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Die „guten Sitten“ zwischen Normativität und Faktizität

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Gedächtnisschrift für Theo Mayer-Maly
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Zusammenfassung

Mit der Bedeutung der „guten Sitten“ in der Rechtsordnung hat sich Theo Mayer-Maly immer wieder intensiv beschäftigt1. Insbesondere die große Studie im „Archiv für die civilistische Praxis“ mit dem programmatischen Titel „Was leisten die guten Sitten?“2 demonstriert in eindrucksvoller Weise, wie vielfältig die Funktion dieser Generalklausel in den verschiedenen Teilrechtsordnungen (von allgemeinen Rechtsgeschäften und Deliktsrecht über das Internationale Privatrecht bis hin zum Gewerberecht) ausfallen kann. Sie zeigt vor allem, dass ein statisches oder homogenes Verständnis dessen, was die guten Sitten jeweils beinhalten, ihren funktionalen Pluralismus gänzlich verfehlen würde. Es macht eben einen großen Unterschied, ob wir es mit den guten Sitten im Wettbewerbsrecht oder im Strafrecht zu tun haben — und auch, ob sie im normativen Umfeld der österreichischen oder der schweizerischen Rechtsordnung verortet sind. Mayer-Maly bündelt seine weit ausgreifenden, historisch informierten und rechtsvergleichend angelegten Betrachtungen und Analysen in dem Satz: „Es gibt wirklich keine ‚Einheit der guten Sitten‘.“3 Wie wichtig ihm dieser Befund war, ersieht man daraus, dass er ihn annähernd wortgleich in seinem für ein breiteres und auch jüngeres Publikum verfassten Aufsatz in der „Juristischen Schulung“ präsentiert hat, der auf seiner Semester Eröffnungsvorlesung an der Bonner Universität vom Oktober 1985 beruhte4.

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Literatur

  1. Th. Mayer-Maly, in F. J. Säcker (Hrsg), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd 13 (1993) § 138 Rn 1 ff.

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  2. Th. Mayer-Maly, Was leisten die guten Sitten?, in AcP 194, 1994, 105 ff.

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  3. Mayer-Maly (Fn 2), 138.

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  4. Th. Mayer-Maly, Die guten Sitten als Maßstab des Rechts, in JuS 1986, 596 ff (600); desgleichen ders (Fn 1) § 138 Rn 18 ff.

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  5. H. Dreier, Gesellschaft, Recht, Moral, in Universitas 48 (1993), Nr 561, 247 ff (253 f). Auf diesen kleinen und an eher entlegener Stelle erschienenen Aufsatz hat sich Th. Mayer-Maly zur Freude des damals noch recht jungen Autors des Öfteren bezogen.

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  6. So die Formulierung von Th. Sambuc, Folgenerwägungen im Richterrecht. Die Berücksichtigung von Entscheidungsfolgen bei der Rechtsgewinnung, erörtert am Beispiel des § 1 UWG, 1977, 29.

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  7. J. Busche, in F. J. Säcker (Hrsg), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd 15 (2006) § 157 Rn 16; O. Jauernig, in ders (Hrsg), Bürgerliches Gesetzbuch13 (2009) § 133 Rn 4; H. Köhler, BGB Allgemeiner Teil. Ein Studienbuch34 (2010) § 1 Rn 13.

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  8. K. Schmidt, in ders (Hrsg), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Bd 52 (2009) § 346 Rn 1; K. J. Hopt, in A. Baumbach/K. J. Hopt (Hrsg), Handelsgesetzbuch, Bd 934 (2010) § 346 Rn 1; H. Brox, Handelsrecht mit Grundzügen des Wertpapierrechts20 (2009) § 1 Rn 16. Die Abhängigkeit des Handelsbrauchs vom tatsächlich praktizierten Verhalten des jeweiligen Verkehrskreises tritt besonders deutlich bei I. Koller, in C.-W. Canaris/W. Schilling/P. Ulmer (Hrsg), Handelsgesetzbuch, Bd 44 (2004) § 346 Rn 5 hervor, der mehrfach auf das tatsächliche Moment des Handelsbrauchs abstellt: „Die Übung braucht bloß tatsächlicher Natur zu sein... Die Übung muss mithin in den Handlungen und Unterlassungen der beteiligten Kreise zum Ausdruck gelangen.“

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  9. Allgemein zur Annahme der Rechtsnotwendigkeit der Übung als kennzeichnendes Merkmal des Gewohnheitsrechts: Th. Mayer-Maly, Rechtswissenschaft5 (1991), 37.

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  10. Das wird nicht einheitlich beurteilt. Kennzeichnet man die Verkehrssitten explizit als „Sozialnormen, die von einer gemeinsamen Pflichtvorstellung der Angehörigen einer Gruppe von Rechtsgenossen getragen sind“ (H. J. Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag. Rechtsvergleichender Beitrag zur Vertragsauslegung und zur Rechtsquellenlehre, 1969, 62), so überträgt man im Grunde die opinio necessitatis aus der Lehre vom Gewohnheitsrecht; Hinweis darauf bei Busche (Fn 7), § 157 Rn 17; auch das OLG München setzt in seinem Urteil vom 9.12.1955 (NJW 1956, 594 [595]) für die Entstehung eines Handelsbrauchs neben der fortgesetzten, gleichmäßigen Übung in den betreffenden Verkehrskreisen deren allgemeine Überzeugung von der rechtlichen Verbindlichkeit voraus. Die Literatur tendiert insgesamt eher gegen eine derartige opinio necessitatis. Insbesondere Schmidt (Fn 8), § 346 Rn 14 weist darauf hin, dass gerade das Erfordernis der Überzeugung von der Rechtsverbindlichkeit den Handelsbrauch vom Handelsgewohnheitsrecht unterscheidet: „Diese Maßgeblichkeitsüberzeugung muss nicht das Gewicht eines Rechtsgeltungswillens haben, denn hierdurch entsteht Gewohnheitsrecht. Gewohnheitsrecht ist rechtsverbindlich in dem Sinne, dass sich aus ihm im Einzelfall unmittelbar und auch gegen den Willen des Rechtsunterworfenen Rechtsfolgen, zB Sanktionen, ergeben können. Der Handelsbrauch ist verbindlich nur iS einer anerkannten Verkehrserwartung.“ Ähnlich im Ergebnis Koller (Fn 8), § 346 Rn 9. Mit dieser Position ist die Trennung von Normativität und Faktizität am klarsten vollzogen.

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  11. Zur prinzipiellen Eignung der Demoskopie zur Ermittlung der guten Sitten knapp Mayer-Maly (Fn 2), 108 f.

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  12. In der judikativen Praxis werden freilich wohl nur die Handelsbräuche „gelegentlich mit Sachverständigenhilfe oder mit der Unterstützung von Industrie-und Handelskammern ermittelt“ (K. F. Röhl/ H. Ch. Röhl, Allgemeine Rechtslehre. Ein Lehrbuch3 [2008], 557). Bei der Verkehrssitte und noch stärker bei den guten Sitten trifft man eine solche empirische Ermittlung hingegen selten an (solche Regeln und Erwartungen würden, so Röhl/Röhl, ebd, „dem Richter keinen unbedingten Maßstab an die Hand geben, sondern lediglich Rohmaterial, das er nur zu übernehmen braucht, wenn er es für recht und billig hält“). Schon aus Zeit-und Kostengründen stößt die empirische Erhebung der guten Sitten rasch auf Grenzen; siehe etwa A. Heldrich, Die Bedeutung der Rechtssoziologie für das Zivilrecht, in AcP 186, 1986, 74 ff (95). Aber auch insofern macht es einen — hier allein interessierenden — Unterschied, ob eine bestimmte, empirisch prinzipiell feststellbare oder als gerichtsnotorisch bekannte Realität (des Verhaltens und der normativen Überzeugung) Relevanz entwickelt oder ob es auf tatsächliche Einschätzungen und Praktiken gar nicht ankommt.

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  13. Mayer-Maly (Fn 2), 118.

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  14. W. Hefermehl, in W. Hefermehl/ A. Baumbach (Hrsg), Wettbewerbsrecht17 (1993), Einl UWG Rn 160 ff.

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  15. Die neue Gesetzesfassung (§ 1 UWG lautet: „Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.“) hat in der Sache keine Änderung gebracht. Denn als unlauter gelten „alle Handlungen, die den anständigen Gepflogenheiten in Handel, Gewerbe, Handwerk oder selbstständiger beruflicher Tätigkeit zuwiderlaufen“ (so die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 1, BT-Drs. 15/1487, S. 16). Bei der Ersetzung der Sittenwidrigkeit durch die Unlauterkeit handelt es sich lediglich um eine terminologische, nicht um eine sachliche Änderung (treffend O. Sosnitza, in H. Piper/ A. Ohly/ O. Sosnitza [Hrsg], Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb mit Preisangabenverordnung5 [2010] § 3 Rn 9 f).

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  16. Statt vieler G. v Hoyningen-Huene, in K. Schmidt (Hrsg), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch2 (2005) § 74a Rn 31.

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  17. Denn die guten Sitten sind nunmehr auch im Rahmen des § 2 PatG europäisch einheitlich zu bestimmen (R. Moufang, in R. Schulte [Hrsg], Patentgesetz mit Europäischem Patentübereinkommen. Kommentar auf der Grundlage der deutschen und europäischen Rechtsprechung8 [2008] § 2 Rn 19). Die Frage nach der Sittenwidrigkeit von Patenten stellt sich insbesondere in Zusammenhang mit neuen (bio-)technologischen Erfindungen. So musste sich das Europäische Patentamt in seiner Entscheidung vom 3.4.1992 (GRUR Int 1993, 240 [241]) mit der Frage auseinandersetzen, ob ein angemeldetes Verfahren zur Schaffung genetisch manipulierter Tiere gegen die guten Sitten verstößt, was im Ergebnis verneint wurde. In biotechnologischem Kontext erging in jüngerer Zeit ein Grundsatzurteil des Bundespatentgerichts (GRUR 2007, 1049). Hier hatte sich das Gericht erstmals grundsätzlich mit der Patentierbarkeit von Erfindungen beschäftigt, die in Zusammenhang mit humanen embryonalen Stammzellen stehen. Die Diskussion über beide Felder dürfte längst nicht abgeschlossen sein, sondern zukünftig neue Perspektiven eröffnen.

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  18. Zusammenfassender Überblick zu ihnen bei H. Nieder, in H. Nieder/ R. Kössinger/ W. Kössinger (Hrsg), Handbuch der Testamentsgestaltung. Grundlagen und Gestaltungsmittel für Verfügungen von Todes wegen und vorbereitende Erbfolgemaßnahmen3 (2008) § 3 Rn 11 ff; St. Sasse, Nichtigkeit letztwilliger Verfügungen gem § 138 BGB, in JA 1996, 160 ff.

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  19. BGHZ 20, 71 (72).

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  20. BGHZ 53, 369 (374 ff).

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  21. Weitere Stationen: BGHZ 77, 59; BGH Urt v 10. November 1982 (NJW 1983, 674 = D NotZ 1984, 42); OLG Düsseldorf Beschluss v 3. Dezember 1997 (FamRZ 1998, 583); OLG Düsseldorf Beschluss v 22. August 2008 (FamRZ 2009, 545).

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  22. W. Müller-Freienfels, Zur Rechtsprechung beim sog „Mätressen-Testament“. Zugleich eine Besprechung des Urteils des BGH vom 26.2.1968 — III ZR 38/65, in JZ 1968, 441 ff (449).

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  23. C. Roxin, Verwerflichkeit und Sittenwidrigkeit als unrechtsbegründende Merkmale im Strafrecht, in JuS 1964, 373 ff (376).

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  24. BGHSt 4, 24.

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  25. BGHSt 4, 24 (32).

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  26. E. Schmidt, Schlägermensur und Strafrecht, in JZ 1954, 369 ff (374). Hingegen verteidigte Roxin (Fn 28), 379 die BGH-Entscheidung noch zehn Jahre später mit dem Hinweis: „Hier eine Sittenwidrigkeit anzunehmen, hieße eine gewiß achtenswerte subjektive Meinung zum Gesetz erheben; und das ist unzulässig.“

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  27. BGHSt 6, 46 (Großer Senat, Beschluss v 17. Februar 1954).

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  28. Die unterschiedlichen Tatbestände der einschlägigen Strafnormen (§§ 180, 181 StGB) werden vom Gericht knapp, aber klar rekapituliert: BGHSt 6, 46 (48 f).

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  29. BGHSt 6, 46 (52); 53 heißt es dann wenig überraschend: „Nun kann es aber nicht zweifelhaft sein, daß die Gebote, die das Zusammenleben der Geschlechter und ihre geschlechtlichen Beziehungen grundlegend ordnen und die dadurch zugleich die gesollte Ordnung der Ehe und der Familie... festlegen und verbürgen, Normen des Sittengesetzes sind und nicht bloße dem wechselnden Belieben wechselnder gesellschaftlicher Gruppen ausgelieferte Konventionalregeln.“

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  30. BGHSt 6, 46 (50).

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  31. BGHSt 6, 46 (51 f).

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  32. BGHSt 6, 46 (52). Zeitgenössische Grundsatzkritik bei W. Weischedel, Recht und Ethik (1956, 2. Aufl 1959), 6 ff, 19 ff; H. Simon, Katholisierung des Rechtes? Zum Einfluß katholischen Rechtsdenkens auf die gegenwärtige deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung, 1962, 38 ff; W. Maihofer, Ideologie und Naturrecht. Zugleich ein Beitrag zum Thema Ideologie und Rechtsprechung, in ders (Hrsg), Ideologie und Recht, 1969, 121 ff (124 ff).

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  33. Allgemein zu Zeitgeistwandel und Recht: Th. Würtenberger, Zeitgeist und Recht, 1987; B. Rüthers, Gesellschaftlicher Wandel — Anpassung oder Widerstand des Rechts?, 1981; ders, Ideologie und Recht im Systemwechsel. Ein Beitrag zur Ideologieanfälligkeit geistiger Berufe, 1992.

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  34. BGHSt 23, 40 (1. Strafsenat, Urteil vom 22. Juli 1969).

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  35. BGHSt 23, 40 (42).

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  36. BGHSt 23, 40 (42 f). Ähnlich auch BGHSt 23, 241 (243); 24, 318 (319).

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  37. Die in der Literatur mit beachtlichen Argumenten vertretene Verfassungswidrigkeit des § 228 (vgl nur W. Stree/ D. Sternberg-Lieben, in Schönke/ Schröder, StGB28 [2010] § 228 Rn 2) bleibt hier und im Folgenden außer Betracht.

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  38. BGHSt 49, 34. In dem Fall hatte der Angeklagte dem (alkoholkranken und drogenabhängigen) Opfer auf dessen Bitte hin eine Heroinspritze gesetzt, worauf dieses starb.

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  39. BGHSt 49, 34 (40 f).

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  40. BGHSt 49, 34 (41).

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  41. BGHSt 49, 34 (43). Dies ist ein schöner Beleg für die Auffassung von Mayer-Maly (Fn 2), 128 f, wonach sich Sittenwidrigkeit nicht auf Rechtswidrigkeit reduzieren oder mit ihr identifizieren lässt.

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  42. BGHSt 49, 34 (44). Dort heißt es: „Nach allgemeinem sittlichen Empfinden ist die Grenze moralischer Verwerflichkeit dann überschritten, wenn bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Betroffene durch das Verabreichen des Betäubungsmittels in konkrete Todesgefahr gebracht wird.“

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  43. BGHSt 49, 166. Hier ging es um einen wegen fahrlässiger Tötung Verurteilten, der auf Bitten seiner Lebensgefährtin an dieser sadomasochistische Praktiken (Fesselspiele) durchführte, an denen sie starb.

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  44. BGHSt 49, 166 (169).

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  45. BGHSt 49, 166 (170 f): „Nach neuerer Rechtsprechung und in der Literatur überwiegend vertretener Auffassung ist für die Sittenwidrigkeit der Tat entscheidend, ob die Körperverletzung wegen des besonderen Gewichts des jeweiligen tatbestandlichen Rechtsgutsangriffs unter Berücksichtigung des Umfangs der eingetretenen Körperverletzung und des damit verbundenen Gefahrengrads für Leib und Leben des Opfers trotz Einwilligung des Rechtsgutsträgers nicht mehr als von der Rechtsordnung hinnehmbar erscheint.“

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  46. BGHSt 49, 166 (172 f). Man vergleiche damit Roxin (Fn 28) 379, der im Einklang mit der älteren Judikatur „Körperverletzungen zum Zwecke abnormer Triebbefriedigung“ eindeutig als „sittenwidrige Perversionen“ einordnete.

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  47. Detaillierte Sachverhaltsschilderung nebst Urteilsanalyse bei H.-J. Bücking, Die besondere Gerichtsentscheidung: Verbot einer Peep-Show, BVerwG NJW 1982, 664, in Verwaltungsrundschau 1984, 210 ff.

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  48. BVerwGE 64, 274 (= NJW 1982, 664).

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  49. Siehe etwa Ch. Gusy, Sittenwidrigkeit im Gewerberecht, in DVBl 1982, 984 ff; H. v Olshausen, Menschenwürde im Grundgesetz: Wertabsolutismus oder Selbstbestimmung?, in NJW 1982, 2221 ff; W. Höfling, Menschenwürde und gute Sitten, in NJW 1983, 1582 ff; Ch. Kirchberg, Zur Sittenwidrigkeit von Verwaltungsakten, in NVwZ 1983, 141 ff. Zusammenfassung der Kontroverse mit weiteren Hinweisen bei H. Dreier, Menschenwürde in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in E. Schmidt-Aßmann ua (Hrsg), Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, 2003, 201 ff (217 ff).

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  50. BVerwGE 64, 274 (279 f): „Die Verletzung der Menschenwürde wird nicht dadurch ausgeräumt oder gerechtfertigt, daß die in einer Peep-Show auftretende Frau freiwillig handelt. Die Würde des Menschen ist ein objektiver, unverfügbarer Wert (BVerfGE 45, 187 [229]), auf dessen Beachtung der einzelne nicht wirksam verzichten kann. (...) Hier muß die Menschenwürde wegen ihrer über den einzelnen hinausreichenden Bedeutung auch gegenüber der Absicht des Betroffenen verteidigt werden, seine vom objektiven Wert der Menschenwürde abweichenden subjektiven Vorstellungen durchzusetzen...“.

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  51. BVerwGE 64, 274 (277). Es schließt sich dort der Satz an: „Ein Verhalten, das einer im Grundgesetz verankerten Wertvorstellung widerspricht, verstößt gegen die guten Sitten.“

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  52. Zitate: BVerwGE 64, 274 (278, 279).

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  53. BVerwGE 64, 274 (280). Es ist im übrigen bemerkenswert, dass in der nachfolgend abgedruckten Entscheidung desselben Senats vom 16. Dezember 1981, bei der es um die Versagung einer Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Veranstalten einer öffentlichen Vorführung des menschlichen Geschlechtsverkehrs ging, der Argumentationsgang in genau umgekehrter Reihenfolge aufgebaut wurde und der letzte Satz im Entscheidungsabdruck daher lautete (BVerwGE 64, 280 [284]): „Da die streitigen Veranstaltungen schon wegen ihrer Unvereinbarkeit mit den sozialethischen Anschauungen der Rechtsgemeinschaft den guten Sitten zuwiderlaufen würden, kann offenbleiben, ob sie — wie das Berufungsgericht angenommen hat — auch deswegen nicht erlaubnisfähig... sind, weil die Vorführung des Geschlechtsverkehrs die durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde der Darsteller beeinträchtigen würde.“

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  54. Zusammenfassung der zustimmenden Äußerungen etwa bei Th. Discher, Die Peep-Show-Urteile des BVerwG — BVerwGE 64, 274, und BVerwG NVwZ 1990, 668, in JuS 1981, 642 ff (643, 645).

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  55. Siehe H. Dreier, in ders (Hrsg), Grundgesetz-Kommentar, Bd I2 (2004) Art 1 I Rn 152 mwN.

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  56. BVerwGE 84, 314 (= NVwZ 1990, 668). Hierzu ua Discher (Fn 61), 647 ff.

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  57. BVerwGE 84, 314 (317): „Der Senat hat in seinem Urteil vom 15.12.1981 (BVerwGE 64, 274) die Sittenwidrigkeit üblicher Peep-Shows daraus hergeleitet, daß den zur Schau gestellten Frauen eine ihre Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) mißachtende objekthafte Rolle zugewiesen ist... Das Berufungsgericht und ein Teil des Schrifttums haben der Ansicht, Peep-Show-Veranstaltungen seien mit der Verfassungsentscheidung für die Menschenwürde unvereinbar, widersprochen (...) Dies bedarf jedoch keiner näheren Aufklärung. Nach Auffassung des erkennenden Senats sind die Peep-Show-Veranstaltungen der Klägerin unabhängig von der genannten Wertentscheidung des Grundgesetzes sittenwidrig.“

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  58. BVerwGE 84, 314 (317 f).

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  59. BVerwGE 84, 314 (318): „Als Indizien für eine in der Rechtsgemeinschaft vorherrschende Überzeugung kommen ua die Behördenpraxis, die Rechtsprechung und die von ihnen ausgelösten Reaktionen der Öffentlichkeit in Betracht.“ Dabei ist natürlich nicht zu verkennen, dass eben diese Behördenpraxis und auch die Judikatur der Instanzgerichte nicht unerheblich durch das erste Peep-Show-Urteil des Gerichts geprägt sein dürften, was der Sache etwas Selbstreferentielles verleiht.

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  60. Die Warnung von Discher (Fn 61), 649, das Gericht habe sich mit dem zweiten Peep-Show-Urteil „auf das unsichere Eis einer quasiempirischen Feststellung sozialethischer Wertvorstellungen begeben“, war von daher nicht unberechtigt; dass das Gericht aber mit seiner ersten Entscheidung auf dem „methodischen Pfad der Tugend“ gewandelt sei (ebd), wird man nun wirklich nicht behaupten können.

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  61. Hierzu kritisch etwa T. Franz, in J.-Ch. Pielow (Hrsg), Gewerbeordnung. Kommentar, 2009, § 33a Rn 48: „Die Gerichte legen indes regelmäßig nicht offen, wie sie sich Kenntnis von den vorherrschenden sozialethischen Anschauungen verschafft haben wollen. Die Begründungen für den Verzicht auf eine gutachtliche Ermittlung der vorherrschenden Anschauungen sind nebulös und offenbar von der Befürchtung geprägt, dass eine Untersuchung die eigene Werthaltung eventuell nicht stützen könnte. So wird der Verzicht auf eine genauere Ermittlung der vorherrschenden sozialethischen Werthaltungen implizit damit begründet, dass die Anschauungen normativer Natur und offenbar Richter am besten in der Lage seien, derartige normative Vorgaben zu ermitteln.“

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  62. Nds OVG GewArch 1995, 109. Kritisch Franz (Fn 70), § 33a Rn 48.1: „Das Gericht unterscheidet hiermit letztlich nicht mehr klar zwischen Normen des Rechts, der Sitte und der Moral, sondern vermengt Rechtsnormen und gesellschaftliche Normen. (...) Die GewO nimmt insoweit aber nur auf Tatsächliches in Gestalt der Normen der Sitte Bezug. Rechtsnormen wirken zwar auf die Normen der Sitte ein, jedoch kommt es insoweit nicht darauf an, ob irgendeine Rechtsnorm gilt, sondern ob sie mit dem ihr von der Rechtsprechung zugewiesenen Inhalt tatsächlich in den Bereich der Normen der Sitte hineinwirkt.“

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  63. BVerwG NJW 1996, 1423 (Bezugnahme auf die Formel: 1424).

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  64. VG Berlin GewArch 2001, 128 ff. Dazu der eingehende Rezensionsaufsatz von U. Hösch, Café Pssst — Abschied von der Unsittlichkeit der Prostitution, in GewArch 2001, 112 ff.

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  65. VG Berlin GewArch 2001, 128 (re Sp). Nach dem Urteil änderte sich die Rechtslage durch das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten v 20. Dezember 2001 (BGBl I, 3983), das am 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist. Dazu zusammenfassend E. Gurlit, Das Gewerberecht als Regelungsregime der Prostitution, in GewArch 2008, 426 ff; dort 427 der bemerkenswerte Hinweis, dass es im Schrifttum zumindest anfangs durchaus umstritten war, ob der Gesetzgeber damit „das Unsittlichkeitsverdikt der Prostitution beseitigt hat und dies auch durfte“.

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  66. VG Berlin GewArch 2001, 128 (li Sp).

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  67. VG Berlin GewArch 2001, 131 (re Sp).

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Dreier, H. (2011). Die „guten Sitten“ zwischen Normativität und Faktizität. In: Harrer, F., Honsell, H., Mader, P. (eds) Gedächtnisschrift für Theo Mayer-Maly. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-0001-1_9

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