Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …

  • kennen Sie die wichtigsten Differenzialdiagnosen der chronischen Cholestase sowie des Ikterus im Erwachsenenalter.

  • ist Ihnen ein Algorithmus zur Differenzialdiagnose der chronischen Cholestase beim Erwachsenen vertraut.

  • kennen Sie aktuelle Konzepte zur Pathogenese und Diagnose der wichtigsten chronischen cholestatischen Erkrankungen des Erwachsenen: der primär biliären Cholangitis (PBC) und der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC).

  • wissen Sie, welche Therapieoptionen Ihnen für die Behandlung der PBC, PSC und Immunglobulin-G4(IgG4)-assoziierten Cholangitis zur Verfügung stehen.

  • sind Sie über die wichtigsten genetischen cholestatischen Leberkrankheiten und deren Charakteristika informiert.

  • wissen Sie um die wichtigsten Auslöser eines cholestatischen, medikamenteninduzierten Leberschadens.

Einleitung

Die Leber ist zentrales Organ des Energiehaushalts und der Proteinbiosynthese. Sie ist zudem endokrines Organ und erfüllt elementare Funktionen im Metabolismus endogener Stoffwechselendprodukte sowie exogener Toxine. Entscheidender Schritt dieser „Entgiftungsfunktion“ der Leber ist die Sekretion gallenpflichtiger Substanzen in den Darm.

Gallenbildung und -transport sind komplex regulierte, meist energieaufwendige Vorgänge: von der Aufnahme gallenpflichtiger Substrate durch Transportproteine der basolateralen Membran über den intrazellulären Transport und Metabolismus bis zur Sekretion der Metaboliten durch spezialisierte apikale, kanalikuläre Transportproteine. Störungen dieser Sekretionsmechanismen spielen eine zentrale Rolle in der Pathophysiologie vieler Formen der Cholestase. Der Begriff Cholestase beschreibt zunächst unspezifisch eine Beeinträchtigung der Gallenbildung oder des Gallenabflusses, unabhängig von der zugrunde liegenden Ursache. Neben der Abklärung von extrahepatischen (obstruktiven) Ursachen der Cholestase, wie einer Obstruktion des extrahepatischen Gallengangs durch Gallensteine, benigne oder maligne Tumoren bzw. durch Papillenprozesse, kann insbesondere die Differenzialdiagnose der intrahepatischen Cholestase schwierig sein. Sie umfasst hepatozelluläre Ursachen, die zu Störungen der primären Gallenbildung führen, sowie cholangiozelluläre Erkrankungen, die intrahepatische obstruktive Gallenabflussstörungen bedingen (Tab. 1).

Tab. 1 Differenzialdiagnose der intrahepatischen Cholestase des Erwachsenen. (Mod. nach [1])

Abzugrenzen vom Begriff Cholestase ist der Ikterus, der klinisch eine Gelbfärbung von Haut, Skleren und Schleimhäuten aufgrund einer Hyperbilirubinämie beschreibt. Diese kann prä-, intra- und post-hepatische Ursachen haben. Wie im Falle der (prähepatischen) Hämolyse oder des Morbus Gilbert-Meulengracht geht ein Ikterus nicht notwendigerweise mit einer Cholestase einher. In Tab. 2 sind Differenzialdiagnosen der Hyperbilirubinämie aufgeführt.

Tab. 2 Differenzialdiagnose der Hyperbilirubinämie

Im ersten Teil dieses Weiterbildungsbeitrags wird ein diagnostischer Algorithmus zur Abklärung der chronischen Cholestase im Erwachsenenalter vorgestellt. Im zweiten Teil soll der aktuelle Wissensstand zur Pathogenese, speziellen Diagnostik und Therapie primärer chronischer cholestatischer Erkrankungen, wie der PBC, der PSC oder (mono-)genetischer Erkrankungen, zusammengefasst werden.

Algorithmus zur Differenzialdiagnose

Cholestatische Erkrankungen verlaufen häufig klinisch stumm. Nur der kleinere Teil der Patienten präsentiert sich initial mit unspezifischen, aber typischen Symptomen wie Müdigkeit (Fatigue) oder Juckreiz. Nur späte Stadien oder aggressive Verläufe fallen durch einen Ikterus auf. Häufig zeigen sich chronische cholestatische Erkrankungen daher zunächst als laborchemischer Zufallsbefund.

Eine erhöhte Aktivität der alkalischen Phosphatase (AP) ist ein klassischer und sensitiver laborchemischer Indikator der Cholestase. Die Erhöhung kann jedoch auch extrahepatische Ursachen haben, beispielsweise Knochenerkrankungen wie den Morbus Paget oder eine Schwangerschaft. In der laborchemischen Routine ist daher die Differenzierung zwischen leber-, darm-, knochen- und plazentaassoziierten Isoformen bzw. Isoenzymen der AP etabliert; sie kann in Einzelfällen hilfreich sein. In der Regel legt aber die gleichzeitige Erhöhung der γ-Glutamyltransferase (γGT) oder des konjugierten Bilirubins einen hepatischen Ursprung der AP ausreichend nahe.

Von chronischer Cholestase spricht man, wenn die Cholestase mindestens 6 Monate besteht [1]. Einen strukturierten Algorithmus zur Abklärung einer chronischen Cholestase mithilfe klinischer, laborchemischer und apparativer Diagnostik zeigt Abb. 1 in Anlehnung an die Leitlinie der European Association for the Study of the Liver (EASL; [1]).

Abb. 1
figure 1

Algorithmus der klinischen, laborchemischen und apparativen Diagnostik zur Abklärung einer chronischen Cholestase. AMA Antimitochondriale Antikörper; ANA antinukleäre Antikörper; AP alkalische Phosphatase; DILI „drug-induced liver injury“; EUS endoskopischer Ultraschall; MRCP Magnetresonanzcholangiopankreatikographie; γGT γ‑Glutamyltransferase; SC sklerosierende Cholangitis. (Mod. nach [1])

Schritt 1: klinische Evaluation und Sonographie

Grundlage der Diagnostik ist eine gezielte und eingehende Anamnese. Sie liefert häufig wertvolle Hinweise. Bekannte Vorerkrankungen wie eine Hashimoto-Thyreoiditis, ein CREST-Syndrom (Calcinosis cutis, Raynaud-Symptomatik, Ösophagusmotilitätsstörungen, Sklerodaktylie und Teleangiektasien) oder Sicca-Symptome können aufgrund der häufigen Assoziation den Verdacht auf eine PBC begründen, eine vorbekannte chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED) lässt an eine PSC denken, Traumata oder ein Zustand nach Therapie auf einer Intensivstation an eine sekundär sklerosierende Cholangitis (SSC).

Die Medikamentenanamnese sollte die aktuelle und vorangegangene Medikation erfassen und sehr gezielt auch frei verkäufliche und nichtschulmedizinische Präparate oder Nahrungsergänzungsmittel erfassen. Vorangegangene Operationen oder Transfusionen werden eruiert. Risikoverhalten wie Drogenkonsum, Reiseaktivitäten oder ein riskantes Sexualverhalten müssen erfasst werden, der Genussmittelkonsum (Alkohol, Nikotin) ist zu diskutieren.

Bekannte Leberkrankheiten in der Familienanamnese gehen mit einem erhöhten Risiko etwa für PSC oder PBC einher, lassen aber auch an (mono-)genetische Erkrankungen denken. Frühere Episoden auffälliger Leberwerte oder Ikterus können den Verdacht auf seltene rekurrierende Cholestasesyndrome mit genetischer Ursache lenken, beispielsweise auf die benigne rekurrierende intrahepatische Cholestase (BRIC). Zum Abschluss sind auch Arbeitsplatzbelastungen und das Freizeitverhalten mit eventuellen Umweltbelastungen zu erwähnen, die mit dem Auftreten einer IgG4-assoziierten Cholangitis (IAC) einhergehen können (s. dort).

Die eingehende körperliche Untersuchung erfasst Anzeichen einer fortgeschrittenen Leberkrankheit („Leberhautzeichen“), aber auch Hinweise auf mögliche Begleiterkrankungen wie Hypothyreose, Sicca-Syndrom oder kardiale und pulmonale Vorerkrankungen. Die abdominale Untersuchung schließt Murphy- oder Courvoisier-Zeichen sowie Hinweise auf eine Hepato- bzw. Splenomegalie ein.

Erstes bildgebendes Mittel der Wahl ist die Abdomensonographie [1]. Zeigen sich hier keine mechanische Obstruktion der Gallengänge und keine Leberraumforderungen, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer intrahepatischen Cholestase ausgegangen werden. Nur bei starkem klinischem Verdacht sollten weitere bildgebende Modalitäten ergänzt werden.

Schritt 2: PBC-Serologie und Evaluation einer DILI

Bei chronischer intrahepatischer Cholestase wird früh die Untersuchung auf antimitochondriale Antikörper (AMA) und PBC-spezifische antinukleäre Antikörper (ANA; anti-sp100, anti-gp210) empfohlen [1, 2]. Diese können zwar bei akuten Hepatopathien unspezifisch auftreten [3], weisen aber bei chronischer Cholestase eine außergewöhnlich hohe Sensitivität und Spezifität für den Nachweis einer PBC auf [1, 4].

Etwa 30 % der Fälle eines „drug-induced liver injury“ (DILI) zeigen ein vornehmlich cholestatisches Reaktionsmuster [1]. Auch bei klinischem Verdacht auf ein DILI sollte eine PBC jedoch serologisch ausgeschlossen werden [2, 5]. Eine positive Medikamentenanamnese für Amoxicillin/Clavulansäure, Trimethoprim/Sulfamethoxazol, anabole Steroide oder Azathioprin rückt ein DILI als Differenzialdiagnose in den Vordergrund, da diese Wirkstoffe klassische Auslöser eines cholestatischen DILI sind [5]. Bei hohem klinischem Verdacht, etwa aufgrund der Einnahme eines dieser Medikamente innerhalb von 5–90 Tagen vor Auftreten der Hepatopathie, sollte das entsprechende Medikament abgesetzt werden und kommt eine abwartende Haltung in Betracht [1]. Den klinischen Verdacht auf eine DILI können verschiedene Diagnosescores unterstützen. Am häufigsten verwendet wird die Roussel Uclaf Causality Assessment Method (RUCAM; [5]).

Schritt 3: erweiterte Bildgebung mit MRCP

Die Magnetresonanzcholangiopankreatikographie (MRCP) ist das bildgebende Mittel der Wahl zum Ausschluss oder Nachweis intra- und extrahepatischer Gallengangsstenosen, die wegweisend für die Diagnose einer PSC oder bei entsprechender Anamnese für eine SSC oder eine Graft-versus-host-Krankheit sein können.

Schritt 4: Leberbiopsie

Bei weiterhin bestehender Unklarheit sollte im nächsten diagnostischen Schritt eine Leberbiopsie erfolgen. Der Nachweis von Leberparenchymschäden oder biliären Läsionen in der feingeweblichen Untersuchung kann zur (Verdachts‑)Diagnose führen. In Tab. 3 sind typische biliäre Läsionen und ihre Hauptursachen bei Patienten ohne Transplantation gezeigt.

Tab. 3 Differenzialdiagnose biliärer Läsionen in der feingeweblichen Untersuchung der Leberbiopsie. (Mod. nach [1])

Bei histologischem Verdacht auf PBC bzw. PSC ohne Nachweis von PBC-spezifischen Antikörpern bzw. makroskopischen Gallengangsveränderungen sollte zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung eine genetische Untersuchung auf Mutationen des Gens ABCB4 erfolgen.

Schritt 5: genetische Untersuchungen

Über 100 genetische Cholestasesyndrome sind aktuell beschrieben [6]. Die meisten werden im Kindesalter manifest. Milde Verläufe von Mutationen der Gene ABCB4, ABCB11 und ATP8B1 können sich aber in unterschiedlicher klinischer Ausprägung als intrahepatische Schwangerschaftscholestase („intrahepatic cholestasis of pregnancy“ [ICP]), progressive familiäre intrahepatische Cholestase (PFIC), benigne rekurrierende intrahepatische Cholestase (BRIC) oder persistierendes hepatozelluläres Sekretionsversagen („persistent hepatocellular secretory failure“ [PHSF]) auch im Erwachsenenalter präsentieren. Die Untersuchung auf bekannte Mutationen dieser Gene ist in spezialisierten Routinelabors etabliert und stellt den ersten Schritt der genetischen Abklärung unklarer chronischer Cholestasesyndrome dar. Die weitere Analyse von Mutationen anderer Genloci ist spezialisierten Laboren vorbehalten.

Führt keiner der diagnostischen Schritte zu einer (Verdachts-)Diagnose, sollten Betroffene engmaschig hinsichtlich ihrer Cholestase- und Leberfunktionsparameter überwacht werden. Eine Reevaluation sollte dann nach 3–6 Monaten erfolgen.

Chronische cholestatische Leberkrankheiten

Primär biliäre Cholangitis

Die PBC (früher primär biliäre Zirrhose) ist eine autoimmun bedingte chronische Inflammation kleiner intrahepatischer Gallengänge (<100 μm). Im Verlauf kommt es zu einer Destruktion der betroffenen Gallengänge und damit zu einer Cholestase, die im langjährigen Verlauf der Erkrankung zur Fibrose und schließlich zur Zirrhose der Leber führen kann [4]. Erfreulicherweise entwickelt sich bei über 50 % der Patienten mit PBC dank der aktuell verfügbaren Therapeutika nie eine Zirrhose. Daher wurde die bisher missverständlich als primär biliäre Zirrhose bezeichnete Erkrankung 2015 auf Initiative von Patientenorganisationen und mit Unterstützung der großen internationalen Fachgesellschaften in primär biliäre Cholangitis umbenannt [7].

Fast 90 % der Erkrankten sind Frauen. Die Erstdiagnose erfolgt meist in der fünften Lebensdekade. Die absolute Prävalenz ist mit bis zu 40/100.000 niedrig [8], jedoch ist in der Risikopopulation, also unter Frauen mittleren Lebensalters, eine von 1000 Personen betroffen.

Klinik

Juckreiz, chronische Müdigkeit (Fatigue) und Sicca-Syndrom sind klassische Symptome der PBC. Nur etwa 20 % der Patienten sind bei Diagnosestellung symptomatisch, jedoch entwickeln bis zu 80 % der Betroffenen diese Beschwerden im Verlauf der Erkrankung.

Pathogenese

Die Pathogenese der PBC ist bis heute nicht vollständig verstanden. Genetische Faktoren spielen für das Auftreten der PBC eine größere Rolle als bei den meisten anderen autoimmunen bzw. immunvermittelten Erkrankungen: Verwandte ersten Grades von Betroffenen haben ein bis zu 100-fach erhöhtes Risiko, ebenfalls eine PBC zu entwickeln [4]. Allerdings wurden die meisten bisher identifizierten Risikogene für die Entwicklung einer PBC auch mit zahlreichen anderen autoimmunen Erkrankungen in Verbindung gebracht, sodass deren Rolle in der spezifischen Pathogenese der PBC unklar bleibt [9].

Primäre Zielstruktur der autoimmunen Reaktion und Antigen der AMA ist die Untereinheit E2 der Pyruvatdehydrogenase (PDC-E2), eines in Mitochondrien aller Körperzellen vorhandenen Enzyms, das Pyruvat in Acetyl-CoA umsetzt.

In der Pathogenese der PBC konnten zahlreiche Mechanismen der immunologischen Dysregulation identifiziert werden [10]. Da die Autoimmunreaktion aber im Wesentlichen auf das Gallengangsepithel beschränkt ist, wird lokalen Faktoren des Gallengangsepithels eine zentrale Bedeutung in der Pathogenese der PBC zugesprochen [2]. Eine erhöhte Anfälligkeit von Gallengangsepithelzellen gegenüber der Toxizität von Gallensäuren, unter anderem aufgrund einer verminderten Fähigkeit zur Bicarbonatsekretion , könnte hier eine zentrale Rolle spielen. Dieses Konzept des defekten biliären „Bicarbonatschirms“, wie von uns beschrieben [11, 12], wird zunehmend von anderen Autoren geteilt [13, 14, 15].

Diagnose

Die Diagnose einer PBC wird auf dem Boden einer chronischen Erhöhung der AP nach Ausschluss einer mechanischen Cholestase und über den Nachweis von AMA oder PBC-spezifischen ANA (sp100 oder gp210) gestellt [2]. Eine histologische Bestätigung der Diagnose wird bei Verdacht auf eine AMA-negative PBC (bei gleichzeitigem Fehlen von AMA und PBC-spezifischen ANA), Verdacht auf „overlap“ mit einer Autoimmunhepatitis (AIH) und fehlendem Therapieansprechen empfohlen, ist aber ansonsten für die Diagnosestellung verzichtbar. Bei serologisch negativer PBC sollte differenzialdiagnostisch außerdem eine ABCB4-Mutation ausgeschlossen werden (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Leberhistologie einer Patientin mit AMA-positiver primär biliärer Cholangitis. Auffallend ist das dichte lymphozytäre Portalfeldinfiltrat mit Affektion der interlobulären Gallengänge und portaler Granulomformung im unteren Portalfeld. AMA Antimitochondriale Antikörper. (Mit freundl. Genehmigung von Dr. Joanne Verheij)

Mit der PBC sind häufig (autoimmune) Schilddrüsenerkrankungen vergesellschaftet. Patienten mit PBC haben außerdem ein deutlich erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Osteoporose. Daher ist bei Diagnose der PBC ein entsprechendes Screening mit Bestimmung des thyreoideastimulierenden Hormons und Dualröntgenabsorptiometrie geboten.

Therapie

Ursodeoxycholsäure.

Die Erstlinientherapie der PBC besteht in der Gabe von Ursodeoxycholsäure (UDCA) in einer Dosis von 13 bis 15 mg/kgKG/Tag. Hierunter erreichen bis zu zwei Drittel der Patienten ein ausreichendes „biochemisches Ansprechen“, wodurch der Progress der Erkrankung bei diesen Patienten in der Regel vollständig aufgehalten werden kann. Dieser therapeutische Effekt von UDCA wurde unter Verwendung verschiedener Kriterien für das biochemische Ansprechen gezeigt. Mit am besten validiert sind die sogenannten Paris - II-Kriterien [16]; sie wurden in unterschiedlichen Kohorten bestätigt und sind zur Beurteilung des biochemischen Ansprechens für Patienten im Frühstadium der PBC empfohlen [2]. Nach den Paris-II-Kriterien zeigen ein Abfall der AP und der Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT) auf das 1,5-fache der oberen Norm sowie normale Werte für Bilirubin ein normales transplantationsfreies Überleben an. Zur Evaluation der Prognose von Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung kann der noch relativ neue, aber in einer sehr großen Kohorte von über 4000 Patienten validierte GLOBE-Score [17] hilfreich sein. Diese und alternative Kriterien des biochemischen Ansprechens zeigt Tab. 4.

Tab. 4 Kriterien des „biochemischen Ansprechens“ auf die Therapie mit Ursodeoxycholsäure bzw. Scores zur Evaluation der Langzeitprognose von Patienten mit primär biliärer Cholangitis

Bei biochemischem Ansprechen nach diesen Kriterien ist ein Überlebensvorteil erwiesen. Daher sollten Patienten, die dieses Ziel unter Monotherapie mit UDCA nicht erreichen, eine Zweitlinientherapie erhalten.

Budesonid.

Therapien mit klassischen Immunsuppressiva waren in der Behandlung der PBC nicht erfolgreich. Auf dem Boden vielversprechender Daten aus kleineren klinischen Studien kann aber Budesonid „off label“ in der Zweitlinientherapie erwogen werden. Vor allem bei Verdacht auf eine autoimmunhepatitische Komponente („overlap“ mit AIH) kann Budesonid Mittel der Wahl für die Zweitlinientherapie sein. Zu beachten ist, dass Budesonid bei bereits manifester Zirrhose kontraindiziert ist.

Fibrate.

Mehr als 20 kleine, nichtkontrollierte Studien haben in der Vergangenheit einen therapeutischen Effekt von Fibraten in Kombination mit UDCA bei PBC nahegelegt. Die im April 2017 als Abstract veröffentlichten, vorläufigen Ergebnisse einer ersten großen, placebokontrollierten, randomisierten Studie mit Bezafibrat (400 mg/Tag) konnten diese Beobachtung bestätigen [24]. Auffällig war dabei auch eine Verbesserung des Juckreizes unter Behandlung mit Bezafibrat. Die Therapie mit Bezafibrat könnte sich daher zukünftig in der Zweitlinientherapie der PBC etablieren und vor allem für Patienten mit cholestatischem Juckreiz empfehlenswert sein.

Obeticholsäure.

Obeticholsäure ist aktuell das Mittel der Wahl zur Zweitlinientherapie der PBC [2]. Die seit 1988 für die Behandlung des Gallensteinleidens zugelassene UDCA war ab 1991 („orphan status“) bzw. 1997 die einzig zugelassene Therapie für die PBC. Im Jahr 2016 wurde dann Obeticholsäure für die Kombinationstherapie mit UDCA bzw. als Monotherapie bei der sehr seltenen UDCA-Unverträglichkeit zugelassen („orphan status“). Die Kombinationstherapie mit diesen beiden Medikamenten ist pharmakologisch attraktiv, weil sich die Wirkmechanismen deutlich unterscheiden und ergänzen.

UDCA ist eine physiologische, nichttoxische, tertiäre Gallensäure. Ihre Substitution vermindert die Konzentration lebertoxischer primärer und sekundärer Gallensäuren, die unter Cholestase akkumulieren. Der wichtigste Wirkmechanismus von UDCA scheint die Aktivierung intrazellulärer Signalwege der Leber- und Gallengangsepithelzellen zu sein. Diese führen zum Einbau von Transportproteinen in die dem Gallengang zugewandte Membran von Leberzellen, was die bei Cholestase gestörte zelluläre Sekretionskapazität erhöht und eine direkte anticholestatische Wirkung begründet (posttranskriptionell). Darüber hinaus wirkt UDCA in der Leber zytoprotektiv und kann die gallensäureinduzierte Apoptose verhindern [25].

Obeticholsäure ist eine semisynthetische Gallensäure, die im Gegensatz zu UDCA eine sehr hohe Affinität zum nukleären Gallensäurerezeptor FXR aufweist und über dessen genregulatorische Wirkung die Expression zahlreicher Gene moduliert (transkriptionelle Wirkung). So wird etwa die Expression von gallebildenden Transportproteinen heraufreguliert und damit die bei Cholestase eingeschränkte Sekretionskapazität erhöht.

Die Therapie mit Obeticholsäure in Kombination mit UDCA wird mit 5 mg/Tag begonnen und kann bei unzureichendem Ansprechen nach 6 Monaten auf 10 mg/Tag gesteigert werden. In der Zulassungsstudie erreichten knapp 50 % der unter Monotherapie mit UDCA vorher biochemisch unzureichend ansprechenden Patienten unter diesem Regime ein biochemisches Ansprechen [26]. Bei insgesamt guter Verträglichkeit ist die wichtigste Nebenwirkung der Therapie mit Obeticholsäure eine Verschlechterung des cholestatischen Juckreizes. Diese ist jedoch nur vorübergehend und unter spezieller pharmakologischer Therapie in der Regel gut beherrschbar.

Vitamin D.

Aufgrund des erhöhten Osteoporoserisikos bei Patienten mit PBC sollte ab Diagnosestellung eine Substitution von Vitamin D erwogen werden [2].

Primär sklerosierende Cholangitis

Die PSC ist eine chronische cholestatische Leberkrankheit auf dem Boden einer Inflammation und Fibrosierung mittlerer und großer intra- und extrahepatischer Gallengänge. Die histologisch als zwiebelschalenartige Fibrosierung imponierenden Veränderungen führen zu den charakteristischen multifokalen Stenosen und prästenotischen Dilatationen im Gallengangsbaum. Zwei Drittel der Betroffenen sind männlich, bis zu 80 % der Patienten mit PSC haben eine begleitende CED und das mittlere Erkrankungsalter liegt unter 40 Jahren. Die populationsbezogene Prävalenz ist mit bis zu 16/100.000 niedrig [8].

Klinik

Die überwiegende Zahl der Patienten ist bei Diagnosestellung asymptomatisch. Juckreiz, abdominale Beschwerden im rechten oberen Quadranten, Fatigue oder Gewichtsverlust und unerklärte Fieberepisoden können jedoch klinisch eine PSC anzeigen.

Pathogenese

Die Pathogenese der PSC ist weiterhin schlecht verstanden, ein spezifisches Autoantigen für diese inflammatorische Erkrankung konnte bisher nicht sicher identifiziert werden. Das etwa 100-fach erhöhte Risiko erstgradiger Verwandter von Patienten mit PSC legt eine genetische Prädisposition nahe, und so wurden zahlreiche Assoziationen mit Einzelnukleotidpolymorphismen auch in Nicht-HLA-Loci beschrieben [27]. Die genaue klinische Relevanz dieser genetischen Veränderungen und die Wechselwirkung mit Umweltfaktoren sind bisher nicht gut untersucht. Die Assoziation mit CED wird pathophysiologisch unter anderem über eine aberrante Migration von Immunzellen des Darms in die Leber erklärt. Neueste klinische und vor allem genetische Untersuchungen lassen annehmen, dass die CED im Rahmen einer PSC-Erkrankung eine eigenständige Entität (PSC-CED) darstellt, die sich unter anderem durch den häufigen Befall des gesamten und vor allem auch des rechtsseitigen Kolons, eine Backwash-Ileitis und ein ausgespartes Rektum auszeichnet.

Diagnose

Eine chronische laborchemische Cholestase und PSC-typische Veränderungen in der MRCP führen zur Diagnose einer PSC. Ursachen einer SSC sollten abgefragt und evaluiert werden, da eine laborchemische oder bildgebende Abgrenzung nicht sicher möglich ist. Eine Leberbiopsie ist für die Diagnosestellung nicht erforderlich, kann aber zur Abgrenzung von Ursachen einer sekundären Sklerose, bei Verdacht auf eine Small-duct-PSC oder bei Verdacht auf ein PSC-AIH-Overlap-Syndrom wegen disproportional erhöhter Serumtransaminasen sinnvoll bzw. notwendig sein. Der Nachweis der Autoantikörper pANCA, ANA und SMA gelingt häufig, ist jedoch für die Diagnosestellung der PSC nicht ausreichend sensitiv und spezifisch. Zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung gegenüber einer IAC ist die einmalige Bestimmung der Serum-IgG4-Spiegel sinnvoll, wobei diese auch bei der PSC erhöht sein können [28].

Bei histologischem Nachweis einer Small-duct-PSC, das heißt bei ausschließlichem Befall der mittleren, mikroskopischen Gallengänge ohne Beteiligung der großen Gallengänge, sollte in der differenzialdiagnostischen Abklärung eine genetische Untersuchung auf ABCB4-Mutationen erwogen werden, dies vor allem bei Fehlen einer CED (Abb. 3).

Abb. 3
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Leberhistologie eines Patienten mit primär sklerosierender Cholangitis. Auffallend sind die konzentrische Fibrose („Zwiebelschalenfibrose“) um den Gallengang und die nur spärliche periduktuläre Infiltration von Entzündungszellen. (Mit freundl. Genehmigung von Dr. Joanne Verheij)

Bei Erstdiagnose einer PSC muss stets eine begleitende CED koloskopisch ausgeschlossen werden. Sowohl die PSC als auch eine CED sind unabhängige Risikofaktoren für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms . Aufgrund des bereits in der Allgemeinbevölkerung hohen Risikos für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms, ist dieses in PSC Patienten das häufigste Malignom [29]. Daher wird Patienten mit PSC und CED eine jährliche Vorsorgekoloskopie empfohlen.

Patienten mit PSC tragen ein hohes relatives Risiko für die Entwicklung eines cholangiozellulären Karzinoms (CCC). Das Lebenszeitrisiko beträgt bis zu 15 % und scheint für Patienten mit Nachweis von Anti-GP2-Immunglobulin-A-Antikörpern erhöht [30]. Da fast 50 % aller CCC bereits im ersten Jahr nach Diagnose der PSC auffallen, ist ein entsprechendes initiales Screening obligat. Im weiteren Krankheitsverlauf bleibt die Früherkennung des CCC eine zentrale Herausforderung bei der Behandlung der PSC. Leider ist bis heute kein evidenzbasierter Algorithmus zur sensitiven Früherkennung des CCC etabliert. Jährliche Untersuchungen mit Magnetresonanztomographie (MRT) bzw. MRCP sowie die jährliche Bestimmung der CA19-9-Spiegel werden diskutiert [28]. Einheitlich empfohlen werden jährliche Ultraschalluntersuchungen zur Detektion von Raumforderungen der Gallenblase [1, 26, 28], wobei der Nachweis von Polypen >8 mm zur Resektion führen sollte [28].

Therapie

Aktuell existiert in den deutschsprachigen Ländern keine zugelassene Therapie der PSC. Wenngleich die PSC als eine Autoimmunerkrankung verstanden wird, zeigten immunsuppressive Therapien keinen Erfolg. Dagegen verbessert UDCA die Serumleberwerte und hat einen günstigen Einfluss auf Surrogatmarker der Prognose. Bisher konnte keine klinische Studie mit ausreichenden Patientenzahlen, ausreichender Behandlungsdauer und adäquater UDCA-Dosis durchgeführt werden, um einen Effekt in moderater Dosierung (15–20 mg/kgKG/Tag) auf das transplantationsfreie Gesamtüberleben zu untersuchen. Eine UDCA-Hochdosistherapie (30 mg/kgKG/Tag) der PSC wurde früher diskutiert, ist aber heute obsolet. In diesem sehr hohen Dosisbereich hatten sich in einer klinischen Studie auch ungünstige Effekte wie eine gehäufte Varizenbildung und Listung zur Lebertransplantation gezeigt [31].

In Deutschland ist die Therapie mit UDCA in moderater Dosierung (15–20 mg/kgKG/Tag) aufgrund der positiven Effekte auf die Serumchemie derzeit klinischer Standard [32]. Die europäische Leitlinie zur Therapie cholestatischer Leberkrankheiten legt die Therapie mit UDCA (15–20 mg/kgKG/Tag) nahe [1], was sich mit den revidierten amerikanischen Leitlinien deckt [28].

Bei klinischem oder laborchemischem Verdacht bzw. bildgebendem Nachweis von dominanten Stenosen und gleichzeitiger Zunahme der Cholestase ist eine endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) mit geeigneten Dilatationsmaßnahmen unter Antibiotikaprophylaxe empfohlen. Bei dominanten Stenosen sollte die ERCP zur Durchführung von Bürstenzytologien bzw. Biopsien für die histologische Untersuchung und gegebenenfalls für eine Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung zum Ausschluss eines CCC genutzt werden [28].

IgG4-assoziierte Cholangitis

Die IAC ist charakterisiert durch die Infiltration von Leber und Gallengängen mit IgG4-positiven Plasmazellen. Sie führt häufig zu intra- und/oder extrahepatischen Strikturen der Gallengänge, die in der Bildgebung einer PSC gleichen können. Die peribiliäre oder intrahepatische Entzündung kann aber auch als intrahepatische Raumforderung (Pseudotumor ) imponieren und als Malignom fehlgedeutet werden. Betroffen von einer IAC sind in der Regel Männer fortgeschrittenen Lebensalters.

Klinik

Die IAC kann klinisch durch Ikterus, Gewichtsverlust und abdominale Schmerzen auffällig werden, aber auch klinisch stumm zur Diagnose kommen. Nicht selten ist die IAC nur eine von mehreren Manifestationen einer IgG4-assoziierten Erkrankung mit Manifestationen meist im Pankreas, aber auch in Speichel- und Tränendrüsen, Hypophyse, Orbita, Schilddrüse, Nieren, Retroperitoneum, Prostata, Testis und anderen Regionen [33].

Pathogenese

Der Auslöser der Entzündungsreaktion bei IAC ist unbekannt. Das hochspezifische Auftreten von IgG4-positiven isolierten B‑Zell-Rezeptor-Klonen im peripheren Blut der Betroffenen legt aber die Reaktion gegen spezifische Antigene nahe. Neben prädisponierenden genetischen Faktoren [34] wurde unter anderem die – beispielsweise beruflich bedingte – langjährige Exposition gegenüber Lösungsmitteln, Farben, Diesel und anderen Ölprodukten als möglicher Risikofaktor identifiziert [35]. Dies könnte auch das Vorkommen vor allem bei älteren Männern erklären.

Diagnose

Nur bis zu 70–80 % der Patienten mit IAC weisen bei Diagnose erhöhte IgG4-Spiegel (>1,4 g/l) im Serum auf [34]. Die IgG4-Spiegel sind auch bei bis zu 25 % der Patienten mit anderen autoimmunen oder malignen biliären Erkrankungen erhöht, sodass Sensitivität und Spezifität dieses Markers unzureichend sind. Die Verwendung des Serum-IgG4/IgG1-Verhältnisses (Grenzwert 0,24) erhöht die Sensitivität und Spezifität zur Abgrenzung gegen die PSC auf 86 % bzw. 95 %. Nur massiv erhöhte IgG4-Spiegel (>5,6 g/l) weisen eine gute Spezifität und Vorhersagekraft in Abgrenzung gegen PSC und CCC auf.

Der Nachweis von IgG4-positiven B‑Zell-Rezeptor-Klonen im peripheren Blut mit dem „next generation sequencing“ ist dagegen mit einer Sensitivität und Spezifität von 100 % hochakkurat. Das Verfahren ist aber aufwendig und bisher für wissenschaftliche Fragestellungen reserviert [36, 37]. Die Bestimmung des IgG4/IgG-RNA-Verhältnisses im peripheren Blut mit der quantitativen Polymerase-Kettenreaktion (qPCR ) ist eine ebenfalls hochsensitive und hochspezifische Weiterentwicklung dieses Nachweisverfahrens mit potenzieller Anwendbarkeit im klinischen Alltag [37]. Sie stellt möglicherweise die zukünftige Methodik der Wahl zur Abgrenzung der IAC von PSC und CCC dar [38].

Aktuell beruht die Diagnose der IAC auf einer Kombination klinischer, biochemischer, bildgebender und histologischer Befunde. Die HISORt-Kriterien („histology, imaging, serology, other organ involvement and response to therapy“), ursprünglich definiert zur Diagnose der Autoimmunpankreatitis, wurden für die IAC angepasst: Bei Vorliegen von anderweitig nicht erklärten Gallengangsstrikturen kann die sichere Diagnose einer IAC gestellt werden, wenn neben den Gallengangsveränderungen entweder eine histologisch gesicherte Autoimmunpankreatitis bekannt ist oder gleichzeitig klassische bildgebende Hinweise auf eine AIP und erhöhte Serum-IgG4-Spiegel vorliegen. Die wahrscheinliche Diagnose einer IAC kann gestellt werden, wenn 2 der folgenden 4 Kriterien erfüllt sind:

  • Erhöhtes Serum-IgG4

  • Bildgebende Auffälligkeiten des Pankreas

  • Befall weiterer Organsysteme

  • Histologischer Nachweis von vermehrten IgG4-positiven Zellen in der Gallengangsbiopsie

Ein rasches laborchemisches und bildgebendes Ansprechen auf die Therapie bestätigt dann die Diagnose.

Therapie

Die Initialtherapie der IAC erfolgt mit Prednisolon (30–40 mg/Tag) über 4 Wochen. Bei Risikokonstellationen (Osteoporose, Diabetes mellitus) kann eine Therapie mit nur 10–20 mg/Tag erwogen werden, was sich in einer retrospektiven klinischen Studie als ebenso effektiv erwiesen hat [34]. Im Anschluss an diese Initialtherapie sollte Prednisolon ausgeschlichen werden; die Dosis wird alle 2 Wochen um 5 mg/Tag reduziert. Auch nach kompletter Remission ist die Rekurrenzrate mit bis zu 50 % hoch, meist tritt ein erneuter Schub innerhalb der ersten 6 Monate auf. Daher wird zuweilen eine Erhaltungstherapie mit 2,5–5 mg Prednisolon/Tag ± Azathioprin empfohlen [33], die in einer ersten randomisierten Therapiestudie bei der Autoimmunpankreatitis Rezidive effizient unterdrückte. Bei bereits initial unvollständigem Ansprechen oder nach Rezidiv ist eine Dauertherapie mit Steroiden ± Azathioprin indiziert. Ein ausbleibendes Ansprechen sollte zur Überprüfung der Diagnose Anlass geben. Bei Bestätigung der Diagnose ist die experimentelle Therapie des wiederholten Rezidivs mit Rituximab in spezialisierten Zentren eine mögliche Option.

Chronische Cholestase bei genetischen Erkrankungen

CFTR

Die zystische Fibrose (CF) ist eine durch Mutationen im Gen für den Ionenkanal „cystic fibrosis transmembrane conductance regulator“ (CFTR) verursachte systemische Erkrankung, die autosomal-rezessiv vererbt wird. Eine mit der CF assoziierte Hepatopathie tritt bei knapp 30 % aller Patienten mit CF auf und kann zu biliärer Obstruktion, periportaler Fibrose und biliärer Zirrhose fortschreiten [39].

Pathogenese.

In der Leber wird CFTR nur in Gallengangsepithelzellen exprimiert, sodass diesen eine zentrale Bedeutung in der Pathogenese der CF-assoziierten Hepatopathie zukommt. CFTR vermittelt an der apikalen Membran von Cholangiozyten den Chlorid- und Bicarbonattransport. Eine Störung in diesem stark regulierten Mechanismus zur Alkalisierung der Galle, das heißt ein Defekt des biliären Bicarbonatschirms, kann die Anfälligkeit von Cholangiozyten gegenüber toxischen Gallensäuren erhöhen [11]. CFTR interagiert aber auch direkt mit dem Inflammasom , sodass eine Störung seiner Funktion unmittelbar Auslöser der Inflammation sein könnte [40].

Diagnose.

Die pulmonale Manifestation der CF steht klinisch meist im Vordergrund. Bei gesicherter pulmonaler CF ist eine begleitende Hepatopathie, die in bis zu 30 % der CF-Fälle zu erwarten ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit CF-assoziiert, auch wenn andere Ursachen einer intrahepatischen Cholestase differenzialdiagnostisch auszuschließen sind (Tab. 1).

Therapie.

Unter Einnahme von UDCA (20 mg/kgKG/Tag) können eine Verbesserung der Serumleberwerte, eine Stimulation der gestörten Gallenbildung sowie eine Verbesserung der Leberhistologie beobachtet werden. Eine entsprechende Therapie wird daher empfohlen, auch wenn die langfristige Beeinflussung der Prognose nicht hinreichend untersucht ist [1].

Schwangerschaftscholestase

Die intrahepatische Schwangerschaftscholestase (ICP) ist eine transiente Form der intrahepatischen Cholestase, die meist im zweiten oder dritten Trimenon beginnt und klinisch durch oft starken Juckreiz und laborchemisch durch Erhöhung von Serumgallensäuren und Serumtransaminasen (Glutamat-Pyruvat-Transaminase) gekennzeichnet ist. Post partum kommt es immer zu einer spontanen und vollständigen Erholung. Betroffen sind 0,5–2,0 % aller Schwangerschaften. Die ICP geht mit Risiken für den Fetus einher (Frühgeburtlichkeit, Asphyxie während der Geburt, intrauteriner Fruchttod).

Pathogenese.

Genetische, hormonelle und Umweltfaktoren beeinflussen das Auftreten einer ICP. Eine positive Familienanamnese ist ein Risikofaktor für die ICP. Zahlreiche Mutationen in den Genen von Transportproteinen der apikalen Hepatozytenmembran sind bei Patientinnen mit ICP beschrieben worden [41], so etwa in ATP8B1, ABCB11, ABCB4 (Genfunktionen s. Abschnitt zu PFIC), ABCC2 (codiert für MRP2, den Transporter organischer Anionen) bzw. deren Kontrollgen NR1H4 (FXR).

Diagnose.

Bei jeder Patientin mit Juckreiz in der Schwangerschaft sollten die Serumleberwerte bestimmt werden. Nach Ausschluss anderer Ursachen der intrahepatischen Cholestase und nach Ausschluss primärer, gegebenenfalls schwangerschaftsassoziierter Hauterkrankungen (z. B. polymorphes Exanthem der Schwangerschaft) wird die Diagnose schließlich über erhöhte Serumkonzentrationen von Gallensäuren (≥11 μmol/l) gestellt.

Der Juckreiz kann den Veränderungen in Serumleberwerten oder Gallensäurespiegeln vorausgehen, sodass bei normalen Laborwerten die Diagnostik im Verlauf wiederholt werden sollte. Präeklampsie und Schwangerschaftsfettleber sind wichtige Differenzialdiagnosen der Hepatopathie im Rahmen der Schwangerschaft und müssen, insbesondere bei atypischer Klinik, ausgeschlossen werden. Die rasche und vollständige Erholung post partum bestätigt im Verlauf die Diagnose.

Therapie.

Die Gabe von UDCA in einer Dosis von 10 bis 20 mg/kgKG/Tag ist die Erstlinientherapie der ICP. Bei therapierefraktären Verläufen sind S‑Adenosylmethionin und Rifampicin zur Behandlung des unstillbaren Juckreizes Optionen der Zweitlinientherapie nach individueller Abwägung.

Bei Patientinnen mit ICP wird häufig zwischen der 37. und 38. Schwangerschaftswoche die Geburt eingeleitet, um fetale Komplikationen zu vermeiden, die in dieser Schwangerschaftsphase beschrieben wurden. Ausreichende Evidenz für dieses Vorgehen gibt es jedoch nicht [41, 42].

PFIC und BRIC

Progressive familiäre intrahepatische Cholestase (PFIC) ist ein Sammelbegriff für drei autosomal-rezessiv vererbte chronische cholestatische Erkrankungen auf dem Boden von Mutationen in drei verschiedenen ATP-abhängigen Transportproteinen, die elementare Funktionen in der Gallenbildung erfüllen:

  • ATP8B1

  • ABCB11

  • ABCB4

Eine PFIC kann sich bereits früh nach der Geburt manifestieren (insbesondere die PFIC1), aber auch erst bei jungen Erwachsenen auffallen (insbesondere die PFIC3). PFIC verursacht eine sich chronisch verschlechternde intrahepatische Cholestase mit entsprechender Klinik (Juckreiz, Ikterus, Wachstumsretardierung), die zum Teil rasch zur biliären Zirrhose der Leber fortschreitet. Manche Patienten mit einem der PFIC entsprechenden Syndrom weisen keine Mutationen in den genannten Genen auf, weshalb weitere Unterformen mit Mutationen in anderen Genen vermutet werden.

Die benigne rekurrierende intrahepatische Cholestase (BRIC) ist eine klinisch weniger dramatische Verlaufsform mit Mutationen von ATP8B1 und ABCB11. Charakteristisch sind akute cholestatische Schübe bei Jugendlichen und Erwachsenen. Die Schübe mit Cholestase, Ikterus und starkem Juckreiz werden durch bisher unzureichend verstandene Trigger ausgelöst und dauern Wochen bis Monate an. Als auslösende Trigger werden Infektionen, Fieber und Medikamenteneinnahme, unter anderem eine orale Kontrazeption, diskutiert. Ein Progress zur Leberzirrhose ist nicht typisch. Übergänge in chronische, PFIC-ähnliche Verlaufsformen sind aber möglich [41].

In Tab. 5 sind die betroffenen Gene aufgeführt. Zudem werden ihre Funktion sowie diagnostische und klinische Charakteristika von Mutationen bei den drei Syndromen zusammengefasst.

Tab. 5 Betroffene Gene bei den drei PFIC-Entitäten. Funktion sowie klinische und diagnostische Charakteristika

Pathogenese.

Mutationen in verschiedenen Genen sind Auslöser von PFIC bzw. BRIC (Tab. 5).

ATP8B1 (FIC1) ist eine Phospholipidflippase, die Phosphatidylserin von der äußeren in die innere Phase der Lipiddoppelschicht der apikalen Membran von Hepatozyten „flippt“. Dadurch erhält FIC1 eine Polarität der Zellmembran aufrecht, die Voraussetzung für die Funktion anderer Transportproteine ist. Eine Beeinträchtigung der Genfunktion führt zu einem beeinträchtigten Transport zahlreicher gallenpflichtiger Substrate.

ABCB11 (BSEP) ist das Transportprotein für die Gallensäureausscheidung über die apikale Membran von Hepatozyten. Die Funktionsbeeinträchtigung führt zur Retention von hydrophoben, toxischen Gallensäuren im Hepatozyten und dadurch zu Leberzellschäden.

ABCB4 (MDR3) ist eine Phosphatidylcholinfloppase, welche dieses Phospholipid von der inneren in die äußere Phase der Lipiddoppelschicht der apikalen Membran von Hepatozyten „floppt“. Von dort wird Phosphatidylcholin durch Gallensäuren aus der Membran gelöst und gelangt in die Galle. Phospholipide binden in der Galle Cholesterin und halten es gemeinsam mit hydrophoben, toxischen Gallensäuren in gemischten Mizellen gebunden, sodass deren Aufnahme und Toxizität in Gallengangszellen verhindert wird.

Therapie.

Für Patienten mit PFIC besteht keine etablierte medikamentöse Therapieoption. Bei Patienten mit PFIC3 verbessert UDCA die Serumleberwerte und könnte einen positiven Effekt auf das Langzeitüberleben haben. Die partielle externe Gallenableitung kann den Krankheitsverlauf bei PFIC1 und PFIC2 verbessern. Rifampicin ist bei allen drei Entitäten etabliert zur Therapie des Juckreizes, ohne jedoch belegte Effekte auf den Krankheitsverlauf zu haben.

Patienten mit BRIC werden auf experimenteller Basis häufig mit UDCA behandelt. Rifampicin, Colestyramin oder eine nasobiliäre Drainage können den Juckreiz kontrollieren und die Schübe bei BRIC verkürzen [41].

LPAC

Das Syndrom der „low phospholipid-associated cholestasis and cholelithiasis“ (LPAC) wurde 2001 als eigenständige Krankheitsentität definiert und ist neben PFIC3 und ICP eine weitere klinische Präsentationsform der ABCB4-Mutation. Betroffen sind vorwiegend Frauen mit einer Erstdiagnose vor dem 40. Lebensjahr, die typischerweise intrahepatische Gallensteine und eine positive Familienanamnese für Gallensteine aufweisen. Ohne adäquate Therapie kann der klinische Verlauf progredient sein, mit rezidivierenden Cholangitiden, Ikterus oder biliärer Pankreatitis und im Verlauf biliärer Fibrose und Zirrhose der Leber.

Pathogenese.

Zugrunde liegt eine Mutation in ABCB4 (physiologische Funktion s. Abschnitt zu PFIC). Die in der Folge der Mutation phospholipidarme oder -freie Galle ist relativ übersättigt mit Cholesterin und daher hoch lithogen. Neben makroskopisch erkennbaren Gallensteinen bilden sich bereits in kleinen, mikroskopischen Gallengängen Cholesterinkristalle und wirken hier cholestatisch und proinflammatorisch. Der Phospholipidmangel führt außerdem zu einer erhöhten Konzentration freier, nicht in Mizellen gebundener hydrophober Gallensäuren, die toxisch auf das Gallengangsepithel wirken können.

Diagnose.

Der Verdacht auf ein LPAC-Syndrom ergibt sich, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien zutreffen [43]:

  • Beginn symptomatischer Episoden vor dem 40. Lebensjahr

  • Rekurrenz biliärer Beschwerden (Gallenkolik, Ikterus, Cholangitis, biliäre Pankreatitis) nach Cholezystektomie

  • Intrahepatischer Nachweis von echogenen Foci oder von Sludge in Sonographie, Computertomographie oder MRT

  • Vorbekannte ICP-Episoden

  • Positive Familienanamnese für Gallensteine bei Verwandten ersten Grades

Der Nachweis einer ABCB4-Mutation kann die Diagnose bestätigen, jedoch tragen nur etwa zwei Drittel der Patienten mit LPAC eine bekannte und detektierbare Mutation.

Therapie.

Die Behandlung mit UDCA in einer Dosis von 10 mg/kgKG/Tag führt rasch, nachhaltig und unabhängig von einem bildgebend nachweisbaren Effekt auf die makroskopisch erkennbaren Gallensteine zu einem Rückgang der Beschwerden. Die Therapie verbessert auch laborchemisch die Cholestase.

Persistierendes hepatozelluläres Sekretionsversagen

Akute Leberschäden können in seltenen Fällen auch nach Beendigung des akuten Ereignisses in ein PHSF übergehen. Das PHSF ist dann eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Komplikation der akuten Leberschädigung mit persistierender oder progredienter Cholestase und subakutem Leberversagen. Die Auslöser eines PHSF sind divers und reichen von klassisch DILI-auslösenden Medikamenten über Toxine bis zur transienten mechanischen Obstruktion. Wie in einer Fallserie mit 13 Patienten beschrieben, kann Rifampicin das PHSF durchbrechen und innerhalb von Tagen bis wenigen Wochen zur vollständigen Remission führen [44].

Laborchemisch ist das PHSF durch eine ausgeprägte persistierende oder progrediente Hyperbilirubinämie bei häufig normaler γGT gekennzeichnet.

Pathogenese.

Bei Patienten mit PHSF verbleibt auch nach Ausschalten der initialen Noxe ein Sekretionsversagen, am ehesten auf dem Boden einer gestörten Expression von hepatozellulären Transportproteinen. Dies wird nahegelegt durch das gute Ansprechen auf Rifampicin, das als Agonist nukleärer Rezeptoren die Expression zahlreicher hepatozellulärer Transportproteine begünstigt und aus diesem Grund in der erwähnten Fallserie appliziert wurde [44].

Als genetische PHSF-auslösende Faktoren wurden bisher Mutationen in ATP8B1 und ABCB11 beschrieben. Ursächliche Mutationen in weiteren Transportern oder Regulationsproteinen werden vermutet. Damit zeigt das PHSF Ähnlichkeiten mit BRIC bei allerdings bekannten Auslösern und, zumindest in den beschriebenen Fällen, fehlender Neigung zur spontanen Verbesserung.

Diagnose.

In der erstbeschreibenden Arbeit wurde das PHSF folgendermaßen definiert [44]:

  • Serumbilirubin >15 mg/dl

  • Persistierende oder progrediente Hyperbilirubinämie >1 Woche nach Beseitigung des auslösenden Agens

  • Ausschluss einer persistierenden mechanischen Cholestase

  • Ausschluss einer vorbestehenden chronischen Leberkrankheit

Therapie.

Wenn 2 Wochen nach Beseitigung des auslösenden Agens die Hyperbilirubinämie persistiert oder progredient ist, kann ein Therapieversuch mit Rifampicin (300 mg/Tag) unternommen werden. Bleibt ein rasches Ansprechen auf die Therapie in der ersten Behandlungswoche aus, sollte die Diagnose hinterfragt werden. Die Therapie wurde in der beschriebenen Fallserie in der Regel bis zur Normalisierung des Serumbilirubins fortgesetzt. Bei Verabreichung von Rifampicin für >4 Wochen sollte laborchemisch das Auftreten einer Rifampicin-induzierten Hepatitis ausgeschlossen werden.

Fazit für die Praxis

  • Cholestatische Erkrankungen verlaufen häufig klinisch stumm. Nur späte Stadien oder aggressive Verläufe fallen durch einen Ikterus auf.

  • Die Diagnose einer PBC wird auf dem Boden einer chronischen Erhöhung der AP nach Ausschluss einer mechanischen Cholestase und über den Nachweis von AMA oder PBC-spezifischen ANA gestellt.

  • Die Erstlinientherapie der PBC besteht in der Gabe von UDCA. Obeticholsäure ist zur Zweitlinientherapie zugelassen und wird in der Regel mit UDCA kombiniert.

  • Eine chronische laborchemische Cholestase und PSC-typische Veränderungen in der MRCP führen zur Diagnose einer PSC.

  • Aktuell existiert in Deutschland keine zugelassene Therapie der PSC. Klinischer Standard in Deutschland ist die Therapie mit UDCA in moderater Dosierung.

  • Die Diagnose der IAC beruht auf einer Kombination klinischer, biochemischer, bildgebender und histologischer Befunde (HISORt-Kriterien).

  • Die Initialtherapie der IAC erfolgt mit Prednisolon. Bei bereits initial unvollständigem Ansprechen oder nach Rezidiv ist eine Dauertherapie mit Steroiden ± Azathioprin indiziert.

  • Erster Schritt der genetischen Abklärung unklarer chronischer Cholestasesyndrome ist die Untersuchung auf bekannte Mutationen in den Genen ABCB4, ABCB11 und ATP8B1 im Routinelabor. Die Analyse von Mutationen anderer Genloci ist spezialisierten Laboren vorbehalten.