Zusammenfassung
Dass ich Dir erst jetzt für Deinen freundlichen Brief (der auch in geschäftlicher Beziehung seine Wirkung bestens gethan hat)1) und für die Zusendung Deiner Abhandlung danke, musst Du mit dem Drange des Semesters entschuldigen, und damit dass ich etwas tief in andern Arbeiten gesteckt habe. Der Gedanke eines lebhaften mathematischen Verkehrs zwischen Bonn und Giessen erfüllt mich mit grosser Freude, und ich hoffe dass wir den Beginn der bessern Jahreszeit sofort dazu anwenden können, uns irgendwie persönlich zu treffen, was seit einer so langen Reihe von Jahren nicht geschehen ist. Wir haben dabei nicht bios wissenschaftliche Dinge zu besprechen sondern auch mancherlei was aus der Analogie unsrer Stellung fliesst.2) Meine Stellung hier ist mir in vieler Beziehung sehr lieb; freilich ist die Erreichung eines Hauptziels, die mathematische Reform der Hessischen Gymnasien, noch in etwas weite Ferne gerückt. Ich bin schon froh, dass ich nur die angehenden Lehramtscandidaten welche ich inclusive ihrer Unwissenheit aus früherer Zeit ererbt hatte, jetzt los bin, und zwar wenige aber doch einige eigene Schüler heranziehen kann, die hoffentlich einst einen wissenschaftlichen Standpunct einnehmen.
Giessen den 16ten Dec. 65.
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Anmerkungen und Fußnoten
Alfred Clebsch (1833–1872) studierte in Königsberg und Berlin, wirkte als Professor in Karlsruhe und Gießen und wurde 1868 als glänzender Universitätslehrer und anerkannter Forscher als Nachfolger Riemanns auf den Lehrstuhl von Gauss berufen. Neben In-Variantentheorie und mathematischer Physik war sein Hauptarbeitsgebiet die algebraische Geometrie, wobei er in der Nachfolge Riemanns die Theorie der Riemannschen Flächen vom Standpunkt der Theorie.algebraischer Kurven begründete und weiterentwickelte. Nach seinem Tode geriet sein mathematisches Werk etwas in Vergessenheit; seine Bedeutung wurde in jüngerer Zeit aber wieder erkannt (vgl. z.B. Shafarevich [1983]); für weitere biographische Angaben wird auf Anonym [1873] verwiesen.
Da Lipschitz und Clebsch, fast gleich alt, sich mit du anreden, was im 19. Jahrhundert auch bei engen Freunden selten war, ist anzunehmen, daß sie sich vielleicht schon aus ihrer Gymnasialzeit in Königsberg, jedenfalls aus ihrer Studentenzeit in Königsberg und Berlin Kannten.
Fußnoten
Diese Bemerkuncr bezieht sich auf eine von Clebsch erbetene Empfehlung Lipschitz’, Clebschs engen Mitarbeiter P. Gordan (1837–1912) auf ein Ex-traordinariat zu befördern.
Aus diesem Vorhaben ist offenbar nichts geworden.
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Lipschitz, R. (1986). Brief von A. Clebsch an Lipschitz. In: Scharlau, W. (eds) Briefwechsel mit Cantor, Dedekind, Helmholtz, Kronecker, Weierstrass und anderen. Dokumente zur Geschichte der Mathematik, vol 2. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14205-8_6
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