1 Stand der Technik: Harmonische Vibrationsberechnung und Körperschall

Geräte, Maschinen und Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb sind hörbar, gelegentlich sogar störend laut. Die Forderung nach einem begrenzten Geräuschpegel oder die gezielte Anpassung des Geräuschcharakters an die Erfordernisse des jeweiligen Einsatzgebietes sind als Randbedingungen bei der Antriebsentwicklung zu berücksichtigen. Um zu vermeiden, dass akustisch ungeeignete Entwürfe erst spät auf dem physischen Prüfstand erkannt werden, ist die Vorausberechnung mit Hilfe numerischer Methoden noch vor der Prototypenfertigung unverzichtbar.

Die Berechnung der Vibration und Schallabstrahlung elektrischer Maschinen erfolgt in der Regel als harmonische Analyse. Die Arbeit von Jaeger et al. [1] fasst den Stand der Entwicklung auf diesem Gebiet umfassend zusammen, hier sollen nur die für das Verständnis notwendigsten Zusammenhänge rekapituliert werden.

Für die akustische Abstrahlung ist die Schwingung des betrachteten Objektes an dessen Oberfläche verantwortlich. Die Oberflächenschnelle – und zwar nur deren Komponente senkrecht zur Oberfläche \(v_{n} \left ( t \right )\) (= Normalkomponente) – verursacht eine Druckschwankung in der unmittelbar angrenzenden Luftschicht:

$$ p \left ( t \right ) = \rho _{L} \cdot c_{L} \cdot v_{n} \left ( t \right ) $$

(\(\rho _{L}\dots \) Dichte der Luft, \(c_{L}\ \dots \) Schallgeschwindigkeit).

Sowohl in der messtechnischen Praxis als auch an Simulationsmodellen von vibrierenden Baugruppen arbeitet man bevorzugt im Frequenzbereich und bewertet Amplituden- bzw. Leistungsspektren. Rotierende Maschinen bei konstanter oder nur langsam variierender Drehzahl liefern auch die Grundvoraussetzungen für die Arbeit im Frequenzbereich, nämlich dass

  1. 1.

    ein periodischer Vorgang vorliegt und

  2. 2.

    ein eingeschwungener Zustand erreicht ist.

Die magnetischen Luftspaltkräfte in einem Elektromotor, Abrollkräfte in Getriebebaugruppen sowie mechanische Gehäuseresonanzen produzieren bzw. verstärken Signale auf charakteristischen Frequenzen, die man im akustischen Spektrum wiedererkennt. Damit kann der unmittelbare Zusammenhang der Signale zu den physikalischen Ursachen hergestellt werden. Für den Effektivwert der Druckschwingung an der Oberfläche gilt im Frequenzbereich

$$ \tilde{p} \left ( \omega \right ) = \rho _{L} \cdot c_{L} \cdot \tilde{v}_{n} \left ( \omega \right )^{2} $$

(\(\tilde{p},\ \tilde{v}_{n}\ \dots \) Effektivwerte). Durch Integration über die abstrahlende Objektoberfläche \(A\) kann man die akustische Schallleistung

$$ P_{ak} \left ( \omega \right ) = \rho _{L} \cdot c_{L} \cdot \sigma \left ( \omega \right ) \cdot \int _{\left ( A \right )} \tilde{v}_{n}^{2} \left ( \omega \right ) \cdot dA, $$

formulieren, auch als maschinenakustische Grundgleichung bekannt. Der Abstrahlgrad \(\sigma \) ist von Frequenz und räumlicher Form der Oberflächenschwingung abhängig. Da er nur mit großem Aufwand zu ermitteln ist, nimmt man vereinfacht Abstrahlung ohne konstruktive oder destruktive Interferenz mit \(\sigma = 1\) an und erhält so die Körperschallleistung auf der Oberfläche, engl. Equivalent Radiated Power, ERP:

$$ P_{ERP} = P_{ak} \left ( \sigma =1 \right ) $$

In vielen Fällen reicht diese für eine erste Beurteilung der Geräuschintensität einer Baugruppe vollkommen aus.

Kennt man also die Amplitudenverteilung auf der Oberfläche, so kann man damit bereits den Geräuschpegel abschätzen. Bei der numerischen Simulation der Antriebsbaugruppe sind dazu mindestens zwei Schritte notwendig: zum einen sind die Anregungskräfte zu berechnen, zum anderen die daraus folgende mechanische Schwingung. Eine akustische Luftschallberechnung kann optional ergänzt werden, um die tatsächliche Abstrahlleistung \(P_{ak}\) bei realem Abstrahlgrad \(\sigma \) und die räumliche Verteilung des Schalldruckpegels zu ermitteln.

In der Regel wird nicht erst das Endergebnis vom Zeit- in den Frequenzbereich transformiert. Je früher im Berechnungsablauf man in den Frequenzbereich übergeht, desto geringer wird der numerische Aufwand. Man spricht dann von einer harmonischen Analyse, bei der ein System Frequenz für Frequenz mit einer harmonischen Eingangsgröße angeregt und ebenso Frequenz für Frequenz das Amplitudenspektrum der Ausgangsgröße gewonnen wird. Anwendbar ist die harmonische Analyse immer dann, wenn das betreffende System linearisierbar ist.

Wir betrachten hier zunächst nur einen Elektromotor, bestehend aus Ständer, Rotor und Gehäuse. Die Entstehung der magnetischen Luftspaltkräfte ist hoch nichtlinearer Natur. Für ihre Berechnung eignet sich kein harmonischer Ansatz, sie wird daher im Zeitbereich durchgeführt. Der Übergang in den Frequenzbereich erfolgt mit der mechanischen Schwingungsberechnung, denn die akustisch relevanten elastischen Strukturschwingungen besitzen sehr kleine Amplituden und lassen sich meist gut linearisieren. Das Gleiche gilt für die Schallfeldberechnung. Eine weitere Reduktion des numerischen Aufwandes erreicht man durch sogenannte Modensuperposition im strukturmechanischen Teil. Dabei wird die Strukturschwingung als Überlagerung der Eigenformen der Struktur dargestellt und die Anzahl beteiligter Freiheitsgrade um Größenordnungen verringert. Das Simulationsschema für den Elektromotor ist in Abb. 1 gezeigt.

Abb. 1.
figure 1

Geräuschberechnung für einen Elektromotor mit harmonischer Analyse der strukturmechanischen Schwingungen und des akustischen Schallfeldes (Farbabbildung online)

Damit lässt sich sehr gut das Geräuschspektrum des Motors in einem weiten Drehzahlbereich ermitteln. Die gesamte Berechnung wird dafür Drehzahl für Drehzahl wiederholt. Körperschallleistung oder Schalldruckpegel an einem Mikrofonpunkt werden in einem Wasserfalldiagramm dargestellt. Grenzen des Workflows treten dann zutage, wenn

  • nichtperiodische Vorgänge zu berechnen sind (z.B. schnelle Drehzahlwechsel),

  • im elektromagnetischen System hohe Umrichterfrequenzen auftreten oder

  • Teile des mechanischen Systems sich nicht für eine Linearisierung eignen (z.B. öffnende und schließende Kontaktpaarungen während der Schwingung).

Derartige Gegebenheiten bestimmen die Schallentstehung an einer Antriebseinheit umso mehr, je vielfältiger die Betriebszustände sind. Da man Motor, Getriebe, Umrichter und Regelung heute zunehmend als Gesamtsystem zu betrachten hat, sind auch bei der Simulation komplexe transiente Vorgänge und nicht nur der eingeschwungene Zustand konstanter Drehzahl zu erfassen. Wicklungsströme werden bei nahezu allen geregelten Antrieben durch Umrichter erzeugt, und Antriebsstränge enthalten oft nichtlineare mechanische Komponenten.

Um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden, wird hier eine Simulationsmethodik vorgestellt, mit der schnelle transiente Zeitbereichsanalysen geregelter Antriebsbaugruppen möglich sind. Kern des Verfahrens ist eine Systemsimulation, in der alle Komponenten miteinander gekoppelt werden. Für elektromagnetische und mechanische Komponenten werden Reduced-Order-Modelle (ROM) in verschiedener Form eingesetzt, die vorher mit Hilfe von FEM-Modellen generiert werden. Wichtig ist, dass jedes reduzierte Komponentenmodell nur noch sehr wenige numerische Freiheitsgrade zum Gesamtsystem hinzufügt. Auch hierbei werden Linearisierungen und andere Abstraktionen vorgenommen, jedoch kann jede Teilkomponente mit der jeweils bestgeeigneten Reduktionsmethode behandelt werden. Umrichter und Regelung können in der Systemsimulation an diese Komponenten angekoppelt werden. Die Simulation der erforderlichen hohen Zeitschrittzahl für hochfrequente Umrichtersignale und komplexe Regelungsabläufe wird mit dieser Methode aus der elektromagnetischen FEM-Simulation heraus in die Systemsimulation verlagert. Als akustisches Ergebnis wird schließlich der zeitabhängige Schalldruck bereitgestellt.

Nachfolgend demonstrieren wir den systembasierten Simulationsablauf anhand des Hochlaufs eines am Umrichter betriebenen Synchronmotors.

2 Modellreduktion und Systemsimulation für die transiente Körperschallberechnung

2.1 Leistungselektronik und Fahrzeugdynamik als konservative konzentrierte Objekte

Für die transiente Berechnung elektrischer Schaltungen ist das Konzept der Bauelemente mit konservativen Terminalen bekannt. Ein Zweipol hat einerseits eine physikalische Größe, die durch ihn hindurchfließt, den Strom. Die Differenz der Potentiale an beiden Terminalen ergibt die Spannung. Die Lösung der Bewegungsgleichung im gesamten Netz erfolgt unter Nutzung der beiden Kirchhoff’schen Gesetze: In jedem Knoten ist die Summe der Ströme Null und in jeder Masche ist die Summe der Spannungen Null. Dieses Konzept kann auf andere physikalische Domänen verallgemeinert werden. Wir betrachten für jedes Paar von Terminalen eine through-Größe und als Differenz der Potentiale der entsprechenden physikalischen Domäne die across-Größe. Neben Strom/Spannung als dem bekannten Paar von through/across-Größen der Elektrotechnik haben wir in der thermischen Domäne Wärmestrom/Temperaturdifferenz, in der hydraulischen Domäne Massenstrom/Druckdifferenz, in der strukturmechanischen Domäne Kraft/Auslenkungsdifferenz oder Drehmoment/Drehwinkeldifferenz. Der Vorteil des Konzeptes der konservativen Elemente liegt in der einfachen Kopplung: die bidirektionale Wechselwirkung wird durch das bloße Verschalten erreicht. Sollte ein (im nächsten Abschnitt beschriebenes) konservatives Modell des Motors existieren, dann kann somit die bidirektionale Kopplung von Leistungselektronik über das Motormodell zur Dynamik des Antriebsstranges erfolgen, ohne dass der Nutzer die Rückwirkungen selbst implementieren muss. Im Löser für dieses System, in unserem Fall dem Ansys TwinBuilder, wird für jeden Zeitpunkt das möglicherweise nichtlineare Gleichgewicht durch Iteration erreicht.

2.2 ECE-Modell: Elektromagnetisch-mechanische Bewegungsgleichung

Für den Elektromotor, in unserem Fall eine Synchronmaschine, wird ein Verhaltensmodell gesucht, welches die bidirektionale Wechselwirkung zwischen der elektrischen Seite und der mechanischen Seite abbildet. Ein möglicher Ausgangspunkt dafür ist die Koenergie \(W_{c} = W_{c} \left ( \varphi ,\theta \right ) = \int ( \int B\cdot dH)\cdot d^{3}V\) des Systems. Die Variablen des Potentials sind einerseits die generalisierte mechanische Koordinate des Systems \(\varphi \) oder ein Satz solcher Koordinaten. Dies ist für die drehende Maschine typischerweise der Drehwinkel, beim Hubankersystem der Ankerhub, aber auch eine axiale Bewegungskoordinate des Ankers oder die seitliche Ankerbewegung könnte eine solche Koordinate sein. Im Weiteren werden wir uns auf den Drehwinkel beschränken. Das zweite Argument \(\theta =n\cdot I\) ist eine elektrische Erregung oder ein Satz von Erregungen. Diese Erregungen müssen unabhängig voneinander sein. Im Fall der dreiphasigen Maschine mit ungeerdetem Sternpunkt ist die Summe der drei Ströme null, daher gibt es nur zwei unabhängige Erregungen. Jedoch sind andere Kombinationen denkbar, auch z.B. der Erregerstrom und zwei Komponenten des Drehstromes bei der fremderregten Synchronmaschine als Variablen. Die Koenergie stellt ein Potential dar, dessen partielle Ableitungen nach den Variablen gute Bekannte sind, die generalisierte Kraft \(M\) und der Fluss \(\Phi \):

$$ \begin{aligned} M \left ( \varphi , \theta \right ) &= \frac{\partial W_{c} ( \varphi , \theta )}{\partial \varphi } \\ \Phi \left ( \varphi , \theta \right ) &= \frac{\partial W_{c} ( \varphi , \theta )}{\partial \theta } \end{aligned} $$

Aus dem Fluss kann durch totale Zeitableitung die induzierte Spannung einer Wicklung mit \(n\) Windungen bestimmt werden:

$$ U_{ind} =n\cdot \frac{d \Phi \left ( \varphi , \theta \right )}{dt} =n\cdot \frac{\partial \Phi \left ( \varphi , \theta \right )}{\partial \varphi } \cdot \dot{\varphi } +n^{2}\cdot \frac{\partial \Phi \left ( \varphi , \theta \right )}{\partial \theta } \cdot \dot{I} $$

Auf der mechanischen Seite haben wir die Beziehung zwischen Drehmoment und Drehwinkel durch den Motor, die noch von den Strömen abhängt, auf der elektrischen Seite hängt die induzierte Spannung von der Stromänderungsgeschwindigkeit und der Geschwindigkeit der Drehung ab, beider Vorfaktoren sind noch Funktionen von Strömen und Winkel. Diese beiden Beziehungen gestatten die Erstellung eines konservativen Verhaltensmodells mit den through/across-Paaren Drehmoment/Winkeldifferenz und Strom/Spannung. Die benötigten Koeffizienten lassen sich durch Interpolation aus den Tabellen für Drehmoment und verketteten Fluss für die aktuellen Werte des Winkels und der Ströme ableiten. Ein solches Modell nennt sich in der Ansys-Welt ECE-Modell (equivalent circuit extraction). Drehmoment und Fluss sind voneinander nicht unabhängig. Die Koenergie als Potential erfordert, dass die Ableitung des Flusses nach dem Winkel gleich der Ableitung des Drehmomentes nach der Erregung ist. Beide Ableitungen sind die gemischten zweiten Ableitungen der Koenergie nach ihren Variablen.

Die Frage bleibt, unter welchen Bedingungen ein solches konzentriertes Verhaltensmodell korrekt ist. Die Lösung ergibt sich aus der Potentialeigenschaft der Koenergie. Jeder geschlossene Pfad im Raum der Winkel und Erregungen muss zum selben Zustand führen. Das geht nur, wenn im System keine elektrische oder mechanische Energie in Wärme umgewandelt wird. Dabei ist nicht die Ohm‘sche Wärme in den Spulen gemeint. Wir stellen uns hier die Spulen ideal leitend vor und addieren den Ohm‘schen Widerstand erst nach der Modellerstellung. Jedoch sind Verluste durch Ummagnetisierung oder durch Wirbelströme in Magneten und Wicklungsdrähten ausgeschlossen. Daher ist ein solches Modell für Asynchronmaschinen nicht unmittelbar zugänglich.

Der Weg zum ECE-Modell besteht also darin, für alle Kombinationen der Erregungen (zweckmäßig werden hier die unabhängigen Erregungen in d- und q- Richtung gewählt) und des Ankerwinkels, im Bereich einer Polteilung, die verketteten Flüsse und das Drehmoment zu berechnen. Abb. 2 zeigt ein solches ECE-Modell, dekoriert mit dem Bild der magnetischen Berechnung einer der Kombinationen aus Winkel und Strömen.

Abb. 2.
figure 2

Konservatives ECE-Modell für den sechpoligen Motor, drei Strompfade auf der elektrischen Seite, Ankerrotation auf der mechanischen Seite

Für die Übertragung von Kräften aus der elektrischen Maschine an die elastische mechanische Struktur kann man entweder die Knotenkräfte aus dem elektromagnetischen Netz auf die Knoten des mechanischen Netzes übertragen, die integrierten Kräfte und Momente auf die einzelnen Zähne übertragen oder aber die Kraftdichte im Luftspalt an das mechanische System übertragen. Wir wollen ein reduziertes Modell der elastischen Struktur mit möglichst wenigen Terminalen verwenden. Daher bietet es sich an, die Koeffizienten der räumlichen Fourierentwicklung der radialen Kraftdichte \(f_{r} \left ( \varphi ,t \right )\), berechnet aus dem Maxwell‘schen Spannungstensor entlang einer Integrationslinie im Luftspalt, als Übertragungsgröße zum elastischen Modell zu benutzen, hier z.B. für die 2D Rechnung:

$$\begin{aligned} F_{i} \left ( t \right ) &= \frac{p}{2 \pi } \int _{0}^{\frac{2 \pi }{p}} f_{r} \left ( \varphi , t \right ) \cdot \cos \left ( \frac{\left ( i -1 \right )}{2} \cdot p \cdot \varphi \right ) \cdot d\varphi \quad \text{for}\ i =1,3,\dots \\ F_{i} \left ( t \right ) &= \frac{p}{2 \pi } \int _{0}^{2 \pi / p} f_{r} \left ( \varphi , t \right ) \cdot \sin \left ( \frac{i}{2} \cdot p \cdot \varphi \right ) \cdot d\varphi \quad \text{for}\ i =2,4,\dots , \end{aligned}$$

hierbei ist p die Polzahl der Maschine. Die Fourierkoeffizienten haben die Dimension eines Druckes, was die Übertragung auf das strukturmechanische Modell vereinfacht. Wir gehen davon aus, dass pro Pol dieselbe Geometrie und Wicklungskonfiguration vorhanden ist. Wenn dies nicht der Fall ist, muss das Berechnungsintervall und somit die Länge der Integrationslinie im Luftspalt vom Beginn bis zum Ende des periodischen Sektors und der Normierungsfaktor an das periodische Segment angepasst werden.

Während der Berechnung von Drehmoment und verkettetem Fluss kann gleichzeitig die Berechnung der Fourier-Koeffizienten der Kraftdichtewellen erfolgen, welche anschließend als Tabelle für die spätere Interpolation zur Verfügung stehen. Zweckmäßig erfolgt die Berechnung direkt während der Lösung, dann müssen nicht alle Feldresultate sämtlicher Variationen von Strömen und Winkel gespeichert werden. In Ansys Maxwell sind dafür die im Field Calculator berechneten Größen als Expression Cache zu vereinbaren. Sowohl für die Berechnung von Fluss und Drehmoment als auch für die Berechnung der Kraftdichtewellen reicht es aus, den Drehwinkel nur über eine Polteilung zu variieren. Dabei ist die kleinste sinnvolle Anzahl an Stützstellen pro Polteilung durch die vierfache Anzahl von Ständerzähnen pro Pol gegeben. Bei kleinerer Anzahl wird die Form der Variation von Fluss und Moment durch die Zähne nicht mehr ausreichend abgebildet.

2.3 Kraftwellen und Oberflächendeformationsmoden als Terminale für das mechanische Zustandsraummodell

Die elastische Struktur soll als ein reduziertes Zustandsraummodell abgebildet werden. Ein bekanntes Verfahren zur Reduktion auf einen vergleichsweisen kleinen Satz von Zustandsgrößen \(x \left ( t \right )\) ist die modale Reduktion. Diese ist besonders für vibrierende Strukturen geeignet, betrachtete Frequenzbereiche können leicht als Abbruchkriterium der Entwicklung dienen. Für das Zustandsraummodell im reduzierten Raum wird neben der (im modalen Unterraum diagonalen) Systemmatrix \(A\) eine Inputmatrix \(B\) und eine Outputmatrix \(C\) benötigt.

$$ \dot{x} \left ( t \right ) =A\cdot x \left ( t \right ) +B\cdot in(t) $$
$$ out(t)=C\cdot x(t) $$

Die erstere beschreibt die Kraftwirkung der Inputgrößen auf die Moden, die zweite übersetzt die modalen Auslenkungen in die Auslenkungen der Output-Terminals. Als Input-Größen wollen wir die Fourier-Koeffizienten der radialen Kraftdichte verwenden. Daher sind die zugehörigen Lastvektoren gerade die Druckverteilungen entsprechend der Fourier-Funktionen des Winkels, angewandt auf die Flächen der Zahnköpfe. Wenn wir als Output-Größen z.B. die umlaufenden Auslenkungsmoden um das Gehäuse benutzen wollen, was sich bei weitgehend zylindrischen Gehäusen anbietet, können wir auch diese durch Lastvektoren entsprechend der umlaufenden Winkelabhängigkeit beschreiben. In Ansys Mechanical werden nach der Modalanalyse diese Input- und Output-Lastvektoren an die Moden-Datei angehängt. Das Kommando SPMWRITE generiert dann die Matrizen des Zustandsraummodells. Dieses Zustandsraummodell ist erst einmal konservativ, d.h. alle Input-Terminale sind gleichzeitig auch Output-Terminale. In unserem Fall wird die Rückwirkung auf die Deformation der Input-Terminale vernachlässigt, daher kann ein schneller rechnendes kausales Zustandsraummodell verwendet werden. Dies geschieht durch Streichen der Spalten für die Output-Lastvektoren aus der Input-Matrix und durch Streichen der Zeilen für die Input-Lastvektoren aus der Output-Matrix. Dieses kausale Zustandsraummodell nach Abb. 3 hat nun die Kraftwellenkoeffizienten als Eingabegrößen und die Momentanwerte der Auslenkungsmoden als Ausgangsgrößen.

Abb. 3.
figure 3

Kausales Zustandsraummodell mit drei Anregungen durch Kraftdichtewellen und sieben Ausgängen für Oberflächendeformationsmoden

2.4 Von der Oberflächendeformation zum Körperschall

Im Gegensatz zur harmonischen Analyse, bei der die abgestrahlte Körperschallleistung \(P_{ak} \left ( \omega \right )\) für eine Frequenz berechnet wird, gehen wir in der transienten Analyse von der zeitlichen Änderung des Schalldruckes aus. An der Grenzfläche zwischen Gehäuse und akustischer Domäne berechnet sich der Schalldruck aus der Schallschnelle, der zeitliche Ableitung der Normalenauslenkung \(u_{n} \left ( t \right )\) an der Oberfläche, und der Impedanz \(c\cdot \rho \):

$$ p \left ( t \right ) = \rho _{L} \cdot c_{L} \cdot \frac{d u_{n} (t)}{dt} $$

Um den Schalldruck in der transienten Systemsimulation zu berechnen, könnten wir also zum Beispiel die Normalauslenkung eines bestimmten Knotens des Strukturmodells als Ausgang aus dem Zustandsraummodell definieren. Damit bekommen wir aber nicht die gesamte Schallinformation. Im vorliegenden Artikel benutzen wir daher als Ausgänge einen Satz von Normalmoden der abstrahlenden Oberfläche und berechnen die zeitliche Ableitung deren Summe. Damit werden Effekte der konstruktiven und destruktiven Interferenz im Nahfeld vernachlässigt. Jedoch bilden solche Normalmoden, wenn sie orthogonal sind, einen guten Ausgangspunkt für ein akustisches reduziertes Modell, welches hier noch nicht vorliegt.

3 Körperschallvergleich unter Sinus- und PWM-Anregung

Der Aufbau des Systemmodells nach Abb. 4 zur Körperschallberechnung erfolgte hier im Ansys Twin Builder. Die Abbildung von Leistungselektronik, ECE-Modell für den Motor und Dynamik des angetriebenen Systems erfolgen mittels konservativer konzentrierter Elemente, die schwarzen und violetten Verbindungen stellen konservative elektrische und rotatorische Verbindungen dar. Die Tabelle für die Kraftdichtewellen wurde im Raum der Ströme \(I_{d}, I_{q}\) und des Drehwinkels \(\varphi \in \left [ 0,2\pi /p \right ]\) abgelegt. Für die Interpolation der Kraftwellenkomponenten aus den aktuellen Strömen und dem Drehwinkel müssen daher die Momentanwerte der drei Phasenströme (\(I_{A}, I_{B}, I_{C}\)) mit Hilfe des Drehwinkels in elektrischen Koordinaten \(\alpha =\varphi \cdot p/2\) in die beiden Größen \(I_{d}\) und \(I_{q}\) transformiert werden (Park-Transformation):

$$ \left ( \textstyle\begin{array}{c} I_{d}\\ I_{q} \end{array}\displaystyle \right ) = \left ( \textstyle\begin{array}{c@{\quad }c@{\quad }c} \cos \left ( \alpha \right ) & \cos \left ( \alpha - \frac{2\pi }{3} \right ) & \cos \left ( \alpha - \frac{4\pi }{3} \right )\\ - \sin \left ( \alpha \right ) & \cos \left ( \alpha - \frac{2\pi }{3} \right ) & \cos \left ( \alpha - \frac{4\pi }{3} \right ) \end{array}\displaystyle \right ) \cdot \left ( \textstyle\begin{array}{c} I_{A}\\ I_{B}\\ I_{C} \end{array}\displaystyle \right ), $$

gleichzeitig wird für die Interpolation statt des momentanen Drehwinkels der Winkel \(\varphi _{r} =\mathrm{mod}(\varphi , \frac{2\pi }{p} )\) benutzt, da die Kraftdichtewellen für alle Sektorintervalle dieselben Werte besitzen. Die Interpolation wird mittels eines 3-dimensionalen Interpolationsobjekts realisiert. Die Koeffizienten der Kraftwellen werden an das kausale Zustandsraummodell des elastischen Gehäuses übertragen. Jene kausalen Verbindungen sind grün markiert. Die Ausgabegrößen des Zustandsraummodells sind die zu den abstrahlenden Oberflächenmoden gehörigen Auslenkungen. Die Summe derer zeitlicher Ableitungen ist proportional zum genäherten Schalldruck. Da später beim Hörbarmachen die Lautstärke auf Maximum normiert wird, ist hier die Normierung und die Verwendung der Impedanz als Vorfaktor weggefallen.

Abb. 4.
figure 4

Systemsimulation des Antriebes, als Quelle für die Spannungsquellen dienen entweder Sinus- oder PWM-Signale

Abb. 5.
figure 5

Summen der modalen Geschwindigkeiten an der Oberfläche für Sinus-Anregung (oben) und PWM-Anregung (unten)

Das Ergebnis stellt den zeitlichen Verlauf des genäherten Schalldruckes dar. Im Beispiel wurde die 6-polige Maschine innerhalb von 3 s von 0 auf 18000 RPM beschleunigt.

Dabei wurde der Einfachheit halber ein konstanter Lastwinkel verwendet, d.h. sowohl auf der elektrischen Seite als auch auf der mechanischen Seite erfolgen synchrone lineare Beschleunigungen. Die Ansteuerung erfolgt im Beispiel mit Spannungsquellen, deren Spannungen zum Zwecke des Vergleiches entweder harmonisch oder als pulsweitenmodulierte Spannungen mit fester Modulationsfrequenz von 6 kHz gesteuert werden. Die sich aus einer festen Zeitschrittweite von 25 μs ergebenden 120000 Zeitschritte erfordern auf dem verwendeten Laptop eine Rechenzeit von 37 s. Die dargestellte Zeitfunktion des Schalldruckes kann hörbar gemacht werden, im PWM-Beispiel hört man schon zu Beginn der Beschleunigung unharmonisch klingende schreiende Geräusche im Gegensatz zum Hochlauf unter SIN-Spannung. In der Abb. 6 wurden diese beiden Sounddateien in Wasserfalldiagrammen dargestellt.

Abb. 6.
figure 6

Wasserfalldiagramme der beiden aus Abb. 5 generierten, auf Maximum normierten Sounddateien, unter Sinus-Anregung (links) und unter PWM-Anregung (rechts)

Auf der x-Achse ist die Zeitentwicklung, also die Drehzahlvariation dargestellt, auf der y-Achse die Frequenz des zum jeweiligen Zeitpunkt hörbaren Spektrums. Wir sehen im Fall der SIN-Ansteuerung die linear mit der Drehzahl ansteigenden Ordnungen des Schalls. Wenn diese die Linie von ca. 5500 Hz kreuzen, ergibt sich eine Resonanzüberhöhung. Die Grundfrequenz bei maximaler Drehzahl von 18000 RPM ergibt sich für die 6-polige Maschine mit 1800 Hz. Im Falle der PWM-Anregung ergeben sich zusätzlich mehrere Fächer von Frequenzen, beginnend bei der PWM-Frequenz von 6 kHz und den harmonischen Vielfachen davon.

4 Zusammenfassung

Im vorliegenden Artikel wurde eine Methode dargestellt, konzentrierte Modelle nicht nur zur Ansteuerung des Elektromotors zu verwenden, sondern das Modell mittels Interpolation aus abgespeicherten Kraftwellenkoeffizienten und dem Einbau eines Zustandsraummodells zu befähigen, Oberflächendeformationen und damit Schalldrücke zu berechnen. Diese Berechnung ist sehr schnell und ermöglicht insbesondere die einfache Analyse des Einflusses der Variation der Ansteuerung.

In der oben zitierten Arbeit von Jaeger et al. [1] wurde 2020 eine ähnliche Methode vorgeschlagen. Dort wurde statt des Zustandsraummodells des Gehäuses eine Mehrkörpersimulation des Antriebsstranges verwendet. Auch dort wurde ein flussbasiertes Modell für den Motor benutzt, jedoch in einer kausalen Variante, die eine separate Berücksichtigung der Rückwirkung von der mechanischen Domäne auf die Leistungselektronik erfordert.

5 Ausblick und Diskussion

Die aktuelle Implementation erfolgte als „proof of concept“, d.h. um nachzuweisen, dass die Idee der transienten Kopplung der Vibration an die Systemsimulation des Antriebes machbar ist, ein vergleichsweise schlankes Modell ergibt und damit schnelle Vergleiche in Bezug auf die Ansteuerung ermöglicht. Es gibt jedoch eine Reihe offener Probleme und eine Menge von Erweiterungsmöglichkeiten.

Die benutzte Näherung der Summe der Oberflächengeschwindigkeiten als proportional zum Schalldruck vernachlässigt einerseits die Phaseninformationen der Deformationen an den unterschiedlichen Orten des Gehäuses. Andererseits ist das Interesse eigentlich, den Klang nicht an der Oberfläche des Motors zu generieren, sondern an beliebiger Position im Raum, dessen Geometrie und Absorptionseigenschaften auch eine Rolle spielen. Eine Möglichkeit hierzu wäre die Berechnung der akustischen Transferfunktionen der einzelnen Oberflächenwellen des Gehäuses bis zur Messposition. Eine Möglichkeit zur Bestimmung dieser Transferfunktionen bestünde in der Berechnung oder Messung des transienten Mikrofonsignals nach Impulsanregung der Gehäuseoberfläche entsprechend dem Muster der jeweiligen Mode. Die Faltung der jeweiligen Impulsantwort mit dem Koeffizienten der Oberflächenmode ergibt dann den Beitrag zum Luftschall dieser Mode. Statt der Faltung kann auch ein Zustandsraummodell gefunden werden, welches dieselbe Sprungantwort zeigt, dann benötigt man keine Zeitintegration im Rahmen der Systemsimulation mehr, sondern es reicht eine direkte Ankopplung der Zustandsraummodelle für den Transfer der einzelnen Moden.

Für die Ankopplung von weiteren, den Körperschall beeinflussenden Bauteilen ist es möglich, diese auch als Zustandsraummodelle zu integrieren. Die Kopplung zum Modell des Gehäuses sollte dann als konservative Verbindung erfolgen. Damit wäre es auch möglich, Anregungen anderer Quellen, wie z.B. des Zahneingriffs im Getriebe, einzubeziehen.

Um die Rückwirkung einer Deformation des elektromagnetischen Systems auf die elektromagnetische Seite und damit auf die Ströme, Flüsse und Kräfte einzubauen, kann man das ECE-Modell durch weitere mechanische Freiheitsgrade, wie die exzentrische oder axiale Verschiebung des Rotors erweitern. Die Dimension des Parameterraumes, der dann abzutasten sein wird, steigt dann. Jedoch ist es möglich, dass für solche kleinen Deformationen zwei Stützstellen ausreichen, d.h. der Aufwand pro zusätzlichem Freiheitsgrad würde sich nur verdoppeln.

Uns liegen keine experimentellen Ergebnisse zum Vergleich mit den Ergebnissen der Systemsimulation vor. Ein Vergleich mit der im Abschn. 1 beschriebenen harmonischen Methode im Falle der Sinus-Anregung steht noch aus. Die Genauigkeit der Berechnung der absoluten Lautstärke hängt zu großen Teilen an der Kenntnis der Dämpfungsparameter des Systems. Daher betrachten wir die vorgestellte Methode primär als schnelle Möglichkeit des Vergleiches zwischen unterschiedlichen Anregungen.