Nicht immer ist die hausärztliche Versorgung effektiv genug, wenn es darum geht, Demenzerkrankungen frühzeitig zu erkennen und die Weichen für eine gelingende Weiterversorgung zu stellen, damit Versorgungskrisen für Patient*innen und Angehörige abgewendet werden können. Eine wesentliche Ursache hierfür liegt im Fehlen multiprofessioneller, sektorenübergreifender Strukturen im Bereich der Demenzversorgung. Das Innovationsfonds-geförderte Modellprojekt DemStepCare zielt darauf ab, durch Involvierung eines ambulanten Case Managements wirksame Kriseninterventionen ohne eine Krankenhauseinweisung zu ermöglichen.

Aktuell sind in Deutschland ca. 1,6 Mio. Menschen an Demenz erkrankt; Prognosen zufolge wird sich diese Zahl bis zum Jahr 2050 nahezu verdoppeln [1]. Da es sich bei Demenz um einen dynamischen und progredienten Prozess handelt, kommt es darauf an, die Erkrankung möglichst frühzeitig zu diagnostizieren und die Weichen für eine dauerhaft gelingende Versorgung zu stellen. Auf ein Fortschreiten der Erkrankung kann v. a. dann günstig eingewirkt werden, wenn Patient*innen und Angehörige auf die Folgen der Erkrankung vorbereitet, eine gute Lebensqualität für beide bewahrt und ein Verbleib des Patienten in der Häuslichkeit abgestützt werden kann [8, 14, 16, 23, 35]. Dennoch sind im Alltag krisenhafte Versorgungssituationen verbreitet, die zu Stress und Leidensdruck mit erhöhter Depressionsanfälligkeit auf Seiten Erkrankter und Angehöriger führen, eine Dekompensation pflegender Personen bewirken und Erkrankungsprozesse beschleunigen können [7, 12]. Eine Folge hiervon ist oftmals eine übereilte Hospitalisierung von Demenzbetroffenen mit sich anschließenden Pflegeheimaufnahmen [16]. Befunde zeigen, dass Krankenhaus- und Heimeinweisungen kontraproduktive Effekte für den Krankheitsverlauf sowie kognitive und körperliche Funktionen haben können und z. B. Delirieren, Stürze, Exsikkose, Mangelernährung häufiger auftreten [16, 35].

Hausärzt*innen können entscheidend dazu beitragen, solche kritischen Versorgungsszenarien durch aktive Erkennung und Betreuung von Demenzerkrankten zu vermeiden [22]. Da sie als Primärversorger*innen mit ihren älteren Patient*innen und deren Familien meist langjährig vertraut sind, können sie kognitive Veränderungsprozesse zeitnah erfassen und durch Vermittlung zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten die Voraussetzungen für eine funktionierende (Weiter‑)Versorgung schaffen [27, 28]. Jenseits dieser positiven Potenziale ist die Realität der Demenzversorgung in der Hausarztpraxis allerdings verbreitet mit Hürden und Herausforderungen konfrontiert, die Folgen für die Effektivität des Primärarztsettings haben [18, 20, 22, 25].

Beispielsweise haben Studien gezeigt, dass Hausärzt*innen bei der Stellung von Demenzdiagnosen sowie beim Einsatz diagnostischer Verfahren teilweise zurückhaltend agieren [14, 21, 31], was mit vergleichsweise geringen Erkennungsraten für Patient*innen mit manifesten demenziellen Syndromen korrespondiert [3, 6, 10]. Auch scheinen Allgemeinmediziner*innen nicht immer über eine ausreichende Kenntnis demenzbezogener Diagnostik‑, Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten zu verfügen und themenassoziierte Leitlinien nur begrenzt einzusetzen [18, 36]. Vor dem Hintergrund solcher Defizite sieht sich ein erheblicher Teil der Hausärzt*innen in Deutschland eher der Rolle eines Delegierers, der bei Demenzverdacht an Fachärzt*innen überweist und diesen eine leitliniengerechte Diagnose überlässt [12, 23, 32, 33]. Ferner hat sich gezeigt, dass lediglich ein Teil der Hausärzt*innen Patient*innen und Angehörige konsequent an Hilfs- und Beratungseinrichtungen verweist, weil Kenntnisse über und Kooperationen mit solchen Akteuren oft nicht gegeben sind [18, 31].

Die Gründe für derlei Problematiken sind vielfältig. Neben Zeit- und Ressourcenknappheit im täglichen Versorgungsgeschehen ist festgestellt worden, dass viele Allgemeinmediziner*innen in Bezug auf das Krankheitsbild Demenz geringe (Selbst‑)Wirksamkeitserwartungen haben und einen Mangel an Therapieoptionen wahrnehmen, der bisweilen zu Zweifeln an der Sinnhaftigkeit einer Demenzdiagnostik bzw. -versorgung führt [9]. Zudem werden die enge Beziehung von Hausärzt*innen zu Patient*innen und der Anspruch, diese (gut) zu kennen und sie vor potenziellen (stigmatisierenden) Auswirkungen einer Diagnosestellung zu schützen, als mögliche Hürden einer rechtzeitigen Demenzdiagnostik angeführt [5, 12, 14, 17, 22, 24].

Unsicherheiten und Zweifel bei der Demenzbetreuung auf Seiten von Hausärzt*innen stoßen in der Versorgungspraxis auf einen ausgeprägten Mangel an Versorgungs- und Interaktionsstrukturen, die eine multiprofessionelle, sektorenübergreifende Versorgung ermöglichen. Dies wird gerade von deutschen Allgemeinmediziner*innen besonders moniert und als Erschwernis erlebt [31, 32]. Bislang fehlt es an strukturierten interdisziplinären Versorgungsformen, die ärztliche, pflegerische und weitergehende Betreuungsangebote miteinander verknüpfen, um eine bedarfsgerechte, personenzentrierte und leitlinienorientierte Versorgung von Demenzbetroffenen bieten zu können [19, 26]. Eine besondere Problematik ist dabei, dass Versorgungsbedarfe und -risiken bislang häufig nicht systematisch und rechtzeitig klassifiziert werden können, weil der Vielfalt medizinischer, pflegerischer und psychosozialer Bedürfnisse von Demenzpatienten und deren Angehörigen nicht Rechnung getragen werden kann. Das Fehlen von adäquaten und wirksamen Strukturen zur ambulanten Krisenintervention führt i. d. R. bei Krisensituationen rasch zu Krankenhauseinweisungen, die nicht nur mit höheren Kosten für das Gesundheitssystem einhergehen, sondern auch Komplikationen für die Patient*innen mit sich bringen können [16, 35].

Methodik

Versorgungskonzept

Das Versorgungsmodell DemStepCare wurde als Intervention in der ambulanten Versorgung konzipiert [2]. Seit Projektbeginn im April 2019 wird es vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) finanziert. Das Einzugsgebiet des Modells umfasst die Region Rheinhessen und einige weitere Landkreise (Bad Kreuznach, Bad Dürkheim, Donnersbergkreises).

Die initiale Projektplanung sah vor, im Verlauf der Studie ca. 120 Hausärzt*innen und ca. 1600 Patient*innen (13–14 Patienten pro Hausärzt*in) zu rekrutieren. Im Zuge der prospektiven cluster-randomisierten Studie wurden die gewonnenen hausärztlichen Praxen mittels einer initialen Befragung zu Projektbeginn entlang der Demenzsensibilität in eine Interventions- und eine Kontrollgruppe randomisiert [2]. Aufbauend auf mehreren Vorstudien (u. a. [31,32,33]) wurde die Demenzsensibilität hierbei als umfassendes Konstrukt operationalisiert, mit Schwerpunkten u. a. auf der Erfassung von Einstellungen zum Krankheitsbild Demenz, hausärztlichen Selbstwirksamkeitsannahmen, einschlägigen Kompetenzindikatoren (Diagnostik, Management, Leitlinienadhärenz), Versorgungs- und Betreuungsbereitschaft gegenüber Patient*innen mit einer Demenzerkrankung und deren Angehörigen (u. a. auch Vermittlung zu Hilfs- und Unterstützungsangeboten) sowie wahrgenommenen Herausforderungen im Praxisalltag [31, 33].

Die am Projekt beteiligten Hausärzt*innen können nach Schulung und Randomisierung die Patient*innen mit einer Demenzerkrankung und deren Angehörige (falls vorhanden) in ihrer eigenen Praxis in DemStepCare einschreiben. Ausschlusskriterien sind eine fehlende gesicherte Demenzdiagnose, ein Wohnort des/der Patient*in außerhalb des Studiengebietes oder in einer stationären Pflegeeinrichtung.

Die Hausärzt*innen und Patient*innen der Interventionsgruppe erhalten neben einer quartalsweisen Medikationsanalyse durch klinische Pharmazeuten das pflegerische Case Management für Patient*innen mit erhöhtem Versorgungsrisiko sowie bei Bedarf eine Behandlung durch die aufsuchende multiprofessionelle Krisenambulanz. Sämtliche Hausärzt*innen erhalten Fortbildungen u. a. zum Versorgungsnetz und regionalen Unterstützungsmöglichkeiten sowie vielen weiteren Themen rund um das Thema Demenz.

Primäre Endpunkte sind die Reduktion der stationären Behandlungstage, die Verbesserung der Lebensqualität von Patient*innen mit Demenz und die Reduktion der Belastung der pflegenden Angehörigen jeweils nach 9 Monaten. Sekundäre Endpunkte sind die Verbesserung der leitliniengerechten medizinischen Demenzversorgung und der Arzneimitteltherapiesicherheit, die Optimierung des regionalen Versorgungsnetzes und die effizientere Vernetzung und Kommunikation durch die Nutzung einer elektronischen, multiprofessionellen Fallakte.

Dabei zeichnet sich das Versorgungskonzept insbesondere durch folgende innovative Elemente (vgl. Abb. 1) aus:

  • Die teilnehmende hausärztliche Praxis steuert Auswahl und Einschreibung von Patient*innen sowie (falls vorhanden) deren Versorgung (i. d. R. pflegende Angehörige). Voraussetzung ist eine – idealerweise frühzeitige, leitliniengerechte – Demenzdiagnose, die Hausärzt*innen entweder selbstständig durchführen können oder zur Diagnosestellung an einen Facharzt überweisen können.

  • Nach Einschreibung der Patient*innen in das Projekt wird ein/e Case Manager/in in die Koordination der Versorgung eingeschaltet. Durch den/die Case Manager/in erfolgt eine Klassifikation der Versorgungsbedarfe und des Versorgungsrisikos anhand eines Ampelsystems (demenzspezifisches Screening zur Versorgungssituation [DSV]), sodass die häusliche Versorgungssituation genau eingeordnet werden kann.

  • Sowohl Hausärzt*innen als auch klinische Pharmazeut*innen, Case Manager*innen und Mitarbeiter*innen der Krisenambulanz arbeiten und dokumentieren in einer elektronischen Fallakte (theracase ® von ISPC, smart-Q GmbH, Bochum), zu der alle Behandler*innen Zugriff haben. Hierdurch werden die multiprofessionellen Akteure (Pflegekräfte, Case Manager*innen, Haus- und Fachärzt*innen) miteinander intersektoral vernetzt.

  • Bei einer als stabil klassifizierten Versorgungssituation werden Patient*innen und Angehörige einer Beratung über regionale Hilfs- und Versorgungsoptionen zugeführt und an den zuständigen Pflegestützpunkt vermittelt. Wurde ein erhöhtes Versorgungsrisiko festgestellt, nehmen die Case *innen zentrale Aufgaben bei der Organisation und Koordinierung zusätzlicher Versorgungsangebote wahr und leisten eine bedarfsgerechte kontinuierliche Begleitung. Diese zeichnet sich durch eine engmaschige Rücksprache mit den zuständigen Hausärzt*innen aus. Die Kontaktaufnahme der Case Manager*innen erfolgt persönlich, telefonisch und per elektronischer Fallakte.

  • Sollten Versorgungskrisen drohen oder sich bereits manifestieren, besteht für projektinvolvierte Hausärzt*innen oder Case Manager*innen die Möglichkeit, die Dienste einer aufsuchenden Krisenambulanz in Anspruch zu nehmen. Das multiprofessionelle Team besteht aus Pflegeexpert*innen für kognitive Störungen und Demenz, einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und einem Sozialdienst. Die Ambulanz arbeitet im Zwei-Schicht-System teilweise auch inklusive nächtlicher Rufbereitschaft, sodass eine fast durchgehende Erreichbarkeit gewährleistet ist. Die projektassoziierte Krisenambulanz soll durch zeitnahe Diagnostik und konsekutive Abfolge primär nicht-medikamentöser Interventionen, angelehnt an eine „serial trial intervention“ [13], eine ambulante Stabilisierung der Versorgungssituation erreichen und eine stationäre Aufnahme abwenden. Hierbei werden auch die oftmals stark belasteten Angehörigen mitbetreut [7].

  • Innerhalb des Modellprojekts erfolgt eine konsequente Überprüfung der Medikation, da Polypharmazie häufig Verhaltensauffälligkeiten und -änderungen bewirkt [2, 22]. Klinische Pharmazeut*innen führen bei jedem Patienten, unabhängig von der aktuellen Versorgungssituation, quartalsweise Medikationsanalysen durch und geben Empfehlungen zur Überprüfung auf mögliche Interaktionen und Nebenwirkungen und Anpassung der Medikationsverordnungen. Die Arzneimitteltherapiesicherheit soll hierdurch optimiert werden.

  • Projektbegleitend wird die Demenzkompetenz von Hausärzt*innen durch zielgerichtete Schulungen bzw. Fortbildungen adressiert. Besonders eine verbesserte (Früh)diagnostik sowie eine bessere Vernetzung mit regionalen Hilfsakteuren stehen dabei im Mittelpunkt. Im Projektverlauf werden zu Beginn, nach einem Jahr und am Ende des Projekts Kompetenz- und Sensitivitätsindikatoren bei den involvierten Ärzt*innen erhoben, um die Wirksamkeit der Schulungen zu überprüfen.

Abb. 1
figure 1

Grundlegender Aufbau des Projekts DemStepCare (Risikostratifizierung, Case Management, ambulanter Krisendienst). (Quelle: Landeskrankenhaus [AöR], Mainz)

Projektziele

Die Ziele des Projekts können alle unter dem Oberbegriff „Verbesserung der Demenzversorgung“ zusammengefasst werden. So soll durch die Sensibilisierung und Schulungen der Hausärzte sowie die pharmazeutischen Medikationsanalysen die ambulante ärztliche Versorgung optimiert werden, die leitliniengerechte medizinische Demenzversorgung und die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessert werden. Durch das pflegerische Case Management für Patient*innen mit erhöhtem Versorgungsrisiko sowie bei Bedarf die Behandlung durch die aufsuchende multiprofessionelle Krisenambulanz soll die pflegerische und sozialmedizinische Versorgung, das regionale Versorgungsnetz und die effizientere Vernetzung sowie die psychiatrisch fachärztliche Betreuung verbessert werden. Durch die Intervention sollen stationäre Behandlungstage und die Belastung der pflegenden Angehörigen reduziert und die Lebensqualität von Patient*innen mit Demenz erhöht werden.

Sollte das Projekt positiv evaluiert werden, ist eine Überführung in die Regelversorgung geplant.

(Zwischen)ergebnisse

Bisheriger Verlauf des Projekts

Nach einer halbjährigen Vorbereitungsphase wurde die Versorgung der Patient*innen am 1. Oktober 2019 plangemäß gestartet. Im Vorfeld absolvierten die Case Manager*innen erfolgreich die zertifizierte Weiterbildung zum/zur Case Manager/in im Sozial- und Gesundheitswesen nach den Richtlinien der DGCC (Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management). Die Mitarbeiter*innen der Krisenambulanz sowie die bereits zu Beginn 38 teilnehmenden Hausärzt*innen und deren Praxispersonal wurden zu den Abläufen im Projekt geschult.

Im Verlauf der ersten Monate zeigte sich, dass ein intensiver Kontakt zwischen Hausärzt*innen und Case Manager*innen sinnvoll ist; dieser wurde konsequent intensiviert. Im persönlichen Austausch wurden Prozesse entwickelt, um die Patienteneinschreibung zu erleichtern, z. B. regelmäßige Sprechstunden der Case Manager*innen in den Hausarztpraxen.

Zwischen dem 30. März und 31. Mai 2020 musste vorübergehend die aufsuchende Tätigkeit der Case Manager*innen und Krisenambulanz-Mitarbeiter*innen aufgrund der Coronapandemie pausiert werden. In dieser Zeit konnte lediglich eine reduzierte bedarfsweise telefonische Versorgung der Patient*innen und Angehörigen erfolgen. Die Wiederaufnahme der Hausbesuche und der Patientenrekrutierung begann zum 1. Juni 2020 unter Berücksichtigung der Hygienevorgaben und mit eigenem Hygienekonzept. Es ist gelungen, eine gute Versorgungsqualität trotz Einhaltung aller notwendigen Hygienestandards aufgrund der Coronapandemie zu etablieren.

Im Jahr 2020 konnten durch intensive Werbemaßnahmen (v. a. in Form von Anschreiben und persönliche Ansprache) in dem nochmals erweiterten Projektgebiet weitere 24 Hausärzt*innen für eine Teilnahme bei DemStepCare gewonnen werden.

Aktuell nehmen nun 62 Hausärzt*innen bei DemStepCare teil; 39 in der Interventionsgruppe und 23 in der Kontrollgruppe. Bisher konnten trotz der Coronapandemie 257 Patient*innen in das Versorgungsmodell eingeschrieben werden (Stand Oktober 2021); 207 in der Interventionsgruppe und 50 in der Kontrollgruppe.

Bisherige Erfahrungen deuten auf eine gute Realisierbarkeit des innovativen Modells im ambulanten Setting hin. Erste qualitative Befragungen von Case Manager*innen, Mitarbeiter*innen der Krisenambulanz und Hausärzt*innen belegen eine wahrgenommene Wirksamkeit, wenn es um die Prävention bzw. Abwendung von Versorgungskrisen geht. Einige Hausärzt*innen bestätigen ein gestiegenes Sicherheitsempfinden im Umgang mit Demenzerkrankungen.

Sämtliche der beteiligten Akteure sind zufrieden mit den etablierten Angeboten. Die Case Manager*innen und Mitarbeiter*innen der Krisenambulanz bekunden eine hohe Motivation und berichten von einem hohen Maß an Anerkennung und positivem Feedback von Seiten der Patient*innen und Angehörigen. Auch Rückmeldungen der befragten Hausärzt*innen in Bezug auf die Intervention fallen klar positiv aus.

Herausforderungen bei der Rekrutierung

Es erfolgte eine systematische und differenzierte Rekrutierung von Ärzt*innen und Patient*innen. Die Rekrutierungsstrategien für Allgemeinmediziner*innen umfassten u. a. personalisierte Einladungen und Briefe, umfassendes Informationsmaterial zu Studienbegründung, -zielen und -design, Folgegespräche und telefonische Erläuterungen durch das Forschungsteam sowie eine finanzielle Entschädigung im Falle einer Beteiligung. Aufrufe zur Teilnahme und Werbung für die DemStepCare-Studie wurden in einer Vielzahl von praxisbezogenen Publikationen und Newslettern über verschiedene Netzwerke veröffentlicht. Darüber hinaus fand teilweise ein Face-to-face-Recruiting statt.

Sobald Hausärzt*innen Interesse an einer Teilnahme signalisierten, wurde eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Eingeschlossene Ärzt*innen füllten eine Baseline-Erhebung aus (u. a. zur Ermittlung der Demenzsensitivität [2]).

Insgesamt wurden 276 Hausärzt*innen im Einzugsgebiet der Studie im Zuge der Rekrutierungsanstrengungen angeschrieben bzw. besucht. Hierbei zeigten sich beträchtliche Herausforderungen, Hausärzt*innen für eine cluster-randomisierte Patientenstudie zu gewinnen. Insgesamt konnte beobachtet werden, dass Allgemeinmediziner*innen auf schriftlich-postalische Anschreiben vergleichsweise selten reagierten und eine Kaltakquise („cold calls“) wenig erfolgversprechend war. Deutlich besser hat hingegen die Rekrutierung über die eingebundenen Arztnetzwerke und Qualitätszirkel funktioniert.

Aufgrund der geringeren Zahl an gewonnenen Hausärzt*innen (62 statt wie geplant 180) konnte die ursprünglich anvisierte Patientenzahl von 1600 (je 800 in Interventions- und Kontrollgruppe) nicht realisiert werden. Hinzu kommt, dass eine deutlich höhere Motivation zur Patientenrekrutierung in der Interventionsgruppe zu verzeichnen ist. Die betroffenen Hausärzte erklären dies mit dem Umstand, dass sie für die von ihnen eingeschriebenen Patient*innen eine möglichst optimale Versorgung erreichen wollen und eine Kontrollversorgung eben keine solche ist [11]. Auch merken einige wenige Ärzt*innen an, dass es ihnen schwer falle, in innovativen Versorgungsformen und wissenschaftlichen Konzepten zu denken oder sich in neue Strukturen und Systeme einzufinden. So macht die Nutzung der elektronischen Fallakte einigen Probleme, auch wenn die Case Manager*innen diese immer wieder erklären und den Umgang damit zeigen. Insgesamt ist aber eine weiter steigende Zahl von Patienteneinschreibungen in den letzten Monaten zu verzeichnen, sodass die Konsortialpartner des Projekts zuversichtlich sind, die angepasste avisierten Zielstellungen (336 Patient*innen in der Interventionsgruppe und 84 Patient*innen in der Kontrollgruppe) in einer inzwischen bewilligten Verlängerungsphase des Projekts erreichen zu können. Konkrete Ergebnisse für die Intervention werden im Modellprojekt für das Jahr 2023 erwartet.

Diskussion

Der Artikel stellt das Innovationsfondprojekt DemStepCare vor und berichtet von ersten Erfahrungen und qualitativen Eindrücken der im Projekt Tätigen.

Die innovative Versorgungsform DemStepCare soll eine Versorgungslücke für den hausärztlichen Bereich schließen, indem Hausärzt*innen effektive ambulante Unterstützungsinstrumente an die Hand gegeben werden (Case Management, Versorgungsbedarfsanalyse und Risikostratifizierung, pflegeexpertengeführte Krisenambulanz zur Vermeidung stationärer Einweisungen und ambulante Bewältigung von Versorgungskrisen). Diese sollen zu einer stabileren Versorgungsituation und mehr Lebensqualität von häuslich gepflegten Patient*innen mit Demenz und deren Angehörigen führen. Infolgedessen sollen sich kontraproduktive und teure Hospitalisierungen vermeiden, der Einsatz von Psychopharmaka reduzieren sowie die hausärztliche Demenzkompetenz stärken lassen. Längerfristig soll hierdurch eine engmaschige Vernetzung und Kooperation von Hausärzten mit regionalen Demenznetzwerken und Pflegestützpunkten entstehen.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend gestaltet sich die Rekrutierung der Hausärzt*innen und der Patient*innen mit einer Demenzerkrankung jedoch deutlich schwieriger als zuvor gedacht. Die Gründe hierfür scheinen individuell und multifaktoriell zu sein. Auch bei vorangegangenen Studien hatte sich gezeigt, dass die Rekrutierung von Hausärzt*innen für komplexe cluster-randomisierte Studien eine große Herausforderung darstellen kann [4, 15, 29, 30, 34].

Jedoch wird schlussendlich bei unserer Studie, wie auch bei anderen Studien, nur ein Vergleich zwischen Interventions- und Kontrollgruppe einen Nutzen der Intervention zeigen und ggf. zu einer Überführung der Intervention in die Regelversorgung führen können.

Längerfristig wird es darauf ankommen, Hausärzt*innen im Bereich Demenz mit dauerhaften Strukturen zu unterstützen, die einerseits die geriatrisch-diagnostischen Kompetenzen in der Primärversorgung stärken, andererseits zu einer rechtzeitigen und effektiven Risikostratifizierung und Versorgungszuweisung beitragen. Damit einher gehen der konsequente Verweis an Hilfsakteure sowie der Aufbau von Kooperationsnetzwerken. Indem Patient*innen und Angehörige rechtzeitig an multiprofessionelle Beratungs- und Versorgungsstrukturen herangeführt werden, profitiert zum einen die Patientenversorgung, zum anderen lässt sich die Gefahr eines ‚Burnouts‘ pflegender Angehöriger entscheidend minimieren.

Fazit für die Praxis

  • Das hausärztlichen Setting ist für die konsequente Erkennung und das Management demenzieller Erkrankungen entscheidend. Bislang fehlt es jedoch an multiprofessionellen, sektorenübergreifenden Strukturen im Bereich der Demenzversorgung.

  • Das Innovationsfonds-geförderte Modellprojekt DemStepCare zielt darauf ab, wirksame Krisenpräventionen bzw. -interventionen ohne eine Krankenhauseinweisung zu ermöglichen.

  • DemStepCare soll eine Versorgungslücke für den hausärztlichen Bereich schließen, indem Hausärzt*innen effektive ambulante Unterstützungsinstrumente an die Hand gegeben werden (Case Management, Versorgungsbedarfsanalyse und Risikostratifizierung, pflegeexpertengeführte Krisenambulanz zur Bewältigung von Versorgungskrisen).