Anämie im Alter – ein geriatrisches Syndrom?

Zusammenfassung

Geriatrische Syndrome gelten als pathognomonische Säulen der Geriatrie. Im Unterschied zu vielen Syndromen bei jüngeren Menschen, entspricht die führende, beklagte Symptomatik bei geriatrischen Syndromen nicht typischerweise dem zugrunde liegenden Pathomechanismus, welcher zur Veränderung des Gesundheitszustandes geführt hat. Gewöhnlich sind geriatrische Syndrome hochprävalent, multikausal und haben mehrere gemeinsame Risikofaktoren. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung der letzten Jahre mit der Anämie im Alter hat eine hohe Prävalenz unter geriatrischen Patienten zeigen können, weswegen sich die Arbeitsgemeinschaft Anämie dazu veranlasst sah, ein erstes Positionspapier auf europäischer Ebene zu veröffentlichen. Die Anämieentstehung ist multikausal bedingt und die Ursachen der jeweiligen Anämieformen reichen von Eisenmangel über Malnutrition, chronische Entzündung, hormonelle Defizite, Organdysfunktionen oder Synthesestörungen bis hin zu malignen Systemerkrankungen. Die damit verbundenen Pathomechanismen stehen auch in Zusammenhang mit der Entstehung anderer geriatrischer Syndrome wie Gangstörung, Sarkopenie, Frailty und Sturz. Vor diesem Hintergrund hat die Arbeitsgemeinschaft Anämie der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie ihr zweites Positionspapier entwickelt:

„Multikausalität und die enge Verbindung zwischen einer Anämie und assessment-basiert messbaren Einschränkungen legen nahe, die Anämie im Alter als geriatrisches Syndrom zu betrachten“.

Abstract

Geriatric syndromes are the pathognomonic columns of geriatric medicine. In contrast to many syndromes in younger people, in geriatric patients, the chief complaint does not typically represent the specific pathological condition underlying the change in health status. Geriatric syndromes are usually highly prevalent, multicausal and share a number of common risk factors. In recent years, scientific controversy over anemia in the aged has revealed a high prevalence in geriatric patients, which prompted the “working group on anemia” to publish its first position paper at a European level. The development of anemia is multicausal and the causes of the various forms of anemia range from iron deficiency, malnutrition, chronic inflammation, hormonal dysregulation, functional organ disorders, impaired synthesis to malignancies. The corresponding pathomechanisms are closely associated with the development of other geriatric syndromes such as gait disorders, sarcopenia, frailty, and falls. Against this backdrop, the “working group on anemia” of the German Geriatric Society has devised a second position paper:

“Multicausality and the significant association between anemia and assessment-based quantifiable impairments suggest the consideration of anemia in the aged to be a geriatric syndrome.”