Zusammenfassung
Unter „Reflexempfindung“ wird verstanden eine Empfindung deren Ursprung in den Schaltneuronen eines Reflexbogens gelegen ist. Es wird angenommen, daß diese Zwischenneurone einerseits durch ihre Verbindung mit den Vorderhornzellen motorische Funktion, andererseits durch ihre zentripetale Verbindung auf den kurzen Seitenstrangbahnen sensorische Funktion haben. Als Beispiel wird die Analyse des Hautkitzels und Hautjuckens zugrunde gelegt. Durch Versuche hauptsächlich mit der schwingenden Stimmgabelborste im Bereich des Gesichts werden die Kitzelreflexe des Menschen (Lokalreflexe, Wisch- und Kratzreflexe, Schauder- und Schüttelreflexe) und die zugehörigen Empfindungen beschrieben. Als charakteristische Eigenschaften, die eine Kitzelempfindung von einer Berührungsempfindung unterscheiden, stellen sich dieselben Merkmale heraus, die als Gesetzmäßigkeiten des Reflexvorganges bekannt sind: Latenz, Nacherregung, Erregungsrückstand, Irradiation, Erregbarkeitsschwankungen in Abhängigkeit von der individuellen Anlage und der jeweiligen, durch Ermüdung, Adaptation und Pharmaca beeinflußten Stimmung, Summation, Bahnung und Hemmung von der Peripherie und von Oberzentren her. Die gleiche Anschauung wird auf andere Arten von Kitzel und Kitzligkeit, aber auch auf die Schmerzreaktionen angewandt und in erweitertem Sinne auf Organempfindungen, Affekte, unter Bezugnahme auf dieJames-Langesche Theorie, und Lokalzeichen übertragen. Für die ärztliche Praxis wird die Untersuchung des Hautkitzels mittels der Stimmgabelborste zur diagnostischen Verwendung im Nervenstatus bei der Prüfung von individueller Erregbarkeit und Nervenverletzungen empfohlen.
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Ebbecke, U. Über Reflexempfindungen, insbesondere Kitzel- und Juckempfindungen. Pflügers Arch. 248, 220–243 (1944). https://doi.org/10.1007/BF01751526
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