In diesem Heft präsentieren wir Ihnen, einer liebgewordenen Tradition folgend, 5 Beiträge mit Themen des Diabetes Update 2018, wobei jeweils die wichtigsten Neuerungen vorgestellt und im Kontext zu den bisherigen Vorgehensweisen diskutiert werden. Zentrales Thema ist naturgemäß der Typ-2-Diabetes. Die Autoren Werner Scherbaum und Andreas Hamann gehen in ihrem Beitrag insbesondere auf die aktuelle Evidenzlage zur kardio- und nephroprotektiven Wirkung der GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1: „glucagon-like peptide 1“) Liraglutid und Semaglutid sowie der SGLT-2-Inhibitoren (SGLT-2: „sodium dependent glucose transporter 2“) Empagliflozin und Dapagliflozin ein. Außerdem beschreiben und diskutieren sie neue Strategien der Kombinationstherapie beim Typ-2-Diabetes mit verschiedenen Antidiabetika [1].

Antonia Mondorf und Jörg Bojunga geben einen aktuellen Überblick über das Thema Diabetes und Gastroenterologie. Die Bedeutung der nichtalkoholischen Fettleber (NAFL) wird dabei immer noch vielfach unterschätzt. Sie geht mit einem um das 12-Fache erhöhten Risiko für die Entstehung einer Leberzirrhose einher. Als initiale Untersuchung wird der NAFL-Fibrose-Score, als weiterführende die Elastographie empfohlen. Die Bestimmung der Transaminasen ist nicht zielführend. Unter anderem wird auch auf die Beziehungen zwischen Diabetes und hepatozellulärem Karzinom sowie dem Kolonkarzinom speziell hingewiesen [2].

Helmut Kleinwechter widmet sich dem Thema Typ-2-Diabetes und Schwangerschaft. Er zeigt, dass auf diesem Gebiet erschreckende Lücken bestehen, sowohl bei der präkonzeptionellen Beratung als auch in der spezialisierten Betreuung dieser Frauen. Es handelt sich um einen besonders lesenswerten Artikel, zumal die diabetologisch spezialisierten Hausärzte hier in einer besonderen Verantwortung stehen, für die Verbesserung des Ausgangs dieser Schwangerschaften Sorge zu tragen [3].

Anna Maria Schönbach und Maximilian Spraul diskutieren neue Daten zum diabetischen Fußsyndrom (DFS), einschließlich Studien zur Amputationsfrequenz, zum günstigen Einfluss einer geeigneten Infrastruktur auf die Frequenz von Majoramputationen und zu sozialen und ökonomischen Faktoren. Außerdem berichten sie über eine neue Methode zur frühen Detektion von Fußulzera sowie über allgemeine Behandlungsprinzipien und -ergebnisse beim DFS. Der hyperbaren Sauerstofftherapie wird durch die Autoren eine klare Absage erteilt [4].

Karin Lange stellt in ihrem Artikel die Bedeutung von Schulung und Empowerment als integrale Bestandteile der Behandlung des Diabetes mellitus heraus. Die von ihr angeführten Untersuchungen und die ärztliche Erfahrung zeigen, dass Selbstmanagement den wesentlichen Teil der Diabetestherapie ausmacht und die Diabetesschulung viel mehr als Wissensvermittlung darstellt [5].

Gerne komme ich dem vielfach geäußerten Wunsch nach, in diesem Editorial auch die wichtigsten Schlaglichter von klinisch und in der Praxis relevanten Neuigkeiten in anderen Themengebieten weiterzugeben, die in der diesjährigen Diabetes-Update-Veranstaltung präsentiert wurden.

Prof. Stefan Martin aus Düsseldorf referierte zum Thema Pathophysiologie und Prävention [6]. Die wohl bedeutendste Studie, die im vergangenen Jahr zu diesem Thema publiziert wurde, ist die DIRECT-Studie von Lean et al. [14], die nachwiesen, dass durch ein intensiviertes Gewichtsmanagement im Rahmen der hausärztlichen Versorgung Remissionen des Typ-2-Diabetes erreicht werden können. An der Studie nahmen 49 hausärztliche Praxen in Schottland und Nordengland teil, und es wurden Patienten im Alter von 20–65 Jahren eingeschlossen, bei denen innerhalb der letzten 6 Jahre ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert worden war und die bisher noch kein Insulin erhalten hatten. Die Intervention beinhaltete am ersten Tag der Ernährungsumstellung ein komplettes Absetzen der antidiabetischen und antihypertensiven Therapie. Alle Mahlzeiten wurden für 3–5 Monate durch eine flüssige Formulakost von etwa 840 kcal/Tag ersetzt. Anschließend wurde über 2–8 Wochen stufenweise die normale Kost wieder eingeführt. Bei der Analyse nach 12 Monaten hatten in der Interventionsgruppe 24 % der Teilnehmer 15 kg oder mehr an Gewicht verloren, während dies in der Kontrollgruppe in keinem Fall gelungen war. In der Interventionsgruppe kam es in 46 % der Fälle und in der Kontrollgruppe nur in 4 % zu einer Diabetesremission. Deren Erreichen hing stark vom Ausmaß der Gewichtsreduktion ab: Bei einer Gewichtsreduktion von mehr als 15 kg lag die Erfolgsrate bei 86 %, bei 5–10 kg immerhin noch bei 34 % (Abb. 1). Diese Ergebnisse zeigen eindeutig, dass eine Remission des Typ-2-Diabetes zumindest in der Anfangsphase möglich ist und dass diese im Wesentlichen durch eine Gewichtsreduktion erreicht werden kann. Das telemetrisch gesteuerte TeLiPro-Lebensstil-Interventionsprogramm der Gruppe von Prof. Martin und auch neue Studien aus Indien und aus Dänemark gehen in die gleiche Richtung.

Abb. 1
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Prozentsatz der Remissionen in Abhängigkeit von der Gewichtsabnahme in der DIRECT-Studie. (Aus Lean et al. 2018 [14])

Prof. Manfred Dreyer aus Hamburg referierte zum Thema Typ-1-Diabetes [7]. Das wohl Spannendste auf diesem Gebiet ist die rasante Entwicklung der CGM-Systeme (CGM: kontinuierliches Glukosemonitoring) und deren Kopplung an die Insulinpumpentherapie im Sinne geschlossener selbststeuernder Regelkreise. Schon das Flash-Glukose-Monitoring vermindert bei gut geschulten Patienten mit Typ-1-Diabetes mit einer intensivierten Insulintherapie die Zeiten mit hypoglykämischen Werten. Gleiches wurde durch das kontinuierliche Glukosemonitoring z. B. in der DIAMOND-Studie belegt. Sensorunterstützte Insulinpumpen bieten heute einen besseren Schutz vor Hypoglykämien, weil sie schon bei einem entsprechenden Trend die Insulinabgabe abschalten. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Kurzzeitstudien, in welchen Closed-Loop-Systeme erprobt und klare Vorteile gegenüber einer Insulinpumpentherapie mit oder ohne Sensorunterstützung gefunden wurden. Mit den Closed-Loop-Systemen wird eine Verbesserung der Stoffwechseleinstellung erzielt und (nahe-)normoglykämische Werte können leichter erreicht werden. Diese Systeme wurden inzwischen schon im Rahmen von Ferienlageraufenthalten bei Kindern und in anderen Sondersituationen mit Erfolg erprobt.

Intermittierendes Fasten führt zu einer erfolgreichen und anhaltenden Gewichtsreduktion

PD Jens Aberle aus Hamburg zeigte und diskutierte die neuesten Studien zum Thema Adipositas und Ernährung [8]. Besonders erwähnenswert ist die sog. MATADOR-Studie, in der gezeigt wurde, dass intermittierendes Fasten offenbar zu einer erfolgreicheren und länger anhaltenden Gewichtsreduktion führt als eine kontinuierliche Energierestriktion (Abb. 2). Ein wesentlicher Effekt des intermittierenden Fastens ist die Tatsache, dass der Verlust an fettfreier Masse und die Reduktion des Grundumsatzes geringer sind als bei einer kontinuierlichen Diät (Abb. 2). Dies ist von wesentlicher Bedeutung, weil die dauerhafte Reduktion des Grundumsatzes einer der Hauptgründe ist, warum viele Menschen nach einer Gewichtsreduktion wieder zunehmen.

Abb. 2
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Kontinuierliche (CON) vs. intermittierende (INT) Energierestriktion. (Aus Byrne et al. 2017 [15])

Prof. Carsten Framme aus Hannover gab einen Überblick über den aktuellen Standard der Diagnostik und Therapie der diabetischen Retinopathie aus ophthalmologischer Sicht [9]. Mit in das Gerät integrierten Kameras ist heute schon eine Ophthalmoskopie mittels Smartphone möglich, die auch als ein erstes Screening auf eine diabetische Retinopathie verwendet und telemetrisch ausgewertet werden kann. Immer feinere OTC-Techniken (OTC: optische Kohärenztomographie) bieten heute eine hochauflösende und detailreiche Schnittbilddarstellung der Netzhaut, insbesondere der makulären Strukturen. Eine panretinale Laserkoagulation muss bei proliferativen Stadien der Retinopathie erfolgen; bei Vorliegen eines fovealen diabetischen Makulaödems sollte heutzutage nicht die Lasertherapie, sondern vornehmlich eine intravitreale Injektionstherapie (IVOM) mit Anti-VEGF (VEGF: „vascular endothelial growth factor“) zur Anwendung kommen. Dabei dient die OTC zwingend als Monitoring. Dexamethason ist in der Regel das Mittel der zweiten Wahl. Bei Nichtvorliegen retinaler Veränderungen kann das Kontrollintervall der ophthalmologischen Untersuchungen beim Diabetes von 1 auf 2 Jahre ausgedehnt werden.

Regelmäßiger Walnusskonsum verbessert die Lipidwerte

Prof. Klaus Parhofer aus München referierte zum Thema Lipidologie bei Diabetes [10]. Entsprechend den Empfehlungen der europäischen Fachgesellschaften ESC/EAS („European Society of Cardiology“/„European Atherosclerosis Society“) sind Patienten mit Diabetes mellitus der Kategorie „hohes Risiko“ zuzuordnen und sollten daher auf einen LDL-Cholesterin-Zielwert (LDL: „low density lipoprotein“) <100 mg/dl (<2,8 mmol/l) eingestellt werden. Patienten mit Diabetes und Endorganschäden werden als der Kategorie „sehr hohes Risiko“ für kardiovaskuläre Ereignisse zugehörig betrachtet und sollten daher auf <70 mg/dl (<1,8 mmol/l) eingestellt werden. Viele Patienten fragen, ob man den LDL-Cholesterin-Wert durch diätetische Maßnahmen senken kann. Inzwischen ist durch neuere Studien belegt, dass regelmäßiger Walnusskonsum die Lipidwerte verbessert, d. h. zu einer Absenkung der Plasmakonzentrationen von LDL-Cholesterin, Non-HDL-Cholesterin (HDL: „high density lipoprotein“), Apolipoprotein B und Triglyzeriden führt (Abb. 3). Auch kommt es zu einer Verbesserung des Darmmikrobioms. Die Auswertung der Daten großer Kohortenstudien ergab, dass Personen, die regelmäßig Nüsse konsumieren, weniger Herz-und Kreislauferkrankungen entwickeln. Die positiven Studienergebnisse einer Behandlung mit PCSK9-Inhibitoren (PCSK9: Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9) zur Senkung des LDL-Cholesterin-Spiegels und die einer walnussreichen Ernährung wurden im Detail diskutiert.

Abb. 3
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Effekte regelmäßigen Walnusskonsums auf Lipide, ApoB Apolipoprotein B, BMI Body-Mass-Index, HDL „high density lipoprotein“, HDL-C HDL-Cholesterin, LDL „low density lipoprotein“, LDL-C LDL-Cholesterin, Lp(a) Lipoprotein (a), TC Gesamtcholesterin, TG Triglyzeride. (Aus Bamberger et al. 2017 [16])

PD Dr. Michael Lehrke aus Aachen referierte zum Thema Diabetes und Herz [11]. In der CANVAS-Studie wurde belegt, dass der SGLT-2-Inhibitor Canagliflozin eine günstige Wirkung auf Herz- und Nierenfunktion ausübt. Passend zu diesen Daten ließ sich unter Canagliflozin auch eine Reduktion des NT-proBNP („N-terminal pro b‑type natriuretic peptide“) als Herzinsuffizienzindikator und des hs-Troponins (hs: „high sensitive“) als kardialem Schädigungsmarker feststellen. Im Gegensatz zu den Ergebnissen aus EMPA-REG Outcome bezüglich Empagliflozin ließ sich jedoch mit Canagliflozin keine Reduktion der kardiovaskulären und der Gesamtmortalität nachweisen. Eine weitere wichtige Information war, dass in der ORBITA-Studie der Nutzen einer Koronarintervention bei stabiler KHK (koronare Herzkrankheit) in Frage gestellt wurde. Schließlich wurden noch die neuen Daten der COMPASS-Studie zur Intensität der Antikoagulation bei mehr als 27.000 Patienten mit stabiler atherosklerotischer Gefäßkrankheit vorgestellt: Die Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS (Azetylsalizylsäure) ist eine zentrale Säule der Sekundärprävention; eine generelle Empfehlung für die zusätzliche Gabe von niedrig dosiertem Rivaroxaban (2-mal 2,5 mg/Tag) kann nicht ausgesprochen werden. Für das Gesamtkollektiv wurde die Reduktion von 117 kardiovaskulären Ereignissen durch 118 zusätzliche Blutungsereignisse erkauft.

ASS spielt bei der Sekundärprävention atherosklerotischer Gefäßkrankheiten eine zentrale Rolle

Prof. Michael Stumvoll berichtete in einem spannenden Vortrag Neues aus der „Experimentierstube“ [12] zum intranasal applizierten Insulin – mit einer Reihe überraschender Effekte, wie z. B. einer Verstärkung der Geschmacksempfindung. Außerdem stellte er Neuigkeiten zur Verbesserung der Insulinempfindlichkeit durch die Übertragung des Stuhls von schlanken Spendern vor. In experimentellen Studien wurde auch gezeigt, welche Fettdepots durch bestimmte Diäten mobilisiert werden und wie sich darunter verschiedene Lipidwerte im Blut verändern. Und schließlich gibt es viele interessante Studien, in denen belegt wurde, wie und über welche Mechanismen zirkadiane Rhythmen den Glukosestoffwechsel auf verschiedenen Ebenen beeinflussen. Es ist zu wünschen, dass solche Beiträge zur experimentellen Forschung auch weiterhin in die Diabetes-Update-Veranstaltungen integriert werden.

Schließlich und nicht zuletzt präsentierte Frau Prof. Dagmar Führer vom Universitätsklinikum Essen Neues aus der Endokrinologie, sozusagen dem Mutterfach der Diabetologie [13]. Aus dem reichhaltigen Vortrag zu neuen Studien auf den Gebieten Hypophyse, Schilddrüse, Nebennieren, Knochenstoffwechsel und Gonaden sollen an dieser Stelle nur 2 Kernpunkte herausgegriffen werden: Bevor eine latente Hypothyreose diagnostiziert werden kann, muss der Befund nach einem Intervall von mindestens 2–3 Monaten bestätigt werden. Bei fehlenden Symptomen besteht in der Regel erst ab einem TSH-Wert (TSH: thyroidstimulierendes Hormon) >10 mIU/l eine Behandlungsindikation. Für Diabetologen ist wichtig, dass etwa 10 % aller Patienten mit einem Blutdruck >160/100 mm Hg einen primären Hyperaldosteronismus haben, oft auch ohne Hypokaliämie. Das primäre Screening auf das Vorliegen dieser oft heilbaren Hochdruckform kann in Allgemeinpraxen durchgeführt werden und besteht in der Bestimmung des Aldosteron-Renin-Quotienten unter Standardbedingungen.

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Univ.-Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum

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Einige der Beiträge des Diabetes Update 2018 können Sie sich auch Online auf streamedup anschauen.