Sie als Leserin und Leser mögen sich fragen, was es denn zum Thema Urologie und Umwelt wirklich Neues gibt. Irgendwie haben jede Urologin und jeder Urologe schon im Studium davon gehört und der eine oder andere wird sicherlich auch schon in seiner beruflichen Tätigkeit damit konfrontiert worden sein. Insofern stellt sich die Frage, was es hier wirklich Neues gibt, um dieser Thematik ein eigenständiges Leitthema in Die Urologie zu widmen.

Wie in vielen anderen Kontexten befindet sich die Urologie in ihrer Auseinandersetzung mit der Umwelt, in der unsere Patientinnen und Patienten, aber auch wir Urologinnen und Urologen leben, in einem sich ständig verändernden, dynamischen Prozess. So werden die klassischen Umweltnoxen, die zu Tumoren im urologischen Organbereich führen, zunehmend abgelöst durch die krebserzeugende Wirkung von Ersatzstoffen oder auch anderen, bislang nicht in Betracht gezogenen Stoffen. Aber nicht nur die Auswirkungen der Umwelt auf die Entstehung von Tumoren oder auf das Reproduktionssystem sollen in unserer Beitragsserie dargestellt werden. Wir selber sind als Urologinnen und Urologen auch mitverantwortlich für schädliche Wirkungen auf unsere Umwelt, wie sie beispielsweise an den durch den Einsatz von Antibiotika hervorgerufenen Resistenzentwicklungen von Bakterienstämmen in Gewässern offenkundig werden. Insofern ist unser Leitthema Urologie und Umwelt hoch aktuell.

Der Beitrag von Zellner et al. greift ein wichtiges Thema im Kontext der berufsbedingten Krebserkrankungen im Bereich der ableitenden Harnwege auf. Hier könnte ein inadäquates Meldeverhalten ein Grund dafür sein, dass die Anzahl der bei der gesetzlichen Unfallversicherung eingehenden Meldungen deutlich geringer ist, als es der zu erwartenden Zahl berufsbedingter Tumoren entspricht. Die Praktikabilität eines routinemäßigen Einsatzes eines strukturierten Fragebogens zum Screening beruflich bedingter Risikofaktoren bei Tumoren könnte hier hilfreich sein, um die Anzahl der Verdachtsfälle zu erhöhen.

Klassische Umweltnoxen werden zunehmend abgelöst durch die krebserzeugende Wirkung von Ersatzstoffen

In die gleiche Richtung zielt der Beitrag von Jungmann et al., der sich mit den formalen und rechtlichen Aspekten bei Berufskrankheiten und Unfallfolgen in unserem Fachgebiet beschäftigt. Dieser Beitrag erleichtert der Urologin und dem Urologen die Meldung einer Verdachtsanzeige, was aufgrund der enormen sozialmedizinischen Bedeutung der gesetzlichen Unfallversicherung für die Betroffenen sehr wichtig ist.

Der Beitrag von Golka et al. zeigt sehr schön, dass sich in unserem Fachgebiet die beruflichen Risiken aus dem Produktionsprozess hin zur Anwendung verschoben haben. Es ist erkennbar, dass, nachdem fast alle klassischen krebserzeugenden Stoffe mit den Zielorganen ableitende Harnwege und Niere verboten wurden, nun eine krebserzeugende Wirkung von Ersatzstoffen oder auch anderen, bislang nicht in Betracht gezogenen Stoffen zutage tritt. Der Beitrag fokussiert praxisrelevant auf die drei mit dem geringsten Aufwand zu erkennenden Verdachtsfälle für eine Berufskrankheit, nämlich dem Mesotheliom der Tunica vaginalis, dem Harnblasenkarzinom bei Querschnittgelähmten und dem Nierenzellkarzinom nach Exposition mit dem Lösemittel Trichlorethylen.

Der Beitrag von Lipp und Lipp führt sehr deutlich den Zusammenhang zwischen dem ärztlichen Verschreibungsverhalten und dem Nachweis von Arzneimittelrückständen in Gewässern und seine Auswirkungen auf das Ökosystem vor Augen. Hier sind auch wir Urologinnen und Urologen in der Verantwortung.

Der letzte Beitrag in dieser Serie gibt eine umfassende Übersicht über die möglichen Zusammenhänge zwischen Umweltfaktoren und männlichen Fertilitätsstörungen. Obwohl für nur wenige Noxen gesicherte Erkenntnisse vorliegen, verdeutlicht dieser Beitrag sehr eindrücklich, dass der sorgfältigen Erhebung potenzieller Expositionsrisiken ein wichtiger Stellenwert in der andrologischen Sprechstunde zukommen sollte.

Damit hoffen die an der Planung und Erstellung des Leitthemas Beteiligten, dass die Beiträge Sie zum einen über Neues informieren, Sie aber auch bezüglich Ihrer Verantwortung für unsere Umwelt aufrütteln.