Der Einsatz von humanem Spendergewebe stellt eine Standardtherapie in vielen Bereichen der rekonstruktiven arthroskopischen Chirurgie in vielen Ländern der Welt dar. Obwohl klare Indikationen für den Einsatz von Spendergewebe existieren, findet nur eine begrenzte Anwendung im deutschsprachigen europäischen Raum statt. Um die Sicherheit des Patienten wahren zu können, gibt es spezielle rechtliche Auflagen (Tab. 1). Die Kenntnis dieser Rechtsvorschriften ist von essenzieller Bedeutung für den klinischen Anwender, um rechtskonform Spendergewebe am humanen Patienten verwenden zu können. In dieser Arbeit wird eine Übersicht über die aktuellen Anforderungen und Voraussetzungen für den Einsatz von humanem Spendergewebe in der arthroskopischen Chirurgie dargestellt.

Tab. 1 Gesetzliche Regelungen in den einzelnen Ländern

Rechtliche Grundlagen Österreich

In Österreich ist die Verwendung von menschlichem Material gesetzlich geregelt. Dies betrifft sowohl die Organtransplantation als auch die Verwendung von Gewebe im eigentlichen Sinne.

Dazu besteht die Verordnung nach dem:

  • Organtransplantationsgesetz (OTPG)

  • Gewebesicherheitsgesetz (GSG)

Zudem besteht für die Verordnung von Medikamenten ein Arzneimittelgesetz.

Widerspruchslösung und Widerspruchsregister

Beide Gesetze (OTPG und GSG) unterliegen der Widerspruchslösung. Diese bestimmt, dass die Entnahme nur dann zulässig ist, falls zu Lebzeiten dem nicht widersprochen wurde und entsprechende Dokumentation vorliegt.

Organtransplantationsgesetz

Auf Grund unterschiedlicher Bestimmungen in den deutschsprachigen Ländern soll hier kurz Bezug auf das Organtransplantationsgesetz genommen werden. Das Organtransplantationsgesetz in Österreich regelt sowohl die Tod- als auch die Lebendspende. Das Gesetz selbst stammt aus dem Jahr 2012 und wurde zuletzt am 01.01.2019 aktualisiert.

In insgesamt 8 Abschnitten wird exakt auf Gegenstand, Grundsätze der Organspende, Schutz des Spenders und des Empfängers, Qualität und Sicherheit, Rückverfolgbarkeit, Organvigilanz und Berichtwesen sowie internationaler Organaustausch und Verwaltungsstrafbestimmungen Stellung genommen.

Hervorgehoben wird im Speziellen, dass mit Organspenden ein finanzieller Gewinn verboten ist (illegaler Organhandel). Anders als in Deutschland wird in Abschnitt 3, § 5, festgelegt, dass es zulässig ist, Verstorbenen einzelne Organe zu entnehmen, um damit das Leben eines anderen Menschen zu retten oder dessen Gesundheit wiederherzustellen (eben unter Berücksichtigung des Widerspruchsregisters).

Bezüglich der Organvigilanz ist wegen der mitunter lebensbedrohlichen Situation des Empfängers sofort Meldung an die Stiftung Eurotransplant sowie zahlreichen Verwaltungsstellen in Österreich selbst sofort Meldung zu leisten.

Gewebesicherheitsgesetz

Dieses Gesetz befasst sich neben den eigentlichen Transplantationsbestimmungen auch mit der Aufbereitung, der Lagerung in Gewebebanken und der Verteilung. Auch dieses Gesetz ist in seinem Grundgerüst schon etliche Jahre alt und stammt aus dem Jahr 2008.

Es wurde aber erst kürzlich am 20.08.2019 eine überarbeitete Form veröffentlicht. Auf Grund der Relevanz als Leitthema zu diesem Heft sollen hier die einzelnen Paragraphen (auch teilweise stellvertretend für Deutschland und Schweiz) genauer dargestellt werden. Eine exakte Form kann unter www.ris.bka.gv.at nachgelesen werden. Es ist in 41 Paragraphen untergliedert.

Im Folgenden werden einzelne Paragraphen genauer beleuchtet, da die wesentlichen Punkte generell gültig sind, andere Paragraphen werden nur aufgelistet, da deren Ausführungen den Rahmen dieses Artikels überschreiten und nicht unmittelbar von Nutzen für den ärztlichen Anwender sind. Die Überschriften aller Paragraphen werden jedoch aufgeführt, um die juristische Komplexität exemplarisch aufzuzeigen.

Im Anschluss daran erfolgt eine vereinfachte Zusammenfassung.

§ 1 Geltungsbereich

Es wird kurz vermerkt, was in diesem Gesetz juristisch verankert wird. Dem neuesten Stand der Wissenschaft und Technik ist Folge zu leisten.

Es wird aber auch festgehalten, dass dieses Gesetz nicht gültig ist für:

  1. 1.

    Zellen und Gewebe, die innerhalb ein und desselben Eingriffs als autologes Transplantat verwendet werden,

  2. 2.

    menschliche Organe,

  3. 3.

    Blut und Blutbestandteile.

Vor allem Punkt 1) ist in Österreich nicht exakt geregelt (s. § 31).

§ 2 Begriffsbestimmungen

Exakt definiert werden u. a. folgende Begriffe: Zellen, Gewebe, Spender, Spende, Gewinnung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung, Verteilung, Verwendung, schwerwiegender Zwischenfall und unerwünschte Reaktion, Entnahmeeinrichtung, Gewebebank, allogene und autogene Verwendung, Anwender, Rückverfolgbarkeit, Einheitlicher Europäische Code etc.

§ 3 Gewinnung

Hier wird im Wesentlichen darauf verwiesen, dass die Gewinnung nur durch dafür zertifizierte Einrichtungen vorgenommen werden darf.

§ 4 Spender

Erstens wird hier die Entnahme von Lebendspendern dargestellt, eine Aufklärung über Risiken hat zu erfolgen. Bei Verstorbenen ist eine Entnahme unter Einhaltung der Widerspruchslösung (s. oben) regelkonform.

Explizit wird vermerkt: Um das Leben von Menschen zu retten oder deren Gesundheit wieder herzstellen, ist es zulässig, Verstorbenen Zellen und Gewebe zu entnehmen, sofern diese innerhalb des Anwendungsbereichs dieses Bundesgesetzes oder als Arzneimittel für neuartige Therapien zur Verwendung beim Menschen bestimmt und die sonstigen Voraussetzungen des § 5 des Organtransplantationsgesetzes erfüllt sind.

§ 5 Dokumentation und Verpackung

Die Entnahmeeinrichtung hat die Eignung des Spenders zu dokumentieren. Die Dokumentation muss über 30 Jahre zurückverfolgbar sein.

§ 6 Beziehungen von Entnahmeeinrichtungen zu Gewebebanken und Spendern

§ 7 Verordnungsermächtigung hinsichtlich der Gewinnung

Dieser Paragraph regelt die Qualitätssicherung bezüglich der Gewinnung von Zellen und Geweben:

  • Anforderung an räumliche Bedürfnisse

  • Auswahlkriterien von Spendern

  • Dokumentation bezüglich des Spenders

  • Vorgeschriebene Laboruntersuchungen

  • Verfahren zur Gewinnung

  • Art der Verpackung

  • Versicherungspflicht allogener Spender

§ 8 Gewebebanken

§ 9 Verantwortliche Personen

Dies betrifft die für die Gewebebanken zuständigen Personen und nicht den behandelnden Arzt.

§ 10 Qualitätssicherung

Auch dies betrifft die Gewebebank, es muss ein ausreichendes Qualitätssystem installiert sein, v. a. bedarf es der Selbstinspektion und der Qualitätsüberprüfung von Dritten.

§ 11 Beziehungen von Gewebebanken zu Entnahmeeinrichtungen, Drittstaatslieferanten und sonstigen Dritten

Dieser Absatz regelt die Beziehung zwischen den Entnahmeeinrichtungen und der Gewebebanken bezüglich der Verantwortung während des gesamten Verfahrens. Es bedarf stets Dokumentation bezüglich der getroffenen Vereinbarungen (v. a. zur Risikobewertung).

§ 12 Entgegennahme von Zellen, Ein- und Ausfuhr

Die zuständigen Gewebebanken haben zu prüfen, ob seitens der Entnahmeeinrichtung sowohl aus dem eigenen oder aus Drittländern den entsprechenden Standards entspricht.

§ 13 Verarbeitung von Zellen und Geweben

Von der Gewebebank für alle Verarbeitungsschritte sind entsprechende Herstellungsvorschriften festzulegen. Dies betrifft auch die etwaige Kontamination bei der Verarbeitung. Die Verarbeitungsformen müssen erst behördlich genehmigt werden.

§ 14 Lagerung von Zellen und Geweben

Sämtliche Lagerungsprozesse haben unter kontrollierten Bedingungen stattzufinden.

§ 15 Verteilung von Zellen und Geweben, Rückruf

Die verarbeiteten Zellen und Gewebe dürfen erst dann zur Verteilung freigegeben werden, wenn alle vorgesehenen Anforderungen dem neuesten Stand der Wissenschaft und Technik entsprechen.

§ 15 a Kennzeichnung

Es bedarf eine Kennzeichnung gemäß dem einheitlichen europäischen Code.

§ 16 Dokumentation

Dieser Absatz regelt einerseits die Dokumentation bezüglich der gewonnenen Gewebe bezüglich Erwerb, Gewinnung und Verarbeitung. Eine lückenlose Rückverfolgbarkeit muss für mindestens 30 Jahre gegeben sein.

Andererseits muss ein jährlicher Bericht über die Tätigkeiten der Gewebebank erfolgen.

§ 17, 17 a Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und schwerwiegender unerwünschter Reaktionen

Die Gewebebanken haben alle schwerwiegenden Zwischenfälle, die auf die Qualität der Gewebe zurück zu führen sind, dem Bundesamt für Gesundheitswesen zu melden.

Die Entnahmeeinrichtungen haben ebenfalls entsprechende Zwischenfälle, die die Qualität und Sicherheit bei der Gewinnung betrifft, der entsprechend zu versorgenden Gewebebank zu melden.

§ 18 Verschwiegenheitspflicht

§ 19, 20, 21 Meldung der Gewinnung von Zellen und Geweben

Dies betrifft vor allem die Entnahmeeinrichtungen, welche einer entsprechenden Registrierung vor der Erstgewinnung bedürfen.

§ 22, 23, 24, 25 Erteilung der Bewilligung für Gewebebanken, Voraussetzungen

§ 26, 27 Inspektion von Entnahmeeinrichtungen und Gewebebanken

Die Überwachung der Gewebebanken und der Entnahmeeinrichtungen obliegt in Österreich dem Bundesamt für Sicherheit und Gesundheitswesen. Inspektionen haben spätestens alle 2 Jahre zu erfolgen.

§ 28 Entziehung des Zertifikates und der Bewilligung von Entnahmeeinrichtungen und Gewebebanken

§ 29 Register der Entnahmeeinrichtungen und Gewebebanken

Alle Entnahmeeinrichtungen und Gewebebanken müssen in Österreich beim Bundesamt für Sicherheit und Gesundheitswesen registriert sein.

§ 30 Verordnungsermächtigung hinsichtlich Gewebebanken

§ 31 Direktverwendung

Es können durch das zuständige Bundesministerium für Gesundheit durch eine Verordnung spezifische Arten von Zellen und Geweben benannt werden, bei denen es nach Stand der Wissenschaft zulässig ist, diese nach Gewinnung direkt beim Patienten zu verwenden, ohne in eine Gewebebank aufgenommen zu werden.

§ 32 Regelungen für Anwender

Es ist eine lückenlose Dokumentation für 30 Jahre zu führen bezüglich:

  • Entnahmeeinrichtung und Gewebebank

  • Kennung des Anwenders

  • Zell- und Gewebeart

  • Produktkennung

  • Empfängerkennung

  • Datum der Anwendung

  • Einheitlicher europäischer Code

  • Meldung von Zwischenfällen

§ 33 Vigilanzregister, § 34 Automationsunterstützter Datenverkehr, § 35 Verwaltungsstrafbestimmungen

Strafbar sind die nicht gemeldete Führung von Entnahmeeinrichtungen und Gewebebanken, Entnahme ohne ärztliche Aufklärung oder Einwilligung, unterlassene Dokumentationspflicht, insgesamt Verstoß gegen sämtlicher hier angeführten Paragraphen.

§ 36, 36 a Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, EU-Kompendium der Gewebeeinrichtungen

§ 37, 37 a, 38, 39, 40, 41 Übergangs- und Schlussbestimmungen

Kurz zusammenfassend aus dieser langen Auflistung ist bei der Verwendung von Allografts in Österreich die Einhaltung einer detaillierten Dokumentation, Indikationsstellung entsprechend dem Stand der neuesten Wissenschaft und Technik sowie entsprechende aseptische operative Vorgangsweise einzuhalten. Entsprechend sind in diesem Gesetz v. a. die Qualitätsvorschriften von Entnahmestellen und Gewebebanken geregelt, um dem Arzt, welcher dieses Gewebe verwendet, größtmögliche Sicherheit zu geben. Die Ermächtigung zur Verwendung ist in § 5 festgelegt.

Rechtliche Grundlagen in der Schweiz

Der Umgang mit menschlichen Geweben, die zur Übertragung auf den Menschen bestimmt sind, ist für die Schweiz im Bundesgesetz vom 8. Oktober 2004 über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz, SR 810.21) sowie den dazugehörenden Ausführungsverordnungen, insbesondere der Verordnung vom 16. März 2007 über die Transplantation von menschlichen Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsverordnung, SR 810.211), geregelt.

Ein wesentlicher Unterschied zur Gesetzgebung z. B. in Deutschland ist, dass keine Inaktivierungsverfahren im Sinne von § 21 a des Arzneimittelgesetztes gefordert werden.

Somit ist die Anwendung von nichtsterilisierten Allografts (insbesondere Fresh-frozen-Allografts) in der Schweiz grundsätzlich ohne die Erbringung des Nachweises der Alternativlosigkeit anderer Verfahren als primäres Therapiekonzept bei geeigneter Indikation möglich, wenngleich mit dem Nachteil, dass aktuell kein nationaler Hersteller von Allografts existiert, diese folglich aus dem Ausland importiert werden müssen, was die Kosten von Allograft-Anwendungen sehr nachteilig beeinflusst.

Der administrative Aufwand ist außerordentlich hoch

Eine Kostenübernahme muss somit jeweils als Zusatzentgelt zur individuellen DRG im Sinne eines Einzelfallentscheides vorgängig beim zuständigen Kranken- oder Unfallversicherer beantragt werden. Der administrative Aufwand und die Latenz von der Indikationsstellung bis zum positiven Entscheid seitens Versicherer sind außerordentlich hoch und die Diskussionen mit sog. Vertrauensärzten der Versicherer teils zermürbend. Zeitspannen von 6 Monaten sind hierbei keine Seltenheit, was die Attraktivität der Anwendung von Allografts trotz ihrer klaren Vorteile in speziellen Indikationen nach wie vor stark mindert.

Auf der Webseite des Bundesamts für Gesundheit BAG (www.bag.admin.ch/transplantation/) sind verschiedenste Informationen zur Transplantationsmedizin aufgeschaltet. Unter „Rechtliche Grundlagen“ sind u. a. das Gesetz und die Verordnungen in den Grundzügen erklärt. Unter „Melde- und Bewilligungswesen“ sind die Pflichten der tätigen Personen aufgelistet. Dort findet sich auch ein Faktenblatt „Vollzug: Melde- und Bewilligungspflichten“, welches beschreibt, wer für welche Handlungen eine Bewilligung einholen bzw. Meldung erstatten muss.

Das Einholen einer vorgängigen Bewilligung zur Transplantation von Geweben ist nicht erforderlich. Jedoch müssen die Art und Anzahl der Entnahmen und Transplantationen von vitalem Gewebe (d. h. Gewebe, welches Zellen mit einem eigenen Metabolismus enthält) einmal jährlich (jeweils bis Ende April des Folgejahres) dem BAG gemeldet werden (Art. 24 und 29 Transplantationsgesetz sowie Art. 15 Transplantationsverordnung). Die Meldung erfolgt über ein Online-Erfassungstool, für welches ein individuelles Login erstellt wird.

Des Weiteren sind die Ein- und Ausfuhr sowie die Lagerung von vitalem Gewebe bewilligungspflichtig (s. Art. 25 Transplantationsgesetz sowie insbesondere Art. 17, 18, 21 und 22 Transplantationsverordnung), wobei die Einfuhr von Allografts in der Regel nicht vom transplantierenden Arzt vorgenommen wird, sondern von einem dafür akkreditierten Unternehmen/einer Klinik.

Folgende Ein- und Ausfuhrbewilligungen existieren aktuell in der Schweiz von Seiten der Kliniken:

  • Universitätsklinik Genf (Einfuhr von Knochentransplantaten von der Unité de thérapie tissulaire de l’appareil locomoteur des Cliniques Universitaires Sain-Luc, Brüssel, Belgien)

  • Universitätsklinik Bern (Einfuhr von Transplantaten für die Orthop. Chirurgie von BIS Foundation c/o Eurotransplant Foundation, in Leiden, The Netherlands, von RTISurgical in Research Circle Alachua, Florida, USA, in Zusammenarbeit mit Novomedics GmbH in Zürich, sowie von der Musculoskeletal Transplant Foundation (MTF) in Edison, New Jersey, USA, und dem Deutschen Institut für Zell- und Gewebeersatz (DIZG) in Berlin, Deutschland)

  • Schulthess Klinik Zürich (Femurköpfe und Patellarsehnen, University Tissue Bank, Brüssel, Belgien)

  • Lindenhof AG, Standort Sonnenhof (Einfuhr von prozessierten Knochengeweben und -zellen von LifeNet Health in Virginia Beach, USA, sowie Wien, Österreich)

Folgende kommerzielle Anbieter haben derzeit eine gültige Einfuhrgenehmigung für Allografts im Bereich Orthopädie/Traumatologie:

  • Neutromedics AG Alte Steinhauserstraße 19, 6330 Cham (Meniskus-Allografts und osteochondrale Allografts von JRF Ortho und Allosource, USA)

  • Novomedics GmbH, Bahnhofstraße 104, 8001 Zürich (osteochondrale Allografts von RTI Surgical Inc., Florida, U.S.A.)

Rechtliche Grundlagen in Deutschland

Der Einsatz von humanem Spendergewebe stellt einen integralen Bestandteil der Versorgung von muskuloskeletalen Erkrankungen des Menschen, wie z. B. die Rekonstruktion von Bandverletzungen, ausgedehnten osteochondralen Defekten oder ossären Defektaufbauten dar. Hierbei kommen verschiedenste Gewebearten, Knochen, Sehnen, Bänder, Knorpel in zellfreier und vitaler zellbasierter Darreichungsform zur Anwendung. Im deutschsprachigen Raum unterliegt der Umgang mit humanem Spendergewebe klaren Rechtsvorgaben, die zum Teil erheblich in Abhängigkeit der Gewebeart und Herstellungsform variieren. Die Kenntnis dieser Rechtsvorgaben sollen in dem folgenden Artikel genau beschrieben werden, um dem Kliniker eine Anleitung für die aktuellen Möglichkeiten der rechtskonformen Nutzung von humanem Spendergewebe zu therapeutischen Zwecken zu bieten.

In Deutschland unterliegt muskuloskeletales Spendergewebe dem Arzneimittelgesetz

Die Entnahme, Zubereitung, Aufbewahrung und Transplantation von Spendergewebe wird durch das Gewebegesetz (GewG) in Verbindung mit dem Arzneimittelgesetz (AMG) und dem Transplantationsgesetz (TPG) in Deutschland geregelt. In Deutschland wird muskuloskeletales Spendergewebe nicht als Organ, sondern als Arzneimittel angesehen und unterliegt den Rechtsvorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG).

Bevor Spendergewebe verwendet werden kann, muss dieses zur Verfügung gestellt werden. In der Bundesrepublik Deutschland wird dieser Prozess klar definiert. Die exakte Kenntnis dieser Richtlinien ist Grundvoraussetzung für das Betreiben einer Gewebebank. Die groben Rahmenbedingungen sollen wie folgt kurz beschrieben werden.

Gewinnung und Inverkehrbringung von Spendergewebe

In der Bundesrepublik Deutschland definieren das Arzneimittelgesetz und die AMWHV die Richtlinien der guten fachlichen Praxis (GfP), in der die Rahmenbedingungen für die Gewinnung, Herstellung, Verarbeitung, für die Zulassung und Genehmigung für die Inverkehrbringung von muskuloskeletalem Spendergewebe definiert werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Regelungen für die Nutzung von Spendergewebe gemäß des Arzneimittelgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland. AMG Arzneimittelgesetz, GFP Gute fachliche Praxis, GMP Gute Herstellungspraxis für Arzneimittel („Good manufactorial practice“), PEI Paul-Ehrlich-Institut

In § 20 b des AMG sind die Voraussetzungen zur Entnahme von Spendergewebe geregelt und die obligaten Laboruntersuchungen zur Durchführung der weiteren Verwendung und Zubereitung definiert. Eine Primärvoraussetzung ist, dass eine Ärztin oder ein Arzt mit entsprechender Ausbildung und Berufserfahrung bei der Gewebegewinnung zugegen sein muss. Die Grundlage hierfür ist in der Bundesrepublik Deutschland § 8 d des Transplantationsgesetzes.

Die Eignung eines Spenders muss anhand einer physischen Inspektion, Durchsicht der Krankengeschichte und des Autopsieberichts sichergestellt werden. Bei Vorliegen von Autoimmunerkrankungen, Drogenmissbrauch, rheumatoiden Erkrankungen, systemischem Lupus, Sarkoidose und klinisch relevanter Knochenerkrankungen kann eine Gewebeentnahme nicht erfolgen. Die Gewinnung des Gewebes muss in Räumlichkeiten erfolgen, die bestimmten Auflagen der Reinlichkeit unterliegen.

Die weitere Aufarbeitung muss ebenfalls in Einrichtungen durchgeführt werden, die bestimmten Anforderungen genügen. Obwohl die TPG-GewV als Durchführungsbestimmung der EU-Richtlinie 2006/17/EG bei Gewebezubereitungen nur die Reinheitsklasse A fordert, kann es unter Umständen notwendig werden, die Gewebepräparationen in Reinräumen durchzuführen, die A/B-Bedingungen garantieren. Die Erfüllung dieser Auflage erfordert erhebliche infrastrukturelle Investitionen (>500.000 €), sodass das Betreiben einer eigenen Gewebebank zunehmend aufwändiger wird.

Laboruntersuchungen des Gewebes und Blutes des Spenders werden definiert, um Erkrankungen sichtbar und eine mögliche Kontamination des Spendergewebes zum Zeitpunkt der Entnahme feststellen zu können. Unter anderem müssen HIV-1-, Hepatitis-B-, Hepatitis-C- und Syphilis-Infektionen durch aufwändige und hochsensitive Nachweisverfahren (Serologie, ggf. NAT) im Blut und in Gewebeproben ausgeschlossen werden.

Nur wenn diese Vorgaben nachweislich erfüllt werden, kann die Landesbehörde einer jeweiligen Einrichtung die Erlaubnis zur Gewebegewinnung und -testung nach § 20 b AMG erteilen.

Um Spendergewebe zu- und aufzubereiten, zu konservieren, lagern und letztendlich in Verkehr bringen zu dürfen, muss eine Herstellungserlaubnis beantragt und durch die Landesbehörde nach § 20 c AMG erteilt werden. Hierbei müssen neben ausgebildetem Fachpersonal mit nachgewiesener Sachkenntnis v. a. die Auflagen erfüllt werden, dass sämtliche Vorgänge dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik und das Qualitätsmanagement den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis entsprechen.

Was dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik entspricht, wird durch ständig angepasste Vorgaben im Gewebegesetz bzw. AMWHV (http://www.gesetze-im-internet.de/amwhv) geregelt. Diese werden rechtlich durch die zuständige Bundesbehörde in der Bundesrepublik Deutschland, das Paul-Ehrlich Institut (PEI), umgesetzt und angewandt (§ 4, § 21 a AMG). Diese Vorgaben fordern aktuell die Anwendung eines Inaktivierungsverfahrens für muskuloskeletales Spendergewebe. Diese Verfahren müssen gewährleisten, dass eine Abreicherung von nichtviralen Erregern (Bakterien, Pilze, Sporen etc.) um 5 log10 cfu/ml und von viralen Erregern um 4 log10 TCID50/ml zu erreichen ist, da diese eine wie auch immer geartete ursprüngliche Bioburden-Belastung (Gewebekontamination) sicher ausschaltet [8].

Inaktivierungsverfahren

Aktuell in der Bundesrepublik Deutschland zugelassene Inaktivierungsverfahren sind die Peressigsäure-Ethanol-Sterilisation, die Thermodesinfektion und diverse Kombinationsverfahren, z. B. aus Gammabestrahlung und chemischer Gewebeprozessierung (Tutogen Medical GmbH, Neunkirchen am Brand, Deutschland). Diese Inaktivierungsverfahren weisen deutliche Unterschiede in der Beeinflussung der biologischen und mechanischen Eigenschaften der verschiedenen Gewebearten auf und sollen entsprechend kurz folgend umrissen werden.

Knochen

Sämtliche Inaktivierungsverfahren weisen keine relevante Beeinträchtigung der mechanischen Funktion von Knochengewebe auf [3, 4, 6, 15]. Die osteoinduktiven und osteokonduktiven Eigenschaften des sterilisierten Knochens sind im Vergleich zum frischen unbehandelten Knochens deutlich reduziert [13]. Aufgrund der Tatsache, dass die in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Sterilisationsverfahren die mechanische Funktion von Knochengewebe nicht beeinträchtigen, kann diese Gewebeform in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausreichend angeboten und rechtlich unproblematisch eingesetzt werden. Das aktuelle Anwenderverhalten spiegelt diese Sachlage wider, denn ossäres Spendergewebe findet mit Abstand am häufigsten Verwendung in der orthopädischen und unfallchirurgischen Versorgung.

Sehnen/Bänder

Es gibt eine Vielzahl von Studien, die den Einfluss von Inaktivierungsverfahren mit Herstellungserlaubnis auf die mechanischen und biologischen Eigenschaften von Sehnen und Bändern untersucht haben. Es konnte gezeigt werden, dass die Sterilisation mit Peressigsäure zu einer negativen Beeinträchtigung der Um- und Einbauprozesse von Sehnen und Bändern führen kann, wenn diese zum Ersatz von intraartikulären Strukturen wie dem vorderen Kreuzband verwendet werden [16, 17]. Die Thermodesinfektion kann zur Sterilisation von Weichteilgewebe nicht verwendet werden, da es aufgrund der hohen Temperaturen zu einer Denaturierung des Spendergewebes kommen würde. Die Bestrahlung von Sehnen und Bändern zeigt eine dosisabhängige Wirkung. Strahlendosen unterhalb von 20 kGy führen nur zu geringen Veränderungen der mechanischen Eigenschaften, garantieren jedoch keine komplette Sterilität des Gewebes, da eine virale Keimelimination Dosen bis zu 30 kGy erfordert [19]. Oberhalb von 20 kGy kommt es zu einer deutlichen Reduktion der mechanischen Eigenschaften von Sehnen und Bändern [7, 9]. Das Tutoplast®-Verfahren (Tutogen Medical GmbH, Neunkirchen am Brand, Deutschland) wird zur Inaktivierung von Sehnen und Bändern seit Jahren genutzt. Es musste jedoch festgestellt werden, dass beim Einsatz von entsprechend behandelten Sehnen zur Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands deutlich höhere Rerupturraten, insbesondere bei Personen mit hohem Belastungsanspruch [10], auftraten.

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass aktuell keine Inaktivierungsverfahren existieren, die zu keiner Beeinträchtigung der biologischen und/oder mechanischen Eigenschaften von Weichteilgewebe führen und gleichzeitig eine sichere Gewebesterilität garantieren.

Aufgrund der aktuellen Forderung des Paul-Ehrlich Instituts nach Prozessierung von Spendergewebe mittels Inaktivierungsverfahren vor Inverkehrbringung kann entsprechend sterilisiertes Gewebe für den Ersatz von ligamentären Strukturen, wie z. B. den Kreuz- oder Seitenbändern, nur sehr beschränkt empfohlen werden.

Knorpel/Meniskus

Knorpel und Meniskusgewebe weisen eine deutliche Beeinträchtigung ihrer Funktion und mechanischen Integrität nach Behandlung mit aktuell zugelassenen Inaktivierungsverfahren auf [12]. Erschwerend kommt hinzu, dass die biologische Einheilung von (osteo)chondralen Allografts einen Erhalt eines Minimums an Zellviabilität voraussetzt [5], weshalb v. a. nichtsterilisierte frisch-gefrorene bzw. kryokonservierte Allografts Anwendung finden [5]. Durch ein Inaktivierungsverfahren wäre der Erhalt von Zellviabilität nicht möglich. Da es in der Bundesrepublik Deutschland keine Herstellungserlaubnis für nichtsterilisierte osteochondrale Allografts gibt, kann dieses Gewebe aktuell in der Bundesrepublik Deutschland nicht hergestellt und angeboten werden. Gleiches gilt für die Verwendung von meniskalen Allografts, die ebenfalls in ihrer biologischen und mechanischen Funktion durch die aktuell zugelassenen Inaktivierungsverfahren relevant beeinträchtigt würden [11], sodass deren Herstellung aktuell in Deutschland nicht möglich ist.

Das Deutsche Institut für Gewebe- und Zellersatz Berlin (DIZG) hat eine Erlaubnis zur Herstellung von Spendermenisken, die dem Peressigsäure-Ethanol Sterilisationsverfahren unterzogen werden. Es gibt aktuell keine In-vivo- oder In-vitro-Untersuchungen zum Einfluss des Sterilisationsverfahren auf die biomechanischen und biologischen Eigenschaften dieses Verfahrens.

Die Problematik der Forderung nach kompletter Keiminaktivierung von Spendergewebe ist offensichtlich. Auf der einen Seite steht die Forderung, mit möglichst hoher Sicherheit eine Keimübertragung durch Spendergewebe verhindern zu können, auf der anderen Seite die Notwendigkeit ein biologisch wie mechanisch optimal nutzbares Gewebe zur Verfügung stellen zu können. Insgesamt ist das Risiko einer Übertragung von Erkrankungen durch Spendergewebe sehr gering [1, 2].

Im angloamerikanischen Raum wird eine Inaktivierung/Sterilisation von Spendergewebe nicht zwingend gefordert, sondern durch sorgfältige Einhaltung von Spenderscreening, Kontaminationsausschluss zum Zeitpunkt der Entnahme, und Prozesskontrolle der Entnahme, Lagerung und Herausgabe sichergestellt, dass das Risiko einer Infektionsübertragung durch Spendergewebe auf ein minimales Risiko gesenkt werden kann [14]. Das statistisch und theoretisch verbleibende Restrisiko wird durch die dortigen Institutionen als akzeptabel angesehen. Dadurch wird ermöglicht, dass nichtsterilisiertes Spendergewebe (frisch-gefroren, kryopreserviert) verwendet werden kann. Dieses Gewebe zeigt nicht die typischen Nachteile bezüglich Biologie und Mechanik [14, 18].

In Deutschland gibt es aktuell keine Herstellungserlaubnis für die Verwendung von nichtsterilisiertem allogenem Knochen, Sehnen/Bändern, Menisken oder Knorpel. Dadurch findet deren Einsatz in der orthopädischen und unfallchirurgischen Versorgung dieser Länder gar nicht oder nur sehr eingeschränkt statt, obwohl für deren Verwendung klare medizinische Indikationen existieren und diese nachweislich seit vielen Jahren erfolgreich in verschiedensten Bereichen der orthopädischen und unfallchirurgischen Versorgung in anderen Ländern der Welt Anwendung finden.

Jedoch ist das Vorliegen einer Herstellungserlaubnis von rechtlicher Relevanz für den anwendenden Arzt. Bei vorliegender Herstellungserlaubnis liegt die legale Haftung für die das Gewebe betreffende Eigenschaften (Sterilität) bei der herausgebenden Einrichtung (Gewebebank, Gewebe verarbeitende Firmen). Dadurch ist der Anwender (Arzt) haftungsbefreit für durch das Transplantat verursachte Schäden.

Es existieren jedoch Ausnahmeregelungen. So kann Spendergewebe nach Deutschland (und analog österreichische Gesetzgebung) aus Drittländern (außerhalb der EU) gemäß § 72b „Einfuhrerlaubnis und Zertifikate für Gewebe und bestimmte Gewebezubereitungen“ eingeführt werden. Die Gewebe im Sinne von § 1 a Nummer 4 des Transplantationsgesetzes oder Gewebezubereitungen im Sinne von § 20 c Absatz 1 Satz 1 oder Satz 2 dürfen dabei nur von einer einführenden Gewebeeinrichtung eingeführt werden, die diese Tätigkeit gewerbs- oder berufsmäßig ausübt und die über die Einfuhr einen Vertrag mit einem Drittstaatlieferanten geschlossen hat. Drittstaatlieferant ist eine Gewebeeinrichtung oder eine andere Stelle in einem Staat, der weder Mitgliedstaat der Europäischen Union noch anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, die für die Ausfuhr von Geweben oder Gewebezubereitungen, die sie an die einführende Gewebeeinrichtung liefert, verantwortlich ist. Die einführende Gewebeeinrichtung bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Entscheidung über die Erteilung der Erlaubnis trifft die zuständige Behörde des Landes, in dem die Betriebsstätte der einführenden Gewebeeinrichtung liegt oder liegen soll, im Benehmen mit der zuständigen Bundesoberbehörde. Für die Einfuhr von Gewebezubereitungen zur unmittelbaren Anwendung gilt § 72 Absatz 2 entsprechend.

Eine Einfuhr aus Ländern des EU-Raums darf ebenso nur über eine zertifizierte Gewebeeinrichtung erfolgen. Gemäß § 73 Abs. 3a AMG dürfen Gewebezubereitungen, die nicht zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes nach § 21a Absatz 1 genehmigt sind, in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden, wenn …

  1. 1.

    sie von einer Einrichtung, die Inhaber einer Erlaubnis nach den §§ 13, 20c, 72, 72b oder nach § 72c für Tätigkeiten mit diesen Gewebezubereitungen oder hämatopoetischen Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut ist, auf vorliegende Bestellung einer einzelnen Person in geringer Menge bestellt werden und von dieser Einrichtung an das anwendende Krankenhaus oder den anwendenden Arzt abgegeben werden,

  2. 2.

    sie in dem Staat, aus dem sie in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden, rechtmäßig in Verkehr gebracht werden dürfen,

  3. 3.

    für sie hinsichtlich der Funktionalität vergleichbare Arzneimittel für das betreffende Anwendungsgebiet im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht zur Verfügung stehen und

  4. 4.

    im Fall des Verbringens aus einem Staat, der weder Mitgliedstaat der Europäischen Union noch anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, die Bestellung und Abgabe auf Grund einer ärztlichen Verschreibung erfolgt.

Im Regelfall sind diese Gewebeeinrichtungen im EU-Register aufgeführt (EU-TE-Kenn-Nr.) und dort abrufbar: https://webgate.ec.europa.eu/eucoding/reports/te/index.xhtml

Des Weiteren kann Gewebe ohne Erlaubnis nach §§ 20 b, c AMG bearbeitet werden, wenn für alle Herstellungs- und Prüftätigkeiten inklusive der Transplantation „Personenidentität“ vorliegt (§ 20 d AMG). Allerdings wurden diese Regelungen in einem aktuellen Rechtsurteil (Urteil vom 24.01.2019, BVerwG 3C 5.17, https://www.bverwg.de/pm/2019/9) nochmals präzisiert und ausgedehnt auf sämtliche medizinische Leistungen (inklusive Labortestungen), die in Zusammenhang mit den Prozessen des Spendergewebes stehen. Hierdurch ist die faktische Umsetzung bei Nutzung von muskuloskeletalem Spendergewebe fast nicht mehr möglich.

Die Verwendung von ohne Herstellungserlaubnis prozessiertem Gewebe darf nur individuell und patientenbezogen erfolgen. Hierbei muss ein Schriftstück hinterlegt werden, welches darlegt, dass keine akzeptable alternative Behandlungsoption zur Verfügung steht. Erfolgt die Gewebeentnahme in der Bundesrepublik Deutschland, geht die alleinige legale Haftung auf den entnehmenden und transplantierenden Arzt (§4a, Abs.1, Satz 3 AMG) über. Dies bezieht sich auf sämtliche Prozesse, die mit dem Spendergewebe in Zusammenhang gebracht werden können. Dies bedeutet auch, dass der entnehmende Arzt identisch mit dem das Gewebe anwendende Arzt sein muss. Dadurch ergeben sich zeitliche und organisatorische Verpflichtungen, die einer generellen Anwendung von nicht-sterilisiertem Gewebe, welches in der Bundesrepublik Deutschland gewonnen wurde, konträr entgegensteht.

Eine problemlose Einfuhr von Gewebezubereitungen aus dem EU-Gebiet ist schließlich möglich, wenn die externe Gewebebank eine Bescheinigung nach § 21 a Abs. 9 AMG besitzt. Mit diesem Dokument wird die Gleichwertigkeit zu in Deutschland zugelassenen Geweben bzw. die Einhaltung der deutschen Sicherheitsstandards bescheinigt.

Die Kontrolle und Kenntnis der genauen Prozessabläufe von im Ausland ansässigen Einrichtungen und Firmen sind jedoch nicht immer lückenlos sicherzustellen. Umso wichtiger ist es, sich genauestens mit einem entsprechenden Anbieter auseinanderzusetzen und die in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Forderungen darzulegen.

Der Preis für Spendergewebe aus dem Ausland ist deutlich höher

Da die Prozessierung und Selektion von geeignetem Spendergewebe erhebliche Kosten bedingt und zusätzliche Ausgaben für Logistik und Transport in das anfordernde Land entstehen, ergeben sich deutlich höhere Preise für aus dem Ausland zur Verfügung gestelltes Spendergewebe. Dieses wird jedoch durch die aktuellen Gesundheitssysteme in der Bundesrepublik Deutschland mit dem DRG-Pauschalensystem für die meisten operativen Eingriffe nicht abgebildet. Zusätzlich erfordert die individuell durchzuführende Anforderung des Gewebes einen organisatorischen und zeitlichen Aufwand, der dazu geführt hat, dass nur eine sehr beschränkte Anwendergruppe aktuell Gewebe verwendet, für das keine Herstellungserlaubnis vorliegt.

Fazit für die Praxis

  • Aktuell existieren erhebliche Beschränkungen für die Verwendung von Spendergewebe in Deutschland, v. a. wenn für Gewebearten wie Meniskus und osteochondrale Transplantate keine Herstellungserlaubnis vorliegt.

  • Eine Verwendung ist trotzdem Individuum-bezogen möglich, wenn auch sehr kostenintensiv und mit hohem Organisationsaufwand verbunden.

  • Ziel muss es sein, klare Indikationen für den Einsatz von humanem Spendergewebe in der arthroskopischen Chirurgie zu definieren.

  • In Zusammenarbeit mit den rechtsgebenden Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland müssen Wege gefunden werden, die unter Wahrung eines Maximums an Sicherheit für den Patienten die Herstellung der bestimmten Gewebearten in den Ländern erlaubt, ohne die biologischen und mechanischen Eigenschaften zu beeinträchtigen.

  • Gleichzeitig muss dieses eine finanzielle Abbildung in den Gesundheitssystemen finden, sodass tatsächlich unseren Patienten die bestmöglichen Therapieoptionen in der arthroskopischen Chirurgie zur Verfügung stehen.