Zusammenfassung
In der vorliegenden Studie untersuchen wir, welchen Einfluss die elterliche Arbeitslosigkeit auf den Bildungserfolg von Kindern in Deutschland hat. Wir betrachten Bildungsverläufe vom Zeitpunkt des Übergangs in die mehrgliedrige Sekundarstufe bis ins junge Erwachsenenalter von 23 Jahren. Wir fokussieren insbesondere auf die Frage, ob Kinder von Arbeitslosen im Vergleich zu anderen Personen seltener ein Hochschulstudium beginnen, nehmen aber auch den Besuch des Gymnasiums zu Beginn und Ende der Sekundarschulzeit als Bildungsergebnisse mit in den Blick. Wir verwenden Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Dem Problem der sozialen Selektivität des Arbeitslosigkeitsrisikos begegnen wir mit einem umfassenden Kontrollvariablenansatz im Rahmen von random effects-Modellen. Zusätzlich schätzen wir fixed effects-Modelle, in denen wir die Tatsache nutzen, dass die Daten Angaben zu Geschwistern enthalten. Im Ergebnis zeigt sich, dass sowohl bei umfassender Kontrolle von Statusmerkmalen als auch in den Geschwistermodellen ein signifikanter Einfluss von Arbeitslosigkeit auf den Bildungserfolg zu beobachten ist. Allerdings gilt dies nicht für alle betrachteten Bildungsergebnisse und auch nicht für alle Ausprägungen von Arbeitslosigkeit.
Abstract
In the present study, we examine the influence of parental unemployment on the educational outcomes of children in Germany. We consider the educational pathways from the transition to secondary school until early adulthood at age 23. In particular, we focus on the question whether children of unemployed parents are less likely to enroll in tertiary education. In addition, we look at enrolment into educational tracks at the beginning and the end of secondary school. We use data from the Socio-Economic Panel (SOEP). We address the problem of social selectivity into unemployment by means of a comprehensive control variable approach within the framework of random effects-models. In addition, we estimate fixed effects-models using siblings’ information. As a result, it is evident that a significant influence of unemployment on educational outcomes can be observed both with comprehensive control of status characteristics as well as in sibling models. However, this does not apply to all educational outcomes and not to all forms of unemployment.
Notes
Sehr breit wird die Frage des eigenständigen Einflusses kritischer Lebensereignisse in der Literatur zum Zusammenhang von Trennung und Scheidung mit dem Bildungserfolg von Kindern diskutiert (vgl. grundlegendend Manski et al. 1992). Mit Blick auf Arbeitslosigkeit besteht dasselbe Grundproblem, sodass sich Argumentation und empirische Vorgehensweisen ähneln.
Im Gegensatz dazu lässt sich argumentieren, dass im Fall von Arbeitslosigkeit mehr Zeit mit den Kindern verbracht wird und dies den Bildungserfolg positiv beeinflusst. Levine (2011) findet aber keine deutlichen empirischen Belege für diese Hypothese – was den seit der Marienthal-Studie bekannten Befunden der Arbeitslosigkeitsforschung entspricht, dass das Mehr an verfügbarer Zeit häufig nicht in gewinnbringende Aktivitäten umgesetzt werden kann (vgl. Rogge 2013).
Diese und weitere zusätzliche Ergebnisse sind im online-Anhang dokumentiert: kzfss.uni-koeln.de/download/materialien/anhaenge/ks-69-4-lohmann-groh-samberg.pdf
Aufgrund der Nutzung der Daten des jährlichen Erwerbskalendariums, ist es nicht möglich, die Dauer des Auftretens von Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen, da jeweils nur die Information vorliegt, ob eine Person in einem Jahr arbeitslos war oder nicht. In zusätzlichen Analysen haben wir die Angaben des monatlichen Erwerbskalendariums verwendet, die allerdings nur für einen kürzeren Abschnitt des Bildungsverlaufs vorliegen. Diese Analysen zeigen (Ergebnisse nicht dargestellt), dass Arbeitslosigkeitsdauern von mehr als 6 Monaten negativ mit dem Bildungserfolg korreliert sind, während dies für kürzere Arbeitslosigkeitsdauern nicht gilt.
Analysen zur Validität der Skala deuten darauf hin, dass das zweite Item („Eltern sprechen Dinge an, die Befragte ärgern oder belasten“) nicht in ausreichender Weise die gemessene Dimension abbildet, sodass wir es bei der Indexbildung nicht berücksichtigen (vgl. auch Weinhardt und Schupp 2011, S. 21).
Wie in Abschn. 3 erwähnt haben wir auch logistische Regressionsmodelle geschätzt, deren Ergebnisse sich kaum von den hier dargestellten unterscheiden. So gibt es bei 5‑%-Irrtumswahrscheinlichkeit unter den in Tab. 4 aufgeführten signifikanten Koeffizienten nur zwei Abweichungen, wenn anstelle eines linearen Wahrscheinlichkeitsmodells ein logistisches Regressionsmodell geschätzt wird. Beide Abweichungen betreffen Modell 6, sind aber für die Schlussfolgerungen aus den Analysen nicht zentral. Der positive Koeffizient für „Universität“ als höchster Bildungsabschluss der Eltern ist im Fall der logistischen Regression nicht signifikant. Der Koeffizient „große wirtschaftliche Sorgen (Ende der Sekundarschulzeit)“ ist im logistischen Modell signifikant, während er dies im linearen Wahrscheinlichkeitsmodell nicht ist.
Wir vergleichen das Auftreten des Ereignisses Hochschulstudium gegen eine relativ heterogene Referenzkategorie. Wir haben zusätzlich Analysen mit einer homogeneren Referenzkategorie durchgeführt (Personen mit Abitur, die kein Studium begonnen haben). Die Ergebnisse sind mit den hier berichteten vergleichbar. Allein bei mehrfacher väterlicher Arbeitslosigkeit sind signifikante Einflüsse beobachtbar. Die Effektstärke ist etwas höher, die Koeffizienten sind aber bereits ab Modell 3 nicht mehr auf 5 %-Niveau signifikant, was auf die geringere Fallzahl zurückzuführen sein dürfte.
Zum einen ist dies auf die geringe Fallzahl von 208 Familien mit Geschwistern, die über den Untersuchungszeitraum beobachtet wurden, zurückzuführen. Zum anderen unterscheidet sich in 71,2 % dieser Familien das Bildungsergebnis der Geschwister nicht. Die Identifikation der Koeffizienten beruht also auf nur 60 Familien, in denen Varianz in der abhängigen Variablen vorliegt.
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Danksagung
Die in diesem Artikel präsentierten Ergebnisse sind im Rahmen des BMBF-Verbundprojektes „Statusdynamiken und Bildungserbe der Familie“ (01JC1115A/B) entstanden. Wir danken den Mitgliedern und Kooperationspartner/innen des Projektes für zahlreiche hilfreiche Kommentare.
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Lohmann, H., Groh-Samberg, O. Elterliche Arbeitslosigkeitsdynamiken und Bildungsverläufe vom Ende der Grundschulzeit bis zum jungen Erwachsenenalter. Köln Z Soziol 69, 623–650 (2017). https://doi.org/10.1007/s11577-017-0487-5
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