Skip to main content
Log in

Literaturwissenschaft im Zeitalter des Nihilismus? Paul de Mans Nietzsche-Lektüre

  • Published:
Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Auseinandersetzung mit zwei Nietzsche-Aufsätzen aus de Mans Allegorien des Lesens, mit “Genese und Genealogie” und “Rhetorik der Tropen.” Es wird gezeigt, daß der Versuch einer Inanspruchnahme Nietzsches als eines Vorläufers des Dekonstruktivismus fehlgeht und daß de Man jenem Feld verhaftet bleibt, das Nietzsche als Nihilismus bezeichnet hat.

Abstract

Discussion of two essays on Nietzsche from de Man’s Allegories of Reading: “Genesis and Genealogy” and “The Rhetoric of Tropes.” De Man’s claim on Nietzsche as a forerunner of his own kind of deconstruction is proved to be wrong. The author demonstrates that de Man remains closely bound to the values and attitudes of what Nietzsche used to call nihilism.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this article

Price excludes VAT (USA)
Tax calculation will be finalised during checkout.

Instant access to the full article PDF.

Literature

  1. Im folgenden muß aus Umfangsgründen die Kenntnis der Grundbegriffe und Grundzüge des Dekonstruktivismus vorausgesetzt werden. Zur Einführung siehe Manfred Franks Ausführungen über Derrida in: M.F., Was ist Neostrukturalismus? (1984), sowie: Jonathan Culler, Dekonstruktion: Derrida und die poststrukturalistische Literaturtheorie, aus dem Amerikanischen von Manfred Momberger (1988). Vgl. auch: Ernst Behler, Derrida–Nietzsche s Nietzsche–Derrida (1988).

    Google Scholar 

  2. Paul de Man, Allegorien des Lesens, aus dem Amerikanischen von Werner Hamacher und Peter Krumme, mit einer Einleitung von Werner Hamacher (1988); die beiden Nietzsche-Aufsätze darin S. 118–145 und S. 146–163. Sofern es sich nicht um Querverweise handelt, beziehen sich die Seitenangaben im Text auf diese Ausgabe.–Der dritte Nietzsche-Aufsatz “Rhetorik der Persuasion” (S. 164–178) konnte aus Umfangsgründen eben sowenig behandelt werden wie die Nietzsche-Bezüge in “Anthropomorphismus und Trope in der Lyrik” (S. 179–204), doch können gegen diese Ausführungen tendenziell vergleich bare Einwände vorgebracht werden. Dies zu zeigen, bleibt einer folgenden Auseinandersetzung vorbehalten.

    Google Scholar 

  3. Paul de Man, “Shelley Disfigured,” in: Harold Bloom u.a., De construction and Criticism (1979), S. 39–74, hier: S. 69; zitiert nach der Übersetzung des in Anm. 3 zitierten Buches von Jonathan Culler, dort S. 314f.

    Google Scholar 

  4. Siehe dazu: Thomas Böning. Metaphysik, Kunst und Sprache beim frühen Nietzsche, Monographien und Texte zur Nietzsche-Forschung, 20 (1988), S. 445–455.

    Google Scholar 

  5. Martin Heidegger, Die Selbstbehauptung der deutschen Universität/Das Rektorat 1933/34 (1983), S. 28.

    Google Scholar 

  6. Martin Heidegger, Heraklit: 1. Der Anfang des abendländischen Denkens, 2. Logik. Heraklits Lehre vom Logos, hrsg. Manfred S. Frings, Gesamtausgabe, 55 (1979), S. 26.

    Google Scholar 

  7. Vgl. dazu Martin Heidegger, Nietzsche, 2 Bde. (1961), I, 105. Siehe auch Böning, S. 379–394, Anm. 259.

    Google Scholar 

  8. Friedrich Nietzsche, Werke und Briefe: Historisch-kritische Gesamtausgabe, 5 Bde. (1933–1942), III, 352–361; siehe dazu: Böning, S. 1–6.

    Google Scholar 

  9. Paul de Man “Promises (Social Contract),” Allegories of Reading: Figural Language in Rousseau, Nietzsche, Rilke, and Proust (1979), S. 246–277, hier: S. 277; siehe dazu die Einleitung zu den Allegorien des Lesens, S. 20ff. 82 Siehe dazu Böning, S. 208–212, S. 223–261.

    Google Scholar 

  10. Friedrich Nietzsche, Gesammelte Werke, Musarionausgabe, 23 Bde. (1920–1929), V, 298.

    Google Scholar 

  11. Manfred Frank, Die Unhintergehbarkeit von Individualität: Reflexionen über Subjekt, Person und Individuum aus Anlaß ihrer ‘postmodernen Toterklärung (1986), S. 12f.

    Google Scholar 

  12. Winter 1869/70–Frühjahr 1870, 3 [3], KGW III/3, S. 59; vgl. dazu Böning, S. 201 f. Im Frühjahr 1888 bemerkt Nietzsche über seine philosophische Erstlingsschrift: “Das Wesentliche an dieser Conception ist der Begriff der Kunst im Verhältniß zum Leben: sie wird, ebenso psychologisch als physiologisch, als das große Stimulans aufgefaßt, als das, was ewig zum Leben, zum ewigen Leben drängt…” (14 [23], KGW VIII/3, S. 20). Noch der späte Nietzsche aber muß erkennen, daß er von diesem für ihn phänomenal immer leitenden Ansatz wieder in den ausdrücklich kritisierten Schopenhauerschen zurückgefallen ist–und dies nicht zufällig, sondern notwendig aus dem kunstwidrigen Bestreben heraus, die Kunstwerke anhand der metaphysischen Frage nach dem Grund zu bewerten. Im Frühjahr 1888, 14 [170], KGW VIII/3, S. 148f., notiert er sich nämlich als Charakteristik der Physiologie des ästhetischen Zustandes u.a.: “3. das Nachmachen-Müssen: eine extreme Irritabilität, bei der sich ein gegebenes Vorbild contagiös mittheilt,–ein Zustand wird nach Zeichen schon errathen und dargestellt… Ein Bild, innerlich auftauchend, wirkt schon als Bewegung der Glieder… eine gewisse Will ens-Aushängung… (Schopenhauer!!!!)” (das Zitat genau so). Ebenso wie die Notizen zu seiner späteren Relektüre der Geburt der Tragödie macht diese Aufzeichnung deutlich, daß sich Nietzsche durch die Übernahme der “Schopenhauerischen und Kantischen Formeln” mehr als nur seine philosophische Erstlingsschrift verdorben hat: Durch sie hat sein gesamter Denkweg eine unfruchtbare Richtung genommen, weil er sich auf einem großen Umweg die tragende Einsicht der Artisten-Metaphysik wieder zudenken mußte, daß die an der Kunst abzulesende Herausdrehung aus dem metaphysischen Denken in der Abweisung der Frage nach dem Grund beschlossen liegt; s. dazu die glänzende Arbeit von Holger Schmid, Nietzsches Gedanke der tragischen Erkenntnis (1984), S. 93ff. Mit den Worten aus der Genealogie der Moral (3. Abhandlung: was bedeuten asketische Ideale?, Abschnitt 4, KGW VI/2, S. 361): “Die Einsicht in die Herkunft eines Werks geht die Physiologen und Vivisektoren des Geistes an: nie und nimmermehr die ästhetischen Menschen, die Artisten!” Vgl. dazu Böning, S. 261–321.

    Google Scholar 

  13. 7 [58] KGW III/3, S. 159f. Vgl. vor allem: August-September 1885, 40 [57], KGW VII/3, S. 388. Zur Bedeutung des Widerspruches bei Nietzsche s. ausführlich Boning, S. 118–122. Siehe auch Friedrich Schlegel, Kritische Schriften und Fragmente, hrsg. Ernst Behler und Hans Eichner, 6 Bde. (1988), V, 98, Nr. 1080: “Die Antinomieen hätten Kanten nicht bewegen sollen, das Unendliche aufzugeben, sondern den Satz des Widerspruchs.–”

    Google Scholar 

  14. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, 33 Bde. (Nachdruck 1984), XVI, Sp. 1651.

    Google Scholar 

  15. Martin Heidegger, Sein und Zeit, 14., durchgesehene Auflage mit den Randbemerkungen aus dem Handexemplar des Autors im Anhang (1977), S. 9. Vgl. auch Werner Hamacher in der Einleitung zu den Allegorien des Lesens, S. 8.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Additional information

Die Ausführungen wurden in stark verkürzter Form am 29.9.89 auf dem Nietzsche-Kolloquim in Sils-Maria (28.9.–1.10.89) vorgetragen.

Rights and permissions

Reprints and permissions

About this article

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this article

Böning, T. Literaturwissenschaft im Zeitalter des Nihilismus? Paul de Mans Nietzsche-Lektüre. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 64, 427–466 (1990). https://doi.org/10.1007/BF03396177

Download citation

  • Published:

  • Issue Date:

  • DOI: https://doi.org/10.1007/BF03396177

Navigation