Wie ist unser Kenntnisstand zur prognostischen Relevanz von Gefäßverletzungen? Im TraumaRegister DGU® (TR-DGU) finden sich 7 % relevante Gefäßverletzungen mit einem 2–15 % schlechteren Überleben als etablierte Mortalitätsschätzer anzeigen. Diese Nichtübereinstimmung klettert sogar bis auf 29 %, wenn Transport und Allokation nicht passen. Wir sehen darin klare Indikatoren für einen fortbestehenden Optimierungsbedarf in der Schwerverletztenversorgung bei Gefäßtraumata. Vaskuläre Vigilanz, rasche Eskalation von Transportmitteln und primäre Allokation zu Zentren der höchsten Versorgungsstufe stehen dabei im Rampenlicht.

Gefäßtrauma bei Schwerverletzten

Laut Definition der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), steht das Polytrauma für „eine gleichzeitige Verletzung mehrerer Körperregionen bzw. Organsysteme“, dabei kann „bereits eine einzelne Verletzung oder die Kombination mehrerer für den Verletzten lebensbedrohlich“ sein. Schwere Verletzungen sind für die notfallmedizinische Versorgung und sozialökonomisch betrachtet ein bedeutendes Thema. Aus einer schweren Verletzung können sich dem Unfallopfer nicht nur lebensbedrohliche Situationen ergeben, diese kann ebenso zu einer Vielzahl an die Lebensqualität massiv einschränkenden Folgeschäden führen.

Bei stetiger Zunahme der Proportion Gefäßtraumata (VT) bei Schwerverletzten in den letzten 5 Jahrzehnten sind im Gegensatz zu den exzellent aufgearbeiteten Traumata ohne Gefäßverletzung (non-VT) nur wenige Daten über Traumata mit VT verfügbar [1, 2]. Aktuell geht man in Deutschland von etwa 33.000–38.000 Schwerverletzten mit ISS ≥ 16 (Injury Severity Score) aus [3, 4]. Nicht nur aus gefäßchirurgischem Interesse stellt sich die Frage nach dem Stellenwert des VT in der Schwerverletztenversorgung. Es ist beispielsweise unklar, ob anhand von Trauma-Scores VT zeitnah und suffizient für die Einleitung adäquater Maßnahmen erfasst werden. Mit Blick auf die z. T. sehr schweren Verläufe bei VT entsteht im klinischen Alltag oft der Eindruck, die Relevanz dieser Komponente würde regelhaft unterschätzt. Um dies zu objektivieren, analysieren wir die Daten des TR-DGU, die einzige Datenbasis mit aussagefähigen Informationen zur Versorgungsrealität bei Fällen mit führenden Gefäßtraumata in der Schwerverletztenversorgung [5]. In der folgenden Übersichtsarbeit möchten wir einen Status quo aus eigenen Ergebnissen und einer pointierten Literaturübersicht vermitteln.

TraumaRegister DGU (TR-DGU) und statistische Methoden

Die Arbeitsgemeinschaft Polytrauma der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie gründete im Jahr 1993 das TraumaRegister DGU in Deutschland. Wie im Jahresbericht 2018 des TR-DGU veröffentlicht, nahmen im Erfassungsjahr 2017 insgesamt 675 Kliniken an der Datenerfassung des TR-DGU teil. Dabei beteiligten sich aus der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 620 Kliniken, des Weiteren 24 Kliniken aus Österreich, 11 aus der Schweiz und 7 aus Belgien [6].

2017 nahmen insgesamt 675 Kliniken an der Datenerfassung des TR-DGU teil

Die zentrale TR-DGU-Datenbank umfasst anonymisierte Datensätze, die der Verbesserung der Sicherheit und Qualität der Behandlung Schwerverletzter dient. Dabei werden etwa 100 Parameter der Behandlungsdaten des Polytraumatisierten anhand eines standardisierten, webbasierten Schwerverletzen-Erhebungsbogens der DGU® prospektiv erfasst. Die Dateneingabe erfolgt in vier aufeinanderfolgenden Behandlungsphasen mit jeweils einem Erhebungsbogen für Präklinik, Schockraum/OP, Intensivstation, Entlassung/klinisches Ergebnis. Die wissenschaftliche Leitung des Registers obliegt der Sektion Notfall‑, Intensivmedizin und Schwerverletztenversorgung (NIS) der DGU. Getragen wird das Register von der Akademie der Unfallchirurgie GmbH (AUC).

Im TR-DGU wird eine Kurzversion des Abbreviated Injury Scale (AIS) mit ca. 450 Einträgen verwendet, die auf viele Detailangaben verzichtet, aber alle 6 Schweregrade von 1 „leicht“ bis 6 „nicht behandelbar“ berücksichtigt. Wissenschaftliche Auswertungen werden nach einem Peer-Review-Verfahren der Sektion NIS genehmigt, die daraus entstehenden Publikationen ebenso [5]. Die Betreuung der Datenbank sowie die Datenextraktion und deren statistische Auswertung erfolgen durch den Leiter des IFOM (Institut für Forschung in der Operativen Medizin) der Universität Witten/Herdecke (Humanmedizin). Relevante Abweichungen in den Studiengruppen sind bei einer Kontrollgruppe von fast 150.000 Datensätzen durch Zufall alleine sehr schwer zu erklären. Für selektionierte Ergebnisse werden daher die Daten mit ihrem Konfidenzintervall von 95 % (CI) angegeben. Das entspricht einfacher Signifikanz vs. Kontrollgruppe. Bei der Testung des Einflusses von einzelnen/multiplen Faktoren auf das Überleben bei Schwerstverletzten mit/ohne VT wird eine (binär) logistische Regressionsanalyse angewandt.

TraumaNetzwerk DGU

Als konzeptionellen Ansatz fordert das TraumaNetzwerk DGU, das Überleben und die bestmögliche Lebensqualität für jeden Schwerverletzten an jedem Ort in Deutschland zu jeder Zeit in gleicher Qualität zu sichern. Vor diesem Hintergrund wurde 2006 der „Arbeitskreis Umsetzung TraumaNetzwerk“ (AKUT) der DGU zur flächendeckenden Vereinheitlichung in der Schwerstverletztenversorgung der Bundesrepublik Deutschland konstituiert. Die Klassifikation der Traumazentren umfasst 3 Versorgungsstufen. Lokale Traumazentren (LTZ) dienen vorwiegend der flächendeckenden Versorgung von einfachen Verletzungen. Sollte im Rahmen der Schwerverletztenversorgung ein zeitgerechter Transport in ein regionales Traumazentrum (RTZ) oder überregionales Traumazentrum (ÜTZ) nicht möglich sein, sollen die LTZ vor allem in Regionen außerhalb von Ballungszentren als Akutkliniken die Erstversorgung von Schwerstverletzten garantieren. Durch Einbindung in ein regionales TraumaNetzwerk können LTZ auch die Mit- und Weiterbehandlung in späteren Behandlungsphasen entsprechend dem individuellen Leistungsspektrum abdecken [3]. Grundvoraussetzung für die Organisation eines LTZ ist die Leitung durch eine Klinik für Unfallchirurgie, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie oder Klinik für Chirurgie mit einer Organisationseinheit Unfallchirurgie, z. B. einer Sektion mit 24-stündiger Aufnahmebereitschaft mit einem Facharzt (FA) für Orthopädie und Unfallchirurgie oder FA für Chirurgie mit Schwerpunkt Unfallchirurgie, eines FA für Viszeral- oder Allgemeinchirurgie, eines FA für Anästhesiologie, sowie eine 24-stündige Operationsbereitschaft für Notfälle. Abläufe der innerklinischen Notfall‑/Schockraumversorgung von Schwerstverletzten sind in einer interdisziplinären und interprofessionellen Standard Operating Procedure (SOP) geregelt [3]. Notaufnahme und Schockraum müssen einen Schockraum von über 25 m2 und die räumliche Nähe zur radiologischen Funktionseinheit mit Röntgen und/oder Computertomographie (CT), die 24-stündige Bereitstellung eines Operationssaals sowie eine qualifizierte Schwerstverletzten-Intensivstation (entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin DIVI) vorweisen [3].

Schwerverletzten soll überall die gleiche Überlebensqualität gesichert werden

Regionale Traumazentren (RTZ) verfügen über eine, dem LTZ gegenüber, erweiterte Personal- und Infrastruktur – meist handelt es sich um Krankenhäuser der Schwerpunktversorgung. 24-h-Verfügbarkeit jeweils eines FA für Radiologie, Neurochirurgie und Gefäßchirurgie sind erforderlich. Strukturelle Anforderungen werden in Bezug auf diagnostische und apparative Voraussetzungen den jeweiligen Versorgungsstufen angepasst [3]. Über die erweiterte Regel- bis Schwerpunktversorgung der RTZ hinaus bieten die Überregionalen Traumazentren (ÜTZ) in der Behandlung von Schwerstverletzten zusätzliche fachärztliche Verfügbarkeiten weiterer Fachdisziplinen mit deren operations- und intensivmedizinischen Kapazitäten und eine erweiterte Infrastruktur und Ausstattung, die die gleichzeitige Versorgung von 2 Schockraumpatienten gewährleistet. Darüber hinaus erfüllen diese Zentren vor allem den Lehr- und Forschungsauftrag und sind für die Aus- und Weiterbildung qualifizierten Personals zuständig [3].

Präklinische Einschätzung und Notfallmanagement

Die präklinische Einschätzung der Verletzungsschwere durch den erstversorgenden Rettungsdienst bzw. Notarzt entscheidet über die weitere klinische Behandlungsphase und über eine, je nach Gefährdungsgrad, erforderliche Schockraumzuweisung. Neben Scoresystemen sind zusätzliche Kriterien der S3-Leitlinie „Polytrauma/Schwerverletztenversorgung“ [7] zu erfüllen. Um multiple Verletzungen im Rahmen eines Polytraumas zusammenzufassen, wurde von Baker et al. [8] der Injury Severity Score (ISS) entwickelt, ein Scoresystem, das auf dem AIS basiert [9]. Ein Punktwert von 16 oder höher (ISS 16+ oder ISS > 15 oder ISS ≥ 16) kennzeichnet einen Schwerverletzten. Basierend auf der Datenanalyse von über 30.000 Fällen aus zwei aufeinanderfolgenden Jahren wurde aus der Weiterentwicklung des RISC (Revised InjurySeverity Classification) der RISC II im Jahre 2011 veröffentlicht und zur Prognoseabschätzung allgemein etabliert. Einheitliche Scoresysteme verbessern zudem die Qualität von Forschungsergebnissen [10, 11].

Gefäßtrauma – Aktueller Datenstand

Traumatische Gefäßläsionen sind selten, aber häufig auch potenziell lebensbedrohlich. Die Inzidenz einer relevanten Gefäßverletzung im Rahmen eines stumpfen Traumas liegt bei unter 4 % und bei penetrierendem Trauma bei unter 30 %. Bei mehrfach Schwerverletzten zeigt sich in bis zu 10 % der Fälle eine relevante Gefäßbeteiligung. Die Mortalitätsrate liegt zwischen 2–12 % [12,13,14,15,16,17,18,19]. Hämodynamisch relevante Blutungen können zu einem hämorrhagischen Schock mit Organ- und Gerinnungsversagen führen und stellen damit die zweithäufigste, vermeidbare Todesursache in der präklinischen Phase dar. Sehr häufig finden sich Gefäßverletzungen der Extremitäten (ca. 75 %). Trotz in der Mehrzahl stumpfer Unfallmechanismen stellen dennoch 95 % der peripheren Gefäßläsionen direkte, penetrierende Gefäßtraumata dar, da diese lokal wiederum durch Knochenfragmente, Zerreißungen und Kontusionen verursacht werden. Lediglich in 5 % der Fälle kommt es zur einer ausschließlichen Intimaläsion oder Dissektion. Insbesondere bei protrahierten oder nicht erkannten peripheren Ischämien ist der Extremitätenverlust eine häufige und schwerwiegende Komplikation [15, 18, 20].

In einer Datenanalyse des TR-DGU von Heuer et al. konnte gezeigt werden, dass die Gesamtmortalitätsraten von besonders schweren VT mit AIS4 bis 5 innerhalb der Gruppe abdomineller VT mit 44,6 bzw. 60 % signifikant über den Mortalitätsraten von Patienten mit VT und AIS2 bis 3 (31,1 bzw. 35,4 %) sowie der Gesamtmortalität in dieser Gruppe (17,2 %) lagen. Auch lag die Frühmortalität (innerhalb der ersten 24 h nach Aufnahme) bei den VT mit AIS 4 bis 5 mit 34,2 bzw. 52 % signifikant über den Patienten mit VT AIS2 bis 3 (21,4 und 22,5 %). Heuer et al. beobachteten bei Patienten mit einer abdominellen VT eine höhere Sterblichkeit gegenüber der erwarteten Mortalität, die mittels RISC-Score berechnet wurde [19]. Eine häufige Todesursache bei Schwerstverletzten ist mit ca. 30–40 % die Hämorrhagie im Rahmen schwerer Blutungen.

Blutungen im Bereich der Extremitäten sind meist durch manuelle Kompression, Kompressionsverbände, Hämostyptika und Tourniquets kontrollierbar. Blutungen im Bereich des Körperstamms sind zum einen häufig schwer zu erkennen, zum anderen stehen zur Blutungskontrolle meist nur operative Maßnahmen zur Verfügung. Dies führt zu erhöhten Mortalitätsraten mit bis zu 40 %. Ein Großteil dieser Patienten verstirbt bereits im Rahmen der präklinischen Versorgung vor Einlieferung in ein Traumazentrum [21].

Gefäßtrauma beim Schwerverletzten

Aufgrund fehlender weiterführender Evidenz zur Einschätzung der Relevanz vaskulärer Traumata (VT) bei Schwerverletzten wurden retrospektiv Datensätze des TR-DGU (TR-DGU Projekt-ID 2013–011) aus den Jahren 2002–2012 aufgearbeitet. Zielsetzung war es, neben einer adäquaten Abbildung der Versorgungsrealität auch ungünstige Prognosefaktoren zu identifizieren. In 2 Subgruppen mit moderatem und schwerem VT untersuchten wir die Datensätze auf Unterschiede zu nicht Gefäßverletzten mit gleichem ISS in Bezug auf Morbidität, Mortalität sowie Verlaufs- und Prognoseparametern [5].

Studiendesign

Es wurden Datensätze ausgewertet, die den folgenden Einschlusskriterien entsprachen: Primärversorgung, Alter ≥ 16 Jahre, ISS ≥ 16 und kein isoliertes Schädel-Hirn-Trauma. Mittels der entsprechenden AIS-Codes (AIS: Abbreviated Injury Scale) wurden alle Patienten mit VT identifiziert und anschließend gemäß ihres Schweregrads in zwei Gruppen eingeteilt: Patienten mit einer leichten VT mit einem Schweregrad AIS 1–2 (VT-1) sowie Patienten mit einer relevanten VT ab einem Schweregrad von AIS 3 (VT-2). Als Vergleichsgruppe wurden alle Patienten ohne ein dokumentiertes VT herangezogen (non-VT). Unterschiede zwischen den 3 Gruppen wurden deskriptiv analysiert. Als Verlaufsparameter dienten Hypotonie (RR, Blutdruck bei Aufnahme bzw. präklinisch ≤ 90 mm Hg), Erythrozytenkonzentratanzahl (EK) und Volumenersatz. Akutes Nierenversagen (ANV) und Multiorganversagen (MOV) (≥ 2 Organe) wurden anhand eines SOFA-Scores („sepsis related organ failure“) [22, 23] (> 2 Punkte DGU-konform, Erhebungsbogen C) ermittelt. Tage auf Intensivstation (ICU), intubierte Tage (ITN), Krankenhausliegedauer sowie Früh- (≤ 24 h) und Krankenhausmortalität wurden erhoben [5]. Als wesentlichen Parameter zur Abschätzung des Mortalitätsrisikos wurde die RISC II (Revised Injury Severity Classification II) herangezogen [24].

Deskriptive Daten bei VT und Interpretation

Von insgesamt 42.326 wiesen 2961 (7 %) Patienten ein VT auf, in 2437 Fällen wurde ein schweres VT (AIS ≥ 3) diagnostiziert (5,8 %). Neben einer höheren Inzidenz eines Schocks, einer 2‑ bis 3‑fach höheren Volumen- und Erythrozytengabe zeigten die schweren VT eine 60 % höhere Rate an Multiorganversagen sowie eine doppelt so hohe Krankenhausmortalität (33,8 %). Deren massiv gesteigerte Frühsterblichkeit (8,0 vs. 25,2 %) verdeutlicht eindrucksvoll die Bedrohung der Schwerverletzten durch Vorliegen eines relevanten VT bei vergleichbarem Gesamt-ISS. Von den insgesamt dokumentierten Gefäßverletzungen waren 2709 arterielle VT (91,5 %) und 252 venöse VT (8,5 %), wobei die arteriellen meist thorakal 34,8 % (n = 942) und die venösen meist abdominal 80,6 % (n = 203) lokalisiert waren. Mit 56,4 % wurden periphere arterielle VT (Extremitäten/Hals) häufiger beobachtet als zentrale arterielle Verletzungen (thorakal/abdominal) 43,6 %. Periphere arterielle VT traten in 52,5 % der Fälle an der unteren sowie in 27,1 % an der oberen Extremität auf. Weitere 20,4 % befanden sich in der Halsregion. Bei den zentralen VT dominierten die thorakalen Verletzungen mit 74 % gegenüber den abdominellen 26 %. In 87,8 % (n = 2507) resultierte das VT aus einem stumpfen Trauma; 75,0 % (n = 2092) entfielen auf Verkehrsunfälle; diese bevorzugt mit Auto und Motorrad. Die Alters- und Geschlechtsverteilung der VT entsprach dem TR-DGU-Durchschnitt. Obwohl die VT nur eine kleine Gruppe (Gesamtprävalenz 7,0 %; n = 2961) der ausgewerteten Datensätze darstellen, entfällt der größte Anteil auf VT‑2 (82,3 % davon). Somit liegt bei VT die resultierende Verletzungsschwere auch höher als im Durchschnitt der Datensammlung. Der Status bei Eintreffen ist bei VT schlechter und determiniert den Verlauf. Bei den VT‑1 wurde in 29,6 % bereits präklinisch sowie in 22,9 % in der Notaufnahme ein RR ≤ 90 mm Hg gemessen. Die non-VT hingegen hatten nur in 18,8 % präklinisch und 14,3 % in der Notaufnahme eine manifeste Hypotension [5]. So erklärt sich die hohe Gabe an kristalloidem Volumen und EK bei den VT, wobei die VT‑2 mit hohen Volumina präklinischer Kristalloide und im Schockraum mit 6,2 EK weiter substituiert wurden als die VT‑1. Bei non-VT entwickelten 31,7 % ein MOV und 5,4 % ein ANV, bei VT‑1 41,6 % ein MOV und 6,5 % ein ANV und bei VT‑2 zeigte sich eine Rate von 51,1 % für MOV und 13,3 % für ANV [5].

Bei VT wurde eine deutlich höhere Schockrate nachgewiesen

Als weiteres Morbiditätskriterium ließ sich ermitteln, dass die überlebenden VT, in Abhängigkeit vom Schweregrad des VT, längere Intensiv- und Gesamtverweildauern hatten. Zur (Früh‑)Mortalität lässt sich festhalten, dass in den ersten 24 h insgesamt 9,0 % (n = 3830) der Patienten verstarben. Im weiteren Verlauf verstarben weitere 3051 Patienten. Somit lag die Krankenhausmortalität im Durchschnitt der Datensammlung bei 16,3 % (n = 6881). Hinsichtlich der Früh- und der Krankenhausmortalität bei VT zeigten sich die VT‑1 bereits im Nachteil gegenüber den non-VT (9,7 vs. 8,0 % und 16,4 vs. 15,2 %). Die VT‑2 jedoch waren von einer vielfach höheren Frühsterblichkeit (25,2 %) und Krankenhausletalität (33,8 %) betroffen [5]. Nach AIS des VT gestaffelt lässt sich auch die Mortalität nach Verletzungsschwere des VT in absoluten Zahlen klar darstellen (Abb. 1, AIS VT 0 = Non-VT). Aufgrund der hohen Frühmortalität haben wir für die Darstellung der Liegedauern (in Abb. 2) zwischen überlebenden und nicht überlebenden VT-Patienten differenziert: Nur bei den überlebenden non-VT-, VT-1- und VT-2-Patienten steigt die ICU-Dauer von jeweils 11,6 über 14,6 auf 17,4 mit dem Schweregrad der VT an, bei einer Gesamtverweildauer von 27,5 und 35,2 sowie 40,7 Tage [5]. Zum klinischen Ergebnis dieser Überlebenden ist noch festzuhalten, dass der Folgezustand häufig mit einer schweren Behinderung assoziiert ist.

Abb. 1
figure 1

Mortalität nach AIS des VT [%]. AIS Abbreviated Injury Scale, Non-VT Traumata ohne Gefäßverletzung, VT‑1 moderate Gefäßtraumata, VT‑2 schwere Gefäßtraumata. (Aus Lech et al. [5])

Abb. 2
figure 2

Verweildauer [Tage] ohne frühe Weiterverlegung. ICU Intensivstation, KH Normalstation, Non-VT Traumata ohne Gefäßverletzung, VT‑1 moderate Gefäßtraumata, VT‑2 schwere Gefäßtraumata. (Aus Lech et al. [5])

Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass die Häufigkeit der VT bislang unterschätzt wurde. Im Jahr 2009 schätzten Billing et al. den Anteil von arteriellen VT auf 0,1–0,2 % aller Traumata, wobei periphere VT 80 % der Behandlungsfälle in gewaltarmen Regionen ausmachten (ausgenommen USA und Kriegsregionen) [25]. Obwohl die VT nur eine kleine Gruppe (Gesamtprävalenz 7,0 %; n = 2961) der ausgewerteten Datensätze darstellen, muss hier der große Anteil an VT‑2 (82,3 % der VT) adäquate Beachtung finden. Zudem liegt allein der Anteil arterieller VT mit 6,4 % (91,4 % der VT) bereits deutlich über den von Billing geschätzten Werten. Erwartungsgemäß stehen VT im Rahmen von Verkehrs- (> 70 %), Sturz- und Sportunfällen im Vordergrund [17, 25,26,27]. Dieses Verteilungsmuster zeigt sich auch in der vorliegenden Studie. Wir fanden einen geringeren Anteil an VT‑2 im Rahmen von Pkw-Unfällen. Dies ist möglicherweise auch ein Effekt der heute erhöhten Fahrzeugsicherheit und stellt eine Erklärung für den relativ geringeren Anteil an VT‑2 bei diesem Unfallmechanismus dar. Die Prognoseabschätzung bei VT muss zusammenfassend als nicht ausreichend treffsicher gelten. Hinsichtlich der erwarteten Mortalität (EM) zeigten die non-VT (16,1 %) und VT‑1 (18,4 %) ähnliche Risikoraten, welche jeweils etwas höher als die beobachtete Sterblichkeit (OM) dieser Gruppen war. Mit dem Schweregrad des VT stieg die RISC-II-EM-Prognose jedoch sprunghaft an, sodass die VT‑2 mit 32,9 % das höchste Mortalitätsrisiko aufwiesen. Die Abb. 3 zeigt alle Verstorbenen nach VT. Die Verstorbenen sind hier nach primärer Einschätzung der Gefäßverletzung nach AIS stratifiziert [5].

Abb. 3
figure 3

Verstorbene nach AIS (Abbreviated Injury Scale) bei Gefäßtraumata [n]. (Aus Lech et al. [5])

Schockindex und primäre Volumentherapie sind wesentliche Prognosefaktoren

Auf der Suche nach Faktoren des Risikos für protrahierten Schock identifizierten wir Indikatoren, die per se die Prognose für Mortalität und Morbidität der VT einschränken, verschlechtert ja ein protrahierter hämorrhagischer Schock im Rahmen präklinisch nicht kontrollierbarer bzw. okkulter Blutungen ohnehin die weitere Problematik. Auch andere Autoren sehen hier ein zentrales Problem, zudem wird die initiale Diagnostik und Einschätzung auch durch fehlende klinische Frühzeichen erschwert [28, 29]. So kommt es unabhängig von Volumen- und kardiozirkulatorischen Problemen, auf die wir im Folgenden eingehen, häufig im Verlauf zur traumainduzierten Koagulopathie (TIC). Diese wird schnell zur eigentlichen Herausforderung für die weitere Behandlung [30, 31]. Die frühe Koagulopathie stellt bei polytraumatisierten Patienten einen unabhängigen Prädiktor für Morbidität und Mortalität dar [29, 31,32,33], mit einer 4‑fach höheren Gesamt- und 8‑fach höheren Frühmortalität [33]. Hinzu kommt, dass in der von uns beobachteten Praxis bereits bei allen VT mehr EKs transfundiert werden als bei non-VT. Dieser Einsatz von EKs erfolgt wohl am ehesten in Anlehnung an die Strategie der Damage Control Resuscitation (DCR). Aus militärmedizinischen Erfahrungen wurden die Prinzipien der DCR auf die Behandlung polytraumatisierter Patienten im zivilen Rettungswesen angewandt, wobei eine schnelle Blutstillung, die Wiederherstellung eines adäquaten Blutvolumens und die Therapie der Koagulopathie zur definitiven Hämostase im Vordergrund stehen [31]. Laut Cocchi et al. gehören zu 6 FFP-Einheiten, 6 Thrombozytenkonzentraten und 10 Gerinnungsfaktoreinheiten auch mindestens 6 EKs zum Standard-DCR-Set [28], was sich bereits teilweise bei den VT‑1 (4,2 EKs) und voll bei den VT‑2 niederschlägt (6,2 EKs). Die Infusionsmenge bei Gefäßtrauma hat eine besondere prognostische Bedeutung – Scores zeigen Schwächen. Bei VT beobachten wir unabhängig von der Verletzungsschwere eine höhere kristalline Volumengabe bei VT‑1 1521 bzw. VT‑2 1738 ml (präklinisch) mit Fortsetzung auf bis zu 2936 ± 3119 ml (VT-1) und 3028 ± 2879 ml (VT-2) im Schockraum bis zur Verlegung auf ICU. In einer vorangegangenen Auswertung des TR-DGU® konnte jedoch ein Überlebensvorteil für Patienten mit niedrigerer präklinischer Volumengabe (< 1500 ml) gezeigt werden (22,7 vs. 27,6 %; p < 0,01) [31]. Hier muss in der beobachteten Praxis ganz deutlich der Mechanismus der Überinfusion diskutiert werden, der sowohl die Entwicklung des TIC als auch des Kreislaufversagens beim Schock begünstigt. Neben einer leicht ansteigenden Mortalität (> 3000 ml), wiesen Hussmann et al. einen erhöhten Transfusionsbedarf sowie eine Verminderung der Gerinnungsfähigkeit (Quick 61 % bei < 1000 ml vs. 49,1 % bei > 3000 ml) proportional zur Volumengabe nach [34], womit die Autoren die ihrerseits beobachtete Steigerung des Risikos eines MOV erklärten. Analog dazu zeigt sich bei VT ebenfalls ein deutlicher Anstieg der Rate an MOV und ANV proportional zur Volumengabe. Es ist somit gut nachvollziehbar, warum sich non-VT mit gleichem AIS schneller von ihrem Trauma erholen. Eine graphische Visualisierung der Verweildauern zeigt Abb. 2.

Die Infusionsmenge bei Gefäßtrauma hat eine besondere prognostische Bedeutung

In den untersuchten Datensätzen lässt sich eine hohe Frühsterblichkeit (25,2 vs. 9,7 vs. 8,0 %) der VT‑2 deutlich nachweisen. Zudem zeigen die VT gegenüber den non-VT eine höhere Gesamtsterblichkeit (36,3 vs. 17,3 vs. 15,7 %; Tab. 1). Dieser Trend wurde schon von Galindo et al. und Loh et al. nachgewiesen, wobei Loh auch zeigte, dass die Anzahl der Gefäßläsionen keinen Einfluss auf die Mortalität ausübt [1, 35].

Tab. 1 RISC-Prognosen (EM) und Mortalität (OM) primär Versorgter (keine Weiterverlegten)

Auffällig ist die hohe Mortalität (26,8 %, Abb. 1) der AIS-3-VT und die absolute Opferzahl (Abb. 3) von definitionsgemäß eigentlich als „nicht lebensbedrohlich“ eingestuften VT im Vergleich zur höheren Gefährdungsstufe AIS 4 (24,9 %) und der folgenden, die als „lebensbedrohlich“ eingestuft werden. Die an dieser Grenze sprunghaft ansteigende Mortalität der VT ist auffällig und war bislang, wegen mangelnden Studien zu Gefäßverletzungen und fehlenden vaskulären Score-Systemen in Deutschland nicht bekannt. Während Scores wie ISS, APACHE II und TRISS die Mortalität der non-VT ziemlich präzise voraussagten, konnte Loh et al. das Scheitern dieser Systeme bei der Mortalitätsabschätzung der VT erstmals nachweisen [1]. Die daraufhin durchgeführte ROC-Analyse („receiver operating characteristics“) bestätigte diese Ungenauigkeit und Unzuverlässigkeit bei VT, wobei der ISS am besten abschnitt [1] und im TR-DGU den seit 2014 eigens entwickelten RISC II zur Prognoseabschätzung einführte. Die veraltete Datengrundlage des RISC I (1993–2000) bewirkte in den letzten Jahren, dass die beobachtete Letalität ca. 1–2 % unter der RISC-I-Prognose lag, was zwar für einen Rückgang der Traumamortalität in den letzten Jahren sprach [6, 36, 37], aber für die kritische Einschätzung der Ergebnisse zu lax war. Aus diesem Grund wurde der RISC II aus 13 gerichteten Variablen entwickelt, um den Score besser, aktueller und einfacher zu gestalten [38].

Bei Anwendung von RISC II auf VT besteht weiterhin eine Prognoseunterschätzung bei non-VT und VT‑1 von etwa 1 %, die VT‑2 zeigten bei der Anwendung von RISC II allerdings 3,4 % Unterschätzung (Tab. 1). Die besondere Relevanz dieser Unterschätzung tritt hervor, wenn man das Konfidenzintervall der beobachteten Mortalität beachtet und bei einer so starken Abweichung von 32,9 % (RISC II) erkennt, dass nun ein p < 0,05 vorliegt und somit diese Verletzungen signifikant häufiger zum Tode führen. Die Ungenauigkeit der Trauma-Scores für VT liegt einerseits an der Einseitigkeit dieser Diagnosemittel. So übersehen z. B. anatomische Scores (ISS) ohne die Bewertung von physiologischen Parametern schnell okkulte Blutungen. Anderseits vernachlässigen physiologische Scores (TRISS) bestimmte, auf Hämorrhagie hinweisende Parameter wie Blutdruck, Herzfrequenz, „base excess“ oder auch Laktat [1, 28, 39, 40]. Obwohl neben dem GCS, Laborwerte (BE, Laktat), indirekte Blutungszeichen (RRsys ≤ 90 mm Hg, Hb < 9 mg/Tag, EK-Anzahl > 9) und auch Vorerkrankungen mit in die Prognoseberechnung von RISC II einfließen, zeigen die relevanten VT in der Studie schlechtere klinische Ergebnisse als erwartet, sodass auch dieses System wohl die Prognose von VT nicht so zuverlässig erfasst wie bei non-VT.

Gefäßverletzung beim Schwerverletzten – eine unterschätzte Entität

Diese Ergebnisse warfen aufgrund der unerwarteten Differenz zwischen der erwarteten und der beobachteten Mortalität und insgesamt schlechteren Prognose bei VT im Rahmen der Schwerverletztenversorgung weitere Fragen auf, die sich ohne eine bessere Freistellung des Gefäßtraumas, das bislang immer in Kombination mit anderen Traumata betrachtet wird, nicht angehen ließen, bzw. eine weiterführende Interpretation nicht zuließen. Es erfolgte daher eine neue Anfrage an das TR-DGU. Die Bereitstellung der nachfolgenden Daten zum TR-DGU Projekt-ID 2018-045 erfolgte durch das TraumaRegister DGU®.

Die Auswertung und Interpretation lagen in der Verantwortung der Autoren und hatten den abschließenden Reviewprozess des TraumaRegister DGU® noch nicht komplett durchlaufen. Während der Drucklegung dieser Übersichtsarbeit hat uns die TR-DGU-Freigabe der vorliegenden Daten des Manuskriptes für die Originalarbeit beim Scandinavian Journal of Trauma, Resuscitation and Emergency Medicine erreicht, das den im Folgenden dargestellten Daten zugrunde liegt.

Studiendesign

In unserer Auswertung (TR-DGU Projekt-ID 2018-045) dieses zweiten, aktualisierten Datensatzes des TR-DGU der Jahre 2008–2017 wurden insgesamt 289.698 Fälle erfasst. Aus der Analyse ausgeschlossen wurden 36.048 Patienten aus nichtdeutschen Kliniken, 85.505 Patienten mit einem maximalen AIS ≦ 2, 5864 Kinder < 16 Jahren bzw. 573 Patienten mit unbekanntem Alter. Außerdem wurden alle Patienten, die innerhalb der ersten 48 h in ein weiterbehandelndes Zentrum früh verlegt wurden (n = 12.337) aufgrund fehlender Daten hinsichtlich des klinischen Ergebnisses aus dem Datensatz ausgeschlossen. Somit wurden insgesamt 151.371 Fälle in die Auswertung des TR-DGU eingeschlossen.

Zur Klassifizierung des Traumas wurde die AIS (Abbreviated Injury Scale) und der ISS (Injury Severity Score) angewendet. Die maximale AIS (MAIS) stellt die höchste AIS-Punktzahl unter allen Verletzungen des jeweiligen Falles dar, den wir betrachten. MAISVT steht analog für die höchste Schwere des VT, sofern eines vorliegt und ist anderenfalls 0 (Non-VT). Die ISS dient der Klassifizierung der Gesamtschwere des Traumas und bezieht alle AIS ein. Für die Abschätzung der Mortalität wurde der RISC-II-Score (Revised Injury Severity Score in seiner zweiten Revision) als Prognoseparameter verwendet. Die Daten wurden als Mittelwert ± Standardabweichung (SD) und Interquartilbereiche (25. bis 75. Perzentil), kategoriale Variablen als Anzahl oder angegeben Prozentsatz angegeben. Eine formale statistische Testung im Vergleich zur Kontrollgruppe wurde wegen der großen Fallzahl nicht vorgenommen. Die statistische Unsicherheit in der Kontrollgruppe mit fast 40.000 Fällen ist nahezu zu vernachlässigen. Vergleiche zwischen den kleineren Schweregradgruppen wurden mittels Chi-Quadrat-Test bei kategorialen Daten oder Mann-Whitney-U-Test bei quantitativen Daten durchgeführt. Ein p-Wert unter 0,05 wurde als signifikant angesehen. Kategoriale Variablen wurden mit Prozenten dargestellt, für metrische Variablen wurden Mittelwert (MW) und Standardabweichung (SD) berechnet, bei den Liege- und Beatmungsdauern zusätzlich der Median. Aufgrund der großen Anzahl von Patienten, vor allem in der Kontrollgruppe mit über 150.000 Fällen, konnten wiederum klinisch relevante Unterschiede alleine durch Zufall nicht erklärt werden. Stattdessen wurde für ausgewählte Ergebnisse ein 95 %-Konfidenzintervall (CI) bereitgestellt und sie damit einfacher Signifikanz gleichgestellt. Schließlich wurde eine logistische multivariate Regressionsanalyse mit der OM als abhängige Variable angewendet, um die Wirkung auf die Mortalität bei den VT zu bewerten. Zusätzlich zum RISC-II-Score wurden die folgenden unabhängigen Variablen berücksichtigt: Art des Gefäßtraumas, Versorgungsstufe des Traumazentrums, luftgebundener Transport (RTH), Transfusion von Erythrozytenkonzentraten (vor ICU), Art des Gefäßtraumas (kein VT, isoliertes VT, führendes VT und begleitendes VT) und Jahr des Traumas. Das Ergebnis sind adjustierte Odds Ratios (OR). Bei kategorialen Variablen wurde eine Kategorie als Referenz gewählt und dann relativ dazu für jede andere Kategorie ein OR mit 95 %-CI berechnet. Ist in einer Kategorie das Risiko zu Versterben höher als in der Referenzgruppe, ergibt sich ein OR > 1, liegt das Risiko niedriger ist der OR < 1.

Zur Identifikation des isolierten, des führenden und des begleitenden VT machten wir folgende mathematische Betrachtung: Es handelt sich bei den isolierten VT und den non-VT um AIS-Gruppen mit unterschiedlicher Verletzungsschwere hinsichtlich des Gefäßtraumas. Die führenden VT und begleitenden VT hingegen stellen Fälle mit einer gegensätzlichen Zusammensetzung von Gefäßverletzungen und anderen Verletzungen für alle Schweregrade dar (Gruppendefinition in Abb. 4). Die Zusammenfassung der Zahlen in den Subgruppen ist in Abb. 5 visualisiert. Um Fälle mit führendem VT und schwerer, zusätzlicher non-VT-Verletzung adäquat zu adressieren, haben wir sie den anderen Fällen mit ähnlichem MAISVT und MAISnon-VT zugeordnet und sie somit in die Subgruppe der begleitenden VT aufgenommen. Diese Fälle entsprechen der diagonalen Zahlenreihe in Fettdruck (Zusammenfassung in Abb. 5). Dies muss berücksichtigt werden, da es in der Gruppe der begleitenden VT den Trauma-Score deutlich steigert und ihre Mortalität erhöht.

Abb. 4
figure 4

Einteilung isoliertes, führendes und begleitendes Gefäßtrauma (VT). MAIS maximale Abbreviated Injury Scale

Abb. 5
figure 5

Stratifizierung der VT-Subgruppen. Die Subgruppe der isolierten VT (rot, n = 488) zeichnen sich durch einen hohen MAISVT ≥ 3 mit einem niedrigen MAISaller non-VT < 2 aus. Die Subgruppe der führenden VT (gelb, n = 1652) ist definiert als MAISVT = X + MAISaller non-VT (X − 1 oder weniger). Bei den begleitenden VT (grün, n = 4143) entspricht der MAISVT weitgehend dem MAISaller non-VT (X + 1 oder mehr). AIS Abbreviated Injury Scale, MAISVT maximale AIS (aller Gefäßverletzungen), MAISnon-VT maximale AIS (aller Nichtgefäßverletzungen), VT Gefäßtrauma

Neue Ergebnisse aus der Subgruppenanalyse

Die VT, unabhängig von den Subgruppen, weisen eine Gesamtprävalenz von 4,2 % (n = 6283) auf. Dem steht die Gruppe an Verletzten ohne VT mit einer Prävalenz von 95,8 % (n = 145.088) gegenüber. In der neuen Subgruppenanalyse (isoliertes VT, führendes VT, begleitendes VT) lag das Alter mit 49,3 (± 20,2), 48,4 (± 20,2) bzw. 46,6 (± 19,7) unter dem Durchschnittsalter von 53,3 (± 21,1) Jahren der Patienten ohne VT. Der durchschnittliche ISS lag in der Gruppe der Verunfallten ohne VT bei 21,2 (± 11,2), in den VT-Subgruppen bei 15,4 (± 12,0), 29,5 (± 16,9) und 33,0 (± 16,7).

Zusammenfassend lässt sich anhand der Daten feststellen, dass sowohl ein präklinisch als auch bei Aufnahme gemessener systolischer Blutdruck ≤ 90 mm Hg bei den VT-Subgruppen (30,1 % bzw. 27,4 %, 29,4 % bzw. 28,6 %, 32,5 % bzw. 30,6 %) deutlich häufiger beobachtet wurde als in der Gruppe ohne VT (10,8 % bzw. 8,7 %). Dementsprechend höher lag der Bedarf an präklinisch verabreichtem Volumen (Kristalloide, EKs) in den VT-Subgruppen. Es wurden im Durchschnitt 1164 (± 771), 1234 (± 930) bzw. 1333 (± 922) im Vergleich zu 810 (± 626) ml Volumen präklinisch infundiert. Bereits vor Verlegung auf die ICU wurden mehr EKs transfundiert in den Subgruppen der VT, dabei wurden durchschnittlich 1,5 (± 3,1) Erythrozytenkonzentrate bei insgesamt 31,6 % der Patienten mit isoliertem VT, 2,9 (± 6,7) Konserven bei 40,2 % der Verunfallten aus der Gruppe mit führendem VT und 4,1 (± 8,1) EKs bei den Patienten mit begleitendem VT (44,1 %) transfundiert. Im Vergleich hierzu lag die durchschnittliche Anzahl an verbrauchten EKs in der Gruppe ohne VT (9,4 %) bei 0,5 (± 2,6) und somit deutlich unter dem Bedarf in den VT-Subgruppen.

Die beobachtete Rate an Multiorgan- bzw. Nierenversagen im Rahmen der Polytraumaversorgung lag mit 35,1 % bzw. 8,2 % in der Gruppe mit führendem VT deutlich über der Gruppe ohne VT (23,8 % bzw. 4,0 %).

Die Krankenhausverweildauer der Patienten ohne VT lag im Mittel bei 18,2 Tagen, bei den Patienten mit isoliertem VT bei 20,8 Tagen, bei den führenden VT bei 24,1 Tagen und bei den begleitenden VT bei 26,9 Tagen. Somit resultieren bei VT wieder deutlich längere Krankenhausverweildauern. Anhand der nun stratifizierten Subgruppen des begleitenden, führenden und isolierten VT werden die Zuweisungen der Verunfallten mit bzw. ohne VT in das primär ausgewählte Traumazentrum ausgewertet.

Häufigkeit eines Schocks beim Eintreffen und Überinfusion sind aktuell kaum verändert

Insgesamt 81,5 % (n = 3377) der begleitenden VT wurden primär einem ÜTZ zugewiesen, 16,0 % (n = 663) bzw. 2,5 % (n = 103) in ein RTZ bzw. LTZ. Patienten mit einem führenden VT (n = 1271) sind zwar immer noch deutlich häufiger primär in ein ÜTZ transportiert worden (76,9 %), allerdings wurden auch prozentual mehr Verletzte mit führender Gefäßverletzung in ein RTZ (17,6 %; n = 290) bzw. LTZ (5,5 %; n = 91) eingewiesen. Patienten mit einem isolierten VT sind in 69,5 % der Fälle primär einem ÜTZ (n = 339) zugewiesen worden. Dabei wurden 24,0 % bzw. 6,6 % (n = 117 bzw. n = 32) mit einem isolierten VT primär in ein RTZ bzw. LTZ verbracht. Die Zuweisung von Polytraumatisierten ohne nachweisliches VT verteilen sich mit 63,8 % auf die ÜTZ (n = 92.610), 27,5 % auf die RTZ (n = 39.879) bzw. 8,7 % auf die LTZ (n = 12.599). Ein höherer Anteil von VT-Fällen mit der Notwendigkeit spezieller gefäßchirurgischer Behandlung (z. B. führende und isolierte VTs) ist bereits primär den höherversorgenden Traumazentren (ÜTZ) zugeordnet worden. Schwerverletzte mit begleitendem VT wurden in 61,3 % der Fälle bodengebunden in das primäre Traumazentrum transportiert. 38,7 % der Patienten mit begleitendem VT wurden mit einem RTH in das erstversorgende Traumazentrum verbracht. Patienten mit einem führenden VT bzw. isolierten VT wurden in 64,1 % bzw. 70,6 % der Fälle bodengebunden und in 35,9 % bzw. 29,4 % der Fälle luftgebunden in das Traumazentrum transportiert. 77,1 % (n = 96.794) der Verunfallten ohne ein VT wurden bodengebunden und 22,9 % (n = 28.711) luftgebunden transportiert.

Mortalität nach VT-Subgruppen und die korrespondierende Risikoanalyse

Im Zeitraum von 2008–2017 waren insgesamt 20.479 (13,5 %) der 151.371 eingeschlossenen Patienten verstorben. Dabei verstarben 14617 (15,0 %) in einem ÜTZ, 4754 (11,6 %) in einem RTZ und 1108 (8,6 %) Patienten in einem LTZ.

Der Anteil an Verstorbenen ohne ein nachgewiesenes VT (n = 18.834) lag bei 13,0 %. In Abhängigkeit von der Versorgungsstufe lag die Mortalität der Patienten ohne VT im ÜTZ bei 14,4 % (n = 13.371), bei 11,1 % (4437) im RTZ und bei 8,1 % (n = 1026) im LTZ.

Die Gesamtmortalität der Verletzten mit einem begleitenden VT lag bei 27,9 % (n = 1157). In den Versorgungsstufen lag die Mortalität der Patienten mit begleitenden VT bei 27,2 % (n = 917) im ÜTZ, 30,3 % (n = 201) im RTZ bzw. 37,9 % (n = 39).

Bei den Schwerstverletzten mit einem führenden VT lag die Gesamtmortalität bei 24,1 % (n = 398). Von diesen Patienten verstarben 22,7 % (n = 289) im ÜTZ, 26,9 % (n = 78) im RTZ und 34,1 % (n = 31) im LTZ. Insgesamt 90 Patienten mit einem isolierten VT (18,4 %) verstarben in einem der primären Traumazentren. Davon starben 40 Verunfallte mit einem führenden VT in einem ÜTZ (11,8 %), 38 Patienten in einem RTZ (32,5 %) und 12 Patienten in einem LTZ (37,5 %) (Übersicht in Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Beobachtete Mortalität bei begleitender, führender und isolierter Gefäßverletzung nach Traumazentrum [%]. ÜTZ überregionales TraumaZentrum DGU, RTZ regionales TraumaZentrum DGU, LTZ lokales TraumaZentrum DGU, Daten aus dem TR‑DGU Projekt-ID 2018-045

Zur Nichtvergleichbarkeit der OM von VT und Non-VT zwischen den Zentren verschiedener Versorgungsstufen tritt noch eine Diskrepanz zwischen EM und OM innerhalb der VT-Gruppen hinzu. Dies weicht ebenfalls auffällig von den VT ab: In der Gruppe der Non-VT sehen wir eine nahezu perfekte Überlappung der EM und OM-Werte für alle Versorgungsstufen (Übersicht in Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Beobachtete (OM) versus erwartete Mortalität (EM, RISC-II-Prognose). Subgruppen bezogen auf die Versorgungsstufe des primär versorgenden Traumazentrums. ÜTZ überregionales TraumaZentrum DGU, RTZ regionales TraumaZentrum DGU, LTZ lokales TraumaZentrum DGU, durchgezogen = OM, gestrichelt = EM (RISC-II-Prognose), VT Gefäßtrauma, Daten aus dem TR‑DGU Projekt-ID 2018-045

In der multivariaten Analyse schließlich wurde das Risiko einer Abweichung der Mortalität eines VT von der korrespondierenden Non-VT-Mortalität mithilfe verschiedener unabhängiger Variablen errechnet. Es wurden hier neben dem RISC-II-Score (gewichtet: Alter, NISS, Kopfverletzung, Beckenverletzung, GCS-Score, PTT-Wert, „base excess“, Herzstillstand, Schock, Massentransfusion, niedriger Hb-Wert, Pupillenbefund), die Versorgungsstufe (ÜTZ als Referenz), die Transportart (boden- vs. luftgebunden), die Klassifikation des Gefäßtraumas (isoliertes VT, führendes VT, begleitendes VT) sowie der Bedarf an EKs (vor ICU) einer multivariaten Analyse unterzogen (Übersicht in Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Forest Plot – Odds Ratio und deren 95 %-Konfidenzintervall (CI) Risiko der Mortalität in Bezug auf verschiedene unabhängige Faktoren. (RISC II Revised Injury Severity Classification Version II, ÜTZ überregionales TraumaZentrum DGU, RTZ regionales TraumaZentrum DGU, LTZ lokales TraumaZentrum DGU, VT Gefäßtrauma, EK Erythrozytenkonzentrat), Werte für OR > 1 zeigen ein erhöhtes Risiko für OM gegenüber der Kontrollgruppe an, Werte für OR > 1 ein erniedrigtes Risiko, horizontale Balken stehen für CI. Signifikanzniveau: **p < 0,01; *p < 0,05 Daten aus dem TR‑DGU Projekt-ID 2018-045

Das mit sinkender Versorgungsstufe steigende Mortalitätsrisiko der VT zeigt sich in den LTZ (OR: 1,602; p < 0,05) und RTZ (OR:1,375; p < 0,01) relativ zu der Referenz ÜTZ in Abb. 7 gesteigert, was die OR in der jetzigen Auswertung aber statistisch belegen kann (Abb. 8). Bei den Non-VT zeigte sich ja im Gegensatz dazu ein exzellentes Bild an Ergebnisqualität in der Versorgungsrealität der Schwerverletztenversorgung (Abb. 7). Der RTH zeigt gegenüber dem bodengebundenen Transport ebenfalls einen signifikanten Vorteil (OR: 0,816; 95 %CI: 0,772–0,963; p < 0,001; Abb. 8). Die multivariate Analyse brachte somit die erwarteten belastbaren Prognosefaktoren zutage. Der luftgebundene Transport mittels RTH zeigt gegenüber dem bodengebundenen Transport einen signifikanten Vorteil (OR: 0,816; 95 % CI: 0,772–0,963; p < 0,001). Der negative Einfluss der Gefäßverletzung auf die Mortalität gilt insbesondere für das führende VT. Hier errechnet sich eine Odds Ratio von 1,333 (p = 0,003), somit ist das führende VT ein prognostisch ungünstiger Faktor für das Überleben. Bei den führenden VT handelt es sich in der Regel um sehr schwere Gefäßverletzungen, die primär schon lebensbedrohlich sind. Das Vorliegen von Gefäßverletzungen korreliert auch mit einem signifikant erhöhten EK-Einsatz (OR: 1,298; 95 % CI: 1,223–1,378; p < 0,001).

Ein direkter Vergleich der OM der VT mit der Gruppe der Verunfallten ohne VT ist aufgrund der unterschiedlichen Gruppengrößen (kein VT = 129.851) nicht sinnvoll. Daher wird der RISC II zur Prognoseabschätzung im Vergleich zu der beobachteten Mortalität herangezogen. In diesem ausschließlich für die RISC-II-Variablen adjustiertem Modell lässt sich schlussfolgern, dass die beobachtete gegenüber der erwarteten Mortalität für die Gruppe ohne VT in allen Versorgungsstufen in etwa gleich verteilt ist. Dies bedeutet, dass die beobachtete Mortalität der mittels RISC-II-Score berechneten zu erwartenden Mortalität im Wesentlichen entspricht.

Alle Gefäßtraumata weisen eine deutlich höhere Mortalität auf als erwartet

Für die Subgruppe der isolierten VT zeigt sich, dass die OM vs. EM in den ÜTZ (11,8 vs. 11,6) gleich ist, die beobachtete Mortalität in den RTZ bereits über der erwarteten Mortalität (32,5 vs. 24,7) liegt und in den LTZ wieder deutlich höher ausfällt als die RISC-II-Prognose (37,5 vs. 28,4). Noch gravierender zeigt sich dieser Effekt in der Gruppe der führenden VT in den LTZ. Hier liegt die RISC-Prognose deutlich unter der beobachteten Mortalität (43,1 vs. 27,9). Alle VT weisen insbesondere in RTZ und LTZ weiter eine deutlich höhere Mortalität auf als erwartet.

Bei Non-VT ergeben sich keine unerwarteten Unterschiede in den Versorgungsstufen. Aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeit der zuweisungs- und zentrumsassoziierten Faktoren, die das Ergebnis maßgeblich bestimmen, wird hier nun das Delta der erwarteten vs. beobachteten Mortalität für eine vorsichtige Interpretation der VT/Non-VT-Ergebnisse herangezogen. Der Graph für die OM bei Non-VT zeigt daher nicht nur die gleiche lineare „negative Korrelation“ mit sinkender Versorgungsstufe wie die EM, er zeichnet sich auch durch eine minimale Abweichung von unter 1 % von der EM aus. Dies beweist, wie positiv sich die ausgezeichnete Allokation der Non-VT auf deren OM auswirkt, da treffsicher den niedriger versorgenden Zentren auch die „leichteren“ Fälle zugeordnet werden.

Gefäßverletzungen führen unzweifelhaft zu Hochrisikokonstellationen in der Schwerverletztenversorgung. Mit diesen Ergebnissen kann verdeutlicht werden, wie relevant Standards für das präklinische und klinische Management in der Schwerstverletztenversorgung einschließlich der Zentrumszuweisung (Transportart, Versorgungsstufe) von Polytraumatisierten mit VT sind. Bedeutend ist auch, dass die hier beschriebenen für das Outcome entscheidenden Faktoren auch zukünftig zentraler Gegenstand wissenschaftlicher Studien sind [17, 27, 41].

Vor dem Hintergrund stetiger Prozess- und Strukturoptimierung in der Schwerstverletztenversorgung sollten die hier erarbeiteten Ergebnisse aus der TR-DGU entsprechend interpretiert werden. Trotz umschriebener Einschränkungen liegen uns klare Aussagen zum Effekt der Komponenten des Zuweisungsprozesses (präklinischen Einschätzung, Transportart, verfügbare Versorgungskapazitäten) auf das Überleben von VT vor, die in eine lebhafte Diskussion eingebracht werden sollten. Dies gilt offensichtlich für alle VT-Subgruppen in spezifischer Weise. Das Ergebnis dieser Untersuchung fasst somit einige Details zur Notfallversorgung von Gefäßverletzten zusammen und hinterlässt uns ein detailliertes Arbeitsprogramm. Da der Hauptanteil der Patienten mit führenden und begleitenden VT schwerer verletzt ist und primär einen Gefäßspezialisten benötigt und ein hoher Anteil der (isolierten) VT eine endovaskuläre Behandlung erfordert, sollte das ÜTZ das primäre versorgende Traumazentrum darstellen, wenn ein schweres Gefäßtrauma diagnostiziert, vermutet oder nicht ausgeschlossen werden kann. Eine Fokussierung der Zuweisung von Gefäßverletzten in ÜTZ erfordert möglicherweise einen größeren Koordinationsaufwand und im Zweifel noch mehr Ressourcen in den entsprechenden Zentren. Die COVID-19-Pandemie hat anhand lokaler und nationaler Koordinierungsverpflichtungen (DIVI, Deutsche Interdisziplinäre Union für Intensiv- und Notfallversorgung) aber eindrucksvoll gezeigt, wie effizient deutsche Zentren reagieren können, wenn eine offensichtliche Bedrohung vorliegt. Zahlreiche höherversorgende Zentren versuchen, fixe Intensivkapazitäten für das akute Aortensyndrom zur Verfügung zu halten, analog den „Polytrauma-Betten“. Hier liefern wir neue Argumente. Diese Ressourcen könnten Fälle mit zentralen VT zusätzlich abdecken. Die Regionalen Traumazentren sollten weiterhin die Möglichkeit besitzen zu entscheiden, in welchem Umfang und mit welcher zeitlichen Perspektive sie den aktualisierten Empfehlungen aus dem Weißbuch der Schwerverletztenversorgung folgen und ihre vaskuläre und endovaskuläre Versorgungskompetenzen erweitern können. Im Vordergrund steht jedoch weiterhin, dass die präklinische Einschätzung, Kommunikation und Triage innerhalb des TraumaNetzwerk eine effiziente Schwerstverletztenversorgung gewährleistet. Auch sollte die Zusammenführung der Dokumentation sekundär weiterverlegter Patienten ermöglicht werden, um über diese wichtige Entität Informationen zu beziehen. Daneben erscheint es essenziell, dass beteiligte Rettungsdienste und das klinische Personal für spezifische Versorgungsprozesse von Gefäßverletzten weiter geschult bzw. intensiver trainiert werden. Die präklinische und frühe klinische Einschätzung hat einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis der VT. Bei schweren Schocks oder penetrierenden Verletzungen wird häufig von einem VT ausgegangen, bei stumpfen Traumata, Hochrasanztraumata bzw. Sturz aus hoher Höhe etc. muss das VT auch stets in den Entscheidungs- und die Triageprozess einbezogen werden. Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG) und die DGU haben viele fruchtbare Verbindungen und gemeinsame Gremien. Mit ihren jeweiligen Verbindungen in zivilen und militärischen Arbeitsgruppen sind sich beide Fachgebiete wesentlich nähergekommen und kooperieren in der Ausarbeitung der S3-Richtlinie Polytrauma. Es ist zu erwarten, dass sich aus dieser interdisziplinären Zusammenarbeit angepasste Abläufe und Trauma-Scores entwickeln lassen.

Limitationen der berichteten Studien

Eine retrospektive Analyse von Daten aus großen Registern wie der vorliegenden Studie weist unweigerlich Einschränkungen auf. Da die Behandlung von Schwerverletzten, insbesondere im präklinischen Setting, am Unfallort oder im Schockraum, unter extremen Bedingungen und zeitlichen Einschränkungen durchgeführt wird, können sich Dokumentationslücken und unvollständige Datensätze ergeben. Durch zahlreiche Plausibilitätsprüfungen in der Datenerfassungssoftware des TR-DGU können allerdings größere Inkongruenzen der Datensätze vermieden werden. Die Vollständigkeit der Falldokumentation pro Krankenhaus konnte jedoch nicht überprüft werden. Auch die Verknüpfung der Datensätze von Patienten, die in einem kleinen Traumazentrum erstversorgt und nach Weiterverlegung in ein höherversorgendes Zentrum sekundär weiterbehandelt wurden, war nicht möglich, sodass für diese weiterverlegten Fälle keine Behandlungsergebnisse vorgelegt werden konnten. Angesichts der hohen Anzahl eingeschlossener Fälle, beeinträchtigen isolierte Datenlücken jedoch weder die statistische Validität noch die hohe Relevanz von Erkenntnissen und Schlussfolgerungen.

Einen internationalen Vergleich halten wir für wichtig und hilfreich, um nationale Ergebnisse weiter einzuordnen. Aufgrund erheblicher Unterschiede zwischen verschiedenen europäischen Netzwerken in ihren einzelnen präklinischen Systemen und anderen wesentlichen Merkmalen können konkrete Zahlen jedoch nur deskriptiv gegenübergestellt werden, um Trends abzuleiten.

Fazit für die Praxis

  • Traumatische Gefäßläsionen bei Schwerverletzten sind selten, aber häufig lebensbedrohend. Die Mortalität liegt zwischen 2–12 %, in Hochrisikokonstellationen bis zu 29 %.

  • Häufige Todesursache (etwa 30 bis 40 %) bei Gefäßtrauma ist die Hämorrhagie, an der ein Großteil dieser Patienten bereits im Rahmen der präklinischen Versorgung verstirbt.

  • Der RISC-II-Score mit 13 prognostisch relevanten Parametern erhöht signifikant die Zuverlässigkeit der Prognoseabschätzung; Schockindex und primäre Volumentherapie sind wichtige präklinische Prognosefaktoren.

  • Die präklinische Einschätzung hat entscheidenden Einfluss auf die primäre Zuweisung und damit das klinische Ergebnis bei Gefäßtrauma. Der luftgebundene Transport mittels RTH ist dem bodengebundenen Transport signifikant überlegen.

  • Das überregionale TraumaZentrum DGU (ÜTZ) sollte bereits bei Verdacht auf ein relevantes Gefäßtrauma das primäre versorgende Traumazentrum sein.

  • Die hier erhobenen Daten ermöglichen die Aufstellung eines Arbeitsprogramms, um die Versorgung von Schwerverletzten mit relevanter Gefäßverletzung weiter zu verbessern.