Liebe Leserinnen und Leser,

die Kreuzbandplastik mit einem autologen Sehnentransplantat gilt heute als Standardverfahren zur operativen Therapie der Ruptur des vorderen Kreuzbands (VKB; [10]). Ziel dieser Operation ist es, die Stabilität des Gelenks wiederherzustellen und damit die für die Sportausübung erforderliche Funktion wiederzugewinnen.

Verschiedene Studien konnten bestätigen, dass die verbesserte Stabilität und Kinematik die Menisken, welche sekundäre Stabilisatoren gegen die anteriore tibiale Translation sind, vor weiteren Verletzungen schützt [3, 5, 11]. Aktuelle systematische Reviews konnten für die Kreuzbandplastik auch einen präventiven Effekt im Hinblick auf die Entwicklung einer posttraumatischen Gonarthrose belegen [2, 7]. Dies gilt insbesondere für Patienten mit zusätzlicher Meniskektomie [8]. Dennoch zeigen diese Arbeiten, dass sich degenerative Gelenkschäden in der Vergangenheit nicht immer verhindern ließen [2, 7]. Ein Grund für diese Beobachtung ist sicher in den primären Meniskus- und Knorpelschäden zu sehen, die im Rahmen des initialen Knietraumas auftreten. Unter diesem Aspekt ist auf Präventionsstrategien hinzuweisen, mit denen sich auch die primären Gelenkschäden verhindern lassen – ein Beispiel hierfür ist das Stop-X-Programm (www.stop-x.de; [8]). Darüber hinaus muss bei der Interpretation dieser Studien berücksichtigt werden, dass die heute vorliegenden Langzeitergebnisse auf Studien beruhen, in denen Operationstechniken zur Anwendung kamen, die heute nicht mehr aktuell sind.

Innerhalb der letzten 20 Jahre haben sich die Operationstechniken zur Therapie der akuten oder chronischen vorderen Rotationsinstabilität stark verändert. Die ideologisch geprägte Diskussion „Beugesehnentransplantat vs. Patellarsehnentransplantat – was ist besser?“ gehört der Vergangenheit an. Die anatomische VKB-Plastik, bei der die Bohrtunnel im Bereich der anatomischen Insertionen des VKB angelegt werden, ist heute Standard [10]. Das Bohren des femoralen Tunnels über das mediale Portal und die Verwendung intraartikulärer Landmarken können helfen, dieses Ziel zu erreichen [10]. Entgegen der früheren Präparationsweise des Footprints versucht man heute, möglichst viel Sehnenmaterial zu erhalten („remnant augmentation“), um das Remodeling und die Propriozeption zu verbessern und zu erhalten. Auch der personalisierte Einsatz der verschiedenen autologen Transplantate (Semitendinosus- und Grazilissehnen, Patellarsehne, Quadrizepssehne) setzt sich langsam durch. Dabei rückt die autologe Quadrizepssehne verstärkt in den Fokus. Dieses Transplantat zeichnet sich durch geringe Entnahmemorbidität aus und eignet sich besonders für Patienten mit medialen Instabilitäten und für Leistungssportler, die einer hohen Valgusbelastung ausgesetzt sind. Auch als Revisionstransplantat ist die Quadrizepssehne interessant [6].

Bemerkenswert ist auch, dass mittlerweile bereits verlassene Techniken wiederentdeckt werden, da aktuelle Forschungsergebnisse hier neues therapeutisches Potenzial aufgezeigt haben [4, 9]. Das betrifft einerseits den Banderhalt durch Refixation oder Augmentation und andererseits die Rekonstruktion der anterolateralen Gelenkecke [1, 4, 9]. Auch die Bedeutung von Beinachse und Reklination des Tibiaplateaus (posteriorer Slope) für die Stabilisierung des Gelenks findet verstärkt Beachtung [12, 13]. Diese Beobachtungen zeigen, dass die operative Therapie der VKB-Ruptur und der anterolateralen Rotationsinstabilität komplex geworden ist.

Aus diesem Grund haben wir versucht, bei der Themenwahl zu diesem Heft verschiedene aktuelle Operationstechniken zusammenzustellen, mit denen Patienten mit akuten und chronischen Instabilitäten operativ versorgt werden können.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre und hoffen, dass wir so dazu beitragen können, die Versorgung unserer Patienten zu verbessern.

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Andrea Achtnich

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Wolf Petersen