Was für eine Dynamik: Im Jahr 1980 erstmals beim Menschen angewandt und 1984 zum ersten Mal in Deutschland eingesetzt, kam ein implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (ICD) noch in den späten 1990er Jahren nur in wenigen deutschen Zentren, die diese teure Therapie nebenbei mit den Krankenkassen speziell verhandelt haben mussten, für einige ausgesuchte Überlebende von Kammerflimmern und Reanimation zum Einsatz. Im Jahr 1997 wurden in rund 100 deutschen Zentren insgesamt etwa 3500 ICDs implantiert [3]. Nur 14 Jahre später, im Jahr 2011, waren es in Deutschland bereits 664 Zentren, die insgesamt 28.957 ICD-Neuimplantationen durchgeführt haben, zusätzlich wurden 6927 ICD-Aggregate gewechselt [2]: Zusammen sind dies fast 37.000 ICD-Implantationen – damit hat sich die Zahl verzehnfacht. Einerseits ein Grund zur Freude, wenn man davon ausgeht, dass jeder ICD einen plötzlichen Herztod verhindern kann. Im Jahr 2013 verstarben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland 354.493 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen (40 % aller 893.825 Verstorbenen). Wenn sich 50 % aller kardiovaskulären Todesfälle plötzlich ereignen, ergibt sich eine Zahl von mehr als 170.000 Todesfällen durch plötzlichen Herztod in Deutschland 2013 [1]. Auch wenn dies sicherlich eine grob vereinfachende Rechnung darstellt, und es nicht immer sinnvoll sein mag, einen plötzlichen Herztod zu verhindern (z. B. bei voraussichtlich in kurzer Zeit zum Tode führender Komorbidität), deuten diese Zahlen dennoch das Potenzial einer ICD-Therapie an.

Andererseits zeigt die ICD-Statistik von 2011 auch, dass 8360 ICD-Revisionen, Systemaufrüstungen und Explantationen durchgeführt wurden [2]. Insbesondere Infektionen und Elektrodendysfunktionen stellen die Schattenseite der ICD-Therapie dar und können deren Nutzen limitieren. Zudem hat sich die ICD-Indikation grundsätzlich geändert: Im Jahr 2012 wurden in Deutschland 72 % aller ICDs aus primärprophylaktischer Indikation heraus implantiert [2]. Diese Patienten hatten noch kein arrhythmogenes Ereignis und müssen von der Sinnhaftigkeit einer Primärprävention bei ausgeprägtem Risikoprofil viel aufwändiger überzeugt werden, als ein Patient, der sich über seine geglückte Reanimation freut. Beim Einsatz der ICD-Therapie in einer Population mit zunehmend statistisch signifikantem, aber nur gering erhöhtem Risiko für einen plötzlichen Herztod, beobachtet der ICD-kontrollierende Arzt zudem ständig Patienten, die keine adäquate ICD-Therapie benötigt haben, aber inadäquate Schocktherapien erdulden mussten. Auch hier bedarf es einiger Überzeugungsarbeit, dass das Konzept trotzdem bei entsprechender Indikation sinnvoll und unterm Strich lebensrettend für Patienten ist.

Die Geschichte der ICD-Therapie stellt daher eine Erfolgsgeschichte dar, die aber auch den Fluch des Erfolgs illustriert. In den ersten Beiträgen wird der Beginn der ICD-Therapie weltweit und speziell in Deutschland von Beteiligten mit einer einzigartigen persönlichen Note nahegebracht. In den folgenden Beiträgen wird die Optimierung der Indikationsstellung 2015 präzisiert, sowohl in der großen Gruppe der Patienten mit Herzinsuffizienz und Primärprävention als auch in den kleineren Gruppen der Patienten mit verschiedenen kongenitalen arrhythmogenen Herzerkrankungen. Im Weiteren werden speziell die Probleme mit ICD-Elektroden und inadäquaten Therapien diskutiert, bevor eine Aussicht auf derzeitige Entwicklungen gegeben wird, welche die ICD-Therapie sicherer machen (Telemonitoring) bzw. ergänzen (subkutaner ICD, tragbarer Defibrillator) können. Schließlich werden Empfehlungen für die zunehmend häufige Situation gegeben, was bei ICD-Patienten zu tun ist, deren drohender, nicht verhinderbarer Tod aus nichtkardialer bzw. nichtarrhythmischer Ursache absehbar ist.

Ich danke allen Autoren, die mit ihren Beiträgen diese Ausgabe von Herzschrittmachertherapie und Elektrophysiologie zu einer „runden Sache“ gemacht haben, die von vorne bis hinten zu lesen Spaß macht und zum Nachdenken anregt: Wie hat die ICD-Therapie vor 35 Jahren angefangen, wie hat sie sich entwickelt und wie kann oder sollte sie sich weiterentwickeln?

Das Heft wird abgerundet durch mehrere erstklassige Originalbeiträge, über die wir uns sehr gefreut haben, sowie durch den Start einer neuen Serie, die den Kern einer Zeitschrift mit einem Schwerpunkt auf Fortbildung und dem Namen Herzschrittmachertherapie und Elektrophysiologie trifft: Unter Leitung von Lars Eckardt werden die Befunde der Elektrophysiologie auch denen zugänglich und verständlich gemacht, die sich nicht jeden Tag ausschließlich mit der Katheterablation befassen, und für die Begriffe wie „konzentrische retrograde Leitung“ oder „concealed conduction“ nicht so selbstverständlich sind, dass sie keiner weiteren Erklärung bedürfen. Die Lücke zu schließen zwischen denen, die nichts anderes machen, als sich mit diesem faszinierenden Teilgebiet der Kardiologie zu befassen, und denjenigen, die vor der Komplexität der Elektrophysiologie erschrecken und ohne verständliche Erläuterung keinen Zugang finden, ist eine wichtige Aufgabe für Herzschrittmachertherapie und Elektrophysiologie.

Ihr

C.W. Israel