Hintergrund

Die Entwicklung der Beatmungsmedizin ist fest mit den technischen Fortschritten verbunden, die Einzug in die klinische Medizin erhalten haben. Allerdings müssen alle technischen Entwicklungen auch der klinischen Prüfung am Menschen standhalten, sodass insbesondere in den letzten Jahren eine Vielzahl von klinischen Studien den aktuellen Wissenstand in der Beatmungsmedizin gefestigt hat. Hieraus ergeben sich zunehmend klare Empfehlungen für oder gegen einzelne Aspekte in der Beatmungsmedizin (Tab. 1; [1,2,3,4,5,6,7,8]).

Tab. 1 Deutsche Leitlinien mit dem primären Fokus auf die Beatmungsmedizin mit zuletzt publiziertem Update

Diesbezüglich kann die moderne Beatmungsmedizin heute im Wesentlichen in drei grundsätzlich verschiedenen Bereichen Anwendung finden:

  1. 1.

    in der Akutbeatmung unter intensivmedizinischen Bedingungen,

  2. 2.

    Respiratorentwöhnung sowie

  3. 3.

    in der Langzeitbeatmung, also in der sog. außerklinischen Beatmung.

Wesentlich für die Einteilung der Beatmungsmedizin in unterschiedliche Aspekte ist außerdem der Beatmungszugang. Dieser stellt die Verbindung zwischen den biologischen Atemwegen des Menschen einerseits und den artifiziellen Atemwegen des Respirators andererseits dar und nimmt damit eine Schlüsselfunktion ein.

Wesentliche Vorteile für die invasive Beatmung via Endotrachealtubus oder Trachealkanüle nach Tracheotomie stellen die Sicherheit und hohe Effektivität der Beatmung dar, während die Nachteile in der Verletzung der Integrität der natürlichen Atemwege sowie in der häufig bestehenden Notwendigkeit einer Sedierung der Patienten liegen [4,5,6,7,8,9]. Im Gegensatz dazu liegt bei einer nichtinvasiven Beatmung („non-invasive ventilation“ [NIV]) der Beatmungszugang immer außerhalb des Körpers. Hier ist die Negativ-Druck-Beatmung (z. B. via eiserner Lunge) als historische Form der NIV zu betrachten, während diese heutzutage v. a. via Gesichtsmasken durchgeführt wird [1]. Aufgrund der Nichtinvasivität sind insbesondere schwerwiegende Komplikationen sehr viel seltener, was aber mit einer geringeren Effektivität verbunden sein kann, aber nicht muss [4,5,6,7,8].

Die in den letzten Jahren gewonnene Evidenz wird heute in Leitlinien zusammengefasst. Dabei werden Therapieempfehlungen anhand definierter Algorithmen gegeben, die auch entsprechende diagnostische Informationen integrieren. Leitlinien werden unter anderem international von unterschiedlichen Fachverbänden publiziert und orientieren sich vorzugsweise an der etablierten Evidenz. Nationale Leitlinien in Deutschland integrieren zudem aber auch die Bedingungen der aktuellen hiesigen Versorgungsstrukturen. Diese Leitlinien werden zunächst über die Internetseite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) publiziert (www.awmf.org) und auch nach entsprechenden Updates revidiert. Nachfolgend werden einige Deutsche Leitlinien zudem in nationalen und internationalen Fachzeitschriften publiziert. Eine Übersicht über die via AWMF verfügbaren deutschen Leitlinien, die sich primär auf die Beatmungsmedizin fokussieren, ist in Tab. 1 gegeben. Eine Vielzahl weiterer Leitlinien der AWMF, die das Thema der Beatmungsmedizin ebenfalls mit integrieren, ist über die genannte Homepage einsehbar.

Der aktuelle Beitrag fokussiert auf die Entwicklung der Beatmungsmedizin in Deutschland. Neben der technischen Entwicklung und den Fortschritten in der Evidenzgenerierung, wie sie in der Leitlinienerstellung zum Ausdruck kommt (Tab. 1), ist die jüngste Entwicklung in Deutschland auch durch die Ökonomisierung des Gesundheitssystems und insbesondere durch die Corona-Pandemie mitbestimmt. Daher finden diese Aspekte in Bezug auf die beiden Bereiche der Beatmungsmedizin, also Akutbeatmung sowie außerklinische Beatmung, besondere Bedeutung.

Akutbeatmung bei COVID-19

Die häufigste Todesursache der schweren Verlaufsform einer COVID-19-Erkrankung besteht in der akuten respiratorischen Insuffizienz bei schwerer Pneumonie [9, 10]. Wenn die konventionelle Sauerstofftherapie oder die High-Flow-Therapie nicht mehr ausreichend sind, muss eine künstliche Beatmung begonnen werden [11]. Aus der Zeit vor der Corona-Pandemie ist bekannt gewesen, dass beim primär hypoxämischen respiratorischen Versagen – anders als beim primär hyperkapnischen respiratorischen Versagen – eine NIV mit weniger Erfolgsaussichten verbunden ist und daher und nur bei sehr selektionierten Patienten günstig erscheint [9]. Aus diesem Grund ist die NIV am Anfang der Pandemie bei COVID-19-Pneumonie kaum zum Einsatz gekommen. Allerdings haben erste internationale Ergebnisse, insbesondere in Italien, Frankreich und den USA, gezeigt, dass unter der invasiven Beatmung nach Intubation sehr hohe Todesraten zu beobachten gewesen sind [9].

Aus diesem Dilemma ist in Deutschland eine Debatte über die optimale Beatmungstherapie bei COVID-19-Pneumonie entstanden [9, 11,12,13]. Diese Debatte der „zu frühen Intubation“ ist zu großem Bedauern weniger in Fachkreisen als vielmehr über die öffentlichen Medien geführt worden und hat zu einer erheblichen Verunsicherung unter Medizinern unterschiedlicher Fachrichtungen, aber auch Nicht-Medizinern geführt [9, 11, 12].

Mittlerweile liegt eine Vielzahl von Studien, Erfahrungen und konsensbasierten Empfehlungen vor, die mit wesentlich größerer Klarheit eine Einschätzung der Situation erlauben [9,10,11,12,13]. An dieser Stelle seien auch die „Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19“ genannt, die entsprechend aktuelle und detaillierte Therapieempfehlungen auch zur Beatmungstherapie bei COVID-19 beinhalten [14].

Hervorhebenswert ist hier, dass diese Empfehlungen im Sinne einer „Living Guideline“ engmaschig konsensbasiert überarbeitet werden. Federführend sind hier die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) sowie die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI). Diese Leitlinie muss aufgrund der breiten Konsensfindung unter Integration vieler unterschiedlicher Fachgesellschaften sowie aufgrund der engmaschig getakteten Updates auf S3-Niveau als große Errungenschaft für die Therapieausrichtung in Deutschland gelten [14].

Entsprechend kann heute festgehalten werden, dass die initial hohen Todesraten unter invasiver Beatmung zum einen der schweren Erkrankung selbst geschuldet gewesen sind und dass nicht primär eine falsche Therapie („zu frühe Intubation“) für das schlechte Outcome verantwortlich gewesen ist. Zum anderen waren es aber auch die Engpässe in der Versorgung dieser Patienten gerade außerhalb von Deutschland, die eine optimale Behandlung intubierter Patienten nicht erlaubt hatten, was eine Prognoseverschlechterung zur Folge hatte. Eine Intubation mit nachfolgend invasiver Beatmung gilt demnach weiterhin als eine etablierte Therapieoption bei schwerster respiratorischer Insuffizienz [14].

Intubation mit nachfolgend invasiver Beatmung ist bei schwerster respiratorischer Insuffizienz etabliert

Studiendaten zufolge können in einem Behandlungsschritt vor der Intubation, aber auch die High-Flow-Therapie und die CPAP(„continuous positive airway pressure“)- sowie die NIV-Therapie erfolgreich sein, wenn im Behandlungszentrum viel Erfahrung mit diesen Therapieverfahren besteht [9, 13, 14]. Die Corona-Pandemie hat damit dazu beigetragen, dass den nichtinvasiven Therapieverfahren beim hypoxämischen respiratorischen Versagen ein höherer Stellenwert eingeräumt werden kann.

Entscheidend ist aber die Reflexion darüber, dass eine invasive Beatmung die vorgeschädigte Lunge ebenso weiter schädigen kann wie ein durch den Patienten selbst zugefügter Lungenschaden („patient self-inflicted lung injury“ [P-SILI]) im Zuge einer prolongierten Spontanatmung (Abb. 1) [9, 11]. Insofern muss in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der aktuellen Empfehlungen täglich neu entschieden werden, mit welchem Beatmungszugang weiter zu behandeln ist. So skizziert der Therapiealgorithmus der oben genannten Living Guideline ein Stufenschema, das zunächst alle nichtinvasiven Therapieverfahren (High-Flow, CPAP, NIV) zur Behandlung des Lungenversagens empfiehlt, das aber bei weiterer Verschlechterung der respiratorischen Situation dann die Intubation und nachfolgend invasive Beatmung vorsieht [14].

Abb. 1
figure 1

Durch den Patienten selbst zugefügter Lungenschaden („patient self-inflicted lung injury“ [P-SILI]). Im Mittelpunkt steht der hohe Atemantrieb des spontan atmenden und wachen Patienten mit oder ohne nichtinvasive Beatmung (NIV) bei zunehmend gestörtem Gasaustausch und eingeschränkter Atemmechanik. Die konsekutiv hohe Atemarbeit kann dabei zu regional unterschiedlich hohen transpulmonalen Druckschwankungen führen. Wesentlich ist zudem die Erkenntnis, dass aus starken Inspirationsbemühungen eine Negativierung des Pleuradrucks resultiert, die stärker ist als die intravaskuläre Druckerniedrigung. Bei zusätzlich inspiratorisch erhöhtem intrathorakalem Blutvolumen bedingt dies eine Erhöhung des transmuralen pulmonal-vaskulären Drucks. Das Resultat ist ein erhöhtes Risiko für ein Lungenödem, insbesondere bei vorgeschädigter Lunge („capillary leakage“). Im Sinne eines Teufelskreises kommt es dann zu einer weiteren Beeinträchtigung der Atemmechanik mit Abnahme der Compliance sowie Einschränkung des Gasaustausches, was wiederum die Luftnot mit weiter gesteigerter Atemarbeit begünstigt. (Aus [11])

Aktuelle Daten aus Deutschland belegen, dass es im Laufe der Corona-Pandemie zu einer deutlichen Zunahme der NIV-Anwendung gekommen ist [15]. Im Zuge dessen zeigt sich aber auch, dass zunehmend auch hohe NIV-Versagerraten zu beobachten gewesen sind. Bedeutsamerweise ist das Outcome bei invasiver Beatmung dann verschlechtert, wenn zuvor ein NIV-Versagen bestand. Dabei ist die Prognose umso schlechter, je länger eine Intubation hinausgezögert wird [15]. Dies darf zwar nicht zu dem Schluss führen, dass eine NIV nicht zu versuchen wäre. Eine klare Reflexion der Grenzen dieses Therapieverfahrens ist jedoch Voraussetzung für eine optimale intensivmedizinische Versorgung dieser Patienten [14].

Ein anderer wichtiger Erkenntnisgewinn aus der Corona-Pandemie, der mitunter auch auf andere Entitäten übertragen werden kann, betrifft die bedeutungsvolle Rolle der Bauchlagerung bei wachen und spontan atmenden Patienten [14, 16]. Aktuelle Daten anhand randomisierter Studien zeigen, dass durch die intermittierende Bauchlagerung bei Patienten mit High-Flow-Therapie niedrigere Intubationsraten zu erzielen sind [16]. Dabei waren die Behandlungserfolge umso größer, je länger die Patienten auf dem Bauch lagen, insbesondere, wenn es länger als 8 h pro Tag war.

Die Bauchlagerung hat bei Patienten unter High-Flow-Sauerstofftherapie und CPAP/NIV große Bedeutung

Die aktuellen Empfehlungen der „Living Guideline“ haben diese Ergebnisse aufgenommen und empfehlen, dass bei Patienten unter High-Flow-Sauerstofftherapie und CPAP/NIV zusätzlich eine Bauchlagerung durchgeführt werden sollte [14]. Es muss als sehr wahrscheinlich gelten, dass die Bauchlagerung beim spontan atmenden Patienten auch beim Lungenversagen anderer Genese als COVID-19 erfolgreich ist. Dies bleibt aber in weiteren wissenschaftlichen Studien zu überprüfen.

Prolongierte Respiratorentwöhnung

Während bei vielen Patienten das Weaning weniger problematisch ist, besteht insbesondere bei älteren Patienten und solchen mit vorbestehenden respiratorischen Erkrankungen und/oder bedeutsamen Komorbiditäten wie Herzinsuffizienz oder neurologischen Erkrankungen die Gefahr des prolongierten Weanings. Ein solches liegt vor, wenn die Patienten entweder nach mindestens 3 Spontanatmungsversuchen nicht entwöhnbar sind oder länger als 7 Tage nach dem ersten Spontanatmungsversuch für das Weaning benötigen. Schließlich kann das prolongierte Weaning dann auch erfolglos bleiben, wenn die Patienten entweder in der Klinik versterben oder aber nach Tracheotomie und Entlassung eine invasive Beatmung außerklinisch fortführen.

Vor diesem Hintergrund wurde die Initiative WeanNet innerhalb der DGP gegründet [17, 18]. Kernpunkt ist die Etablierung und Zertifizierung von spezialisierten Weaningzentren mit hohem Anforderungskatalog, die in spezieller Ausrichtung auf Patienten mit prolongiertem Weaning in der Lage sind, zumindest einen Teil der Patienten, die als nicht entwöhnbar gelten, doch noch zu entwöhnen. Kürzlich wurden die Registerdaten von WeanNet publiziert. Danach konnte gezeigt werden, dass von 11.424 Patienten insgesamt 64,3 % dieser Patienten erfolgreich entwöhnt werden konnten, was als klarer Erfolg dieser Initiative gelten muss [19]. Allerdings konnten im Gegenzug 35,7 % der Patienten nicht entwöhnt werden, was unterstreicht, dass eine erfolgreiche Entwöhnung bei ca. einem Drittel der Patienten trotz aller Anstrengung und Expertise doch nicht gelingt (Abb. 2). Hier war das höhere Alter der wichtigste Prädiktor für den Tod im Weaningzentrum, während die Dauer der invasiven Beatmung auf der zu verlegenden Intensivstation der wichtigste Prädiktor für die Nichtentwöhnbarkeit mit der Folge einer invasiven Langzeitbeatmung war [19].

Abb. 2
figure 2

Outcome des prolongierten Weanings nach Verlegung in ein spezialisiertes Weaning-Zentrum. (Datenquelle [19])

Entwicklung der außerklinischen Beatmung in Deutschland

Eine außerklinische Beatmung wird in der Regel bei Vorliegen einer chronischen ventilatorischen Insuffizienz durchgeführt, also bei einer dauerhaften Störung der Atempumpe, was konsekutiv mit chronischer Hyperkapnie einhergeht [1]. Eine außerklinische Beatmung wird entweder invasiv über ein stabiles Tracheostoma oder mittels NIV durchgeführt. Sie kann elektiv eingeleitet werden oder wird nach erfolglosem Weaning zur Fortsetzung der Beatmung als Langzeitbeatmung notwendig, nachdem eine invasive Akutbeatmung in der Klinik notwendig geworden ist [1].

Eine außerklinische Beatmung wird invasiv über ein Tracheostoma oder mittels NIV durchgeführt

Die Zahlen zur außerklinischen Beatmung steigen seit vielen Jahren stetig an [20]. Dies betrifft sowohl die Neueinleitungen einer außerklinischen Beatmung als auch die Kontrolluntersuchungen derselben in der Klinik. So hat sich zwischen 2008 und 2019 die Zahl der Einleitungen und Kontrollen mehr als verdoppelt. Dabei war die Zahl der stationären Neueinleitungen (N = 17.958) und der stationären Kontrolluntersuchungen (N = 49.140) im Jahr 2019 am höchsten [21].

Die starke Zunahme an Patienten mit außerklinischer Beatmung in Deutschland ist am ehesten multifaktoriell bedingt. Zum einen besteht eine Zunahme an wissenschaftlicher Evidenz dafür, dass eine Langzeit-NIV sowohl die gesundheitsbezogene Lebensqualität als auch das Langzeitüberleben deutlich verbessern kann [1]. Dies war insbesondere für Patienten mit neuromuskulären und thorakal-restriktiven Erkrankungen und für solche mit einem Adipositas-Hypoventilations-Syndrom schon seit vielen Jahren unstrittig. Bei chronisch hyperkapnischer COPD („chronic obstructive pulmonary disease“) wurde die Indikation zur Langzeit-NIV allerdings lange Zeit kontrovers diskutiert. Neue randomisierte kontrollierte Studien haben aber hier nunmehr Klarheit schaffen können. So ist auch eine international besetzte Task Force der European Respiratory Society (ERS) zu einer positiven Bewertung einer Langzeit-NIV bei COPD gekommen [22].

Allerdings wird zunehmend die Sorge formuliert, dass die Zunahme der außerklinischen Beatmung auch ökonomisch getriggert ist, ihre Versorgungsstrukturen aber an ihre Grenzen stoßen [20, 21, 23].

Die moderne Medizin hat dazu geführt, dass immer ältere Patienten und solche mit mehr substanziellen Komorbiditäten intensivmedizinische Behandlungen durchlaufen, sei es im Rahmen von akuten Verschlechterungen oder operativen Eingriffen [6]. Hierfür bietet das DRG(Diagnosis Related Groups)-System in der Tat ökonomische Anreize. Zwar überleben viele Patienten die intensivmedizinische Behandlung, es schließt sich dann aber mitunter nach erfolglosem prolongiertem Weaning lebenslange außerklinische invasive Beatmung an [1, 6, 19, 24]. Diese kann im eigenen häuslichen Umfeld erfolgen, was eine 1:1-Pflege durch einen intensivmedizinischen Pflegedienst notwendig macht; alternativ erfolgt die Beatmung in sog. Beatmungs-Wohngemeinschaften oder Beatmungs-Pflegeheimen [1, 6, 19, 24].

Die Belastung des Gesundheitssystems im Rahmen der Notwendigkeit, eine außerklinische Intensivpflege zur Verfügung zu haben, wird aber nicht nur durch Patienten mit invasiver außerklinischer Beatmung geprägt. Es gibt im Weiteren zum einen Patienten mit zwar erfolgreicher Entwöhnung von der invasiven Beatmung, die aber einen sehr hohen Pflegeaufwand dadurch behalten, dass sie weiter tracheotomiert bleiben [5]. Auf der anderen Seite kann insbesondere ein prolongiertes Weaning sowohl von der invasiven Beatmung als auch von der Trachealkanüle möglich sein, eine Fortsetzung der Beatmung als NIV bei hohem Pflegeaufwand ist in diesem Szenario aber ebenso möglich [5]. Epidemiologische Zahlen zu diesen Patientengruppen fehlen allerdings.

Diese Entwicklung des ansteigend hohen Bedarfs an außerklinisch tätigem Intensivpflegepersonal ist zum einen vor dem Hintergrund des Kostendrucks problematisch, denn auch in der außerklinischen Beatmung sind die ökonomischen Anreize hoch. Zum anderen zeigen sich aber gerade im Zuge der Corona-Pandemie mit einem extrem hohen Belastungsgrad für das Personal der stationären Intensivpflege auch Hinweise für zukünftige Versorgungsengpässe in der stationären Intensivmedizin. So konnte eine aktuelle Umfrage darlegen, dass ca. ein Drittel der Intensivstationsbetten in Deutschland aufgrund von Personalmangel gesperrt ist, während die außerklinische Intensivpflege weiter expandiert [25].

Die zunehmende Etablierung einer invasiven Beatmung muss schließlich auch aus ethischen Gesichtspunkten kritisch hinterfragt werden. Es besteht hier nämlich die wichtige Frage nach der Lebensqualität der Patienten mit außerklinischer Beatmung. Während hier die elektive Einleitung einer Langzeit-NIV in der Regel mit einer zum Teil erheblich verbesserten gesundheitsbezogenen Lebensqualität einhergeht [1, 26], ist die Lebensqualität unter den Bedingungen einer invasiven Langzeitbeatmung nach Weaningversagen mitunter so schwer eingeschränkt, dass zumindest ein Teil der Betroffenen sein Leben als nicht mehr lebenswert empfindet [27, 28].

Somit zeigt sich, dass die Errungenschaften in der Beatmungsmedizin trotz aller Möglichkeiten nicht ungebremst zum Vorteil der Betroffenen gereichen. Vor diesem Hintergrund findet momentan in Deutschland eine Auseinandersetzung mit dem Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV-IPReG) des Bundesministeriums für Gesundheit statt (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/intensivpflegegesetz.html). Ob hierdurch einerseits eine tatsächliche Steigerung der Qualität der außerklinischen Intensivpflege erreicht werden kann und andererseits die Entwicklung der außerklinischen Beatmung sinnvolle Wege beschreitet, bleibt abzuwarten.

Wie bereits oben erwähnt, besteht schließlich ein extrem hoher und kontinuierlich gestiegener Bedarf daran, eine außerklinische Beatmung auch fachgerecht und auf einem hohen medizinischen Standard in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren [1, 20, 21]. Hier legen die aktuellen Leitlinien fest, dass diese Kontrollen grundsätzlich unter stationären Bedingungen erfolgen sollen [1]. Hintergrund hierfür sind die fortgeschrittenen Krankheitsstadien dieser Patienten sowie die Notwendigkeit einer nächtlichen Diagnostik, da die außerklinische Beatmung vorzugsweise nachts durchgeführt wird, was insbesondere die NIV betrifft.

Die stationären Kontrolluntersuchungen haben bereits jetzt ein Ausmaß erreicht, das vielerorts zu Kapazitätsengpässen führt [20, 21, 23]. Hier bleibt für die weitere Zukunft zu erwägen, ob nicht auch ambulante Kontrollen zumindest in einigen Fällen geeignet für die Überprüfung des Therapieerfolges sein können. Dies dürfte dann aber keinen Abbruch der Behandlungsqualität nach sich ziehen. Vorreiter hierfür sind die Niederlande [29]. Hier werden bereits heute nicht nur die Kontrollen, sondern sogar die Einleitungen einer außerklinischen Beatmung (NIV) im ambulanten Setting in der Häuslichkeit vorgenommen [29, 30]. Basis hierfür ist eine enge Verzahnung des stationären und ambulanten Sektors im Gesundheitssystem, was in den Niederlanden wesentlich weiter vorangeschritten ist als in Deutschland. Entsprechend werden in den Niederlanden ambulante Beatmungspatienten durch die Beatmungszentren betreut, die sowohl die Möglichkeit zur stationären und ambulanten Therapie haben. Hier besteht die Möglichkeit der Betreuung in der Häuslichkeit wie auch in der Spezialambulanz.

Erste Untersuchungen konnten aber auch hierzulande zeigen, dass eine ambulante Beatmungskontrolle über an Zentren angebundene Spezialambulanzen möglich ist [31]. Ob dies allerdings flächendeckend und außerhalb solcher Spezialambulanzen möglich ist, bleibt weiter zu evaluieren.

Fazit für die Praxis

  • Bei COVID-19-induzierter respiratorischer Insuffizienz empfiehlt der Therapiealgorithmus der Living Guideline ein Stufenschema, indem zunächst alle nichtinvasiven Therapieverfahren zum Einsatz kommen. Bei Verschlechterung des Lungenversagens darf die Intubation mit nachfolgender invasiver Beatmung nicht verzögert werden.

  • Prolongiertes Weaning, die Prüfung der Indikation bzw. der Beginn einer anschließenden außerklinischen Beatmung sollten in einem Weaningzentrum erfolgen.

  • Therapie der Wahl bei chronisch ventilatorischer Insuffizienz ist die außerklinische Beatmung.

  • Grundsätzlich bleiben für die Zukunft auch ambulante Versorgungsstrukturen für die Kontrolle der außerklinischen Beatmung zu implementieren, um bei stark steigenden Fallzahlen innerklinisch Kapazitäten für Komplikationen und instabile Verläufe vorhalten zu können.