Hinführung zum Thema

Die partizipative Entwicklung von Interventionen ist heute eine zentrale Anforderung in der Gesundheitsförderung [7]. Dies gilt umso mehr für sog. vulnerable Gruppen [28]. Bislang ist allerdings unklar, wie dieser Anspruch mit Grundschulkindern umgesetzt werden kann. Die Methode Photovoice, bei der Vertreter*innen der Zielgruppe zunächst Fotos zum Thema machen, die anschließend in einer Gruppendiskussion besprochen werden, sind ein vielversprechender Ansatz, um die Perspektiven und Wünsche von Kindern bei der Entwicklung von Interventionen zu berücksichtigen.

Hintergrund

Körperliche Aktivität ist ein wichtiger Schlüssel zur Reduktion Public-Health-relevanter Erkrankungen [1]. Gleichwohl erreichen zahlreiche Kinder und Jugendlichen auch in Deutschland nicht die Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation [8]. Klassische Ansätze der individuenbezogenen Bewegungsförderung haben sich bislang als wenig erfolgreich erwiesen [13], sodass verhältnisbezogenen Ansätzen verstärkt Aufmerksamkeit zukommt [4]. Insbesondere die Förderung der Nahmobilität scheint hier Erfolg versprechend, da sie sich in den Alltag integrieren lässt [13].

Es ist ein vielfach formulierter (und im Präventionsgesetz verankerter) Anspruch, die Adressatengruppe in die Entwicklung von Interventionen einzubinden [15, 29]. Unklar ist allerdings, wie sich dieser Anspruch, der nicht zuletzt aus der Kinderrechtskonvention abgeleitet werden kann [9], mit Kindern umsetzen lässt, denn partizipative Forschung mit Kindern ist in Deutschland nach wie vor randständig [16]. Studien zeigen jedoch, dass ein partizipativer Ansatz v. a. dann zentral ist, wenn die subjektiven Sichtweisen erfasst werden sollen, da Proxyangaben hier ungenau sind [16]. Photovoice könnte geeignet sein, da es eine Methode darstellt, mit der die Wahrnehmung des Lebensumfelds und die Bedürfnisse erfasst und kommuniziert werden [5]. Insbesondere vulnerablen und kommunikativ ungeübten Personen soll mit Photovoice die Möglichkeit gegeben werden, eigene Perspektiven und Einstellungen zu formulieren [28].

Für die Forschung mit Kindern sind allerdings Adaptationen (z. B. aufgrund entwicklungspsychologischer Voraussetzungen) notwendig [23]. Der folgende Beitrag fokussiert die Frage, ob Photovoice als partizipative Methode für Drittklässler*innen geeignet ist. Inhaltliche Ergebnisse zum Thema Nahmobilität werden vorerst nachgeordnet betrachtet und daher nur aufgeführt, sofern sie das Verständnis für das methodische Vorgehen erleichtert.

Methodik

Kernelemente dieser Studie waren:

  • die Aufnahme von Fotos zum Thema Nahmobilität durch die Schüler*innen,

  • Gruppeninterviews mit vier bis fünf Schüler*innen auf Basis der Fotos als Erzählstimulus,

  • Fragebogen zur Bewertung der Methode durch die Schüler*innen.

Vorausgehende Überlegungen und Rekrutierung

Es galt, die kindlichen Bedürfnisse der Nahmobilität zu einem Zeitpunkt zu erfassen, zu dem die Kinder so jung wie möglich und gleichzeitig so alt wie nötig sind. Als Einflussfaktoren wurden u. a. der Entwicklungsstand der Kinder inklusive den Auswirkungen eines Bewusstseins für Erwartungen Erwachsener [6, 27], die Verbalisierungsfähigkeit [19], die Fähigkeit zur Selbstregulation und die Gedächtniskapazität [17] herangezogen. Vor diesem Hintergrund wurde die Studie mit Drittklässler*innen durchgeführt. Partizipative Forschungsmethoden mit Kindern sind mit dem Anspruch verbunden, ihnen eine informierte Entscheidung über die Studienteilnahme zu ermöglichen und sie eine eigene Einverständniserklärung unterschreiben zu lassen, auch wenn formal eine Einwilligung der Eltern ausreichen würde [27]. Die Kinder wurden kindgerecht darüber aufgeklärt, dass die Teilnahme freiwillig ist und die Zusage zur Studienteilnahme jederzeit ohne Konsequenzen abgebrochen werden kann. Zudem wurde die Art der Anonymisierung der Datenerhebung erläutert. Sämtliche Dokumente wie Einladungsschreiben, Einwilligungserklärung und Präsentationen wurden sowohl für die Eltern als auch für die Kinder unter Beachtung der Regeln für leichte Sprache [3] verfasst.

Die Studie wurde im Rahmen einer Masterarbeit an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld durchgeführt. Mit dem Ziel möglichst alle Schüler*innen einzubeziehen, wurde am Studienort Paderborn eine komplette Schulklasse der 3. Jahrgangsstufe ausgewählt.

Zunächst wurde das Vorhaben auf einem Elternabend u. a. mit dem Ziel erläutert, Vertrauen aufzubauen und Neugier zu wecken [21]. Für die Schüler*innen wurde eine Präsentation entwickelt, welche im Vorfeld sowohl inhaltlich als auch didaktisch in einer anderen dritten Klasse getestet wurde. Die Schüler*innen wurden durch Fragen aktiviert und bekamen gleichzeitig die Möglichkeit, ihrerseits Fragen zu stellen um somit im Schutz der Peergruppe die Interviewerin kennenzulernen [26]. Zudem wurde ein Logo entworfen, welches durch die Präsentation und alle weiteren Informationen leitete und auflockernd sowie erinnernd wirken sollte.

Die Schülerinnen und Schüler erhielten folgenden Auftrag:

Was hilft und was stört, wenn du mit dem Roller oder Fahrrad von Ort zu Ort fahren möchtest? Wann fährst oder gehst du gern und wann ist es doof? Mache dazu 5 Fotos.

Es konnten 18 Teilnehmer*innen (je zur Hälfte weiblich/männlich) rekrutiert werden, welche zusammen 75 Fotos aufnahmen. Zwei Kinder fotografierten nicht, nahmen jedoch an Gruppeninterviews teil. Alle Teilnehmer*innen füllten auch den anschließenden Evaluationsbogen aus.

Vorbereitung der Gruppeninterviews

Da kleine Gruppen zu häufigeren Redebeiträgen führen und somit die Motivation der Teilnehmer*innen erhöhen [30] und altershomogene Realgruppen empfohlen werden [27], wurde eine Gruppengröße von jeweils 4–5 Schüler*innen festgelegt. Die Gruppeneinteilungen wurden nicht den Teilnehmer*innen überlassen, da sowohl eine geschlechtergemischte Teilnahme [19], als auch die Teilnahme von engen Freund*innen [27] den Verlauf des Interviews beeinflussen kann.

Teilnehmer*innen einer Gruppe erhielten jeweils für 2 Tage nummerierte Kameras. Ein erneutes kurzes Erinnerungsschreiben mit dem Forschungsauftrag sowie der fiktiven Annahme: „Du bist der Chef und darfst alles entscheiden“ sollte gewährleisten, dass in der Datenerhebung Wunsch und Idealvorstellungen erfasst werden, welche auf zugrunde liegende Bedürfnisse verweisen [23]. Die Anzahl der Fotos wurde auf maximal 5 festgelegt, um Kosten zu begrenzen und die Gruppeninterviews im zeitlichen Rahmen zu halten. Es wurde davon ausgegangen, dass Drittklässler*innen die Basisfunktionen einer Digitalkamera kennen, sodass auf eine Schulung verzichtet wurde. Das anschließende Gruppeninterview wurde jeweils spätestens am Folgetag der Rückgabe der Kameras durchgeführt. Auf diese Weise war das Erlebnis noch präsent, was insbesondere für jüngere Kinder vorteilhaft ist [21].

Durchführung der Gruppeninterviews

Als Einstieg in die Interviews dachten sich die Teilnehmer*innen sowie die Interviewerin Pseudonyme aus, mit welchen sie in Folge angesprochen werden wollten. Dies diente zum einen der Auflockerung und zum anderen der erleichterten Ansprache und Transkription. Die Gruppeninterviews wurden nach einer erneuten Erinnerung an die Aufgabenstellung und der mündlichen Einwilligung mit dem Bewusstsein für die Bedeutung des empathischen Einlassens auf die Welt der Kinder [26], der Offenheit, der Zurückstellung eigener Deutungen, der Fähigkeit des aktiven Zuhörens sowie einer kontinuierlichen Selbstreflexion [12] geführt.

Die Interviews wurden primär durch die Fotos geleitet, welche als „Kreativelemente“ die Konzentration aufrecht halten [20]. Insbesondere in der Warm-up-Phase als auch der ersten Hauptphase dominierten die Fotos mit Erläuterungen der subjektiven Bedeutung den Verlauf, indem nach einem Erzählstimulus immer wieder nachgefragt wurde was fotografiert wurde, was die Bedeutung wäre und was getan werden sollte. Erst in der zweiten Hauptphase wurde das Gespräch etwas stärker durch die Interviewerin gesteuert. Dazu wurde auf einen Leitfaden mit Kernfragen, z. B. zur bebauten und natürlichen sowie zur sozialen Umwelt, zurückgegriffen.

Um vorherige Maßnahmen zur Reduktion von Autoritätsempfindungen und generationalen Differenzen nicht zu konterkarieren, wurde auf die Anwesenheit einer weiteren erwachsenen Person zur Anfertigung von Notizen verzichtet. Diese Entscheidung machte ein Einhalten allgemeiner Schulregeln (aufzeigen, einzelne Wortbeiträge, ruhiges Sitzen) notwendig, um eine spätere Transkription zu ermöglichen. Weiterhin wurden die Einflüsse von Zeit, Raum und Biorhythmus bedacht [24], indem Gruppeninterviews weder früh morgens noch in der Mittagszeit angesetzt wurden. Im (Betreuungs)raum wurde jeweils ein Stuhlkreis um das Aufnahmegerät gebildet und die Fotos in der Mitte mit Nummern versehen ausgelegt. Auf Randflächenmikrofone sowie Videoaufzeichnung wurde verzichtet, um die Natürlichkeit der Situation zu bewahren. Nach Ausschalten der Aufnahme erfolgte eine Sortierung der Fotos (ohne Besprechung) durch die Teilnehmer*innen. Zeitnah an das jeweilige Gruppeninterview wurde ein Post-Script angefertigt, in welchem Interviewatmosphäre und Besonderheiten festgehalten werden [13].

Transkription und Auswertung

Die Gruppeninterviews wurden im Wortlaut transkribiert und durch Umwandlung der Pseudonyme in alphabetisch fortlaufende Initialisierungen anonymisiert. Die anschließende Analyse erfolgte in Anlehnung an die Inhaltsanalyse nach Mayring [18]. In einem ersten Schritt wurden die Analyseeinheiten bestimmt, kurz charakterisiert sowie formale Kategorien angefügt. Anschließend wurden zunächst theoriebasiert die thematischen Kategorien des bewegungsspezifischen sozialökologischen Modells [2] übernommen (deduktive Kategorienanwendung) und jeweiligen Textstellen zugeordnet. Darauf aufbauend erfolgte eine Bestimmung der Ausprägungen, indem Unterkategorien aus dem Material abgeleitet wurden [18]. Der Kodierleitfaden wurde im studentischen Austausch besprochen und an einem kurzen Beispiel getestet. Um die Vorgehensweise beim Kodieren nachvollziehbar zu machen, erfolgten Transkription und Analyse in MAXQDA.

Bewertung der Methode durch die Teilnehmer*innen

Ziel der Studie war es, die Praktikabilität der Methodik zu beleuchten. Um den partizipativen Ansatz auch bei dieser Frage zu gewährleisten, wurden die Kinder zu ihrer Einschätzung der Methodik befragt. Altersgerechte Frageformulierungen zu dem Aufgabenverständnis, der Selbstbestimmung und dem Nutzen der Fotos im Interview sollten mit Hilfe einer fünfstufigen symbolischen Ratingskala (Smileys) eine Einschätzung der zielgruppengerechte Anwendung der Methode sowie der Qualität der Ergebnisse ermöglichen. Zudem wurde über die Fragen nach Spaß sowie dem Gefühl der Bedeutsamkeit der eigenen Meinung versucht, Interesse, Zufriedenheit und intrinsische Motivation zu erfassen. Der Fragebogen wurde deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse

Ehe die Frage danach, ob Photovoice als Methode für partizipative Projekte mit Kindern geeignet ist, beantwortet wird, sollen inhaltliche Ergebnisse kurz skizziert werden. Hiermit soll aufgezeigt werden, welche Befunde generiert wurden, die für die kindgerechte Gestaltung einer bewegungsfreundlichen Kommune genutzt werden können.

Bedürfnisse zur Förderung der Nahmobilität

Die Ergebnisse belegen ein großes Bedürfnis nach eigengesteuerter Nahmobilität, die sich nicht nur auf den Schulweg bezieht. Für die unabhängige Mobilität scheint sowohl die wahrgenommene Sicherheit von Eltern und Lehrer*innen als auch die Wahrnehmung der Kinder selbst bedeutsam. Sicherheitsaspekte stehen für die Kinder jedoch in engem Zusammenhang mit Fehlverhalten erwachsener Autofahrer*innen, wie Missachtung von Ampelsignalen, Geschwindigkeitsüberschreitungen oder auch unerlaubtes Parken auf Rad- und Fußwegen. Dieses löst, neben einem Ungerechtigkeitsempfinden, Angst im Straßenverkehr aus. Es sollten aus Sicht der Teilnehmer*innen deutliche Anstrengungen unternommen werden, dies zu unterbinden und zu kontrollieren. Ein weiterer Wunsch der Gerechtigkeit in der Nahmobilität ist eine fahrrad- und fußgängerfreundliche Infrastruktur, welche analog zu Vorteilen des Autofahrens auf langen Strecken, einen Systemvorteil auf kürzeren Distanzen ermöglicht. Dies steht im Einklang mit dem klaren Bedürfnis nach weniger Autoverkehr und mehr natürlicher Umwelt in der Stadt, da dies aus Sicht der Teilnehmer*innen die Chancen unabhängiger Mobilität, gern in Interaktion mit Freunden, erhöht. Unabhängigkeit setzt jedoch Vorbereitung voraus, sodass der Wunsch nach sozialer Unterstützung z. B. durch frühzeitiges Heranführen an das Verhalten im Straßenverkehr, besteht. Die Ergebnisse können mit zahlreichen Wechselwirkungen auf das sozialökologische Modell der Bewegungsförderung [2] übertragen werden bzw. es in Bezug auf kindgerechte Nahmobilität erweitern.

Beurteilung des methodischen Vorgehens

Die Teilnehmer*innen zeigten ein großes Interesse und Engagement im Rahmen der partizipativen Forschung mittels Photovoice. Neben der hohen Teilnehmer*innenquote von 70 % zeigte sich dies durch konzentrierte, ideenreiche und lange Interviews, welche teilweise trotz Pausenzeiten oder Schulschluss weitergeführt werden sollten. Die Fotos halfen sowohl bei der vorausgehenden thematischen Auseinandersetzung als auch bei der Wiedergabe und Erläuterung während der Gruppeninterviews. Dabei gehen die generierten Inhalte der Interviews in den Gruppen über die Aspekte der Fotos hinaus. Neben konkreten Lösungsvorschlägen einzelner Personen, wurden das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen sowie die Diskussion von Ideen gefördert. Bekannte Situationen, wie der Stuhlkreis, sowie die Auswahl eigener Pseudonyme vor Interviewbeginn wirkten auflockernd. Das Sortieren der Fotos, als erste Auswertung, konnte aufgrund vorgegebener Zeitfenster nur recht oberflächlich erfolgen, In einem weiteren Schritt könnten, größere zeitliche Ressourcen vorausgesetzt, die Ergebnisse für die Präsentation vor Eltern und Entscheidungsträgern aufbereitet werden. Dies entspräche der ursprünglichen Intention von Photovoice, da die Ergebnisse in die Intervention und Evaluation von Interventionen einfließen sollen [28].

Die Teilnehmer*innen bewerteten die Mitarbeit in der Studie bei der abschließenden Evaluation mehrheitlich positiv oder sogar sehr positiv (Abb. 1). Insbesondere die Aussage über Spaß an der Teilnahme sowie der selbständigen Entscheidung für Fotoaufnahmen wurde positiv bewertet. Für die Wahrnehmung der Bedeutung der eigenen Meinung hingegen wäre, für eine auf Partizipation ausgerichtete Forschung, ein positiveres Ergebnis erstrebenswert gewesen.

Abb. 1
figure 1

Ergebnisdarstellung der Methodenevaluation durch Teilnehmende (eigene Darstellung)

Diskussion

Die vorliegende Arbeit weist darauf hin, dass partizipative Forschung mit Drittklässler*innen mittels Photovoice Kindern dazu verhilft, sich auszudrücken, ein Thema bewusst zu durchdenken und als wichtig erachtete Inhalte darzulegen. Somit wird auch eine partizipative Auseinandersetzung mit Entscheidungsträgern für realistisch und gewinnbringend erachtet. Es erfordert jedoch umfassende Vorüberlegungen, hohe Flexibilität, Empathie und insbesondere viel Zeit in allen Schritten des Forschungsprojekts. Gerade zur Verfügung stehende zeitliche Ressourcen müssen somit als limitierender Faktor dieser Forschung betrachtet werden. Letztlich setzten in der vorliegenden Studie zeitliche Rahmenbedingungen den Grad der Partizipation herab und standen damit dem ursprünglichen Sinn von Photovoice nach Wang und Burris [28], Entscheidungsträger zu erreichen, entgegen.

Die Wahl des Settings Schule wurde als eher förderlich wahrgenommen (konträr dazu: [11]). Neben einem niederschwelligen Zugang und einer vermuteten Reduktion des Teilnehmendenbias sorgte die Bekanntheit von Kreisgesprächen [19] und die Bildung altershomogener Realgruppen [27] für ein Sicherheitsempfinden bei den Teilnehmenden. Ebenfalls wurde die Einhaltung schulischer Regeln als hilfreich empfunden, da sie eine Voraussetzung für eine anschließende Transkription darstellen. Gleichzeitig erhöht dies die Problematik der erzieherischen Rahmung im Settings Schule [24]. Dieses Risiko konnte mit Offenheit, sensibler Vorbereitung und Minimierung der Anwesenheit Erwachsener reduziert werden.

Die Fotos dienten als Erzählstimulus [27], hielten die Konzentration aufrecht [20] und halfen dabei, persönlich relevantes Wissen herauszuarbeiten [22], sodass der Leitfaden kaum genutzt wurde. Dennoch sorgte die Erarbeitung des Leitfadens für eine Verinnerlichung von Themenkomplexen und bot somit Sicherheit für Nachfragen. Das Darlegen eigener Positionen, reichhaltige gemeinsame Überlegungen sowie die Diskussionen mit wechselseitigen Bezügen der Kinder aufeinander in den Gruppeninterviews lassen darauf schließen, dass die von Kiegelmann [14] beschriebene Pragmatik sowie weitere sprachliche Fähigkeiten vorhanden sind und kein Hindernis für Photovoice bei Drittklässler*innen darstellen. Sowohl Fotos als auch Interviews enthielten positive und negative Inhalte, was als Zeichen der Validität der Methode gewertet werden kann, da Amateurfotografen eher dazu neigen, positive Dinge zu fotografieren [10]. Ein Einfluss von Eltern, Mitschüler*innen und Lehrer*innen auf die Entscheidung für Fotomotive ist trotz Bemühungen nicht auszuschließen. Dennoch lässt sowohl die Nachbefragung als auch die intensive Auseinandersetzung im Interview vermuten, dass dieser Einfluss nicht die eigene Sichtweise der Teilnehmer*innen überlagert. Phasenweise führte der Wunsch, entsprechende Sichtweisen mit aufgenommenen Fotos zu besprechen, zu einer Art Abarbeiten vorliegender Fotos. Bei gleichzeitig langer und anstrengender Interviewdauer scheint es trotz aufrechterhaltender Motivation daher sinnvoll, sowohl Teilnehmer*innenzahl als auch Anzahl der Fotos pro Interview auf jeweils vier zu reduzieren. Dies würde die Möglichkeit bieten, dass alle Fotos besprochen werden könnten, ohne eigene Relevanzen zu sehr einzuschränken und somit die versprochene partizipative Zusammenarbeit einzuhalten.

In der Studie wurde aus den oben genannten Gründen darauf verzichtet, weitere Erwachsene in die Interviewsituation einzubeziehen. Gleichwohl wäre eine Hinzuziehung von Forscher*innen aus dem Bereich Pädagogik oder Psychologie fachlich gewinnbringend gewesen, wie auch der nonverbalen Kommunikation mehr Aufmerksamkeit hätte geschenkt werden können [23]. Anschließende Projekte könnten das Dilemma lösen, indem verschiedene Forscher*innen nach vorangegangener Schulung jeweils Interviews mit einer Gruppe führen. Anschließend könnte die Sortierung der Fotos an einem zeitnahen nächsten Termin gruppenübergreifend erfolgen. So könnte, entsprechend der Vorstellungen von Darbyshire et al. [5], zumindest in der Auswertung eine interaktivere Arbeitsweise ermöglicht werden, an welcher mehrere Forscher*innen beteiligt wären. Im Sinne von Photovoice müsste eine Präsentation der Ergebnisse an Entscheidungsträger angeschlossen werden und wenn möglich, eine Entwicklung von Programmen inklusive Evaluation erfolgen [25]. Folglich kann diese Forschung nicht als abgeschlossen angesehen werden. In einem nächsten Schritt müssten die Auswertungen und Sortierungen erneut an die Teilnehmer*innen zurückgegeben und validiert bzw. diskutiert werden. Es ist nachvollziehbar, dass eine Inaussichtstellung praktischen Nutzens, die Motivation der Teilnahme nochmals steigern würde.

Im Sinne einer Pilotstudie können diese Ergebnisse Entscheidungen folgender Forschungen leiten, jedoch weder generalisiert noch auf andere Städte übertragen werden. Weitere Studien werden empfohlen, um bestehende Forschungslücken bezüglich kindlicher Bedürfnisse in der Nahmobilität zu schließen und die Forschungsmethode Photovoice mit Kindern, insbesondere unter Beachtung des Aspekts der gesundheitlichen Ungleichheit, weiterzuentwickeln.

Fazit für die Praxis

  • Partizipative Forschung mit Drittklässer*innen mittels Photovoice ist möglich und generiert durch eine kindgerechte Erfassung subjektiver Perspektiven gewinnbringende Erkenntnisse.

  • Photovoice ist eine zeit- und ressourcenintensive Methode, die Flexibilität und Empathie voraussetzt, jedoch durch Offenheit für die Sichtweise von Kindern wichtige Informationen für eine zielgruppengerechte Maßnahmenplanung liefert.