Zusammenfassung
Telemedizinische Angebote nehmen an Vielfalt, Häufigkeit und Umfang zu. Die Telemedizin ist kein eigenständiges Fachgebiet der Medizin oder gar eine Subspezialisierung. Unter dem Begriff Telemedizin werden vielmehr verschiedenste ärztliche Versorgungskonzepte zusammengefasst, welche über räumliche Entfernungen (oder zeitliche Synchronisationsdifferenz) hinweg erbracht werden. Telematische Angebote als neues Tätigkeitfeld in Augenarztpraxis oder Klinik müssen rechtsophthalmologische Anforderungen berücksichtigen. Der „juristische Beurteilungsstandard“ ist immer der direkte Vergleich zwischen telemedizinischer Maßnahme und dem individuellen Patientenauskommen bei einer medizinischen Behandlung von Angesicht zu Angesicht in der Augenarztpraxis als dem „medizinischen Goldstandard“. Das Gericht prüft zielgerichtet, ob der individuelle Gesundheitsschaden eines telemedizinisch betreuten Patienten bei einer medizinischen Betreuung im Rahmen der Regelversorgung durch einen Facharzt in Praxis oder Klinik normalerweise auch eingetreten wäre. Hat das Gericht daran begründete Zweifel, muss der
telemedizinische Leistungen anbietende Augenarzt sein Vorgehen medizinisch schlüssig überzeugend begründen (Beweislastumkehr). Gerade aus diesem Grund ist es für Anwender relevant, dass zunächst Fachgesellschaften Standards für telemedizinische Leistungen im Fachgebiet definieren oder Resultate aus Projekten der Versorgungsforschung vorliegen.
Abstract
Telemedical solutions are increasing with respect to diversity, frequency and scope. It should be part of medical practice to remind again and again that telemedicine does not represent a special medical field or even a subspecialty. The concept of telemedicine is more used as a superior term for different medical care concepts, provided across distance and time barriers. Telematic solutions implemented as a new field of service in ophthalmological practice or in hospitals must fulfill the following obligatory requirements in conformity with the law: patients must be informed about the range of telemedical solutions, operators must ensure medical specialist qualifications and all care responsibilities combined with the telemedical services must be guaranteed. The legal assessment standard is always the direct comparison between telemedical measures and the individual patient result of medical treatment in a face to face situation in an ophthalmologists practice as the gold standard. The court makes a targeted examination on whether the individual damage to health of a patient under telemedical care would also have normally occurred under medical treatment within the framework of regular care by a medical specialist in a practice or clinic. If the court has a well-founded doubt, the operator must be able to justify either constraints in individual cases or a better prognosis and success rate (reversal of burden of proof). Especially due to the latter aspect it is important for the operator that the standards for telemedical services of the specific medical fields are predefined by the specialist societies or that corresponding results from healthcare research projects are available.
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Interessenkonflikt
F. Tost und G. Freißler geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Redaktion
F. Grehn, Würzburg
Unter ständiger Mitarbeit von:
H. Helbig, Regensburg
A. Kampik, München
W.A. Lagrèze, Freiburg
U. Pleyer, Berlin
B. Seitz, Homburg/Saar
CME-Fragebogen
CME-Fragebogen
Was versteht man unter dem Begriff „Telemedizin“?
Neue Facharztbezeichnung, die vorrangig computerstütze Analyseverfahren und Informationstechnologien bei der Diagnosestellung verwendet
Verschiedenartige ärztliche Versorgungskonzepte, die über räumliche Entfernungen oder zeitlichen Versatz hinweg unter Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien erbracht werden
Neue Subspezialisierung, die von verschiedenen Fachärzten erworben werden kann und die Vorraussetzung für die Anwendung von Informationstechnologien bei der ärztlichen Versorgung darstellt.
Neue Möglichkeit der Weiterbildung von Fachärzten unter Anwendung neuer Telekommunikationstechnologien
Weiterleitung von Blutdruckdaten in eine Software-Applikation
Für was ist das E‑Health-Gesetz bei telemedizinischen Leistungen vorrangig von Bedeutung?
Sicherheitstechnische und datenschutzrechtliche Aspekte
Einhaltung des Facharztstandards
Einhaltung des Fernbehandlungsverbots
Behandlungsvertrag („Arztvertrag“)
Versicherungsrechtliche Aspekte und Kostenerstattung für die ärztliche Behandlung
Was ist der wesentliche arzthaftungsrechtliche Bezugspunkt für die Haftung des Augenarztes bei telemedizinischen Leistungen?
Augenärztlicher Facharztstandard
Allgemeiner telemedizinischer Standard
Vorliegen einer versicherten telemedizinischen Tätigkeit
Expertenmeinung zur Telemedizin
Bewertung durch einen Facharzt für Telemedizin
Woran dürfen sich telemedizinische Leistungsangebote durch den Augenarzt nicht orientieren?
Plausibilität im Vergleich zur Regelversorgung
Allgemeine Vertretbarkeit
Wunsch nach ständiger Verfügbarkeit einer Leistung
Individuelle Vertretbarkeit
Organisation, Dokumentation und Verfahren
Nur unter welcher Voraussetzung haftet ein Augenarzt nicht für technische Risiken bei telemedizinischen Leistungen im Schadensfall?
Der Augenarzt hat einen Service-Vertrag für die Betreuung der Daten- und Kommunikationstechnik abgeschlossen.
Die Speicherdatensätze der OCT-Untersuchung sind teilweise schadhaft.
Die technischen Schwierigkeiten sind nicht vom Endgerät in der Augenarztpraxis verursacht worden.
Es handelt sich nur um einen Datenübertragungsmangel.
Der technische Mangel war mit der erforderlichen Sorgfalt durch den Augenarzt (Facharztstandard) nicht erkennbar.
Augenarzt A empfiehlt seinem Patienten mit dessen Zustimmung die telemedizinische Hinzuziehung des Subspezialisten B. Falls es zu einem vermeidbaren Gesundheitsschaden käme, würde welche medizinrechtliche Regel gelten?
Horizontale und vertikale Arbeitsteilung.
Es haftet generell der die telemedizinische Dienstleistung anfordernde Augenarzt.
Da der Subspezialist B den Patienten nicht unmittelbar gesehen hat, haftet er in keinem Fall.
Augenarzt A haftet gegenüber seinem Patienten als Erfüllungsgehilfe von Subspezialist B.
Entwicklungsstandard telemedizinischer Dienstleistungen.
Zur Bestimmung der Messparameter einer torischen Kunstlinse setzt Augenarzt A eine Softwareapplikation (Medical App) des Herstellers B auf seinem Smartphone ein. Wer haftet zunächst unmittelbar gegenüber dem Patienten bei einem Fehler?
Datenschutzbeauftragter des Herstellers B
Gesamtschuldnerisch Augenarzt A und Hersteller B
Hersteller B
Augenarzt A und Hersteller B
Augenarzt A
Bei einem Telekonsil stimmt der Patient gegenüber seinem unmittelbar behandelnden Augenarzt der Hinzuziehung eines weiteren Spezialisten zu. Wie verändert sich die sog. Totalverantwortung des vor Ort behandelnden Augenarztes?
Teilverantwortung.
Globalverantwortung.
Gesamtverantwortung entfällt.
Vertrauensgrundsatz außer Kraft gesetzt.
Sorgfaltspflicht abgegeben.
Wobei kann es mit Einführung der Telematikinfrastruktur zu neuen haftungsrechtlichen Problemen auch für den Augenarzt kommen?
Keinerlei zusätzliche arzthaftungsrechtliche Aspekte
Übersehen relevanter Daten in der papierbasierten Dokumentation
Übersehen relevanter Daten auf dem Konsilschein
Übersehen relevanter Daten in der Praxissoftware
Übersehen relevanter Daten auf der Gesundheitskarte
E‑Health bedeutet im übertragenen Sinne so viel wie „Elektronik und Gesundheit“. Wie wird der Begriff typischerweise benutzt?
Für gute Telemedizin der verschiedenen Fachrichtungen
Informations- und Kommunikationstechnologie allgemein für gesundheitsbezogene Bereiche
Gleichbedeutend mit Telematikinfrastruktur
Informations- und Kommunikationstechnologie nur für ärztliche Versorgungskonzepte
Für augenärztliches Telekonsil und Telemonitoring
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Tost, F., Freißler, G. Telematik und telemedizinische Leistungen unter rechtsophthalmologischen Aspekten. Ophthalmologe 115, 615–630 (2018). https://doi.org/10.1007/s00347-018-0722-0
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