Anamnese

Eine 25-jährige Patientin wurde aus einem externen Krankenhaus zur weiteren Diagnostik und Therapie bei seit 3 Wochen bestehenden Hämoptysen und febrilen Temperaturen mit Abgeschlagenheit und sukzessivem Anstieg des Serumkreatinins und der Inflammationsmarker trotz intravenöser antibiotischer Therapie übernommen. Es bestanden keine Vorerkrankungen bei insbesondere immer normwertigem Serumkreatinin und keine rezenten Auslandsaufenthalte. Ambulant war zuvor eine erfolgslose 6‑tägige antibiotische Therapie mit Amoxicillin/Clavulansäure bei nativradiologisch imponierender Lobärpneumonie des rechten Unterlappens und Ausschluss einer Infektion mit SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) erfolgt. Eine noch vor Verlegung auswärts bei (eumorpher) Mikrohämaturie und Kreatininanstieg durchgeführte Nierenbiopsie hatte nur Muskelgewebe ergeben.

Klinischer Befund

Die Patientin präsentierte sich bei Übernahme voll orientiert in leicht reduziertem Allgemeinzustand ohne (Tachy‑)Dyspnoe unter Raumluft. Die körperliche Untersuchung war, abgesehen von milden Knöchelödemen und feinblasigen Rasselgeräuschen über der rechten Lunge, unauffällig.

Paraklinische Aufnahmebefunde

Bei einer subfebrilen Temperatur von 38 °C lag eine Sinustachykardie von 108 Schlägen pro Minute bei regelrechtem Blutdruck vor. Die Sauerstoffsättigung lag bei 93 % unter Raumluft. Laborchemisch zeigten sich eine Hämoglobinkonzentration von 10,1 g/dl sowie eine Leukozytenzahl von 14 Mrd./l mit relativer Neutrophilie und Lymphopenie bei leicht erhöhten Thrombozyten. Im Plasma imponierte eine Konzentration an C‑reaktivem Protein (CRP) von 247 mg/dl mit einem Procaltinonin(PCT)-Wert von 0,6 µg/l. Die Serumkreatininkonzentration betrug 2,0 mg/dl (eGFR [geschätzte glomeruläre Filtrationsrate]: 35 ml/min/m2 Körperoberfläche (KÖF) gemäß Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration [CKD-EPI]) bei einem Wert von 1,4 mg/dl 48 h vor Übernahme bei normwertigen Leberwerten und einer leicht erhöhten Laktatdehydrogenasekonzentration (LDH) von 290 U/l. Die Elektrolyte, der pH-Wert und die Blutgase waren ausgeglichen. Die Urindiagnostik zeigte die vorbekannte Mikrohämaturie ohne sicheren Akanthozyten- und Zylindernachweis bei nichtrelevanter Leukozyturie. Die Albuminurie im Spontanurin betrug 250 mg/g Kreatinin. Sonographisch zeigten sich die Nieren leicht echoreich vergrößert ohne Hinweis auf fokale Läsionen oder Harnstau. Die Vena cava inferior zeigte eine milde Dilatation mit beginnend aufgehobener Atemvariabilität.

Weiteres Prozedere

Eine bei Aufnahme durchgeführte Computertomographie des Thorax zeigte rechtsseitig eine flächenhafte Verdichtung mit perifokalen Milchglastrübungen ohne hiläre Lymphadenopathie, vereinbar mit einer pulmonalen Beteiligung bei Vaskulitis oder einem ausgeprägten pneumonischen Infiltrat (Abb. 1a). Eine Bronchoskopie ergab eine akute, nichteitrige Bronchitis mit rechtsseitiger alveolärer Hämorrhagie in der bronchoalveolären Lavage (BAL; Abb. 1b). Bei pulmorenalem Syndrom mit V. a. rapid-progressive Glomerulonephritis (RPGN) erfolgten zur Diagnosestellung eine erweiterte immunologische Diagnostik und eine erneute Nierenbiopsie. Bei Nachweis von hochtitrigen Antikörpern gegen die glomeruläre Basalmembran (GBM) sowie Proteinase 3 (PR3) erfolgten der umgehende Beginn einer hochdosierten immunsuppressiven Therapie mit intravenöser Gabe von Prednisolon und oraler Gabe von Cyclophosphamid sowie der Beginn einer Plasmaaustauschtherapie unter Fortführung einer intravenösen Antibiotikagabe.

Abb. 1
figure 1

Befunde der thorakalen Computertomographie (a) und der bronchoalveolären Lavage (b). (Mit freundlicher Genehmigung, © Klinik für Radiologie [a] und Abteilung für Pneumologie [b], Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf [UKE])

Histologie

In der Nierenbiopsie war lichtmikroskopisch eine herdförmig ausgebildete, überwiegend frisch nekrotisierende intra- und extrakapilläre Glomerulonephritis mit mittelschwerem, herdförmigem, potenziell teilweise reversiblem tubulointerstitiellen Begleitschaden der Rinde erkennbar. Von den 13 getroffenen Glomeruli waren in 7 frische Schlingennekrosen und extrakapilläre Fibrinpräzipitate (Abb. 2a, b) sowie in 1 Glomerulum ein fibrozelluläres Kapselproliferat erkennbar, kein Glomerulum war vollständig vernarbt. Der tubuläre Apparat war nur geringem Ausmaß herdförmig atrophisch. Immunhistologisch zeigten sich nur fokal und segmental lineare Ablagerungen von Immunglobulin G (IgG) an den Basalmembranen (Abb. 2c) und keine glomerulären Ablagerungen von IgA, IgM, C1q oder C3. Elektronendichte mesangiale, subendotheliale oder subepitheliale Depots waren nicht vorhanden. Die Podozyten zeigten einen herdförmigen Verlust der Fußfortsätze.

Abb. 2
figure 2

Serielle Schnitte des Nierenbiopsats mit PAS(„periodic acid-Schiff“; a)-, Fibrin- (b) und Immunglobulin-G(IgG)-Färbung (c ; jeweils 400-fach mit Ausschnittvergrößerung in c)

Wie lautet Ihre Diagnose?

Diagnose

In der Zusammenschau der klinischen, immunologischen und histopathologischen Befunde ergab sich die Diagnose eines Overlaps aus Anti-GBM-Erkrankung und cANCA(antineutrophile zytoplasmatische Antikörper)-Vaskulitis (bei Zielantigen Proteinase 3 [PR3] formal Granulomatose mit Polyangiitis). Klinisch imponierte ein pulmorenales Syndrom mit akutem, progredientem Kreatininanstieg und im Verlauf abnehmender Diurese bei persistierender alveolärer Hämorrhagie und in dieser Kombination beginnender Oxygenierungsstörung. Immunologisch waren die Anti-GBM-Antikörper pathognomonisch für das Vorliegen einer Anti-GBM-Erkrankung, die PR3-Antikörper wiesen auf das zeitgleiche Vorliegen einer cANCA-Vaskulitis hin. Die Nierenbiopsie bestätigte den Befund einer nekrotisierenden Glomerulonephritis mit Halbmonden. Da nicht alle Glomeruli betroffen waren, ist ein frühes Stadium der Erkrankung wahrscheinlich. Die hier allerdings nur fokal und segmental nachweisbare lineare Ablagerung von Immunglobulin (hier in der Regel IgG) entlang der GBM ist pathognomonisch für die Anti-GBM-Erkrankung.

Therapie und Verlauf

Unter den oben beschriebenen Maßnahmen kam es bei fallenden Inflammationsmarkern initial noch zu einem weiteren Kreatininanstieg auf maximal 2,6 mg/dl (eGFR: 25 ml/min/m2 KÖF nach CKD-EPI) und bei persistierender Oligurie um 700 ml/Tag 4 Tage nach Übernahme zur Notwendigkeit einer passageren Dialysetherapie für insgesamt 5 Tage zum Volumenentzug bei Zeichen der kardiopulmonalen Volumenüberladung und drohender respiratorischer Insuffizienz unter konservativer diuretischer Therapie. Nach 7 Tagen oraler Cyclophosphamidgabe erfolgte die erste intravenöse Gabe von 375 mg/m2 KÖF Rituximab zur Remissionsinduktion. 2 Wochen nach Übernahme und Beginn der hochdosierten immunsuppressiven Therapie und täglicher Plasmaaustauschtherapie konnte diese bei 2‑malig negativ bestimmten Anti-GBM-Antikörpern, deutlich regredienten PR3-Antikörpern, fallendem Serumkreatinin und Sistieren der Hämoptysen beendet werden. Nach initialem Steroidpuls erfolgten ein orales Reduktionsschema in Anlehnung an die PEXIVAS-Studie [1] sowie die Vervollständigung der remissionsinduzierenden Therapie mit 3 weiteren Gaben von 375 mg/m2 KÖF Rituximab in wöchentlichen Abständen [2] mit seitdem im Serum stabil depletierten B‑Zellen.

Diagnose: Overlap aus Anti-GBM-Erkrankung und cANCA-Vaskulitis

6 Monate nach Diagnosestellung zeigte sich die Nierenfunktion mit einem Serumkreatinin von 0,76 (eGFR: 110 ml/min/m2 KÖF nach CKD-EPI) auf Normalniveau stabil. Es bestehen weder eine relevante Albuminurie noch andere pathologische Urinbefunde. Die Anti-GBM- und die Anti-PR3-Antikörper lagen wiederholt unter der Nachweisgrenze der jeweiligen Tests. Eine remissionserhaltende Therapie mit 500 mg Rituximab alle 6 Monate über mindestens 2 Jahre sowie eine niedrigdosierte Steroidtherapie mit 5 mg pro Tag für 12 Monate mit anschließendem Tapering sind geplant.

Diskussion

Die Koexistenz von ANCA bei Patienten mit Anti-GBM-Erkrankung ist gut bekannt; in den vorliegenden Studien weisen etwa 30 % der Patienten mit Anti-GBM-Erkrankung nachweisbare ANCA auf, in der ganz überwiegenden Mehrheit gegen Myeloperoxidase (MPO), wohingegen bei etwa 5–10 % der Patienten mit ANCA-Vaskulitis Antikörper gegen die GBM detektiert werden können. Frühere Studien hatten bei jeweils geringen Fallzahlen diesen doppelt positiven Fällen widersprüchliche Verlaufsprognosen, zumeist jedoch einen ungünstigeren renalen Verlauf im Vergleich zu einer isolierten Anti-GBM-Erkrankung oder ANCA-assoziierten Vaskulitis (AAV; [3, 4]), zugeschrieben. Eine aktuelle multizentrische europäische Studie verglich die klinischen Merkmale und das Langzeit-Outcome von 37 doppelt positiven Patienten mit parallelen Kohorten von einfach positiven Anti-GBM-Erkrankungen (n = 41) und Patienten mit isolierter ANCA-Vaskulitis (n = 568; [5]). Die doppelt positiven Patienten zeigten die schweren Krankheitsmerkmale einer Anti-GBM-Erkrankung mit hohen Raten von Alveolarblutungen (38 %) und initialer Dialysepflichtigkeit (57 %) mit einem Trend zur Erholung von der Dialyse bei den doppelt positiven Patienten im Vergleich zu den einfach positiven Anti-GBM-Erkrankten (33 % vs. 17 %). Darüber hinaus erlebten Patienten mit doppelt positiver Erkrankung während der Nachbeobachtung (Median: 4,8 Jahre) ein Rezidiv mit einer Häufigkeit, die derjenigen bei isoliert an ANCA-Vaskulitis Erkrankten entsprach, während keine einfach positiven Anti-GBM-Patienten einen Rückfall erlitten. Diese Befunde weisen auf einen hybriden Krankheitsphänotyp mit den initial schweren Krankheitsmanifestationen der Anti-GBM-Erkrankung und dem langfristigen Rückfallrisiko der ANCA-Vaskulitis hin. Der Mechanismus dieser Assoziation zwischen ANCA-Vaskulitis und Anti-GBM-Erkrankung ist noch nicht vollständig verstanden. Der Umstand, dass doppelt positive Patienten die Altersverteilung von AAV-Patienten haben sowie die prodromalen Symptome und mehr chronische Läsionen in den Nierenbiopsien (Befunde, die eher typisch für ANCA-Vaskulitis sind) aufweisen, könnte darauf hindeuten, dass die ANCA-Vaskulitis der initiale pathologische Zustand ist, der die Anti-GBM-Erkrankung auslöst, indem die quaternäre Struktur der GBM zerstört und eigentlich sequestrierte Epitope für die Immunerkennung freigesetzt werden.

Im vorliegenden Fall ist eine mögliche zeitliche Abfolge der Erkrankungen nicht abschließend zu klären. Das Fehlen weiterer typischer Symptome/Manifestationen einer cANCA-Vaskulitis sowie die im Nierenbiopsat überwiegend frischen Nekrosen ohne Vernarbungen sprechen eher gegen eine AAV als Grunderkrankung. Der Umstand, dass im Biopsat nicht alle Glomeruli betroffen waren, und die nur fokale Positivität in der IgG-Färbung sind zwar eher untypisch für eine Anti-GBM-Erkrankung, könnten aber ein frühes Krankheitsstadium widerspiegeln. Ebenso spricht der Nachweis von PR3-Antikörpern gegen eine reine Anti-GBM-Erkrankung, da in der Regel fast ausschließlich MPO-Antikörper bei doppelt positiven Patienten vorliegen. Erfreulicherweise zeigte die Patientin nicht nur eine bei doppelt positiven Antikörpern beschriebene teilweise Erholung der Nierenfunktion trotz intermittierender Dialysepflichtigkeit, sondern eine vollständige Normalisierung mit unauffälligen Urinbefunden.

Fazit für die Praxis

  • Ein pulmorenales Syndrom mit V. a. zugrunde liegende Vaskulitis erfordert den umgehenden Beginn einer hochdosierten immunsuppressiven Therapie.

  • Die Kombination aus laborchemischen, immunologischen und histopathologischen Befunden erlaubt in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine schnelle Diagnose.

  • Ein Overlap aus Anti-GBM(glomeruläre Basalmembran)-Erkrankung und ANCA(antineutrophile zytoplasmatische Antikörper)-Vaskulitis ist kein seltenes Phänomen und erfordert neben der umgehenden Therapieeinleitung die langjährige, engmaschige Nachsorge von Patienten mit ANCA-Vaskulitis.