Dieser Beitrag setzt sich damit auseinander, wie Naturhistoriker der Renaissance unterschiedliche Aufzeichnungspraktiken im Umgang mit der Literatur genutzt haben. Der Fokus wird dabei im Folgenden auf Ulisse Aldrovandi (1522–1605) und dessen umfangreich erhaltenem Nachlass liegen. Das Beispiel Aldrovandis erlaubt aufschlussreiche Einblicke in die Verwendung verschiedener Schreib- und Papiertechniken (paper technology)Footnote 1, die von Naturkundigen der europäischen Frühen Neuzeit eingesetzt wurden. Nur in seltenen Fällen liegt beides vor, die enzyklopädisch angelegte Sammlung von Lektürenotizen eines Naturkundigen dieses Zeitraums sowie umfangreiche Einlassungen dazu, welche Rolle diesem Instrument der Lektüreverwaltung für seine Arbeit zukam. Dies ist bei Aldrovandi der Fall. Die von ihm eingesetzten Techniken waren zumindest in Teilen durchaus auch seinen gelehrten Zeitgenossen geläufig, wodurch die Erkenntnisse, die sich auf einer breiten Quellenbasis gewinnen lassen, zusätzliches Gewicht erhalten.

Aldrovandi ist der Wissenschaftsgeschichte durch die Arbeiten von Olmi (insbesondere 1992), Tugnoli Pàttaro (1977, 1981) und Findlen (1994) bekannt. Er wurde nach dem Studium des Rechts, der Philosophie und der Medizin Professor für Naturgeschichte an der Universität von Bologna, wo er erfolgreich die Gründung eines Botanischen Gartens betrieb und ein Museum unterhielt, das Besucher von nah und fern anzog. Im Jahre 1572 begann er mit der Arbeit an seiner gigantischen Enzyklopädie der Naturgeschichte, die der seines berühmten Schweizer Kollegen und Zeitgenossen, des Polyhistors und Naturforschers Konrad Gessner (1516–1565) in nichts nachstehen sollte. Insbesondere sein Museum (Findlen 1994, Olmi 1992), seine eindrucksvolle Sammlung von Zeichnungen (Antonino 2004, Fischel 2008, 2009) und seine umfangreiche Bibliothek (Folli 1993, Bacchi 2005, Tavoni 2010) haben inzwischen einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen.Footnote 2 Aldrovandis Lektürepraktiken und die in diesem Zusammenhang zum Einsatz gebrachten Papiertechniken haben dagegen bislang wenig Beachtung gefunden. Das überrascht insofern, als sein Nachlass zahlreiche Anhaltspunkte dafür bietet, zu welchem Zweck er las und wie er seine Lektüre konkret verwaltete beziehungsweise verwalten ließ, denn Aldrovandi konnte auf eine Reihe von Helfern zurückgreifen.

Aldrovandis Fall ist für die Wissenschaftsgeschichte besonders interessant, weil er mehr zu bieten hat als ein weiteres Beispiel für die Anwendung der humanistischen Methode der sogenannten Gemeinplätze (Loci communes), nach der Wissensbausteine nach verschiedenen Loci, also Topoi oder Orten, geordnet und verzeichnet wurden.Footnote 3 Das Pandechion epistemonicon, wie Aldrovandi selbst seine handschriftliche Enzyklopädie nannte, legt in besonderer Weise Zeugnis davon ab, wie Naturforscher der Spätrenaissance mit unterschiedlichen Techniken experimentierten, diese veränderten und (neu)kombinierten, bis das Ergebnis ihren Zwecken adäquat erschien. Ich werde in diesem Beitrag zeigen, dass die von Aldrovandi entwickelte Technik und ihr materielles Korrelat – das Pandechion – gemessen an den Alternativen, die ihm im Zeitalter der ans Buch gebundenen Lektüreverwaltung vorlagen, für die Sammlung und Fixierung einer potentiell unendlichen Anzahl von Notaten außerordentlich geeignet war. Sie verringerte das für Loci communes typische Problem der Vorabschätzung des für Notate zu einem bestimmten Begriff notwendigen Raums, um nicht entweder leere Seiten oder eine ebenso wenig erwünschte Raumnot entstehen zu lassen.Footnote 4

Die Techniken, die Aldrovandi sich für die Lektüreverwaltung aneignete, hatte er nicht an der Universität gelernt. Vielmehr entwickelte er sie nach eigenen Aussagen über einen längeren Zeitraum hinweg auf der Basis der Loci-Technik in Eigenregie. Neben weiteren Faktoren, auf die ich noch eingehen werde, scheint zudem die Rezeption einer Methode eine Rolle gespielt zu haben, die sein Schweizer Kollege Gessner zum Anlegen von Indizes vorgeschlagen hatte. Die Übertragung der in der Schule und an der Universität vermittelten Technik der topisch organisierten Sammlungen von Loci communes in die Naturforschung stellte sich komplexer dar als bislang angenommen.

Meine Argumentation vollzieht sich in den folgenden Schritten: Zuerst werde ich die für die hier diskutierte Fragestellung zentralen Erkenntnisse der jüngeren Forschung zum Gebrauch von Papiertechniken in der Naturforschung der europäischen Frühen Neuzeit rekapitulieren. Anschließend nähere ich mich ausgehend von einem konkreten Wissensbaustein in seinem gedruckten Werk Aldrovandis Lektüreverwaltungspraxis an. Um die Funktionsweise der von Aldrovandi eingesetzten handschriftlichen Enzyklopädie, des Pandechion epistemonicon, zu beleuchten, werde ich sowohl ihre materielle Verfasstheit analysieren als auch zwei für seine eigene Beschreibung dieser Wissenssumme zentrale Begriffe diskutieren, die tief in der klassischen Tradition verankert sind: silva und πανδέκται beziehungsweise pandectes.

Dem Genre nach war das Werk als silva, als Materialsammlung, konzipiert. Sein enzyklopädischer Anspruch äußert sich im Begriff des Pandechion. Es wurde als Aufbewahrungsort für das Baumaterial verstanden, das Aldrovandi für seinen eigenen Diskurs benötigte und das in inhaltlicher Sicht für viele Verwendungen offen konzipiert war.

Wie es seine endgültige Form erhielt und aus welchen Quellen sich die herangezogenden Techniken speisten, werde ich im Anschluss klären. Neben Erfahrungen aus der universitären Lehre spielten Aldrovandis Kenntnisse aus der Buchführungspraxis des Händlers eine wesentliche Rolle dabei. Zuletzt wende ich mich anhand des Beispiels des Zentauren einem für die Wissenschaftsgeschichte zentralen Aspekt seiner Naturgeschichte zu, zu dessen Klärung die vorliegende Analyse beitragen kann: Aldrovandis Umgang mit „fabulösen“ Gegenständen, deren Aufnahme in seine gedruckten Werke ihm spätere Gelehrte zum Vorwurf gemacht haben.

Paper technology in der Naturforschung der Renaissance

Die von frühneuzeitlichen Gelehrten für ihre Lektüreverwaltung verwendeten Techniken haben in den vergangenen Jahren einige Aufmerksamkeit von wissenschafts- und ideengeschichtlicher Seite erfahren.Footnote 5 Dabei wurde argumentiert, dass die für das gelehrte Wissen konstitutiven Lese- und Schreibpraktiken an den Schulen und Universitäten unterrichtet wurden (Blair 1997: 5). Gedruckte Leseanleitungen vertieften diese geistige Schulung, und Sammlungen von Loci communes verkörperten die entsprechenden kognitiven Verwaltungstechniken des Wissens.Footnote 6

Blair betrachtet Loci communes als eine zentrale Verarbeitungsform von Lesefrüchten in der Renaissance. Eine mithilfe dieser Technik angelegte Sammlung von Notaten konnte zum Verzeichnen der Lektüreergebnisse und der eigenen, auf Reisen oder im Alltag gemachten Beobachtungen dienen, um sie für spätere Verwendungen parat zu haben (ebd.).

Die Verwendung von Loci communes zeitigte epistemische Effekte. Zum einen präformierten sie die Gestalt der in sie eingetragenen Faktoide, wie Blair (1992: 545) diese meist kurzen, aus ihrem Kontext herausgelösten Bausteine des Wissens bezeichnet hat, die ihrer weiteren Verwendung harrten. Das Verorten gelehrten Wissens mithilfe der TopikFootnote 7 stellte zudem langfristig gesehen das kognitive ebenso wie das generische Modell dafür bereit, wie seit dem 17. Jahrhundert das empirische Wissen der Tatsachen, die ja ganz wie die Lesefrüchte der Loci-communes-Technik kurze Wissensbruchstücke darstellen, erzeugt und verwaltet wurden – mit der Langzeitfolge, dass Tatsachen noch bis zum heutigen Tag fragmentarisch, sprich: meist kurze, dem Anspruch nach kontextunabhängige Wissensbausteine sind (Daston 2002: 141 f., 144). Zum andern ist den auf der Basis von Loci communes geschriebenen Büchern gelegentlich noch die topische Ordnung der verwendeten Sammlung von Wissensbausteinen anzumerken. Man könnte sagen, dass die Technik der Loci in solchen Fällen die Anordnung der Bausteine des Wissens noch im gedruckten Werk eines Autors geprägt haben. Blair hat dies am Beispiel von Jean Bodins Universae naturae theatrum eindrücklich demonstriert.Footnote 8

Allerdings schrieb sich auch immer zu einem gewissen Anteil die individuelle, konkrete Lese- und Beobachtungspraxis des betreffenden Gelehrten in die verwendeten Notationssysteme mit ein.Footnote 9 Die Forschungen der vergangenen Jahre haben die bislang ungeahnte Vielfalt derartiger Praktiken gezeigt.Footnote 10 Aldrovandis Beispiel führt uns vor Augen, dass Naturkundige der Spätrenaissance das humanistische Universalwerkzeug, die Loci communes, nicht, oder jedenfalls nicht in jedem Fall, auf ihr Wissensfeld übertrugen, ohne einige wesentliche Veränderungen an ihm vorzunehmen.

Listen

Nähern wir uns Aldrovandis Lektüreverwaltungspraxis zunächst von seinem gedruckten Werk aus. Ich werde im Folgenden exemplarisch rekonstruieren, wie der Bericht eines hermaphroditischen Kindes in einen der Bände seiner Enzyklopädie der Zoologie gelangt ist, wo er Teil einer umfangreichen Auflistung vergleichbarer Fälle wurde. Es handelt sich dabei um den Band seines Werks, der sich mit den außernatürlichen, seltenen und bestaunenswerten Dingen der Natur auseinandersetzt, seine Monstrorum historia (Aldrovandi [1642] 2002).

Dieser dichte, annähernd 800 Seiten starke Folioband legt beredt Zeugnis davon ab, wie groß das Interesse an den seltenen Dingen der Natur unter europäischen Gelehrten der Spätrenaissance war. Er wurde allerdings erst 1642, fast vierzig Jahre nach dem Tod seines Autors von Bartolomeo Ambrosini (1588–1657) herausgegeben. Ambrosini war einer der Verwalter des Studio Aldrovandi, wie der umfassende Nachlass genannt wurde, den Aldrovandi dem Senat seiner Heimatstadt vermacht hatte.Footnote 11 Es gibt deutliche Hinweise dafür, dass Ambrosini bei der Herausgabe des Werks in gewissem Umfang seine eigene Gelehrsamkeit einfließen ließ.Footnote 12

Auch wenn Ambrosini nicht in allen Teilen der Komposition des Werks den Plänen Aldrovandis eins zu eins gefolgt sein mag, so steht doch außer Frage, dass es Aldrovandi selbst war, der damit begonnen hatte, Informationen für diesen Band zusammenzutragen. Die Widmungsepistel an Ferdinando II. de’ Medici (1610–1670), den Großherzog der Toscana, lässt daran keinen Zweifel:

Die Gesamtheit der Monstren, die ein Fehler der Elemente & der blinde Irrtum der Ursachen hervorgebracht hat, hat unser Aldrovandi, die ewige Zierde des bolognesischen Athens, in diesem einen Band, durch unablässigen Fleiß in geglückter Form zusammengefasst […]. (ebd.: fol. 2v)Footnote 13

Zudem waren die Druckstöcke, die für die mehr als hundert Holzschnitte verwendet wurden, mit denen die Monstrorum historia zu einem visuell außerordentlich eindrucksvollen Band gemacht wurde, noch zu seinen Lebzeiten in Auftrag gegeben worden (Olmi 1992: 45 f.). Ebenfalls ein Beleg für die Beschäftigung Aldrovandis mit dieser Thematik sind die vielen Dutzend Blätter seiner in Teilen in der Biblioteca Universitaria di Bologna erhaltenen Zeichnungssammlung, die Monstren darstellen.

In einem der Mannigfaltigkeit der Hermaphroditen (Androgynorum varietas) gewidmeten Unterkapitel des fünften Kapitels der Monstrorum historia, das sich mit dem „verkehrten“ oder „ungestalteten“ Bau des Bauches und der Reproduktionsorgane auseinandersetzt (De prava ventris, & genitalium constitutione), findet sich der folgende Bericht:

Im Schweizerischen Zürich wurde Lycosthenes zufolge am 1. Januar 1519 ein Hermaphrodit geboren, der am Nabel ein fleischiges Geschwür und, ein wenig darunter, die Genitalien einer Frau aufwies; wohingegen sich das männliche Glied an seinem rechten Platz befand […]. (Aldrovandi [1642] 2002: 516)Footnote 14

Die primäre Zielsetzung, die sich mit dem Unterkapitel über die Mannigfaltigkeit der Hermaphroditen verband, scheint darin bestanden zu haben, eine Klassifikation der Hermaphroditen anhand der Position ihrer weiblichen und männlichen Fortpflanzungsorgane zu bilden. Nachdem dies geschehen ist, muss Aldrovandi jedoch konzedieren, dass sie häufig schwer festzulegen sind. Ihre Vielfalt (varietas) sei sehr zahlreich (multiplex), sodass man sie nicht mit Sicherheit bestimmen könne, und zwar erstens aufgrund der Vielzahl an Hermaphroditen, die geboren würden (ob copiosum numerum Androgynorum) und zweitens, weil die meisten Autoren, die von konkreten Fällen berichteten, keinerlei Angaben zur Position der äußeren Geschlechtsorgane gemacht hätten (ebd.: 513).

Als ginge es darum, die der Fülle und Vielfalt der Hermaphroditen geschuldeten Schwierigkeiten sodann empirisch zu untermauern, schließt Aldrovandi an diese Erläuterungen eine Auflistung der relevanten Fälle an, die er der Literatur entnahm, unter denen sich auch der in Zürich geborene Hermaphrodit befindet. Fallberichte und theoretische Aussagen antiker wie frühneuzeitlicher Autoren werden hier zusammengeführt und dem Leser vor die Augen gestellt, um ihm einen Überblick über die Gesamtheit des zu diesem Gegenstand zugänglichen Wissens zu ermöglichen (ebd.: 518 f.). Das Unterkapitel endet mit einer Diskussion der Ursachen hermaphroditischer Geburten.Footnote 15

Der zitierte Bericht ist also Teil einer umfassenden Bestandsaufnahme der Aldrovandi zugänglichen Fälle von Hermaphroditismus in Vergangenheit und Gegenwart. Welche Absicht lag der Auflistung solcher Einzelfälle zugrunde? Wie andere Naturforscher seiner Zeit fertigte Aldrovandi, wenn er auf eine Anomalie stieß, eine möglichst umfassende Liste der bekannten Fälle an, um das Phänomen in den Griff zu bekommen. Diese Vorgehensweise ist für die zeitgenössische Naturforschung geradezu typisch, wie ich am Beispiel des Zentauren noch demonstrieren werde.

Aldrovandis Passage über die Hermaphroditen in der Monstrorum historia, die in großen Teilen eine Liste konkreter Fälle darstellt, erinnert nicht zufällig an die Listen seltener observationes, von denen Francis Bacon (1561–1626) im zweiten Buch seines Novum organum berichtet und die einen zentralen Platz in dessen Programm zur Reform der Naturgeschichte und -philosophie einnahmen. Bacon begründet die Notwendigkeit der Ordnung von Beobachtungen in Form von Listen unter anderem damit, dass die Na-tur- und Experimentalgeschichte so mannigfaltig (varia) und bunt (sparsa) sei,

dass sie den Geist verwirrt und zerstreut, wenn sie nicht in passender Ordnung aufgestellt wird und sich einfügt. Man muss daher Listen und Zusammenstellungen der einzelnen Fälle erstellen und diese so einrichten, dass der Verstand sich einarbeiten kann. (Bacon [1620] 1990: 301)Footnote 16

Der Ausgangspunkt für Bacons Aussage über die Notwendigkeit des Ordnens von Beobachtungen in Listen ist ein Naturverständnis, das sich in Hinblick auf die Vielfalt der Naturdinge mit dem Aldrovandis deckte.

Vergleicht man Aldrovandis Methode mit der von Bacon zwischen 1605 und 1620 öffentlich gemachten, zeigt sich, dass letztere keineswegs in allen Punkten so radikal neu war, wie es die Rhetorik des Engländers wiederholt suggerierte. Die Verwendung von Listen war in der Naturforschung durchaus geläufig. Und auch die bei Bacon zu beobachtende Verschiebung des Gewichts vom individuellen Gedächtnis des Naturkundigen hin zum externalisierten Gedächtnis schriftlicher Aufzeichnungen findet sich in ähnlicher Form bereits bei Aldrovandi.Footnote 17

Eine Natur, die sich durch Fülle und Mannigfaltigkeit auszeichnete, und eine Epistemologie, die es gerade auf diese Charakteristika der Natur abgesehen hatte, machten bei Aldrovandi wie bei Bacon den Einsatz von Notationstechniken erforderlich, die es dem Naturkundigen ermöglichten, Fülle und Vielfalt zu sichten und in produktiver Weise zu verarbeiten. Ein wesentlicher inhaltlicher Unterschied zwischen Aldrovandis und Bacons Listen liegt darin, dass letztere – wenigstens dem Anspruch nach – alles auf der Autorität der Autoren Basierende und mithin alles „Philologische“ ausschließen sollten (Yeo 2007: 10 f.), wohingegen Aldrovandis Pandechion gerade eine Summe der aus der Literatur entnommenen Wissensbausteine zum jeweiligen Gegenstand darstellte.Footnote 18 Dies führt uns zurück auf die praktische Ebene der Frage, wie der oben zitierte Fall des Hermaphroditen in Aldrovandis Werk gelangte und wie dieses und andere Faktoide vom italienischen Gelehrten verwaltet wurden.

Wie erfuhr Aldrovandi von dem 1519 in Zürich geborenen Hermaphroditen? Offenbar war er bei der Lektüre auf ihn gestoßen; denn die Formulierung „iuxta mentem Licosthenis“ legt den Schluss nahe, dass Aldrovandis Kenntnis davon auf Conrad Lycosthenes’ Prodigiorum ac ostentorum chronicon (1557) zurückgeht, eine in der europäischen Frühen Neuzeit vielfach aufgelegte, immens erfolgreiche Chronik der Wunder und Vorzeichen (Lycosthenes 1557).Footnote 19 Die überwältigende Mehrheit der Fälle, die Aldrovandi in seiner Monstrorum historia zusammengetragen hatte, entstammen Publikationen anderer Autoren. Dies war unvermeidbar, denn es ging Aldrovandi darum, eine umfassende Sichtung der bekannten Fälle vorzunehmen. Im Folgenden interessiert nun die Frage, wie der italienische Naturhistoriker seine Lektüre verwaltet hat.

Baumaterial

In Aldrovandis handschriftlicher Enzyklopädie ist der Bericht über den Züricher Hermaphroditen bereits Teil einer Liste von inhaltlich zusammengehörigen Wissensbausteinen. Lycosthenes’ Bericht wurde auf einem Blatt notiert, die Abschrift sodann ausgeschnitten und ins Pandechon epistemonicon eingeklebt (Abb. 1). Der Text ist nicht in Aldrovandis eigener Handschrift geschrieben.Footnote 20 Lediglich die kleine Korrektur am Begriff „muliebre“ nahm er offenbar persönlich vor.Footnote 21

Abb. 1
figure 1

Detail aus Ulisse Aldrovandis Pandechion epistemonicon (Mit freundlicher Genehmigung der Biblioteca Universitaria di Bologna).Footnote

Biblioteca Universitaria di Bologna (im Folgenden abgekürzt als BUB), Ms. Aldrovandi 105, Band H-HIRUN: fol. 504r.

Die Handschrift, in der der Rest des Texts geschrieben wurde, findet sich in diesem und anderen nachgelassenen Manuskripten Aldrovandis regelmäßig, so dass anzunehmen ist, dass sie einem der drei für Aldrovandi arbeitenden amanuenses Footnote 23 gehört. Im Pandechion stammen von ihr unter anderem zahlreiche weitere Zettel, die sich auf Lycosthenes beziehen. Da Notate aus anderen Werken ebenfalls in auffallender Häufigkeit jeweils in einer gleichbleibenden Handschrift verfasst sind, lässt sich folgern, dass meist eine Person für das Exzerpieren eines bestimmten Werks zuständig war.

Der Aufbau der Notiz ist für viele Einträge in dieser handschriftlichen Enzyklopädie typisch. Sie beginnt mit dem für ihren Inhalt zentralen Schlagwort, hier hermaphroditus. Dem folgt ein mehr oder minder wörtliches Zitat und ein Kurzverweis auf die Quelle, aus der Aldrovandi dieses Faktoid bezog: Lycosthenes’ De prodigiorum ac ostentorum chronicon. Oberhalb und unterhalb dieser Texteinheit wird der hier reproduzierte Zettel von weiteren Notaten zum Thema hermaphroditus eingerahmt.

Die Mehrheit der Einträge im Pandechion epistemonicon ist analog aufgebaut. Es überwiegen kurze Notate, die mit dem entsprechenden Stichwort beginnen und in einem Verweis auf den Ursprungstext enden. Allerdings enthalten die Bände daneben zahlreiche Notate, in denen der Inhalt einer Passage eines Buches nicht in Gänze zitiert oder paraphrasiert wird, sondern sie verweisen zu einem Gegenstand lediglich auf die entsprechende Stelle des (in solchen Fällen sicher zumeist in Aldrovandis Privatbibliothek enthaltenen) Buches.Footnote 24 Andere Zettelnotizen beziehen sich nicht explizit auf eine einzelne Passage in einem bestimmten Werk. Sie stellen offensichtlich Gedächtnisstützen für Aldrovandi dar.

Der Zettel zum Züricher Hermaphroditen weist zwar auf ein Zitat hin, es wird aber unvollständig wiedergegeben. Dies ist im Hinblick auf die Verwendung dieser Wissenssumme aufschlussreich. Der Beginn der Aussage von Lycosthenes („Tiguri Heluetiorum ad Calendas Ianuarij“) wurde nicht mit übertragen, vermutlich, um die Passage mit ihrem Schlüsselbegriff einsetzen zu lassen. Auch die in der Chronik vorhandene gedruckte Randglosse, die den Fall auf das Jahr 1519 datiert, wurde nicht übernommen. Die von Lycosthenes gemachten Angaben zu Ort und Zeitpunkt der Geburt sind dem Pandechion also nicht zu entnehmen. Da diese Informationen in Aldrovandis Monstrorum historia jedoch wiederum vorhanden sind, lässt sich schlussfolgern, dass die entsprechende Passage nicht allein auf der Basis der Notiz abgefasst wurde. Vielmehr ist anzunehmen, dass zunächst die handschriftliche Enzyklopädie zu diesem Gegenstand konsultiert und dann die dort angegebene Stelle bei Lycosthenes nachgeschlagen wurde.

Im Falle des Pandechion epistemonicon liegt eine Reihe von Erläuterungen Aldrovandis vor, die seine Funktion und Verwendungsweise näher beleuchten. Aldrovandi schreibt im Rahmen eines kurzen Überblicks über die von ihm verfassten Werke, den er dann 1588 Ferdinando I. de’ Medici, dem Großherzog der Toscana (1549–1609) schickte, Folgendes:

Bei dieser [dem Pandechion] handelt es sich um eine Summe von 64 Bänden, die ich so genannt habe, nämlich universeller Wald der Wissenschaften (selva universale delle scienze), vermittels dessen man daselbst finden wird, was auch immer die Poeten, Theologen, Juristen, Philosophen, Historiker über welches Ding der Natur oder der Kunst auch immer, das man zu finden oder worüber man zu schreiben wünscht, geschrieben haben […] und andere [Dinge] wird man finden, von denen die Schriftsteller gesprochen haben [und] die mir durch viele Dokumente, aus einer Mannigfaltigkeit (varietà) von Orten und durch eine Fülle (copia) der Autorität der Schriftsteller bekannt geworden sind. (Breve Nota delle opere fatte dà Ulisse Aldrovandi; Anhang zu Ulisse Aldrovandi an Ferdinando I. de’ Medici, April 1588 [Tag unbekannt], zitiert nach Mattirolo 1903–1904: 381.)Footnote 25

Gedacht war das Pandechion epistemonicon von Aldrovandi als ein papiernes Archiv für alles, was jemals geschrieben worden war. Ähnlich wie Bacon in seinem Novum organum die Fülle und Vielfalt der Naturgeschichte betont, sind es hier die in diesem Werk zusammengestellten Dinge beziehungsweise ihre Quellen.

Aldrovandis Pandechion unterscheidet sich noch in einem weiteren zentralen Punkt von den Listen Bacons: Nicht in allen Einträgen setzt er sich unmittelbar und offensichtlich mit den Dingen der Natur auseinander. Manche betreffen religiöse Themen oder Sprichwörter. Andere sind philologischen Charakters, so zum Beispiel eine kurze Notiz auf einem kleinen Papierschnipsel in einem der Bände zum Buchstaben C, die nichts weiter besagt, als dass bei Plautus collum, der lateinische Begriff für Hals, auch auf –us enden kann: „Collum, et Collus Dici possit Plautus […] 231.”Footnote 26

In Bezug auf das Genre, dem dieses Werk zuzurechnen ist, ist die von Aldrovandi verwendete Metapher der selva (lateinisch silva), des Waldes, aufschlussreich. Sie verweist auf den provisorischen Charakter des hier zusammengetragenen Wissens. Es handelt sich um einen Wald, der – ganz so wie das noch nicht geschlagene Holz realer Wälder – erst noch seinem konkreten Gebrauch zugeführt werden muss. Schon im klassischen Latein hatte silva neben Wald zudem die Bedeutung des reichen Materials, des Vorrats, der seiner Verwendung harrt. Cicero verwendete den Begriff wiederholt für den Redestoff, sprich: das Baumaterial des Redners. Ebenfalls bereits im klassischen Latein taucht silva im Titeln von Schriften auf, um auf die Mannigfaltigkeit des behandelten Stoffes hinzuweisen.Footnote 27

Zahlreiche Autoren der Renaissance schlossen wie Aldrovandi an diese Begriffsverwendung an, so Bacon in seiner nur wenige Jahrzehnte nach dem Pandechion angelegten, nummerierten und in Zenturien eingeteilten Sammlung naturhistorischer Beobachtungen und Experimente, der 1627 posthum veröffentlichten Sylva sylvarum. Wie ihr Herausgeber im Vorwort darlegt, war sie in Abgrenzung zu früheren naturhistorischen Kollektionen als „materials for the Building“ (Bacon 1670: unpaginiertes Vorwort), das heißt, als Baumaterial für das Gebäude, der zu errichtenden neuen Naturphilosophie gedacht.Footnote 28

Aldrovandis Pandechion epistemonicon war ebenfalls ein Speicherort für Baumaterial. Das in ihm aufbewahrte Material war allerdings noch grundständiger als das in Bacons Sylva sylvarum. Während Bacons nummerierte Beobachtungen und Experimente bereits eine naturhistorische Sammlung darstellten und als Vorstufe zu einer neuen Naturphilosophie gedacht waren, war das Pandechion eine handschriftliche Sammlung von Wissensbausteinen, die für Schriften unterschiedlicher Art eingesetzt werden konnten. Es war für spätere Nutzungen offener angelegt und ein Arbeitswerkzeug, das nicht zur Veröffentlichung vorgesehen war. Und deshalb gehörte hier eben auch alles hinein, während Aldrovandi bei der Abfassung seiner für den Druck gedachten Tiergeschichte selektiver vorging.

Ein zweiter Begriff, den Aldrovandi für sein Papierarchiv verwendete, gibt Auskunft über einen anderen Aspekt des in ihm zusammengestellten Wissens. Mit der Entscheidung, es Pandechion zu nennen, griff Aldrovandi auf die Liste griechischer Titel bei Plinius zurück. In der Einleitung seiner Naturgeschichte erwähnt dieser sogenannte pandektai, das heißt, „allumfassende“ Bücher oder Sammlungen (Plinius 1967: Praefatio, 24, Findlen 1994: 64). Der griechische Begriff der pandektai und die lateinische Bezeichnung pandectes wurden für enzyklopädische Sammlungen verwendet, so für die Pandekten des im Auftrag des oströmischen Kaisers Justinian I. in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts erstellten Corpus iuris civilis. Sie stellen im dritten Teil des Werks eine geordnete und dem Anspruch nach vollständige Zusammenfassung des verbindlichen Rechts dar.

Gessner nannte den zweiten, systematisch gegliederten Teil seiner Bibliotheca universalis in Anlehnung an diesen Teil des Corpus iuris civilis Pandekten, womit er nahe bei Adrovandi war.Footnote 29 Es handelt sich dabei um mehr als eine topisch geordnete Bibliographie. Vielmehr erweist sich dieser Teil der Bibliotheca universalis, wie es Zedelmaier (1992: 52) genannt hat, „bei genauerem Hinschauen als Entwurf eines Rasters zur Verortung von Lektüre“.Footnote 30

Aldrovandis Verwendung des Begriffs blieb indes nicht auf den Bereich der Lektüre beschränkt. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass Aldrovandi neben seiner handschriftlichen Enzyklopädie auch sein Museum Pandechion nannte, das er als pandechio di natura bezeichnete, und das Naturalienkabinett des Großherzogs der Toskana (Findlen 1994: 64, 2004: 32.). Auch bei seinem pandechio di natura handelte es sich um eine enzyklopädische Sammlung – allerdings eine von Dingen statt Worten. Sie umfasste zahlreiche naturalia, ferner die Druckstöcke für seine Holzschnitte sowie seine Zeichnungen von cose di natura.

Lektüreverwaltung im Buchraum

Es ist also keine große Überraschung, dass die als „allumfassend“ bezeichnete handschriftliche Enzyklopädie Aldrovandis riesenhafte Ausmaße annahm. Sie umfasst in der heute vorliegenden Form 83 schwere Folianten, die viele Tausend handschriftlich beschriebene Zettel enthalten, die in alphabetischer Reihenfolge der Loci auf die Seiten geklebt wurden.

Auf jedem Zettel findet sich, wie bereits erwähnt, eine mit dem jeweiligen Schlüsselbegriff beginnende Notiz.Footnote 31 Insofern verkörpert das Pandechion lediglich eine Beobachtung zweiter Ordnung: Notizen, die ursprünglich von Aldrovandi selbst oder von seinen amanuenses im studio angefertigt wurden, wurden erst im Nachhinein, und nicht etwa parallel zur Lektüre, in die Bände des Pandechion eingeordnet. Fertig gestellt wurde das 1568 begonnene Werk erst 1589 (Tugnoli Pàttaro 1981: 19). Noch im April 1588 existierten nach Aldrovandis eigenen Aussagen lediglich 64 der später 83 Bände.Footnote 32

Die Schritte hin zum fertigen Werk hat Aldrovandi wie folgt beschrieben: Er notierte seine Funde zu bestimmten Themen fortwährend auf Papierzettel, die er jeweils nur einseitig beschrieb. Sie wurden zunächst in ungeordneter Form aufbewahrt. In einem zweiten Arbeitsschritt sortierte er sie nach dem Anfangsbuchstaben ihres Themas in Leinensäcke ein, die jeweils die Zettel zu einem Buchstaben des Alphabets enthielten. Innerhalb der Säcke waren sie auch zu diesem Zeitpunkt noch „confusim et mixtim“, wie er erklärte. Zuletzt klebte er sie in streng alphabetischer Ordnung in die Bände seines Pandechion (ebd.: 20).Footnote 33 Erst diese dritte Aufgabe, das Einkleben in die Bände dieser zunehmend gigantischen handschriftlichen Enzyklopädie, brachte die Notate in ihre (zumindest vorläufig) endgültige Ordnung.

Man sieht also, dass Aldrovandi für seine Lektüreverwaltung nicht einfach auf die Loci-Technik mit systematisch gegliederten Orten zurückgriff, wie sie an Schulen und Universitäten vermittelt wurde. Vielmehr kombinierte er eine Reihe von Techniken zu einer paper technology, die ihm für seine Zwecke besonders geeignet erschien. Erst 1568, so vermerkte er, habe er diese Methode nach vielen Versuchen perfektioniert, die er schon viele Jahre zuvor, während seines Jurastudiums begonnen habe (ebd.: 20, Bacchi 2005: 306).

Wie aber wurde das Pandechion konkret erstellt? Abbildung 2 zeigt die erste Seite mit Einträgen zum Begriff monstrum in einem der Bände zum Buchstaben m. Die Seiten wurden üblicherweise in zwei Spalten eingeteilt, so wie die Händler die Seiten des Hauptbuchs gestalteten, dem systematischen der beiden für ihre Buchführung verwendeten Bücher.Footnote 34 Offenbar wurde der erste Zettel zum jeweiligen Gegenstand links oben auf einer Seite eingeklebt und dabei ein gewisser Abstand zum vorangehenden und nachfolgenden Gegenstand eingehalten. Der so abgesteckte Raum sollte sich dann sukzessive in dem Maße füllen, in dem sich weitere Notate zu diesem Begriff ansammelten. Wenn die linke Seitenhälfte vollständig beklebt war, wurde damit begonnen, auch die rechte zu nutzen.

Abb. 2
figure 2

Erste Seite in Ulisse Aldrovandis Pandechion epistemonicon mit Zetteln zum Begriff monstrum (Mit freundlicher Genehmigung der Biblioteca Universitaria di Bologna).Footnote

BUB, Ms. Aldrovandi 105, vol. MIN-MU: fol. 234r.

Aldrovandi und seinen Helfern gelang es nicht immer gleichermaßen gut, den notwendigen Raum im Voraus zu kalkulieren. Viele Seiten sind bis zum Bersten gefüllt, andere – wie in Abb. 2 zu sehen ist – weisen nur auf der linken Seite Zettel auf. Wiederum andere blieben sogar ganz leer, offensichtlich, weil der für einen einzelnen Gegenstand oder eine bestimmte Buchstabenfolge notwendige Raum zu großzügig eingeschätzt worden war.

Dass er sich entschied, seine Lektüre im Buchraum zu verwalten, entspricht der zeitgenössischen Praxis. Wie Zedelmaier zeigen konnte, führten europäische Gelehrte ihre Lektürenotizen bis ins 18. Jahrhundert hinein üblicherweise in Buchform und verwendeten also gerade keine losen Blätter, wie wir sie von modernen Zettelkästen kennen. Diese Praxis entspricht der Betonung des Memorierens als Ziel der Lektüre in zeitgenössischen Exzerpieranleitungen für den gelehrten Leser. Flexible Ordnungen und das Umsortieren einmal verorteter Lesefrüchte oder lose Zettel erschienen den Autoren dieser Texte als Gefahr für die memoria (Zedelmaier 2002: 44).Footnote 36

An das Buch gebundene Techniken der Lektüreverwaltung stellten ihre Benutzer, wie gerade gesehen, jedoch vor ein für sie typisches Problem: Man musste im Voraus abschätzen, wie viel Platz für einen bestimmten Begriff, einen bestimmten Gegenstand benötigt würde und den verfügbaren Raum entsprechend aufteilen. In der Praxis stellte sich die Frage, wie viele Seiten zwischen einem auf die Seite geschriebenen Topos und dem nächsten freigelassen werden sollten. Eine Fehlkalkulation zog unweigerlich ein Platzproblem nach sich.

Die von Aldrovandi verwendete Technik des Ausschneidens und Einfügens (cut and paste)Footnote 37 konnte diese Problematik nicht vollständig beheben. Aber sie kam ohne auf die Seite geschriebene Topoi aus und bot zudem die Möglichkeit, Zettel im Falle einer Fehleinschätzung des benötigten Raums wieder von der Seite abzulösen und neu zu disponieren. Dass er davon Gebrauch machte, bezeugen im Pandechion Klebespuren einmal eingeklebter und wieder entfernter Zettel. Nicht selten traten neue Zettel an ihre Stelle.Footnote 38

Dieser Aspekt des cut and paste wird auch durch eine Aussage des Physikers Robert Hooke erhellt. Offensichtlich kam es dabei auf den Kleber an. Hooke riet dazu, die präzisen Beobachtungen, wie ein bestimmtes Experiment durchgeführt wurde, auf ein kleines Stück Papier von sehr guter Qualität zu schreiben. Für die Aufbewahrung der entsprechenden Zettel empfiehlt er das Einkleben in Bücher. Denn es sei,

very convenient to have a large Book bound after the manner of those that are very usual for keeping Prints, Pictures, Drawings, etc. to preserve them smooth and in order: On the sides of which, in the same manner as those Pictures are kept, it would be convenient to stick on with Moth Glew […] But they may at any time, upon occasion, be presently remov’ed or alter’d in their Position or Order, that which was plac’d first may be plac’d middle most, or last. (Waller 1705: 587)

Vorbehaltlich der Verwendung der richtigen Materialien brachte das cut and paste den Vorteil mit sich, dass bereits verortete Notate im Bedarfsfalle neu verortet werden konnten. Hookes Hinweis auf „Moth Glew“, Mottenleim, ist so zu verstehen, dass ein Leim gewählt werden sollte, der über einen längeren Zeitraum hinweg klebrig bliebe und somit erlaubte, Zettel notfalls wieder von der Seite zu lösen.

Diese Technik bot weitere Vorteile. So konnte das Exzerpieren und Einfügen der Notate in das Pandechion in von einander getrennten Arbeitsschritten erfolgen und ermöglichte so das arbeitsteilige Erledigen dieser Tätigkeiten. Im Zeitalter der ans Buch gebundenen Literaturverwaltung war das cut and paste in Kombination mit einem Kleber, der es erlaubte, einmal Aufgeklebtes wieder von der Seite abzulösen, für die Verwaltung einer unbekannten, möglicherweise unbegrenzten Anzahl von Einträgen schlechthin ideal. Sicher war dies ein wichtiger Grund für die weitere Verbreitung dieser Technik, die von verschiedenen Gelehrten für die Verwaltung ihrer Lektüre verwendet wurde, zu denen Gessner wie der italienische Universalgelehrte Gerolamo Cardano zählten.Footnote 39 Mit Gessner stand Aldrovandi in brieflichem Austausch, und Cardano gehörte zu den von ihm meistgeschätzten Autoren. Gessner beschreibt seine Technik des cut and paste im zweiten Teil seiner Bibliotheca universalis. Da Aldrovandi ein Exemplar dieses Werks besaß, könnte seine eigene Praxis durchaus von Gessner beeinflusst gewesen sein, auch wenn er ihn, möglicherweise aus Konkurrenzgründen, nicht zitiert hat.Footnote 40

Aldrovandi verwendete die gerade beschriebene Technik nicht nur bei der Erstellung des Pandechion epistemonicon, denn er dankte seiner Frau für die Zusammenfügung seines Lexicon unbelegter Dinge, womit offenbar das ordnende Einkleben seiner Bestandteile für den Drucker gemeint war (Findlen 1994: 44 f., Blair 2003: 26 f.). Überdies wurde das zweibändige Gästebuch seines Naturalienkabinetts nach diesem Prinzip geführt, in das die Signaturen der Besucher erst im Nachhinein eingeklebt wurden.Footnote 41

Alphabet und Topik

Wie ich gezeigt habe, verwaltete Aldrovandi seine Wissensbausteine, wie in der Renaissance üblich, in einer ans Buch gebundenen Form. Wie hat er seine Notizen im Buchraum organisiert? Hier entschied er sich zugunsten einer alphabetischen und damit gegen eine systematische Ordnungsweise. Die alphabetische Ordnung des Wissens war bekanntlich keine Erfindung des 18. Jahrhunderts, denn schon in der Frühen Neuzeit gab es einzelne derart disponierte Enzyklopädien.Footnote 42 Insofern stellt das Pandechion keine Anomalie dar. Ferner waren die großen systematischen Enzyklopädien seit dem Spätmittelalter immer auch mit einem alphabetischen Register ausgestattet. Allerdings erst im 18. Jahrhundert wurde das Alphabet zur paradigmatischen Dispositionsform. Diese Entwicklung stand in einem engen Zusammenhang mit der Auflösung des topischen Wissensmodells (Zedelmaier 2007: 839 f.), welches zu Aldrovandis Lebzeiten noch intakt war.

Umso mehr stellt sich die Frage, wieso der italienische Naturforscher sich für eine alphabetische Ordnung entschied. Der Erfolg des topischen Wissensmodells erklärt sich unter anderem aus der mit ihm verbundenen Vorstellung, der zufolge verortetes Wissen besser zu memorieren sei als auf andere Weise disponiertes, und dass Notizen primär dem Erinnern des Notierten dienen sollten. Wie bereits Yates in ihrer wegweisenden Studie zur Rezeption der antiken ars memoria eingeräumt hat, wurde im 16. und 17. Jahrhundert jedoch von gelehrter Seite zunehmend Kritik an der Mnemotechnik mit Hilfe von Bildern oder Verortung geäußert (Yates 1966, Blair 2010b: 75 f.).

Aldrovandi reihte sich in die Riege dieser Kritiker ein: Er beklagte sich darüber, dass die Mühen, die investiert werden müssten, das System der Örter zu erlernen, dessen Nutzen überwögen.Footnote 43 Für das von ihm bevorzugte System der alphabetischen Disposition seiner Notizen fand er nach eigener Aussage die Anregung bei der Buchführung von Kaufleuten.Footnote 44 Handelt es sich hierbei um mehr als die zu diesem Zeitpunkt bereits topisch zu nennende Bezugnahme auf die weithin bekannte doppelte Buchführung?

Frühneuzeitliche Gelehrte verwiesen häufig auf die kaufmännische Praxis der doppelten Buchführung, in der die Gegenstände in zwei Notizbüchern (das eine chronologisch nach Form der Adversaria und das andere systematisch geordnet) verzeichnet wurden, als Vorbild für ihre Praktiken der Lektüreverwaltung.Footnote 45 Solche Bezüge standen in einer langen Tradition und sind daher in vielen Fällen als topisch zu verstehen.Footnote 46 Für das Aufgreifen dieser Praxis unter Gelehrten war die humanistische Pädagogik, in der das Führen von Loci communes eine zentrale Rolle einnahm (Blair 2010b: 69), ohne Zweifel wichtiger als das reale Vorbild frühneuzeitlicher Händler. Aldrovandis Fall weicht indes in zweierlei Hinsicht von der Regel ab: Erstens berief er sich nicht für das System der doppelten Buchführung auf die kaufmännische Buchführungspraxis, sondern für das alphabetische Disponieren der Notate innerhalb seines topisch organisierten Buchs, des Pandechion. Zweitens stützte er sich auf die eigene Erfahrung, die es ihm ermöglicht hatte, Händlern bei ihrer Arbeit über die Schulter zu blicken.

Wie kam ausgerechnet Aldrovandi als Sohn norditalienischer Adliger in die Lage, die Buchführungspraxis der Kaufleute selbst besichtigen zu können? Sein Vater war Notar und Sekretär des Senats von Bologna. Zudem hatte seine Familie enge Verbindungen zum späteren Papst Gregor XIII. (1572–1585), der ebenfalls aus Bologna stammte und Aldrovandis Laufbahn als Gelehrter unterstütze. Als junger Mann studierte Aldrovandi Arithmetik bei Annibale della Nave, später dann umanità und Recht, Philosophie, Mathematik und Medizin in Bologna und Padua, also an zwei nicht zuletzt unter Medizinern weit über Italien hinaus hoch angesehenen Universitäten.

Erst 1553 wurde ihm in Bologna der Doktortitel der Medizin verliehen. Durch seine Aufnahme ins Collegio dei Dottori Bolognas erwarb er die Berechtigung zu praktizieren – wovon er allerdings keinen Gebrauch machen sollte – und lebenslang an der Universität zu lehren. An der Universität von Bologna wurde er darüber hinaus zum Lehrer für Logik ernannt. Noch wichtiger für sein Hauptinteresse war seine 1561 erfolgte Berufung zum ersten Professor für Naturgeschichte in Bologna, genau genommen als Professor für Geschichte der semplici.Footnote 47

Eine weniger beachtete und bislang nicht auf das Pandechion bezogene Episode,Footnote 48 die uns im obigen Zusammenhang interessieren muss, datiert noch vor sein universitäres Studium. Sie erklärt sich teilweise aus finanziellen Engpässen bedingt durch den Tod seines Vaters im Jahre 1529. Aus öko-nomischen Gründen, aber wohl auch auf das Anraten seines Lehrers Annibale della Naves hin arbeitete Aldrovandi als Buchhalter und Schreiber bei einem Händler in Bologna – eine Tätigkeit, bei der er seine inzwischen erworbenen mathematischen Kenntnisse anwenden konnte.Footnote 49

Aldrovanis Mutter Veronica d’Antonio Marescalchi und sein Onkel unterstützten die mathematische Neigung des inzwischen vierzehnjährigen Sohnes und beschafften ihm eine Anstellung bei einem Kaufmann in Brescia, wo er 1536 circa ein Jahr lang arbeitete. Wie er in seiner Autobiographie später darlegte (Aldrovandi 1907: 4), soll er sich als junger Mann als wahres Buchhaltungstalent erwiesen haben. Sein Arbeitgeber in Brescia hätte sich rundum mit ihm zufrieden gezeigt, weil er sehr engagiert (dedito) und für diese Tätigkeit sehr geeignet (atto) gewesen sei.

Nicht nur die Verwendung von Zetteln und Leim, sondern auch die Ordnung, die er später seiner silva zugrunde legte, verdankte sich damit anderen Erfahrungen als der universitären Lehre. Offensichtlich hatte Aldrovandi sich während seiner Zeit bei den Kaufleuten zunächst in Bologna und dann in Brescia mit dem alphabetischen Ordnen von Einträgen im so genannten Hauptbuch der Buchführung vertraut gemacht.

Eine weitere Besonderheit seiner Methode, die Verwendung von Säcken für die vorübergehende Aufbewahrung der für das Pandechion vorgesehenen Zettel, verweist auf einen nichtakademischen Bezugsrahmen: Die Aufbewahrung von Dokumenten in Säcken, die bestimmten Themen gewidmet waren, ist aus der höfischen Verwaltung Maximilians I. im 16. Jahrhundert bekannt, und es ist zu vermuten, dass derartige Techniken zu Aldrovandis Lebzeiten auch andernorts in der Verwaltung verbreitet waren.Footnote 50

Das Wissen von den Zentauren sammeln und ordnen

Ulisse Aldrovandi investierte in die Entwicklung und in die sich über viele Jahre hinziehende Erstellung des Pandechion epistemonicon viel Mühe und Geld. Man denke hier an die großen Mengen Papier und an die zahlreichen unter seiner Anleitung mit dem Anfertigen von Notizen, ihrem Ausschneiden und Einkleben befassten Helfer.Footnote 51 Als wie wertvoll erwies sich dieser Aufwand in der konkreten Schreibpraxis? Konnte das so entstandene Werk mehr leisten als die Bereitstellung von Faktoiden für die spätere inventio in wohlgeordneter Form?

Aldrovandis Schreibmethode kann im Rahmen dieses Beitrags nur in Ansätzen dargelegt werden. In meinem letzten Beispiel werde ich versuchen, mich Gegenständen der Naturforschung zu nähern, deren ontologischer Status unter Aldrovandis Nachfolgern bereits umstritten war. So enthält seine Naturgeschichte zahlreiche Abschnitte zu und Bilder von Phänomenen, deren Existenz spätestens seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mehr als fraglich erschien, wie der Zentaur.

Aldrovandis Umgang mit dem Wissen über die Zentauren demonstriert, dass das Pandechion zwar primär dem Sammeln und geordneten Ablegen von einen Gegenstand betreffenden Passagen in der Literatur diente, aber zudem indirekt dazu beitrug, Fragen über die beschriebenen Phänomene erst zu generieren. Auf der Basis der alphabetisch sortierten Notate erstellte er in seiner Naturgeschichte Listen der Fürsprecher und Zweifler als ersten Schritt hin zur Entscheidung, ob Zentauren als real anzusehen seien. Die topische Ordnung seiner handschriftlichen Enzyklopädie, die ihn zwang, zu entscheiden, welche Notate auf den Gegenstand des Zentauren zu beziehen seien, bedingte ferner seinen Umgang mit der Kategorie des Zentauren mit.

Zentauren werden in Aldrovandis Naturgeschichte an zwei Stellen ausführlich behandelt, zunächst in De quadrupedibus solidipedibus volumen integrum (1616), dem Band seines Oeuvres, der sich mit den Unpaarhufern auseinandersetzt und dann in seiner Monstrorum historia. Beide Darstellungen unterscheiden sich kaum. Die Überschrift des Abschnitts in De quadrupedibus solidipedibus volumen integrum bringt seine Fragestellung zum Ausdruck: Hier fragt er, ob Zentauren vollständig fabulös seien („CENTAVRI SIVE HIPPOCENTAVRI an omnino fabulosi.“). Aldrovandi verfuhr jeweils wie folgt: Zunächst listete er alle ihm bekannten Autoren auf, die für die Existenz der Zentauren sprechen und gab deren Aussagen wieder. Dann notierte er die ihm bekannten Autoren, die nicht an ihre Existenz glauben. Beide Übersichten stellt er dem Leser vollständig vor Augen, wobei er sich selbst einer eigenen, explizierten Meinung zu dieser Frage enthielt. Die Reihenfolge, in der er die beiden Personengruppen präsentiert, könnte allerdings dafür sprechen, dass er eine Präferenz für die Zweifler hatte.Footnote 52

Die umfangreiche Auflistung der Zentauren-Gegner und -fürsprecher in zwei Bänden seiner Naturgeschichte führt uns deutlich vor Augen, wie grundlegend Aufschreibetechniken für Naturforscher wie Aldrovandi waren: Das Pandechion epistemonicon stellte eine große Fülle, copia, von Zitaten und Literaturnachweisen für Aldrovandis Diskurs bereit. Indirekt trug es so auch zur Klärung des ontologischen Status’ des Zentauren bei. Dabei liegen die Notate zum Zentauren im Pandechion lediglich alphabetisch geordnet vor. Der epistemisch entscheidende Schritt des Ordnens der Faktoide in zwei Listen fand also erst später statt. Ohne einen gut organisierten Speicher umfangreichen Baumaterials wäre Aldrovandi aber kaum imstande gewesen, solche umfassenden Listen aufzustellen und somit die Basis für ein Urteil darüber zu legen, ob das fragliche Wesen existiere beziehungsweise einmal existiert haben könnte. Er selbst bezog keine Position und es bleibt offen, ob er sich schlicht noch nicht sicher war oder wie Bacon im Novum organum (I: cxviii) die Auffassung vertrat, dass gewisse Unsicherheiten zu Beginn einer umfassenden naturgeschichtlichen Erfassung der Welt unvermeidlich seien.

Der zweite epistemische Effekt, den das Pandechion zeitigte, äußert sich in der Mannigfaltigkeit der Wesen, die Aldrovandi unter den Begriff des Zentauren subsumierte. Diese Vielfalt ist in seiner handschriftlichen Enzyklopädie bereits angelegt: So widmete er allein den Zentauren und eng mit ihnen in Zusammenhang stehenden Spezies weit über hundert Zettel. Es finden sich 129 Einträge über centauri im Band zu den Begriffen mit den Anfangsbuchstaben CAR-CER und 17 im Band zu CAB-CIB. Darüber hinaus hat der Band H-HIRUN fünf Zettel zum Begriff hippocentaurus, und zwei weitere zum Begriff onocentaurus wurden in Band OLIB-ORO eingeklebt. Die Notate zu den centauri, den onocentauri und den hippocentauri finden sich, der alphabetischen Ordnung der Faktoide entsprechend, über mehrere Bände der handschriftlichen Enzyklopädie verteilt.Footnote 53 Die Fülle der relevanten Notizen und die Unterschiedlichkeit der jeweils thematisierten Wesen legte es offensichtlich nahe, eine Verschiebung der Grenzen dieser Kategorie selbst vorzunehmen.

In De quadrupedibus solidipedibus volumen integrum und in seiner Monstrorum historia dokumentierte Aldrovandi im Abschnitt zu den Zentauren diese Berichte über teils sehr unterschiedliche Wesen, von denen einige zwei, andere vier Beine aufweisen und die Elemente der Gestalt des Menschen und des Pferdes oder des Esels in sich vereinen, nunmehr im Druck. Er zog aus diesen Berichten die Schlussfolgerung, dass die Definition des Begriffs Zentaur dahingehend verändert werden sollte, dass sie alle unterschiedlichen Varianten in sich fassen kann.

Eine für die naturkundliche Praxis entwickelte paper technology im Gewand der klassischen Tradition

Naturkundige der Renaissance, das zeigt nicht nur das Beispiel Aldrovandis, gaben sich mit zunehmender persönlicher Erfahrung nicht mehr mit dem zufrieden, was in der jüngeren Forschung zur Geschichte des Lesens als zentral für die in diesem Zeitraum vorherrschenden Praktiken der Lektüre angesehen wurde: das Anlegen systematisch geordneter Loci communes. Wie bereits erwähnt, argumentiert Blair, dass Jean Bodins Universae naturae theatrum besonders stark die Verwendung der handschriftlichen Sammlung von Loci communes anzumerken sei. Sie äußert ferner die Vermutung, dass dies auch damit zusammenhänge, dass Bodin in der Naturphilosophie vergleichsweise wenig erfahren war (1992: 546 f.).Footnote 54 Aus Aldrovandis Beschreibungen seines Pandechion epistemonicon spricht nicht zuletzt ein gewisser Stolz, den er daraus zog, die hier zum Einsatz gekommenen Techniken über viele Jahre hinweg entwickelt beziehungsweise kombiniert zu haben.

Wie ich genauer ausgeführt habe, lernte Aldrovandi seine Arbeitstechniken nicht in der Schule oder an der Universität, obschon er nach eigenen Aussagen bereits während des Studiums der Jurisprudenz erste Versuche unternommen hatte, eine ihn zufriedenstellende Methode für die Lektüreverwaltung zu entwickeln. Er wurde in der kaufmännischen Buchführung fündig sowie vermutlich von seinem Schweizer Kollegen Konrad Gessner angeregt. Dabei experimentierte er mit unterschiedlichen Formaten und Ordnungsprinzipien.

Als humanistischer Gelehrter griff er für das so entstandene Werk auf Begriffe zurück, die fest in der klassischen Tradition verwurzelt waren: In generischer Hinsicht war es eine silva, ein Speicherort für das Baumaterial, das sein Besitzer für die eigene Wissensgenerierung gebrauchte. Die Wahl des Konzepts der pandektai verweist auf den mit diesem Werk verbundenen enzyklopädischen Anspruch.

Wie fruchtbar und zentral es für seine Arbeitsweise war, zeigt nicht zuletzt Aldrovandis Umgang mit den seltenen Dingen der Natur. Grundlegend war dabei die umfassende Sichtung der Literatur zu einem gegebenen Gegenstand. Selbst Aussagen und Fälle, deren Wahrheitsgehalt er anzweifelte, sah er im Zweifelsfall als zu wertvoll an, um sie seinem Leser vorzuenthalten.

Die so entstandenen Auflistungen galten späteren Gelehrten als Ausweis einer vermeintlichen Leichtgläubigkeit. Das geht aber an ihrer Intention vorbei. Sie stellen vielmehr einen Versuch dar, das überlieferte Material in produktiver Weise durchzumustern und zu bewerten. Bei der Anfertigung möglichst vollständiger Übersichten der überlieferten Fälle und Aussagen zu seltenen und umstrittenen Gegenständen erwies sich die handschriftliche Enzyklopädie des italienischen Gelehrten als außerordentlich nützlich. Besonders in Zeiten der größeren Verbreitung eines Naturverständnisses, demzufolge sich die Hervorbringungen der Natur durch Fülle und Vielfalt auszeichneten, waren papierne Hilfsmittel wie das Pandechion von unschätzbarem Wert.

Danksagung

Dieser Beitrag geht auf einen Vortrag zurück, den ich im Rahmen der gemeinsam mit Angela Fischel organisierten Sektion Objekt-Bild-Text. Medien des Wissens und ihre Forschungstechnologien in der frühneuzeitlichen Naturphilosophie auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für die Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik 2011 in Stuttgart gehalten habe. Ich möchte mich bei Angela Fischel, Angela Mayer-Deutsch und insbesondere dem Kommentator der Sektion, Helmut Zedelmaier, für ihre scharfsinnigen Hinweise und Anregungen bedanken. In die Überarbeitung des Beitrags für den Druck sind außerdem Erkenntnisse eingeflossen, die ich den Beiträgen und Diskussionen der Sektion Paper Technology. Gelehrte Aufzeichnungspraktiken in der frühneuzeitlichen Medizin verdanke. Ebenfalls Dank gebührt der Italian Academy for Advanced Studies in America an der Columbia University, deren großzügiges Fellowship es mir ermöglicht hat, unter hervorragenden Bedingungen an diesem Beitrag zu arbeiten, den ebenso hilfsbereiten wie geduldigen Bibliothekarinnen der Biblioteca Universitaria di Bologna sowie den Gastherausgebern, der Redaktion und den externen Gutachtern und Gutachterinnen der NTM.