Zusammenfassung
Seit 50 Jahren schätze ich Theo Mayer-Maly als Schriftsteller und generösen Kollegen, bei dem ich nicht zu befürchten brauchte, ihm zu nahe zu treten. Mit Wort und Feder war und blieb er ein jugendlicher Sportler, der sich gern auf einen Wettkampf einließ und seine Ansicht deutlich zu verstehen gab, ohne seinerseits je die Gebote der Höflichkeit zu verletzen1. So nehme ich jetzt gern die Gelegenheit wahr, sein Andenken zu ehren, indem ich seinen 2003 erschienen Ausführungen zum Prozess Jesu2 eigene Gedanken anfüge.
Aktualisierte und ergänzte Fassung von D. Liebs, Vor den Richtern Roms (2007), 89 ff u 213 ff.
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Literatur
So etwa in seiner Besprechung meiner Dissertation, SZ 82, 1965, 440 ff.
Th. Mayer-Maly, Rechtsgeschichtliche Bibelkunde (2003), 54 ff = XI. Der Prozeß gegen Jesus; s schon ders, Das Auftreten der Menge im Prozeß Jesu und in den ältesten Christenprozessen, Österr Archiv f Kirchenrecht 6 (1955), 231 ff; u ders, Rechtsgeschichtliche Bemerkungen zum Prozeß Jesu, in Lebendiges Recht — Von den Sumerern bis zur Gegenwart, Festschrift für Reinhold Trinkner zum 65. Geburtstag (1995), 39 ff.
Zur politischen Landkarte damals übersichtlich A. Demandt, Hände in Unschuld — Pontius Pilatus in der Geschichte (1999), 20 ff u 36 f. Zur Organisation Judäas W. Eck, Rom und Judaea (2007), 23 ff.
Ich folge hier Demandt, aaO 133 f.
Demandt, aaO 186 f. Dieses Datum ist noch weniger sicher; Schrage zB (s sofort) geht ohne Weiteres von 33 nChr aus.
Zum Prozess Jesu gibt es eine reiche Literatur, aus der hier nur eine Auswahl angeführt wird: J. Blinzler, Der Prozeß Jesu — Das jüdische und das römische Gerichtsverfahren gegen Jesus Christus auf Grund der ältesten Zeugnisse (1951, 21955, 31960, 41969); P. Winter, On the trial of Jesus (1961, 21974); W. Koch, Der Prozeß Jesu — Versuch eines Tatsachenberichts (1966, 1987); S. G. F. Brandon, The trial of Jesus of Nazareth (1968); D. R. Catchpole, The trial of Jesus — A study in the gospels and jewish historiography from 1770 to the present day (1971); Ch. Cohn, The trial and death of Jesus (1977, deutsch 1997); J. Imbert, Le procès de Jésus (1980); A. Strobel, Die Stunde der Wahrheit — Untersuchungen zum Strafverfahren gegen Jesus (1980); W. Fricke, Standrechtlich gekreuzigt — Person und Prozeß des Jesus aus Galiläa (Buchschlag 1986, überarb TTB-Ausgabe 1988, weiterentwickelt 1995 unter dem Titel Der Fall Jesus — Eine juristische Beweisführung); K. Kertelge (Hrsg), Der Prozeß gegen Jesus — Historische Rückfrage und theologische Deutung (1988); R. Pesch, Der Prozeß Jesu geht weiter (1988); K. Rosen, Rom und die Juden im Prozeß Jesu, in A. Demandt (Hrsg), Macht und Recht — Große Prozesse in der Geschichte (1990, 21996), 47 ff; J. D. Crossan, Der historische Jesus (1994, zuerst englisch unter dem Titel Jesus — A revolutionary biography, 1994) 469 ff der deutschen Ausgabe; A. Watson, The trial of Jesus (1995); W. Stegemann, Es herrsche Ruhe im Land — Roms kurzer Prozeß mit Jesus von Nazarath, in Uwe Schultz (Hrsg), Große Prozesse — Recht und Gerechtigkeit in der Geschichte (1996) 41 ff; P. Egger, Crucifixus sub Pontio Pilato — Das crimen Jesu von Nazareth im Spannungsfeld römischer und jüdischer Verwaltungs und Rechtsstrukturen (1997); F. Amarelli/F. Lucrezi (Hrsg), Il processo contro Jesù (1999); Demandt (s soeben Fn 3); E. Heusler, Kapitalprozesse im lukanischen Doppelwerk — Die Verfahren gegen Jesus und Paulus in exegetischer und rechtshistorischer Analyse (2000); J. Roloff, Jesus (2000) 113 ff; Th. Mayer-Maly, Rechtsgeschichtliche Bibelkunde (2003), 54 ff; J. M. Ribas Alba, El proceso a JesÚs de Nazaret — Un estudio histórico-jurídico (2004); G. O. Kirner, Strafgewalt und Provinzialherrschaft — Eine Untersuchung zur Strafgewaltspraxis der römischen Statthalter in Judäa 6-66 nChr (2005) 246 ff; H.-G. Knothe, Der Prozess Jesu rechtshistorisch betrachtet, Orbis Iuris Romani 10, 2005, 67 ff; W. Reinbold, Der Prozess Jesu (2006); O. Betz, Der Prozess Jesu im Licht jüdischer Quellen (2007); F. Arcaria, Idee vecchie e nuove sul processo contro Gesù, Annali des Seminario Giuridico 8, 2006—2007, 253 ff; A. Bellodi Ansaloni, Riflessioni sulla condotta processuale di Gesù davanti a Pilato, in Studi per Giovanni Nicosia I, 2007, 443 ff; und E. J. H. Schrage, Der Prozess Jesu, in Festschrift für Zoltan Végh (2010), 157 ff. Am 8. Mai 2009 fand an der Universität Imperia/Ligurien ein incontro/dibattito über ‚Processi in scena: il processo di Gesù’ statt. Es sprachen B. Santalucia über ‚Il processo penale in provincia agli inizi del I secolo d. C.‘; J. Caimi über ‚Introduzione: Gesù davanti al sinedrio‘; M. Miglietta über ‚La fase del giudizio davanti al prefetto de Giudea ‘und D. Schiavo über ‚Il processo a Gesù nel teatro e nel cinema. Qualche esempi‘. Schließlich wurde der 1968 unter der Regie von Gianfranco Bettetini gedrehte Film ‚Processo a Gesù ‘gezeigt.
Mayer-Maly, aaO 56.
Zu diesen Örtlichkeiten wieder Demandt, aaO 183 f.
Zu seiner Lokalisierung Demandt, aaO 185 f.
Siehe etwa Apuleius, Florida 9, 10.
Philo von Alexandrien, Gegen Flaccus 83 f; Petronius, Satyrica 111, 6 u 112, 5 ff u Callistrat, Cognitiones VI, Titel: De poenis (Dig 48, 19, 28 § 15). Zu den Todesqualen und ihrer möglichen Dauer Mayer-Maly, aaO 67 f; s auch 62 f.
So auch Mayer-Maly, aaO 65.
Zu ihnen etwa Demandt, aaO 104 f u 215 ff, zu den kanonischen Evangelien 98 ff; Knothe, aaO 74 ff; u Reinbold, aaO 19 ff, 41 ff u 188 ff; zum Petrusevangelium dort 32 ff u 183 ff.
Demandt, aaO 180 ff.
Zusammenfassend Knothe, aaO 75 ff. Vgl zu solchen Vorstufen einer Lebensbeschreibung Th. Buergenthal, Ein Glückskind (2007), 11.
Heusler, aaO zusammenfassend 259 ff.
Es erscheint deshalb problematisch, mit Schrage, aaO 160 ff u 166 ff, hauptsächlich dem Johannesevangelium zu folgen, so bedeutsam dieses heilsgeschichtlich ist, was Schrage besonders herausstellt, aaO 171 f.
Tacitus, Annalen 15, 44, 3.
Flavius Josephus, Antiquitates Iudaicae 18, 3, 3 = 18, 63 f. Zur Bewertung Reinbold, aaO 34 ff.
Demandt, aaO 75; Simon bei M. Avigad, Israel exploration journal 12, 1962, 9 f, Ossuarium 9.
Philo von Alexandrien, Legatio ad Gaium 299 ff; Flavius Josephus, Antiquitates Iudaicae 18, 3, 1 f u 18, 4, 1 u dazu Demandt, aaO 83 ff.
D. Liebs, Das ius gladii der römischen Provinzgouverneure in der Kaiserzeit, ZPE 43, 1981, 217 ff u Demandt, aaO 37 f.
Demandt, aaO 37 ff; s auch Eck, aaO 201 ff, bes 210 ff. Das schloss nicht aus, dass die Juden sich gelegentlich auch Todesurteile herausnahmen, allerdings Steinigungen, und dass sie diese auch vollstreckten wie um 35 nChr im Fall des Stephanus, Apostelgeschichte 6 f, dazu Demandt, aaO 195 f und 62 nChr die Jakobs, des Bruders Jesu, Flavius Josephus, Antiquitates Iudaicae 20, 9, 1.
So etwa am 17. Juli 180 nChr in Karthago die Verhandlung gegen die Märtyrer von Scilli vor dem Prokonsul, s die Märtyrerakten bei H. Musurillo, The acts of the Christian martyrs (1972), 86 ff; und bei P. Guyot/R. Klein, Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen I (1993), 90 ff (Kommentar 351 ff) u dazu D. Liebs, Umwidmung — Nutzung der Justiz zur Werbung für die Sache ihrer Opfer in den Märtyrerprozessen der frühen Christen, in W. Ameling (Hrsg), Märtyrer und Märtyrerakten (2002), 32 ff.
Zum Strafprozess in den Provinzen s Nogrady, Römisches Strafrecht 24 ff, bes 24 ff u 76 ff; zur Ahndung neuer sozialschädlicher Verhaltensweisen nach Ermessen s 256 ff.
Demandt, aaO 43.
Auch Watson, aaO 37, lehnt sie ab, während Mayer-Maly, aaO 54 f, auf obige Einwände nicht eingeht, sondern der Erinnerung des Johannes vertraut, gestützt von der Überlegung: „Die Römer hätten es gewiß nicht geduldet, daß ein bewaffneter Haufen zu nächtlicher Stunde das Stadtgebiet durchquert.“ Noch das mindeste an Vorsicht sei es gewesen, der (jüdischen) Schar wenigstens römische Soldaten mitzugeben.
Sacharja 11, 12 f. Zur Verhaftung Demandt, aaO 145 ff, zu Judas 147 u 150 ff.
P. Winter, On the trial of Jesus (1961, 21974) u Ch. Cohn, The trial and death of Jesus (1977, deutsch 1997, zuerst 1968 auf Hebräisch erschienen).
Pesch, aaO 32 f u 45 f.
Dazu Mayer-Maly, aaO 57 f. Auf 59 f geht er allerdings davon aus, die Vertreter des Hohen Rates hätten Jesus vor Pilatus eben dessen angeklagt, weswegen er in ihren Augen mit dem Tode zu bestrafen war, ohne darauf einzugehen, dass ihnen bewusst gewesen sein muss, dass dies vor Pilatus kein todeswürdiges Verbrechen wäre. Auch Schrage, aaO 167 f, trennt nicht hinreichend zwischen der internen Überzeugung des Hohen Rates, Jesus habe nach ihren Maßstäben ein todeswürdiges Verbrechen begangen, und dem Inhalt ihrer Anklage vor dem Repräsentanten Roms.
So im Wesentlichen auch Mayer-Maly, aaO 56 ff, der auch betont, dass der jüdische Hohe Rat, der Sanhedrin, griechisch Synedrium, damals keine Halsgerichtsbarkeit mehr hatte. Trotzdem spricht er von einem Prozess vor dem Synedrium, der mit einem Todesurteil geendet habe; es sei lediglich nicht vollstreckbar gewesen.
H. A. Rigg jr., Barabbas, Journal of biblical literature 64, 1945, 417 ff; H. Z. Maccoby, Jesus and Barabbas, New testament studies 16, 1969/70, 55 ff; ausführlicher ders, Revolution in Judaea — Jesus & the Jewish resistance (1973); vorsichtig Fricke, aaO 247 ff der Ausgabe 1986, in der TB-Ausgabe 1988, 278 ff u in der überarbeiteten, unter dem Titel ‚Der Fall Jesus ‘erschienenen Fassung, 445 ff; P. Lapide, Wer war schuld an Jesu Tod? (1987), 84. Allzu spitzfindig dazu Pesch, aaO 52 ff u schon ders, Das Markusevangelium II (1977), 459 ff: Pilatus sei von Jesu Schuld nicht überzeugt gewesen und habe das Problem durch den Einfall lösen wollen, die Osteramnestie auf Jesus zu lenken. Das sei fehlgeschlagen, so dass der Statthalter „in eine selbstgemachte Falle geraten“ sei, „aus der er nun nicht mehr herauskam, ohne Jesus kreuzigen zu lassen“ (Der Prozeß 55; s schon Das Markusevangelium II, 466), ein gewundener Gedankengang; so zwanghaft handelte ein Pilatus schwerlich.
Siehe auch R. Martini, La condanna a morte di Gesù fra colpa degli Ebrei e responsabilità dei Romani, SDHI 69, 2003, 543 ff.
Mayer-Maly, aaO 66, nimmt es dagegen schlicht hin.
Zum Tag Demandt, aaO 186 ff.
Mayer-Maly, aaO 59, bemerkt zutreffend, dass die zusammen mit Jesus gekreuzigten Schächer wahrscheinlich am selben Tag verurteilt wurden; ansprechend seine Vermutung, es seien „kaum gewöhnliche Räuber, sondern Guerilleros“ gewesen; die Frage kann hier offen bleiben. Zu Barrabas dagegen s. soeben.
So auch Mayer-Maly, aaO 66; allerdings identifizierte er das Prätorium wie die ältere Literatur mit der Burg Antonia (59), von wo aus Pilatus aber kaum mit der Menge hätte kommunizieren können; auch Demandt, aaO 184 f, lehnt das ab und spricht sich überzeugend für den Platz vor dem ehemaligen Herodespalast aus.
Demandt, aaO 75 oben.
R. Westall, Historia 59, 2010, 489 ff.
Siehe die bei Demandt, aaO 83 ff, geschilderten Vorgänge. Cohn, aaO 240 f (der deutschen Ausgabe), lehnt das zu Unrecht ab. Gesandtschaften nach Rom pflegten übrigens nicht vom jeweiligen Volk selbst, sondern von seinen offiziellen Repräsentanten unternommen, vor allem auch finanziert zu werden.
Demandt, aaO 64 ff u 80 ff; Reinbold, aaO 73 ff, doch ist sein Schluss von der vergleichsweise langen Amtszeit auf eine im ganzen besonnene Amtsführung voreilig, denn unter Kaiser Tiberius waren so lange Amtszeiten üblich, Tacitus, Annalen 4, 6, 3; siehe auch Demandt, aaO 81. Vgl Seneca, De ira 2, 5, 5, der berichtet, ein Statthalter Kleinasiens sei 12 nChr, nachdem er an einem einzigen Tag 300 Menschen hatte hinrichten lassen, voll Stolz durch die Reihen der Leichen geschritten und habe auf Griechisch ausgerufen: „Oh königliche Tat!“.
Dazu genauer Demandt, aaO 160. Anders Mayer-Maly, aaO 61.
Darauf weist auch Cohn, aaO 234 f, hin. Mayer-Maly, aaO 61 f, akzeptiert das Zwischenspiel.
So insbesondere K. Rosen, Der Prozeß Jesu und die römische Provinzialverwaltung, in Festgabe für Hürtgen (1988), 135 (zwei Jahre später spricht er von cognitio de plano, Kreuzigung wegen contumacia und Disziplinarverfahren, s 60, 68 f u 70 des oben Fn 6 angeführten Aufsatzes); J. Ermann, SZ 118, 2001, 372 Fn 23 u Demandt, aaO 170. Sie beruhen alle auf Theodor Mommsens überzogener Theorie über die Koërzitionsgewalt der römischen Magistrate, s dazu kritisch A. Giovannini, L’interdit contre les chrétiens: raison d’État ou mesure de police?, Cahiers du Centre Glotz 7, 1996, 103 ff u D. Liebs, Mommsens Umgang mit den Quellen des römischen Strafrechts, in W. Nippel/B. Seidensticker (Hrsg), Theodor Mommsens langer Schatten — Das römische Staatsrecht als bleibende Herausforderung für die Forschung (2005), 203 ff. Mayer-Maly, aaO 63 ff, ließ die Frage offen.
Anders das umstrittene Testimonium Flavianum bei Flavius Josephus, Antiquitates Iudaicae 18, 64. Der diesbezügliche S 1 Hs 1 von § 64 gehört mE noch zum authentischen Text, nur Hs 2 nicht mehr, ebenso wenig wie Teile von § 63; s dazu auch Watson, aaO 131.
Siehe besonders Knothe, aaO 96. Mayer-Maly, aaO 62 ff, ließ auch diese Frage letztlich offen.
Mayer-Maly, aaO 62 f, der Pilatus mit den Evangelien in Schutz nimmt, nimmt an, dieser habe es ursprünglich bei der Geißelung bewenden lassen wollen.
Demandt, aaO 169 f u 175 unten; näher dazu Mayer-Maly, aaO 68 ff.
Demandt, aaO 83 ff.
Das berichtet Flavius Josephus, Antiquitates Iudaicae 18, 4, 1 f. Dazu Demandt, aaO 194 f.
Sueton, Kaiserviten, Caligula 15, 4.
Euseb, Ecclesiastica historia 2, 7 u Orosius, Historiae adversus paganos 7, 5, 8. Dazu Demandt, aaO 214 f.
Dazu D. Liebs, Vor den Richtern Roms (2007), 105 ff u 217 ff.
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Liebs, D. (2011). Der Prozess Jesu — Ergänzungen zu Mayer-Maly 2003. In: Harrer, F., Honsell, H., Mader, P. (eds) Gedächtnisschrift für Theo Mayer-Maly. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-0001-1_20
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