Einwilligung des Patienten als Voraussetzung einer rechtmäßigen Behandlung

Kommunikation ist ein unverzichtbares Element für die Patientensicherheit sowie für eine qualitätsgesicherte Behandlung und Betreuung. Nicht zuletzt ist es aus juristischer Sicht erforderlich, dass sich die Partner des Behandlungsverhältnisses verständigen können, um die notwendigen Informationen auszutauschen, damit der Patient die erforderliche Einwilligung erteilen kann. Sprachbarrieren können zu Missverständnissen, Fehlern sowie Über- und Unterversorgung von Patienten führen. Darüber hinaus kann es sowohl für die Patienten als auch für die Angehörigen der Gesundheitsberufe sehr belastend sein, wenn sie einander nicht verstehen. Hinzu kommt, dass gerade im Bereich der Pädiatrie die Kommunikation und die Ermittlung des Patientenwillens oft noch komplexer ist, da vor allem bei unmündig-minderjährigen Patienten auch der gesetzliche Vertreter eine wesentliche Rolle spielt.

Für die Behandlung nichtdeutschsprachiger Patienten gibt es keine sondergesetzlichen Bestimmungen

Für die Behandlung nichtdeutschsprachiger Patienten gibt es keine sondergesetzlichen Bestimmungen. Daher muss auf allgemeine Grundsätze zurückgegriffen werden, nach welchen für jede rechtmäßige Behandlung eine Einwilligung benötigt wird [12]. Diese wiederum setzt eine entsprechende Aufklärung voraus. Unabhängig von bestimmten Ausnahmefällen, wie drohende Lebensgefahr, ist eine barrierefreie Kommunikation mit dem Patienten essenziell, um diesen über die Diagnose und die geplante Therapie entsprechend aufklären zu können. Wird eine mögliche Behandlung ohne Einwilligung – wenn auch lege artis – durchgeführt, hat der Behandler bzw. der Träger der Krankenanstalt aufgrund der eigenmächtigen Heilbehandlung jegliche Risiken zu verantworten [8, 10].

Oftmals fällt es auch Personen mit verhältnismäßig guten Deutschkenntnissen schwer, sich entsprechend zu artikulieren und sich über komplexe medizinische Sachverhalte zu verständigen. Eines der Hauptprobleme in der Praxis liegt für die behandelnden Ärzte in der Beurteilung, ob der Patient die Aufklärung tatsächlich verstanden hat. Dies ist oft schon bei Patienten ohne Sprachbarriere sehr schwierig und zeitintensiv.Footnote 1 Den Arzt trifft grundsätzlich immer eine Kontroll- bzw. Erkundungspflicht, ob bzw. inwieweit ihn der Patient verstanden hat. Im Zweifel muss davon ausgegangen werden, dass der Patient sich nicht ausreichend verständigen kann, und dass daher eine Lösung für die vorhandene Sprachbarriere gefunden werden sollte.

Übernahme der Dolmetschkosten

Anders als in den Bereichen der Justiz oder der Verwaltung gibt es im Gesundheitsbereich keine Regelungen, wer für die Kosten eines notwendigen Dolmetschs aufkommen muss.Footnote 2 Allerdings dürfen Krankenanstalten Patienten gemäß § 22 Abs. 3 und 4 Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG) nicht abweisen, wenn sie unabweisbar oder anstaltsbedürftig sind. Wie aber kann ein Arzt ohne ausreichende Kommunikation feststellen, ob Behandlungsbedürftigkeit vorliegt? So kamen bereits nichtdeutschsprachige Patienten zu Schaden, da sie in der Krankenanstalt nicht behandelt wurden, weil man davon ausgegangen war, dass sie keiner ärztlichen Hilfe bedürften [9]. In diesen Fällen haftete dann die betreffende Krankenanstalt. Aus diesem Grund übernehmen bereits viele Institutionen die Kosten für Video- oder Vor-Ort-Dolmetsch, da die Kosten eines möglichen Haftungsfalls in der Regel die Kosten für professionelle Dolmetschdienste (z. B. per Video) bei Weitem übersteigen.

Bisherige Lösungsstrategien bei Sprachbarrieren

Aufgrund der ungeklärten Finanzierungsfrage kommen in der Praxis bisher unterschiedlichste Notlösungen zum Einsatz, wobei manche davon besonders kritisch zu hinterfragen sind. Im Vorfeld des Pilotprojekts „Videodolmetschen im Gesundheitswesen“ führten das Institut für Ethik und Recht in der Medizin und die Österreichische Plattform Patientensicherheit eine Erhebung durch, um sichtbar zu machen, wie bisher mit sprachlichen Barrieren umgegangen wurde [6, 7, 13]. Ebenso häufig wie Angehörige der Patienten wurden fremd- bzw. mehrsprachige Mitarbeiter, die beim niedergelassenen Arzt oder in der Krankenanstalt beschäftigt waren, als Sprachmittler herangezogen. Oftmals gibt es eigene Listen mit den infrage kommenden Mitarbeitern, wobei diese keine Qualifikation als Dolmetsch aufweisen und daher auch nur laienhaft dolmetschen können. Die Studie ergab, dass bisher nur sehr selten professionelle Dolmetsche bei Kommunikationsproblemen zugezogen wurden.

Die Inanspruchnahme von Kindern und Jugendlichen als Sprachmittler ist problematisch

Das ist höchst problematisch (s. dazu Untersuchungen von Flores et al. [4], Pöchhacker [19] oder Sator [22]). Besonders kritisch zu hinterfragen ist die Inanspruchnahme von Kindern und Jugendlichen als Sprachmittler, da diese Lösungsstrategie aus rechtlicher und ethischer Perspektive problematisch ist. Gründe sind das hohe Fehlerrisiko und die teils unzumutbaren Belastungen für die Kinder und Jugendlichen. Verantwortung und die Bringschuld zur gelingenden Kommunikation haben in der Praxis de facto die Patienten, sodass sie selbst oft Sprachmittler mitnehmen [17].

Einen vorhandenen Handlungsbedarf und notwendige Veränderung der gängigen Praktiken verdeutlichen auch die Ergebnisse der Fragebogenerhebung des Pilotprojekts. Die Mehrheit aller befragten Mitarbeiter gab an, mit der derzeit vorherrschenden Praxis zur Überwindung von Sprachbarrieren wenig bis gar nicht zufrieden zu sein [13].

Oftmals fehlt es bereits in der Führungsebene am Problembewusstsein für den tatsächlichen Bedarf an institutionell zur Verfügung gestellten professionellen Lösungsstrategien. Hinzu kommt auch auf Seiten der Angehörigen der Gesundheitsberufe ein fehlendes Problembewusstsein bezüglich der Notwendigkeit professioneller Dolmetsche, was wiederum mit fehlendem Wissen über die erforderliche berufliche Qualifikation zur Ausübung dieser Tätigkeit zusammenhängt.Footnote 3

Kinder und Jugendliche als Laiendolmetsche

Dass Kinder und Jugendliche nichtdeutschsprachiger Eltern einen Großteil der benötigten Dolmetschleistungen abdecken, ist nicht nur in Österreich eine gängige und langjährige Praxis [14, 24].Footnote 4 Die Erhebung im Rahmen des Pilotprojekts „Videodolmetschen im Gesundheitswesen“ ergab, dass 81 % der befragten Angehörigen der Gesundheitsberufe Kinder als Sprachmittler heranziehen.

Eine von Ebden et al. [3] durchgeführte Untersuchung über Dolmetschleistungen von Kindern und anderen Familienangehörigen ergab, dass jedenfalls 16 % der als einfach eingestuften Fragen falsch oder auch gar nicht gedolmetscht wurden und dass dies bei komplexeren Fragen sogar 82 % betraf. Dabei wurden besonders häufig anatomische Begriffe ungenau oder Symptome falsch wiedergegeben. Nicht zuletzt gab es große Schwierigkeiten beim Übersetzen von Fachbegriffen [3].

Die Dolmetschleistungen von Kindern und anderen Familienangehörigen sind stark fehlerhaft

Im Jahr 2009 wurde auch in Deutschland eine Befragung von Kinder- und Jugendärzten durchgeführt, die aufzeigte, dass Kinder und Jugendliche bei Angehörigen der Gesundheitsberufe eine große Akzeptanz als Sprachmittler erreichen. Insbesondere von Ärzten im niedergelassenen Bereich wurde die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen als Sprachmittler mangels Alternativen als sehr sinnvoll erachtet [15].

Professionelle Dolmetsche

Eines der Hauptprobleme in diesem Zusammenhang ist – neben der Frage der Finanzierung – die Annahme, dass eine grundsätzliche Sprachkompetenz, wie sie viele Laiendolmetsche haben, für das Dolmetschen ausreicht. Für professionelles Dolmetschen bedarf es allerdings translatorischer Kompetenz, reine Sprachkompetenz ist nicht ausreichend [13, 18, 20].

Beachtet werden muss, dass mehrsprachige Kinder und Jugendliche ihre sogenannte „angeborene“ Dolmetschfähigkeit – wenn überhaupt – nur dann effizient einsetzen können, wenn der Kontext innerhalb ihres Sprach- und Erfahrungshorizonts liegt [21]. Dabei kommt es gerade im medizinischen Bereich, wie beispielsweise auch bei Behörden oder in der Schule, etwa in Eltern-Lehrer-Gesprächen, besonders leicht zur Überschreitung des entsprechenden kindlichen Horizonts. In sogenannten „geschützten“ Kontexten hingegen, wie etwa bei Gesprächen zu Hause mit Freunden oder Bekannten oder beim Einkaufen, kann die Tätigkeit sehr wohl auch positive Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder haben.

Zum Thema Kinder als Dolmetsche ist vor allem kritisch zu hinterfragen, wessen Verantwortung und Entscheidung es letztendlich sein kann bzw. soll, Kinder als Laiendolmetsche in heiklen Situationen heranzuziehen. Soll oder darf es wirklich allein die Entscheidung der Eltern sein oder ist es erforderlich, auch als Institution und somit als Angehörige der Gesundheitsberufe hier Position zu beziehen, um Kindern oder Jugendlichen diese Verantwortung nicht zumuten zu müssen und diese zu schützen?

Ein wesentlicher Schritt zur langfristigen und nachhaltigen Veränderung der unbefriedigenden aktuellen Lage wäre jedenfalls die Institutionalisierung professioneller Lösungsstrategien und das Festlegen von Leitlinien zur Überwindung von Sprach- und Kommunikationsbarrieren im Gesundheits- und Sozialbereich. Dies wird von Experten schon lange vehement gefordert. Voraussichtlich braucht es aber eine gesetzliche Klarstellung, damit von der gängigen Praxis abgegangen wird, Kinder und Jugendliche in oft heiklen Situationen als Sprachmittler heranzuziehen. In vielen Bereichen der Justiz und Verwaltung wäre eine solche Vorgangsweise aufgrund der Gesetzeslage rechtswidrig. Bis zu einer möglichen gesetzlichen Regelung bleibt es in der Verantwortung der einzelnen Institution bzw. der Angehörigen eines Gesundheitsberufs, im Sinne der Mitarbeiter- wie auch der Patientensicherheit professionelle Lösungen zu finden, wie etwa den Einsatz von Präsenz- oder Videodolmetschen.

Videodolmetschen – ein neues Tool für das Gesundheitswesen

Der Einsatz von Videokonferenzsystemen stellt international längst keine Neuheit mehr dar, dies schließt natürlich ebenso die Nutzung dieser innovativen Technologien im medizinischen Setting ein. Durch den modernen Stand der heutigen Kommunikationstechnologie und ihre bereits weit fortgeschrittene Integration in das tägliche Leben ist Videokommunikation für einen großen Teil der Bevölkerung schon fast alltäglich geworden. Den sich dadurch eröffnenden neuen Möglichkeiten zur flexibleren und vernetzteren Kommunikation über Landesgrenzen hinweg sind damit nahezu keine Grenzen mehr gesetzt.

Während Videodolmetschen im Gesundheitsbereich zur Überwindung von Sprachbarrieren vereinzelt – beispielsweise in den USA oder in Schweden – längst fixer Bestandteil der Versorgung fremdsprachiger Patienten ist, wurde im deutschsprachigen Raum erst vor wenigen Jahren mit der Etablierung eines professionellen Videodolmetschservice begonnen, initiiert durch das Pilotprojekt [13] der Österreichischen Plattform Patientensicherheit und des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien.

Der Einsatz von remoteFootnote 5 zugeschalteten, geschulten Gesundheitsdolmetschen bietet eine neue qualitätsgesicherte Alternative zu den bisher praktizierten (vorwiegend nicht qualitätsgesicherten) Lösungsstrategien zur Überwindung von Sprachbarrieren im österreichischen Gesundheitswesen, aber auch zum Modell des Telefondolmetschens [16], das insbesondere in der Schweiz weitverbreitet ist. Die Ergebnisse des Pilotprojekts zeigten klar, dass das Tool, Videodolmetschen, eine verlässliche Möglichkeit bietet, potenzielle Schäden bei Patienten und unnötigen Mehraufwand und Belastung durch Sprachbarrieren für Angehörige der Gesundheitsberufe wesentlich zu minimieren. Unbestritten bietet das Hinzuziehen professionell ausgebildeter Gesundheitsdolmetsche ein zusätzliches Sicherheitsnetz zur Vorbeugung von Vorfällen aufgrund sprachlicher und kulturspezifischer Kommunikationsbarrieren, wie dies bereits durch eine Reihe von Studien belegt werden konnte [5, 19, 22].

Ein vielfach von den Angehörigen der Gesundheitsberufe betonter Aspekt war jener der potenziellen Arbeitserleichterung durch den Einsatz von Videodolmetschen. Dabei wurde besonders die empfundene Notwendigkeit einer schnellen Verfügbarkeit von Lösungsstrategien hervorgehoben, und dass Videodolmetschen dieser Anforderung jedenfalls gerecht wurde.

In einer aktuell vom Institut für Ethik und Recht in der Medizin durchgeführten Follow-up-Studie soll nun erhoben werden, inwieweit sich Videodolmetschen im Gesundheitswesen als fixer Bestandteil einer qualitätsgesicherten Gesundheitsversorgung nichtdeutschsprachiger Patienten etablieren konnte, und inwiefern eine Veränderung des Nutzungsverhaltens, insbesondere auch in Bezug auf das Heranziehen von Kindern und Jugendlichen als Sprachmittler, im Vergleich zu den Ergebnissen der Pilotstudie erkennbar ist.

Fazit

  • Jede rechtmäßige Behandlung erfordert eine Einwilligung nach entsprechender Aufklärung. Für die Behandlung nichtdeutschsprachiger Patienten gibt es keine sondergesetzlichen Bestimmungen.

  • Den Arzt trifft grundsätzlich immer eine Kontroll- bzw. Erkundungspflicht, ob bzw. inwieweit ihn der Patient verstanden hat. Im Zweifel muss eine Lösung für die vorhandene Sprachbarriere gefunden werden.

  • Die Übernahme der Dolmetschkosten ist im Gesundheitsbereich nicht geregelt.

  • Bislang werden nur sehr selten professionelle Dolmetsche bei Kommunikationsproblemen hinzugezogen.

  • Die Inanspruchnahme von Kindern und Jugendlichen als Sprachmittler ist aus rechtlicher und ethischer Perspektive problematisch. Gründe sind das hohe Fehlerrisiko und die teils unzumutbaren Belastungen für die Kinder und Jugendlichen.

  • Voraussichtlich braucht es eine gesetzliche Klarstellung, damit von der gängigen Praxis abgegangen wird, Kinder und Jugendliche in oft heiklen Situationen als Sprachmittler heranzuziehen.

  • Neue, moderne Lösungsstrategien zur Überwindung von Sprachbarrieren, wie bspw. Telefon- oder Videodolmetschen bieten mittlerweile eine vielversprechend kosteneffiziente und flexible, aber vor allem rechtssichere und ethisch vertretbare Alternative zum Einsatz von Laiendolmetschen.