Hintergrund

Die Pandemie mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) betrifft mehr als 200 Länder – der Fokus liegt aktuell in Europa. Das öffentliche Leben ist in Deutschland auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes so drastisch wie noch nie in seiner Geschichte seit 1949 zum Erliegen gekommen. Während die Zahl der Erkrankten in Deutschland noch überschaubar zunimmt, hat es Frankreich in unserer unmittelbaren Nachbarschaft bereits hart getroffen. Das für Deutsche beliebte Italien als Ski- und Urlaubsparadies verfährt bereits jetzt nach Triagekriterien zur Versorgung der Beatmungspatient*innen mangels Kapazitäten auf den Intensivstationen. Und die Pandemie macht auch vor Schwangeren nicht halt.

In Deutschland wurden 2018/2019 laut Statistisches Bundesamt rund 891.000 Schwangerschaften registriert, davon 790.000 Geburten und 101.000 Schwangerschaftsabbrüche. Der Anteil der Diabetesfälle an den Geburten beläuft sich aktuell auf ca. 63.000 pro Jahr.

In diesem Beitrag soll die Faktenlage bis 30.03.2020 beschrieben werden, um auf die zu erwartenden Fälle von Schwangeren mit COVID-19 („coronavirus disease 2019“) vorzubereiten, besonders jene mit der Komorbidität Diabetes mellitus. Über einen ersten Fall aus Freiburg wird berichtet.

Fallzahl bei Schwangeren

Aktuell sind 116 Fälle von Schwangerschaften chinesischer Frauen mit gesicherter COVID-19 in 13 bei PubMed gelisteten Publikationen beschrieben [2,3,4, 6, 7, 9,10,11,12, 16, 19,20,21]. Hierbei gibt es Einzelfallberichte, kleine und größere Fallserien, mit maximal bis zu 41 Fällen. Während der Anteil mit der Komorbidität Diabetes mellitus bei allen an COVID-19 Erkrankten nach einer ersten Metaanalyse insgesamt 8 % beträgt (95 %-KI [95 %-Konfidenzintervall]: 6–11; [18]), wurden bei Schwangeren bislang 4 Fälle mit GDM („gestational diabetes mellitus“, Gestationsdiabetes) beschrieben.

Klinik

Die Symptome wurden bei stationär behandelten Schwangeren als tendenziell milder angegeben als bei der Gesamtgruppe der Erkrankten. Im Vordergrund standen nach einer Zusammenfassung von 55 Fällen Fieber (84 %), Husten (28 %), Luftnot (18 %; [5]), aber auch Müdigkeit und Myalgie. Seltener wurde über Schnupfen, Halsschmerzen, Hämoptysen oder Diarrhö berichtet. Bis auf wenige Fälle aus dem 2. Trimester waren die Frauen bereits im 3. Trimester ihrer Schwangerschaft, bislang sind keine Fälle aus dem 1. Trimester publiziert. Der Anteil pulmonaler Infiltrationen (atypische Pneumonie) nach Computertomographiebefund (CT-Befund) des Thorax betrug ca. 70–80 %. In China wird bei pulmonalen Symptomen häufig eine CT des Thorax durchgeführt, durchaus auch bei Schwangeren. Bislang war nur in einem Fall eine maschinelle Beatmung erforderlich.

Diagnostik

Die RT-PCR (Reverse-Transkriptase-Polymerasekettenreaktion) aus dem Rachenabstrich von Patient*innen, die auf COVID-19 verdächtig sind, gilt derzeit als Goldstandard des Infektionsnachweises, die Leistungsfähigkeit der Testverfahren, deren Sensitivität und Spezifität bewerteten Dashraath et al. [5]. Sie wiesen darauf hin, dass der CT-Befund des Thorax wegen seiner typischen, aber letztlich unspezifischen Aussage als ergänzend betrachtet werden muss und den Infektionsnachweis nicht ersetzt (siehe auch [13]). Das sonstige Labor ergab eine Leukozytose (38 %) und Lymphopenie (22 %), seltener eine Thrombopenie (13 %). Einzelne Fälle mit Erhöhung der Transaminasen- oder Kreatinkinasewerte sind beschrieben.

Unabhängig von einer bestehenden Schwangerschaft wurden bei Patient*innen mit COVID-19 neben einer Lymphopenie und Leukozytose erhöhte Werte für Transaminasen, LDH (Laktatdehydrogenase), Kreatinkinase, hochsensitives Troponin I, D‑Dimere, Serumferritin, IL‑6 (Interleukin 6), Kreatinin und Prokalzitonin beobachtet und mit einer schlechteren Prognose assoziiert [23].

Verlauf

Die Verläufe bei Schwangeren wurden insgesamt als mild bis mittelschwer beschrieben. Bislang wurde nur in einem Fall (Fall 6 bei Liu et al. [12]) eine Behandlung auf der Intensivstation nach intrauterinem Fruchttod und Multiorganversagen bekannt. Die Frau wird derzeit noch mit extrakorporaler Membranoxygenierung behandelt. Bisher war kein Todesfall zu beklagen. Bei den 4 Fällen mit GDM wurden keine Komplikationen berichtet. In einigen Fallberichten und -serien wurde der Einsatz von Medikamenten im off label use angegeben, wie Interferon als Aerosol, antivirale Medikamente (Lopinavir, Ritonavir, Oseltamivir, Remdesivir), Hydroxychloroquin, Methylprednisolon und Antibiotika. Derzeit gibt es für COVID-19 kein nachgewiesen wirksames Medikament und keine Standards zur medikamentös-supportiven Therapie als off label use, insbesondere auch nicht bei Schwangeren.

Geburt

In China beträgt der Anteil an Sectio-Entbindungen einschließlich Not-Sectiones über 95 %. Allerdings liegt die Kaiserschnittfrequenz in China im internationalen Vergleich bereits seit einigen Jahren im obersten Bereich und wird in manchen Regionen mit über 60 % angegeben. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) positionierte sich durch ihren Vizepräsidenten Prof. Louwen, Universitätsfrauenklinik Frankfurt, eindeutig dahingehend, dass COVID-19 keine Sectio-Indikation darstellt [24]. Auch bei hieran erkrankten Schwangeren soll die Indikation zum Kaiserschnitt nach üblichen geburtshilflichen Kriterien gestellt werden. Im Zusammenhang mit den großzügig vorgenommenen Sectiones in China liegt die Frühgeburtenrate <37 + 0 SSW (Schwangerschaftswochen) bei 40–50 %. Im Detail liegt eine Gemengelage von proaktivem ärztlichem Vorgehen, klinischem Befund der Mutter, Zustand des Kindes intrauterin und geburtshilflichen Komplikationen, wie z. B. einer Präeklampsie, vor.

Die möglichen Risiken einer verstärkten Virusverbreitung bei einer vaginalen Geburt durch die Atemtechnik der Schwangeren in der Austreibungsphase, d. h. Pusten oder Hecheln bis hin zur Hyperventilation, wird von Experten als nicht relevant eingestuft, wenn das Kreißsaalpersonal adäquate Schutzkleidung trägt. Ebenso wird die heute routinemäßig angewendete, verzögerte Nabelschnurabklemmung [1] nach der Geburt des Kindes bis zu 1 min nicht als Infektionsrisiko für das Neugeborene angesehen.

Neugeborene

Bisher erfolgten alle publizierten Geburten innerhalb von 2 Wochen nach der mütterlichen Infektion. Eine intrauterine Infektion (sog. vertikale Transmission) wurde bislang durch Virusnachweis nicht gesichert. Untersucht wurden das Neugeborene, die Plazenta, die Nabelschnur, das Fruchtwasser, die Muttermilch und das Vaginalsekret mit jeweils negativen Ergebnissen [14]. Damit gibt es auch keine Hinweise für einen Virustransfer in die Muttermilch.

In 2 neuen Fallberichte wurden jetzt erhöhte Titer von IgM- (Immunglobulin M) und IgG-Antikörpern (IgG: Immunglobulin G) gegen SARS-CoV‑2 aus Blutproben von Neugeborenen nachgewiesen [6, 20]. Da IgM-Antikörper die Plazenta aufgrund ihrer Molekülgröße nicht passieren, spricht ihr Vorhandensein für eine intrauterine Infektion. Beide Publikationen wurden von pädiatrischen Infektionsexperten detailliert analysiert [8]. Sie halten den Beweis für eine intrauterine Infektion mit SARS-CoV‑2 nach den vorliegenden Daten für nicht erbracht. Bislang wurde in 4 Fällen eine postnatale SARS-CoV-2-Infektion bei Neugeborenen einer infizierten Mutter nachgewiesen. Die beschriebenen Verläufe bei den betroffenen Säuglingen waren mild bis asymptomatisch.

In diesem Kontext stellt sich die Frage, wie mit einem Neugeborenen einer infizierten Mutter umgegangen werden soll. In China wird dieses (entsprechend den dortigen Vorschriften) sofort nach der Geburt strikt von der Mutter für 14 Tage getrennt [17]. In dieser Zeit soll sie Milch abpumpen, die durch eine dritte Person verfüttert wird. Ist der Virusnachweis nach Ablauf von 2 Wochen negativ, bekommt die Mutter ihr Kind wieder und kann weiter stillen. Die professionellen Geburtshelfer aus Europa widersprechen diesem Vorgehen entschieden und halten dessen Akut- und Langzeitfolgen für nicht kalkulierbar [15]. Das betrifft u. a. die Mutter-Kind-Bindung durch engen Hautkontakt, die psychische Verfassung der Mutter und die Stillrate. Von daher bleiben die Neugeborenen in Deutschland bei der Mutter, die entsprechende Hygiene- und Schutzregeln einhalten muss (Hände waschen vor Aufnehmen des Säuglings, Tragen einer Maske während des Stillens). Nach Rücksprache mit Herrn Prof. Bührer, Leiter der Neonatologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, wird dieses Vorgehen dort genauso praktiziert.

Plazenta

In einer Arbeit wurde die morphologische Untersuchung von 3 Plazenten infizierter Schwangerer ohne Auffälligkeiten in Relation zur Infektion beschrieben [3]. In einer anderen Veröffentlichung wurde über eine sehr niedrige Expression des COVID-19-Rezeptors ACE‑2 (Angiotensinkonversionsenzym 2) in den Geweben der maternofetalen Schnittstelle berichtet [22].

Erster COVID-19-Fall mit Gestationsdiabetes in Freiburg

Mitte März 2020 wurde bei einer 28-jährigen Patientin (Gravida IV, Para II) mit 25 SSW ein GDM diagnostiziert: Der 75 g-oGTT (oraler Glukosetoleranztest mit 75 g Glukose) bei der niedergelassenen Gynäkologin ergab nüchtern 97 mg/dl, nach 1 h 189 mg/dl, nach 2 h 179 mg/dl (5,4/10,5/9,9 mmol/l). Noch vor Beginn der Betreuung und Schulung in unserer Diabetesambulanz wurde die Schwangere mit 25 + 6 SSW internistisch im Universitätsklinikum Freiburg mit persistierendem Fieber >39 °C stationär aufgenommen. Am Tag zuvor war SARS-CoV‑2 mittels RT-PCR aus einem Rachenabstrich nachgewiesen worden. Seit bereits 1 Woche bestanden neben Fieber auch Husten und Appetitlosigkeit. Die Schwangere hatte engen Kontakt zu einer auf SARS-CoV‑2 positiv getesteten Person.

Laborchemisch bestanden initial eine Thrombopenie und Lymphozytose sowie erhöhte Werte für LDH, Kreatinkinase, CRP (C-reaktives Protein) und IL‑6. Das Fieber persistierte über 4 Tage, zusätzlich stellte sich 3 Tage nach der stationären Aufnahme eine zunehmende Dyspnoe mit Sauerstoffbedarf bis 5 l/min über Maske ein. Bei tief sitzender Plazenta kam es akut zu einer vaginalen Blutung, die eine vorübergehende Verlegung in den Kreißsaal und eine dortige Überwachung unter Tokolyse erforderlich machte, bevor die Frau nach Sicherung der Intaktheit der Schwangerschaft zurückverlegt wurde. Die Patientin ist 6 Tage nach stationärer Aufnahme fieberfrei, der Sauerstoffbedarf ist rückläufig, und der erste Kontrollrachenabstrich auf SARS-CoV‑2 ist negativ, sodass bald eine Entlassung bei Sauerstofffreiheit erfolgen kann, um zügig die ambulante Schulung und Therapie des GDM zu beginnen.

Damit hat die SARS-CoV-2-Pandemie auch Schwangere mit Diabetes erreicht. Dieser Fall zeigt, welche Herausforderungen für Internisten, Diabetologen und Geburtsmediziner bei COVID-19 bestehen und dass eine gut abgestimmte interdisziplinäre Betreuung auf aktuellem Erkenntnisstand erforderlich ist.

Empfehlungen von Institutionen und Fachgesellschaften

Allgemein erhalten Angehörige der Gesundheitsberufe Informationen zu den Fragen der Ausbreitung, der Prävention und Diagnostik, den Schutzmaßnahmen und der Therapie von COVID-19 auf den Internetseiten des Robert Koch-Instituts und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Bezüglich schwangerer Frauen gibt es bereits eine kaum übersehbare Fülle an Empfehlungen durch Fachgesellschaften weltweit. Folgende sind hervorzuheben:

Fazit für die Praxis (Stand 30.03.2020)

  • Für eine Infektion mit SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) stellen Schwangere keine besondere Risikogruppe dar.

  • Die häufigsten Symptome bei Schwangeren sind Fieber und Husten.

  • Atembeschwerden zeigen eine klinische Verschlechterung an und können auch plötzlich auftreten.

  • Die bisher beschriebenen Verläufe bei 116 Fällen von Schwangeren waren mild bis mittelschwer, nur in 1 Fall wurde bislang maschinell beatmet.

  • Es gibt keine definitiven Beweise für eine intrauterine Infektion des Kindes (vertikale Transmission).

  • Es gibt keine Befunde, die einen Virustransfer in bzw. durch Muttermilch belegen.

  • Postnatale Infektionen von Neugeborenen einer infizierten Mutter sind belegt.

  • Bei Diabetes mellitus als Komorbidität können adipöse Frauen mit Typ-2-Diabetes (Frauen mit Gestationsdiabetes) und weiteren Komorbiditäten und Frauen mit länger bestehendem Typ-1-Diabetes, Folgekomplikationen und Ketoazidoseneigung als potenziell besonders gefährdet angesehen werden.