Hill, Charles T.: Intimate Relationships across Cultures. A Comparative Study. Cambridge: Cambridge University Press 2019. 280 Seiten. ISBN: 978-1-316-64740‑0. Preis: £ 26,99.

Erschienen in der Serie Advances in Personal Relationships bei Cambridge University Press präsentiert der US-amerikanische Sozialpsychologe Charles T. Hill in diesem Buch die Ergebnisse einer ländervergleichenden Studie zu den Determinanten von Partnerschaftszufriedenheit und Commitment. Ein erstes Ziel dieser Studie ist die Analyse historischen Wandels seit der Durchführung der Boston Couples Study, die der Autor in Zusammenarbeit mit Zick Rubin und Letitia Anne Pelau vor beinahe 50 Jahren initiierte und in der junge Erwachsene über einen Zeitraum von bis zu 25 Jahren wiederholt zu ihrer Biografie, ihren Einstellungen, Praktiken und Partnerschaftserfahrungen befragt wurden. Ein zweites Ziel der hier vorgestellten Studie ist die theoretische Entwicklung und empirische Überprüfung von Vorhersagemodellen zum Eingehen einer Partnerschaft auf der einen Seite und zum Beziehungscommitment auf der anderen Seite. Drittens setzt sich der Autor zum Ziel, die Vorhersagekraft der Modelle in 8 verschiedenen Typen von Paarbeziehungen und 9 Weltregionen zu vergleichen. Dazu kooperiert Hill in dieser Studie mit 26 Forschern aus 22 Ländern.

Das Buch gliedert sich in 13 Kapitel. Im ersten Kapitel werden nach Vorbild eines Lehrbuchs zentrale Begriffe und Konzepte definiert und die statistische Analysemethode – Strukturgleichungsmodelle – eingeführt. In den Kapiteln 2 bis 9 werden Gruppen von Determinanten in ihrem Zusammenhang mit dem Eingehen einer Paarbeziehung, Beziehungszufriedenheit und Partnerschaftscommitment untersucht. Die Auswahl der untersuchten Determinanten reicht von Lebenszielen, Persönlichkeitsmerkmalen, Werten und Geschlechtsrolleneinstellungen über Verhalten und Ausdrucksformen hin zu Austausch- und Machtdynamiken in Paarbeziehungen. Im zehnten Kapitel werden diese Faktoren in ein umfassendes Partner-Modell (Original: Comprehensive Partner Model) beziehungsweise ein umfassendes Commitment-Modell (Original: Comprehensive Commitment Model) integriert. Kapitel 11 widmet sich der Frage, inwiefern die Befunde dieser Modelle zwischen Männern und Frauen, Beziehungsformen und Regionen variieren. In den beiden abschließenden Kapiteln werden die Implikationen der Befunde (Kapitel 12) und die Limitationen der Studie (Kapitel 13) diskutiert. In jedem Kapitel laden sogenannte Spotlights die Leser ein, sich vertiefend mit der Variation der untersuchten Zusammenhänge in spezifischen kulturellen Kontexten oder Beziehungstypen zu beschäftigen. Einige Kapitel beinhalten einen Paragrafen der „self reflection“, in denen der Autor die Leser einlädt, persönliche Erfahrungen zu reflektieren.

Angesichts der Fülle der empirischen Befunde, die in diesem Buch präsentiert werden, beschränke ich mich auf einige zentrale Ergebnisse der Studie. Die in Hills Studie herangezogenen Determinanten des Eingehens einer Partnerschaft – Motivation, Selbstbewusstsein, Reife und Gelegenheitsstruktur – erklären lediglich einen kleinen Teil (16 %) der Variation im Partnerschaftsstatus (Comprehensive Partner Model). Umso beeindruckender lesen sich die Ergebnisse hinsichtlich der Variation in Partnerschaftszufriedenheit und Commitment (Comprehensive Commitment Model). Die Determinanten – Dimensionen persönlicher Ähnlichkeit, emotionale Nähe, Austauschbeziehungen und Konfliktlösungsstrategien – erklären den Großteil der Variation in Partnerschaftszufriedenheit (76 %) und Commitment (77 %). Partnerschaftszufriedenheit erklärt mehr als die Hälfte der Variation in Partnerschaftscommitment (53 %). Erklärte Varianzen in dieser Größenordnung sind außerordentlich in der empirischen Sozialforschung. Noch beeindruckender erscheint mir der Befund, dass die Ähnlichkeiten über Geschlechter, Beziehungstypen und Weltregionen zahlreicher sind als die ermittelten Unterschiede. Auf Länderunterschiede bezogen bedeuten diese Befunde, dass trotz unterschiedlicher kultureller und normativer Grundlagen von Paarbeziehungen und Partnerschaftsverhalten weitestgehend universelle Bedürfnisse und Gefühle existieren, anhand derer Menschen den Erfolg ihrer Beziehung für das individuelle Wohlbefinden messen.

Die Erforschung (ehelicher) Partnerschaftszufriedenheit und -stabilität wurde maßgeblich von der Chicagoer Schule und insbesondere Ernest W. Burgess geprägt, der 1939 gemeinsam mit Leonard S. Cottrell die empirische Studie Predicting Sucess and Failure in Marriage veröffentlichte, in der er die Ehe als Einheit interagierender Persönlichkeiten beschrieb. Dieser Tradition folgend bildete sich in mehreren benachbarten Forschungsdisziplinen, wie Psychologie, Soziologie und Demografie, eine internationale Paar- und Scheidungsforschung heraus, wobei die US-amerikanischen Vertreter den internationalen wissenschaftlichen Diskurs noch stets maßgeblich bestimmen. Der US-amerikanische Kontext ist in vielerlei Hinsicht distinkt, sodass die Befunde nicht ohne Weiteres auf andere Länder und Kulturen übertragbar sind.

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Anzahl einflussreicher Studien aus dem europäischen Raum stark angewachsen. Es ist jedoch nach wie vor eher selten und oft der fehlenden oder mangelhaften Datenlage geschuldet, dass die Determinanten von Partnerschaftsqualität und -stabilität ländervergleichend untersucht werden. Es gibt außerdem erst seit einigen Jahren erste repräsentative Studien, die die Qualität und Stabilität anderer Beziehungstypen, wie nichteheliche Lebensgemeinschaften, sogenannte Living Apart Together-Partnerschaften, oder homosexuelle Paarbeziehungen untersuchen, obwohl diese Beziehungsformen historisch gesehen keineswegs neu sind. Die hier vorliegende Untersuchung trifft daher einen Nerv, indem sie erstens über den Tellerrand der US-amerikanischen Gesellschaft blickt und zweitens den Untersuchungsgegenstand auf Nichtehen erweitert.

Zu den Limitationen dieser Studie gehört in meinen Augen vor allem ihre mangelnde Repräsentativität für die Gesamtbevölkerung. Es ist sicherlich auch der Art der Datenerhebung geschuldet – es handelt sich um einen Online-Survey –, dass drei Viertel der Stichprobe Personen in Universitätsausbildung oder mit tertiärem Bildungsabschluss sind. Auch sind jüngere Befragte überrepräsentiert. Schade finde ich, dass die Beschreibung der Stichprobe und ihrer Folgen für Selektivität und Bias hinsichtlich der Ergebnisse über das gesamte Buch verteilt ist und nicht sonderlich kritisch reflektiert wird. Gerade in Anbetracht des Anspruchs des Autors, besonders Studierende aller sozialwissenschaftlichen Disziplinen anzusprechen, wird hier einem zentralen Aspekt der Ausbildung zukünftiger Forscherinnen und Forscher wenig Beachtung geschenkt: dem kritischen Umgang mit der Grundlage empirischer Befunde, den Daten, auf denen sie basieren.

Nichtsdestotrotz empfehle ich die Lektüre dieser Studie nachdrücklich, vor allem, weil sie sorgfältig ausgeführt und ihre Ergebnisse sowohl für Leserinnen und Leser vom Fach als auch interessierte Laien verständlich präsentiert werden. Der an einigen Stellen wortreiche und repetitive Aufbau einzelner Abschnitte ist dem Anspruch geschuldet, transparent darzustellen, auf welcher statistischen Basis die Interpretationen der Befunde getroffen werden. Gerade für Leserinnen und Leser, die sich mit Strukturgleichungsmodellen vertraut machen wollen, stellt die hier präsentierte Studie ein nützliches Anwendungsbeispiel dar. Aber auch außerhalb des Einsatzes dieses Buchs in der universitären Lehre oder im Selbststudium empfehle ich die Lektüre besonders Paarforscherinnen und Paarforschern, die sich in der Soziologie oder Sozialdemografie verorten. Dort dominieren Erklärungsmodelle mit einem starken Fokus auf individuelle ökonomische und soziokulturelle Ressourcen. Die sozialpsychologisch geprägte Paarforschung, der auch Hills Studie zuzuordnen ist, hat enorme Errungenschaften auf dem Gebiet der empirischen Messung von Konzepten wie Liebe, emotionale Nähe und Autonomie aufzuweisen. Diese werden in der sozialdemografischen und familiensoziologischen Paarforschung jedoch noch viel zu wenig rezipiert. In dieser Hinsicht verstehe ich die hier vorgestellte Studie auch als Beitrag zu einer interdisziplinären Paarforschung. Diese vereint die Stärken der einzelnen Disziplinen. Dadurch entsteht die große Chance, signifikante Fortschritte zu machen, den sozialen Wandel von Paarbeziehungen in Gegenwartsgesellschaften zu verstehen.