernsituationen im Alltag für Personen, Gruppen und das gesamte System.“ (Rolff und Thünken 2020, S. 11 f.) Entsprechend tauchen in der Übersicht neben dem Schulprogramm Aspekte wie Erziehungsklima, Change Management, Technische Infrastruktur, Steuergruppe und Digital-Gremien auf. Im Unterschied zu den bisher genannten Beiträgen kann die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Lehrkräften auch zu einem Zielkriterium der Schulentwicklung werden.

Der Beitrag empfiehlt eine Planung der Schulentwicklung von der Zukunft her, die in Projekten realisiert und im Rahmen einer rollenden Planung laufend an eintretende Veränderungen und veränderte Bedürfnisse angepasst wird. Die rollende Planung wird mit dem disruptiven Charakter des Wandels und von der Unmöglichkeit her begründet, diese Disruptionen bei der Planung vorwegnehmen zu können (Rolff und Thünken 2020). Entsprechend muss das Change Management Raum für neues Denken und Handeln schaffen. Eine wichtige Rolle dafür spielen systematische, auf Unterrichtsentwicklung bezogene Evaluationen und der Aufbau einer Feedback-Kultur (Rolff und Thünken 2020). Das Vorgehen erfolgt in Phasen. In der ersten Phase werden alle Akteursgruppen, also auch Eltern und Schülerschaft an der Diagnose der Situation beteiligt. In der zweiten Phase werden mit einer komplexen Beteiligungsarchitektur Entwicklungsfahrpläne für die Bereiche Strategie, Struktur (Binnenarchitektur), Kultur (Werte, Haltungen, Widerstand) und Steuerung (Qualität, Evaluation) erstellt. Zentrale Fragestellung: „Wie soll digital gestütztes Lernen an unserer Schule weiterentwickelt werden?“ Nicht mehr erwähnt wird die sicherlich dann folgende dritte Phase der Umsetzung, die im Rahmen der rollenden Planung eine schrittweise Weiterentwicklung der konkreten Vorhaben zur Erreichung der Zielvision vorsieht.

Im Unterschied zu Gilmore und Deos (2020) reflektieren Rolff und Thünken (2020) die Notwendigkeit, die Gestaltung des sozialen und technischen Systems aufeinander beziehen zu müssen. Sie formulieren auch klarere Vorstellungen dazu, wie die Ganzheitlichkeit der Systemgestaltung realisiert werden kann. Insgesamt stimmt dieser Beitrag mit den Grundannahmen sozio-technischer Systemgestaltung am stärksten überein.

Alles in allem können wir festhalten, dass die fünf hier analysierten Beiträge aus der Schulentwicklung in einem hohen Maße Gestaltungsvorstellungen präsentieren, die mit sozio-technischen Konzepten grundsätzlich übereinstimmen. Die Konzepte der Schulentwicklung bieten sowohl Konzepte für eine ganzheitliche Bewertung der Qualität der Techniknutzung und ihrer Voraussetzungen als auch konkrete Anleitungen für die Gestaltung der Schulentwicklungsprozesse. Zwar streben sie alle an, im Rahmen der Schulentwicklung einen Raum für innovative, feldspezifische Lösungen anzubieten, formulieren aber mit einer Ausnahme (Rolff und Thünken 2020) keine klaren Vorstellungen davon, wie eine gemeinsame Optimierung von sozialem und technischem System gelingen kann. Insbesondere das stark voluntaristische Herangehen von Gilmore und Deos (2020) an die Techniknutzung ignoriert aus sozio-technischer Sicht die wechselseitige Abhängigkeiten von sozialem und technischem System.

Alle Beiträge verzichten darauf, die Techniknutzung aus einer Arbeitssystem-Perspektive zu gestalten, was sozio-technischem Denken völlig entgegensteht. Dies resultiert wahrscheinlich aus eine starken Skepsis, die vor allem seitens der traditionellen Pädagogik dem digital unterstützten Lehren und Lernen entgegengebracht wird. Der politische Kompromiss besteht im „Primat des Pädagogischen“ (KMK 2017) beim Einsatz digitaler Medien in der Schule. Dies hat die Folge, dass sich Schulleitungen und Lehrkräfte in der Praxis ganz auf die Gestaltung schulischer Lehr- und Lernprozesse fokussieren und die konkreten Arbeitsbedingungen von Lehrkräften aus dem Blick geraten.

5 Das Potenzial einer systematischen Berücksichtigung sozio-technischer Ansätze für die Schulentwicklung

Ausgehend von der Vermutung, dass sich der Rückstand vieler Schulen bei der Nutzung digitaler Medien für das Unterrichten auf Schwierigkeiten mit der Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen zurückführen lässt, wurde die Frage aufgeworfen, welchen Nutzen eine stärkere Berücksichtigung sozio-technischer Ansätze für die Schulentwicklung haben könnte.

Die Analyse empirische Beiträge aus der Schulentwicklungsforschung zeigt, dass die Techniknutzung in Schulen ein typischer Anwendungsfall für sozio-technische Systemgestaltung ist. Ein erfolgreicher Einsatz digitaler Medien ist zu verzeichnen, wenn durch eine ganzheitliche Systemgestaltung menschliche, organisationale und technische Aspekte integrativ behandelt werden. „Allein die Ausstattung mit digitaler Technik wird uns (…) nicht entscheidend voranbringen.“ (Schmid et al. 2017) Vielmehr bedarf es einer Prozessgestaltung welche einen Raum für sozio-technische Innovationen schafft, in dem neue Formen des Lehrens und Lernens entstehen, die von den sozialen Akteuren im System getragen werden.

Die Überprüfung von Übereinstimmungen zwischen der normativen Schulentwicklungsliteratur und dem sozio-technischen Gestaltungsansatz, hat ergeben, dass viele Annahmen zur erfolgversprechenden Gestaltung von Prozessen der Techniknutzung grundsätzlich geteilt werden. Sie beziehen sich vor allem darauf, dass es einer ganzheitlichen Systemgestaltung bedarf, die eine Beteiligung aller Akteure im System (Schulleitung, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Fachkräfte) vorsehen muss und auch externe Anspruchsgruppen (Eltern, Schulverwaltung) einzubeziehen sind. Organisationen sind als „Ecosystems“ zu behandeln und aufgrund der Komplexität der Einflussfaktoren ist ein Schulentwicklungsprozess als permanenter Wandel zu gestalten.

Der Nutzen einer systematischen Berücksichtigung sozio-technischer Ansätze für die konkrete Praxis der Schulentwicklung bei der Gestaltung des digital unterstützten Lehrens und Lernens könnte zunächst darin bestehen, bereits erlangte Kenntnisse in einen breiteren Zusammenhang zu stellen und systematisch miteinander zu verknüpfen. Dabei bilden die sechs Grundannahmen der STS einen integrierenden Rahmen. Darüber hinaus könnte die STS dabei helfen, die identifizierten Leerstellen der Schulentwicklung substantiell zu füllen. Von einer Ausnahme abgesehen (Rolff und Thünken 2020) fehlt der Schulentwicklung ein genaueres Verständnis von der Dualität von sozialem und technischen System und deren widersprüchlichen Steuerungslogiken. Die führt zu voluntaristischen Verkürzungen (Gilmore und Deos 2020) und dem Appell an die Individuen, einfach schon mal mit innovativen Praktiken anzufangen. In der Vergangenheit haben Schulleitungen und Schulbehörden weitgehend darauf verzichtet, das digitalen Lehren und Lernen strategisch zu gestalten (Schmid et al. 2017). Lehrkräfte haben diese Lücke je nach Engagement und Fähigkeiten unterschiedlich gefüllt und sich für die digitale Entwicklung an ihrer Schule und auch für ihre Weiterbildung selbst als Initiatoren verantwortlich gefühlt (Schmid et al. 2017). Technikintegration in dieser Tradition fortzuschreiben, würde die praktischen Probleme in den Schulen nicht nur in die Zukunft verlängern. Vielmehr erfordert der mit der Digitalisierung angestoßene Wandel aufgrund seiner Komplexität ein strategische Vorgehen, das auf eine integrierte Schulentwicklung setzt und die Techniknutzung als sozio-technische Innovation gestalten kann. Lehrkräfte und weitere Anspruchsgruppen sind in partizipativen Beteiligungsformen an der Umsetzung zu beteiligen. Beispiele wie dies aussehen kann, liefert die Schulentwicklung durchaus (Rolff und Thünken 2020). Mit einem sozio-technischen Hintergrund kann auch besser geklärt werden, wie eine menschenorientierte Gestaltung der Mensch-Computer-Interaktion in der Schule aussehen soll. Erste Überlegungen finden sich bislang zwar bezogen auf die Unterrichts- und Curriculumsentwicklung (Gilmore und Deos 2020), aber kaum auf die Fragen nach der Nutzbarkeit von Technik in der Schule. Diese muss aus den verschiedenen Nutzungsperspektiven sehr viel intensiver behandelt werden. Aspekte wie Bedienungsfreundlichkeit der Technik, Systementwicklung und auch Datenschutz sollten nicht der Verwaltung überlassen werden, sondern integrativer Teil einer partizipativen Schulentwicklung sein. Erfahrungen mit dem Einsatz von Kollaborationsplattformen (die mit den in Schulen eingesetzten Lernplattformen verwandt sind) in technikaffinen Unternehmen zeigen, dass die Potenziale der Technik nur durch eine ganzheitliche Arbeitsgestaltung sowie kollektive Lern- und Entwicklungsprozesse ausgeschöpft werden können (Hardwig und Weißmann 2021a).

Die STS könnte auch dabei helfen, die enge Fokussierung auf die Schülerinnen und Schüler und das Unterrichten zu überwinden. Die digitale Technik dient nicht nur dem Unterrichten, sondern auch zur Organisation von Schule (Gerick und Tulowitzki 2019). Beispielsweise werden Lernplattformen nicht nur zur Bereitstellung von Lernmaterialien genutzt, sondern auch zur Schuladministration (z. B. Klassenbuch) und zur Kommunikation mit Eltern und Kollegenschaft. Die Technik ist also ein zentrales Arbeitsmittel für Lehrkräfte und auch für die Schulverwaltungsprozesse. Die STS bietet den Vorteil, einen Gestaltungsprozess auf der Grundlage der Analyse von Arbeitssystemen anzulegen. Sie hat in ihrer Geschichte Konzepte entwickelt, um komplexe Entwicklungsprozesse auf mehreren Handlungsebenen (Arbeitssystem, Organisation, Ecosystem) zu gestalten. Die Interessen der Lehrkräfte als Arbeitende würden dann als Voraussetzungen und Bedingungen für einen erfolgreichen Wandel berücksichtigt werden. Das Arbeiten in der Schule erzeugt systematische Belastungen (Schüpbach 2008), die zu bearbeiten sind, damit Raum für die Entwicklung neuer Lehr- und Lernformen geschaffen wird. Die Arbeitsbedingungen von Lehrkräften in Deutschland werden durch eine extreme hohe Arbeitsintensität geprägt (Mußmann et al. 2021), ihre Arbeitszeitbelastung zwingt sie in ein „Qualitätsdilemma“ (Mußmann et al. 2020) und gefährdet ihre Gesundheit (Kreuzfeld et al. 2022). Daraus ergeben sich Hürden bei der Schulentwicklung (Albó et al. 2020). Sie lassen sich nur überwinden, wenn die Schulentwicklung als eine humanorientierte Arbeitsgestaltung angelegt wird.