Seit über 100 Jahren ist das Herz Gegenstand sportmedizinischer Forschung. Viele Ergebnisse sportmedizinischer Forschungen haben Eingang in die wissenschaftlichen Untersuchungen und die praktische Arbeit anderer Fachdisziplinen gefunden, vor allem in die Kardiologie. Das 100-jährige Bestehen der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (gegründet 1912) gibt Anlass für Beiträge zum Thema, aber auch für einen kurzen Rückblick über Herz und Sport(medizin) mit zwei Aspekten: Nutzen und fragliche Gefährdung durch Ausdauersport sowie körperliche Aktivität zur Prävention und Therapie.

Seit Beginn der vorletzten Jahrhundertwende stand das Herz oft im Mittelpunkt der sportmedizinischen Forschung [23, 25, 32]. Seitdem wurde und wird aber über Nutzen und Gefährdung durch intensive körperliche Aktivität und Hochleistungssport diskutiert. Bereits 1889 wies Fraentzel darauf hin, dass die Linkshypertrophie bei körperlicher Anstrengung potenziell gefährlich werden kann [6]. Darling konnte 1898 an Ruderern [3] und Henschen im gleichen Jahr an Skilangläufern [10] bereits durch die einfache klinische Untersuchung (Herzperkussion) nachweisen, dass die Herzvergrößerung bei Ausdauersportlern eine physiologische Anpassung darstellt.

Beim ersten deutschen Sportärztekongress in Oberhof, bei dem die Gesellschaft gegründet wurde, beschäftigten sich mehrere Vorträge mit Herz und Sport, auch mit Hinweisen auf Nutzen und Gefährdung. Training bzw. körperliche Aktivität führt bei Tieren zu einer Herzvergrößerung [8]; bei Überanstrengung würde zunächst das rechte Herz in Mitleidenschaft gezogen. G.F. Nicolai formulierte 1912, „dass der Sport vielfach die Gesundheit angreift, ist bekannt“ [20]. Dieser Autor stellte aber auch fest, dass das Herz für die hohe Leistungsfähigkeit das wichtigste Organ sei: „Die Vergrößerung des Herzens bedeutet vielfach eine Erhöhung seiner Funktionstüchtigkeit.“ Es sei falsch, von jedem vergrößerten Herzen als von einem kranken Organ zu sprechen [20].

P.D. White, später Hausarzt von D.D. Eisenhower, berichtet über ausgeprägte Bradykardien (35–39/min) bei Langstreckenläufern [32], die er aber bereits früher als physiologisch deutete [31]. In den folgenden Jahrzehnten waren dann die Meinungen zur Gefährdung durch Sport wieder kontrovers [25].

Skandinavische und deutsche Autoren veröffentlichten zahlreiche Studien, nach denen regelmäßiges Ausdauertraining zu physiologischen Anpassungen führt – ohne Hinweise auf Gefährdung oder Schädigung. Wesentliche Untersuchungen erfolgten in Freiburg [23, 24], später dann auch in Köln [12]. Sie konnten nachweisen, dass das ausdauertrainierte Herz sowohl bei Leistungssportlern als auch bei Breitensportlern keiner Gefährdung unterlag.

Ausdauersport und Herz

Neue methodische Ansätze, vor allem durch die Echokardiographie, ergaben bei Sportlern nach langen Ausdauerleistungen (z. B. Marathon oder Ultramarathon) Befunde im Sinne einer vorübergehenden kardialen Funktionsstörung [4, 20]. Eine solche kardiale Ermüdung hatten schon zu früherer Zeit Saltin et al. beschrieben [26]: Bei längerer Ergometerarbeit (3 h) sank das Schlagvolumen etwas ab. Diese Befunde waren nach kurzer Zeit, in der Regel 24 bis 48 Stunden, wieder reversibel. Reindell et al. [24] und Kindermann et al. [13] bestätigten unter anderem durch Rechtsherzkatheteruntersuchungen, dass die linksventrikuläre Funktion bei Sportlern normal, also unbeeinträchtigt, blieb.

Nach kritischer Würdigung besteht heute die überwiegende Meinung unter den Experten [7, 27], dass die beschriebenen Ultraschallbefunde einschließlich Gewebedoppler und „spreckle tackling strain“ gegen eine anhaltende Schädigung durch Ausdauertraining sprechen, zumal alle Befunde nach kurzer Zeit reversibel waren. Auch mit der Kernspintechnik wurden Sportler sowohl nach akuter Belastung als auch unter Langzeitbeobachtung untersucht. Einige wenige Autoren fanden ein spätes „Enhancement“ nach Gadolinumgabe; dieses wurde als fibrotische Veränderung gedeutet. Die Prognose dieser Läufer war ungünstiger als die der Vergleichspersonen [1]. Diese Beobachtung konnte durch verschiedene andere Untersucher nicht bestätigt werden (Übersicht in [27]).

Weitere Aspekte lieferten die Studien, in denen vermehrt Koronarkalk bei Marathonläufern gefunden wurde [19]. Möglicherweise bestand hier aber ein „Bias“, indem sich häufiger solche Läufer zur Teilnahme und Untersuchung meldeten, die thorakale Beschwerden hatten oder mehrere Risikofaktoren aufwiesen; so war darunter eine Reihe ehemaliger Raucher. Ein Fazit aus dieser Beobachtung bleibt aber: Auch Marathonläufer sind nicht vor kardialen Erkrankungen (Koronarstenosen) gefeit, haben aber selbst in dieser Situation durch das regelmäßige Training bessere Überlebenschancen. Diese Beobachtungen belegen aber auch, dass eine sportärztliche Vorsorgeuntersuchung bei Neu- oder Wiedereinsteigern im Sport dringlich empfohlen werden sollte (www.dgsp.de; [5]).

Nach der Entwicklung von kardialen Biomarkern wurden auch diese, insbesondere nach akuten Langzeitbelastungen (Marathon, Triathlon, Ultramarathon), eingehend untersucht. In einem höheren Prozentsatz wurden Anstiege der kardialen Marker NT-proBNP und vor allem Troponin T und I beschrieben. Bei den untersuchten Kollektiven bildeten sich aber auch die Marker innerhalb von 24 bis 48 Stunden wieder zurück. Der Anstieg der Biomarker wird durch eine mögliche Leckage für das ungebundene cTn aus dem Zytosol infolge der erhöhten Permeabilität der Kardiozytenmembran [9]. Eine dauerhafte myokardiale Schädigung tritt nicht ein [27].

Einige aktuelle Veröffentlichungen aus einem Zentrum zeigen eine rechtsventrikuläre Funktionsstörung nach Ausdauerleistungen bei Ausdauersportlern. Diese gingen bei einigen mit einer vermehrten Arrhythmieneigung aus dem rechten Ventrikel einher; eine schlüssige Erklärung steht aus. Fast alle Veränderungen waren reversibel; nur in einem Fall blieb die Veränderung über längere Zeit bestehen [15].

Alle diese Befunde und Untersuchungsergebnisse belegen beispielhaft die seit Jahrzehnten anhaltende, also immerwährende Diskussion, ob Ausdauersport – auf längere Zeit betrieben – negative Auswirkungen haben könnte. Die kritischen Übersichtsartikel zu diesem Thema wiesen darauf hin, dass alle beobachteten Phänomene reversibel waren und die Ausdauerleistung unbeeinträchtigt bleibt. Darüber hinaus zeigen viele Studien, dass die Lebenserwartung dieser Ausdauersportler deutlich über der von Nichtsportlern liegt.

Körperliche Aktivität, Training und Herzkrankheiten

Die Ergebnisse der Trainingsstudien an Sportlern wurden in den letzten Jahrzehnten auch auf Patienten übertragen, nachdem Herzpatienten jahrelang zuvor mit großer und oft länger dauernder Schonung behandelt wurden. Ausgangsbeobachtung waren erste Trainingsstudien an Herzinfarktpatienten (sog. Terrainkuren, Beckmann), aber auch die Lehnstuhlbehandlung von Infarktpatienten durch B. Lown in Boston [14].

Diese Studien und Beobachtungen ergaben, dass die Patienten durch eine frühe Mobilisation und ein anschließendes dosiertes Trainingsprogramm nicht gefährdet sind. Im Gegenteil: Sie profitierten von dieser „Behandlung“ im heutigen Sinne als Bewegung ist Medizin (“exercise is medicine“; [23, 28, 29, 30]). Im weiteren Verlauf zeigte sich, dass Koronarpatienten von einem Training in erheblichem Maße profitierten (siehe Beitrag Hambrecht). Die pathophysiologischen Grundlagen hierzu wurden durch umfangreiche, auch invasive Studien durch die Arbeitsgruppe um Hambrecht erarbeitet [17, 29].

Metaanalysen und Einzelstudien ergeben weiter, dass regelmäßige körperliche Aktivität zu einer Risikoreduktion bei verschiedenen Herzkrankheiten führt [11, 13, 28, 29]. Dies gilt sowohl für die Primärprävention als auch für die Sekundärprävention oder Rehabilitation. Das koronare Risiko wird vermindert; bei Herzinsuffizienz werden Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und kardiale Funktion durch ein dosiertes Training sogar verbessert. Der Bluthochdruck kann durch ein Training wirkungsvoll gesenkt werden, wie eine Metaanalyse aus über 50 Studien belegt [2]. In weiteren zahlreichen Studien konnte mit einem hohen Evidenzgrad (I-A) nachgewiesen werden, dass körperliche Aktivität zu einer wirksamen Krankheitsbesserung führt – so bei Schlaganfallpatienten [22], bei Patienten mit chronischen Lungenkrankheiten, bei Depressionen, beim chronischen Fatigue-Syndrom und bei der Fibromyalgie. Sehr gute Ergebnisse ergaben auch Trainingsstudien bei Stoffwechselleiden wie Diabetes mellitus und daneben auch bei Krebserkrankungen. Bei Demenz und beginnendem Alzheimer ist ein regelmäßiges körperliches Training in der Lage, die Entwicklung nachweislich um einige Jahre zu verzögern [5].

Diese Beispiele zeigen, dass Erkenntnisse aus der Sportmedizin erfolgreich in den klinischen Alltag übertragen wurden. Sie zeigen aber auch, dass die Sportmedizin vermehrt fachübergreifende Studien durchführt und dies in Zukunft noch weiter verstärken muss und wird. Mit diesen Ergebnissen und der hohen Evidenz steht aber auch die Umsetzung in Klinik und Praxis an. Dazu liegen heute auch evidenzbasierte Trainingsempfehlungen vor (Tab. 1; [16, 21, 30]); diese sollten dem Patienten als Rezept für Bewegung mitgegeben werden. Bemerkenswert ist, dass sich die beobachteten positiven Auswirkungen des Trainings im gleichen Umfang wie eine medikamentöse Monotherapie bewegen. Körperliche Aktivität ist somit der natürliche Gegenspieler der „polypill“ mit einer wesentlich stärkeren und vielseitigeren Wirkung [18]. Diese und andere Ergebnisse legen die Notwendigkeit dar, das Fach Sportmedizin als Pflichtfach in die Ausbildungsordnung der Studenten aufzunehmen.

Tab. 1 Evidenzbasierte Trainingsempfehlungen

Prof. Dr. H. Löllgen