Der Gemeinsame Bundesauschuss (GBA) hat Ende letzten Jahres beschlossen, ein Screening auf Hepatitis B und C in die allgemeine Gesundheitsuntersuchung, den „Gesundheits-Check-up“, aufzunehmen. Seit dem 1. Oktober 2021 können sich nun gesetzlich Versicherte über 35 Jahren einmalig auf eine Infektion mit Hepatitis-B- und -C-Viren testen lassen. Die Einführung dieses Screening ist das Ergebnis von mehr als 10 Jahren gemeinsamer Aktivität verschiedener Fachgesellschaften unter Führung der DGVS und der Deutschen Leberstiftung. Die Testung für Hepatitis B basiert auf der Untersuchung von HBsAg, für Hepatitis C auf anti-HCV. Für die Betroffenen ist es wichtig zu wissen, ob wirklich eine replikative Virushepatitis vorliegt, da nicht alle HBsAg-positiven oder anti-HCV-positiven Patienten auch eine Virusreplikation aufweisen. Sehr erfreulich ist es daher, dass im Falle eines positiven Ergebnisses sich unmittelbar die Untersuchung auf die entsprechende Nukleinsäure (HBV-DNA bzw. HCV-RNA) aus der gleichen Probe anschließt. So entfällt für die Patienten sowohl eine zweite Blutentnahme als auch Wartezeit in Ungewissheit – und eine eventuell notwendige antivirale Behandlung könnte schneller begonnen werden.

Warum ist ein Screening auf HBV- bzw. HCV-Infektionen überhaupt sinnvoll? In Deutschland sind bis zu 500.000 Menschen von einer chronischen Virushepatitis betroffen. Chronisch-virale Hepatitiden können zu Leberzirrhosen führen und gehören zu den Hauptrisikofaktoren für primäre Leberkarzinome. Zudem werden dem Robert-Koch-Institut in jedem Jahr bis zu 10.000 Fälle einer akuten Virushepatitis gemeldet. Damit sind virusinduzierte Leberentzündungen weiterhin ein großes Gesundheitsproblem, nicht nur weltweit, sondern auch in Mitteleuropa. Vor diesem Hintergrund ist es gerade jetzt unbedingt erforderlich, Menschen zu identifizieren, die nicht wissen, dass sie mit einem Hepatitisvirus infiziert sind. Denn annähernd allen Menschen, die im Rahmen einer Screening-Untersuchung identifiziert werden, kann eine hocheffektive und sichere Therapie angeboten werden.

In den letzten 15 Jahren haben sich die therapeutischen Möglichkeiten für die Hepatitis B und C dramatisch verbessert. Die Hepatitis-B-Virusvermehrung kann in fast allen Fällen mit Medikamenten, die so gut wie keine Nebenwirkungen aufweisen, unterdrückt werden. Zudem stehen sowohl für Entecavir als auch für Tenofovir dipivoxil seit 4 Jahren zahlreiche generische Präparate zur Verfügung, womit sich die monatlichen Behandlungskosten dramatisch reduziert haben und aktuell z. T. unter 100 € liegen. In den letzten Jahren haben viele Arbeiten gezeigt, dass eine antivirale Therapie gegen Hepatitis B das Risiko für die Entwicklung von klinischen Komplikationen einer Leberzirrhose deutlich verringert. Dennoch erhalten in Deutschland aktuell nur ca. 25.000 Menschen eine antivirale Therapie gegen Hepatitis B, was sicher weniger als ein Drittel der Patienten ist, bei denen prinzipiell eine Behandlung notwendig wäre.

Die Revolution der Hepatitis-C-Therapie hat in den letzten Jahren zur Einführung von einfachen Therapien geführt, die über alle HCV-Genotypen innerhalb von 8–12 Wochen zu einer kompletten Ausheilung der Infektion führen. Auch mit diesen Therapien werden klinische Endpunkte reduziert. Wir konnten ganz aktuell in einer Auswertung deutscher Transplantationszentren zeigen, dass die Notwendigkeit einer Lebertransplantation aufgrund einer Hepatitis C mit der Einführung direkt-antiviraler Medikamente gegen HCV dramatisch zurückgegangen ist. Aktuell müssen Hepatitis-C-Patienten letztlich nur noch transplantiert werden, wenn sie ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln.

Und schließlich gibt es auch für die anderen Hepatitisviren zahlreiche Neuerungen. Bei der Hepatitis D steht mit dem Eintrittshemmer Bulevirtide seit September 2020 erstmals eine Substanz zur Verfügung, die spezifisch für die Hepatitis D zugelassen ist. Und das Problem Hepatitis E ist weiter stark unterschätzt mit mehr als 400.000 Infektion pro Jahr in Deutschland.

In diesem Heft finden Sie hervorragende Übersichtsartikel, die die derzeit diskutierten Fragen im Bereich Virushepatitis abhandeln. Florian van Bömmel aus Leipzig diskutiert die klinisch wichtige Frage, ob und wann eine Therapie der Hepatitis B mit Entecavir oder Tenofovir beendet werden kann. Katja Deterding aus Hannover bespricht das derzeit spannende Thema, welche Therapien für die Hepatitis D nach Zulassung von Bulevirtide am sinnvollsten sind, auch unter Berücksichtigung der aktuellen Daten zur bisherigen Standardtherapie mit Peginterferon alfa. Bei der Hepatitis C sind viele, aber nicht alle Fragen der Therapie geklärt. Georg Dultz aus Frankfurt beschreibt die derzeitigen Therapiealgorithmen. Für alle chronischen Virushepatitiden ist das Risiko für die Entwicklung von hepatozellulären Karzinomen ein Hauptrisiko. Damit stellt sich die Frage, wie Patienten mit welchen Methoden in welchen Intervallen überwacht werden sollten, die von Christoph Neumann-Haefelin aus Freiburg beantwortet wird. Schließlich adressiert Thomas Horvatis die Hepatitis E und bespricht Risiken für ein akut-auf-chronisches Leberversagen sowie den Einsatz einer antiviralen Therapie mit Ribavirin.

Die Erfolgsgeschichte Virushepatitis mit der Entwicklung von extrem verlässlichen diagnostischen Methoden, grundlegenden virologischen und immunologischen Erkenntnissen zur Pathophysiologie, der Entwicklung von hochpotenten und sicheren antiviralen Medikamenten und für Hepatitis B auch die Verfügbarkeit von sehr guten Impfstoffen muss unbedingt weitergeschrieben werden. Unsere gemeinsame Aufgabe muss es sein, möglichst alle Patienten, die eine Behandlung benötigen, optimal zu therapieren. Und das beginnt mit der Identifizierung und Diagnosestellung! Teilen Sie mit Ihren Kollegen die Information, dass ein Hepatitis-Screening in der allgemeinen Gesundheitsuntersuchung implementiert ist!