Zusammenfassung
Der Begriff perioperative Antibiotikaprophylaxe steht für eine kurzzeitige, meist 1‑malige Gabe eines Antibiotikums kurz vor, bei Beginn oder spätestens während des operativen Eingriffs. Bei der operativen Versorgung eines Patienten mit Abdominaltrauma sollte grundsätzlich eine perioperative Antibiotikaprophylaxe gegeben werden. Der optimale Zeitpunkt der Gabe liegt zwischen 30 und 60 min vor Schnitt. Bei Eingriffen, die länger als 2 h dauern, sollte in Abhängigkeit von der Halbwertszeit der verwendeten Substanz eine Folgedosis gegeben werden. Eine Verlängerung der Antibiotikagabe über 24 h hinaus verringert nicht die postoperative Infektrate und sollte im Sinne einer Therapie nur bei chirurgisch nicht saniertem Infektfokus fortgeführt werden.
Abstract
The term perioperative antibiotic prophylaxis stands for a short-term, usually one-off administration of an antibiotic shortly before, at the beginning or at the latest during the operative procedure. A perioperative antibiotic prophylaxis should always be given in the surgical treatment of a patient with abdominal trauma. The optimal time of administration is 30–60 min before incision. For interventions lasting more than 2 h, a repeated dose should be given depending on the half-life of the substance being used. An extension of the antibiotic prophylaxis beyond 24 h does not reduce the postoperative infection rate and should only be continued in the sense of a therapy in the case of a surgically uncleansed infection focus.
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Inzidenz postoperativer Wundinfektionen
Die Gesamtinzidenz nosokomialer Infektionen liegt in der NIDEP-Studie bei ca. 3,5 %, wobei der Anteil der chirurgischen postoperativen daran etwa 15 % beträgt [1].
Leider ist das exakte Monitoring von postoperativen Wundinfektionen erschwert durch die uneinheitliche Definition, und häufig entziehen sich die Patienten durch die immer kürzer werdenden Verweildauern im Krankenhaus einer exakten Erfassung, sodass die tatsächliche Inzidenz wahrscheinlich höher als die Angaben in der Literatur liegt. Nach intraabdominellen Eingriffen kann diese bis zu 40 % betragen [2, 3].
Definition und Indikation
Der Begriff perioperative Antibiotikaprophylaxe steht für eine kurzzeitige, meist 1‑malige Gabe eines Antibiotikums kurz vor, bei Beginn oder spätestens während des operativen Eingriffs.
Die Wirksamkeit einer Antibiotikaprophylaxe wurde in zahlreichen Studien für alle Wundklassen ausreichend belegt [4], lediglich bei aseptischen Eingriffen besteht keine Indikation dafür. In diesen Studien wurde aber auch gezeigt, dass neben der Wundklassifikation (Tab. 1) und dem sich daraus ergebenden Grad der bakteriellen Besiedelung patienteneigene und operationsbedingte Faktoren in der Indikation zur Antibiotikaprophylaxe zu berücksichtigen sind (Tab. 2).
Bei der Indikation zur Prophylaxe müssen neben der Wundklassifikation auch die zusätzlichen Risikofaktoren berücksichtigt werden. Unabhängig ob Risikofaktoren vorliegen, wird bei „kontaminierten“ und „schmutzigen“ Wunden generell eine Prophylaxe empfohlen, wohingegen bei „sauberen“ und „sauber-kontaminierten“ Wunden die Indikation von zusätzlichen Risikofaktoren abhängt. Da es sich bei Operationen zur Versorgung von Abdominalverletzungen immer um Notfalleingriffe handelt, bei denen es häufig zu hohem Volumenumsatz und perioperativer Hypothermie kommt, liegen genügend Risikofaktoren vor, die die generelle Indikation zur perioperativen Prophylaxe beim Abdominaltrauma rechtfertigen. Zudem kann präoperativ nicht sicher entschieden werden, ob es zur Eröffnung eines Hohlorganes gekommen ist.
Zeitpunkt und Dosierung
Um eine signifikante Reduktion postoperativer Wundinfektionen zu erreichen, ist der Zeitpunkt der Applikation von großer Bedeutung. Die effektive Zeitspanne ist 60 min vor und bis zu 120 min nach Beginn des Eingriffs, spätestens jedoch vor Wundverschluss [5–7]. Eine optimale Wirkung wird erreicht durch eine Gabe 60–30 min vor Schnitt. Nach erfolgtem Wundverschluss ließ sich kein positiver Effekt auf das Auftreten von postoperativen Infektionen nachweisen. Die Entscheidung zur Gabe einer intraoperativen Folgedosis hängt von der Länge des Eingriffs und der Halbwertszeit der verabreichten Substanz ab. So ist in der Regel die 1‑malige Gabe für Eingriffe unter 2 h Dauer ausreichend. Dauert der Eingriff länger, so sollte je nach Substanz (Tab. 3) eine Folgedosis verabreicht werden. Kommt es intraoperativ zu hohem Blutverlust mit nachfolgend großem Volumenumsatz, so kann es durchaus erforderlich sein, frühere und häufigere Folgedosen zu verabreichen. In diesen Fällen kann keine generelle Empfehlung ausgesprochen werden, vielmehr muss hier individuell entschieden werden. Bei der Verwendung von β‑Lactam-Antibiotika kann aufgrund der großen therapeutischen Breite die Entscheidung großzügig getroffen werden.
Unter Berücksichtigung der pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Parameter der β‑Lactam-Antibiotika stellt die Bolusgabe, gefolgt von einer kontinuierlichen Infusion eine Alternative zur repetitiven Bolusgabe dar. β‑Lactame erreichen eine optimale Wirkung wenn die Serumkonzentration über einen möglichst langen Zeitraum das 4‑Fache der minimalen Hemmkonzentration der zu erfassenden Erreger beträgt (Abb. 1). Dieses Prinzip der kontinuierlichen Gabe von β‑Lactamen findet in der Therapie von schweren Infektionen zunehmend Verbreitung, es fehlen jedoch Daten, die einen Vorteil dieser Applikationsweise in der perioperativen Prophylaxe belegen können.
Erregerspektrum
Das zu erwartende Erregerspektrum umfasst Enterobacteriaceae, Enterokokken, grampositive und gramnegative Anaerobier, speziell bei Perforation des oberen Gastrointestinaltraktes bzw. Verletzungen der Gallenwege können auch Staphylokokken ursächlich für postoperative Infektionen sein. In der Kolonchirurgie ist vornehmlich Bacteroides fragilis für die Entwicklung von Infektionen verantwortlich [8, 9]. Eine effektive Prophylaxe sollte also auch gegen Anaerobier wirksam sein.
Mit gutem Erfolg werden Aminopenicilline/β-Lactamase-Inhibitoren (z. B. Ampicillin/Sulbactam) oder eine Kombination eines Cephalosporins der ersten/zweiten Generation (Cefazolin/ Cefuroxim) und Metronidazol eingesetzt. Bei Allergie gegen β‑Lactame kann auch ein Fluorochinolon Gruppe 2 oder 3 mit Metronidazol gegeben werden. Dabei sollte allerdings die lokale Resistenzsituation von Escherichia coli gegenüber Fluorochinolonen berücksichtigt werden, die in Deutschland 2015 bei 20,2 % lag [10].
Dauer
Eine perioperative Antibiotikagabe länger als 24 h gilt als Therapie und nicht mehr als Prophylaxe. Sie kann notwendig werden, falls es nicht gelingt, einen Infektionsherd (z. B. schon vorliegende eitrige Peritonitis nach Hohlorganeröffnung) operativ zu beseitigen. In allen anderen Fällen hat sich in zahlreichen Untersuchungen kein Vorteil einer perioperativen Antibiotikagabe über 24 h hinaus gezeigt. Ganz im Gegenteil kommt es bei längerer Gabe sogar zu zusätzlichen Risiken, wie z. B. Selektion resistenter Erreger, die bei einer im weiteren Krankenhausaufenthalt auftretenden nosokomialen Infektion ursächlich sein können, oder Auftreten einer Clostridium-difficile-assoziierten Kolitis.
Fazit für die Praxis
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Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe beim Abdominaltrauma ist generell indiziert.
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Der optimale Zeitpunkt der Gabe einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe liegt zwischen 30 und 60 min vor Schnitt. Bei Eingriffen mit einer Dauer größer als 2 h sollte eine Wiederholungsgabe abhängig von der Halbwertszeit der verwendeten Substanz erfolgen.
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Eine perioperative Prophylaxe bei Abdominaltrauma sollte, außer bei nicht saniertem Infektfokus, nicht länger als 24 h gegeben werden.
Literatur
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Song F, Glenny AM (1998) Antimicrobial prophylaxis in colorectal surgery: a systematic review of randomised controlled trials. Health Technol Assess (Rockv) 2:1–110
Robert Koch-Institut (2016) Resistenzentwicklung. https://ars.rki.de/Content/Database/ResistanceDevelopment.aspx. Zugegriffen: 12.12.2016
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Ebenhoch, M. Abdominaltrauma und Antibiotikaprophylaxe. Trauma Berufskrankh 19 (Suppl 1), 109–111 (2017). https://doi.org/10.1007/s10039-016-0228-4
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