Zusammenfassung
Ein wichtiger Teil unserer Gegenwartsliteratur sieht sich seiner Herkunftsregion verpflichtet. Der Aufsatz unterscheidet traditionelle Heimatdichtung, neue Dialektlyrik und regionalistische politische Literatur und überprüft, ob und inwiefern dieser Anspruch jeweils gerechtfertigt ist. Von diesem Befund ausgehend, werden schließlich literaturwissenschaftliche Ansätze diskutiert, welche regionale Orientierungsraster benutzen oder die Begriffe “Region” und “Regionalismus” als Beschreibungskategorien verwenden.
Abstract
An important part of our contemporary literature claims a distinctive relation to the region of its origin. This essay distinguishes traditional “Heimatdichtung,” modern dialectal poetry and regionalistic literature, and examines, if and in how far that claim is legitimate. On the basis of these results we finally discuss some concepts of literary critics who use regional patterns in order to write the history of literature or who apply the terms “region” and “regionalism” as descriptive categories.
Literatur
Frank Trommler, “Auf dem Wege zu einer kleineren Literatur,” Tendenzen der deutschen Gegenwartsliteratur, hrsg. T. Koebner, 2. Aufl. (1984), S. 28.
Norbert Mecklenburg, Erzählte Provinz: Regionalismus und Moderne im Roman (1982).
Vgl. Literatur einer Kegion: Dortmunder Autoren in Darstellungen und im Deutschunterricht, hrsg. Albin Lenhard (1981).
Vgl. exemplarisch Helmut Metzger, “Die Bandscheib,” Ebbes for Patiente: “Medizynisches” in Pfälzer Mundart-Versen (1986), S. 63f.
Vgl. Fernand Hoffmann und Josef Berlinger, Die Neue Deutsche Mundartdichtung (1978), S. 11–15.
Zitiert nach Steffen Radlmaier, Beschaulichkeit und Engagement: Die zeitgenössische Dialektlyrik in Franken (1981), S. 27.
Vgl. etwa Gerhard Rühm, Gesammelte Gedichte und visuelle Texte (1970), S. 141.
Alfred Gesswein, Rama dama, rama woima, rama miasma (1975), S. 17 (Übersetzungsversuch: “der herr karl / schaun sie / ich bin ein guter mensch / ich helfe einem jeden / aber die rotzbuben / die jetzt herumrennen / ließe ich verhungern”).
Hinterskirchener Lesebuch 1, hrsg. Martin Glatzel und Walter Metzeler (1986), S. 138 (Übersetzungsversuch: “Eine Lederhose / bleibt eine Lederhose / egal wer drinsteckt / Ein Preuße / ein Amerikaner / oder gar ein Bayer / Eine Lederhose / ist Folklore / egal wer drinsteckt / Ein Preuße wird zum Bayern / ein Amerikaner wird zum Bayern / ein Bayer wird verdächtig).
Ina-Maria Greverus, Der territoriale Mensch (1972); Auf der Suche nach Heimat (1979).
Aufstand der Provinz: Regionalismus in Westeuropa, hrsg. Dirk Gerdes (1980). Siehe Einleitung von D. Gerdes, S. 14.
Günter Kunert, “Heimat als Biotop: Versuch einer Definition.” Bislang unveröffentlichtes Vortragsmanuskript (1986), demnächst in Passauer Pegasus, 12 (1988).
Friedrich Malz, Taschenwörterbuch der Umweltplanung: Begriffe aus Raumforschung und Raumordnung (1974), S. 447.
Vgl. Punkt 4 der Erklärung der Konvention des Europarates über die Probleme der Regionalisation vom 1. 2. 1978. Zitat nach Karl Mitterdorfer, “Der Regionalismus: Phänomen und politischer Stellenwert,” Regionalismus in Europa, hrsg. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (1981), S. 11.
Friedrich von Krosigk, “Zwischen Folklore und Revolution: Regionalismus in Westeuropa,” Aufstand der Provinz, S. 26: “Sie variieren auf einer Bandbreite, die von der Forderung nach verstärkter Selbstverwaltung und regionaler Dezentralisierung über antikapitalistisch-anarchistische Positionen bis hin zum radikalen Separatismus nationalistischer Prägung reichen.” Vgl. auch Christian Giordano u.a., “‘Wir alle sind für die Region’: Sieben Plädoyers, die kein Spaß sind,” ÖKOlogie, PROvinz, REGIONalismus, hrsg. Ina-Maria Greverus und Erika Haindl (1984), S. 261–315.
Vgl. W. Conor, “Nation-Building or Nation-Destroying,” World Politics, 24 (1972), S. 319–355.
So verfolgt Krosigk E. Gellners Analyse (“Nationalism,” Thought and Change [1964]) der Wechselbeziehungen zwischen Nationalismus und ungleicher industrieller Entwicklung. Danach müssen zur regionalen Differenzierung im Zuge des Modernisierungsprozesses gewisse “differentiae” (sprachlicher, kultureller, religiöser, rassischer oder geographischer Art) treten, um nationalistische Bewegungen aufkeimem zu lassen.
Michael Hechter, Internal colonialism (1975).
Vgl. Suzanne Berger, “Bretons and Jacobins: Reflections on French Regional Ethnicity,” Ethnie Conflict in the Western World, hrsg. Milton J. Esman (1977), S. 159ff.
Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte hat sich die elsässische Bewegung immer stärker für ökologische Probleme interessiert, wobei diese Entwicklung mit dem Generationenwechsel, dem gesamteuropäischen Trend und auch besonderen Lokalereignissen einhergegangen ist. Dabei wurde vielen Menschen klar, daß die traditionell-autonomistischen Konzepte gegenüber modernen Umweltproblemen oder der Kooperation international verflochtener Industriekonzerne antiquiert sind. Größere Zusammenhänge waren ins Auge zu fassen, Verbündete außerhalb der eigenen Region zu suchen. Die Entdeckung der “alemannischen Internationale” ist nur ein logischer Schritt am Anfang dieser Entwicklung. Eine der wichtigsten Publikationen der Bewegung erschien unter dem programmatischen Titel Whyl: Kein Kernkraftwerk in Whyl und auch sonst nirgends, hrsg. Bernd Nössler und Margret de Witt (1976).
Beispiele in Nachrichten aus dem Elsass 2: Mundart und Protest, hrsg. Adrien Finck (1978); vgl. etwa Henri Mertz, “Whyl, Kaiseraugst un Fessenheim!,” S. 105.
André Weckmann, “chinesisch,” schang d sunn schint schun lang: liëder fer d elsasser (1975), S. 62.
Vgl. Renate von Heydebrand, “Was ist und zu welchem Ende betreibt man Literaturgeschichte für die Provinz Westfalen (1815–1845)?,” Grabbe-Jahrbuch, 4 (1985), S. 81.
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Ecker, HP. Region und Regionalismus Bezugspunkte für Literatur oder Kategorien der Literaturwissenschaft?. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 63, 295–314 (1989). https://doi.org/10.1007/BF03396340
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