FormalPara Koordinierende Leitautor_innen:

Andreas Baumgarten1, Katharina Lapin2, Silvio Schüler2

FormalPara Leitautor_innen:

Alexandra Freudenschuss2, Heidi Grüneis3, Manfred J. Lexer4, Julia Miloczki1, Taru Sandén1, Günther Schauberger5, Andreas Schaumberger6, Christine Stumpp4, Ottavia Zoboli7

FormalPara Beitragende Autor_innen:

Michael Englisch2, Sophie Ette2, Lukas Gaier6, Thomas Gschwantner2, Stefan Hörtenhuber4, Andreas Klinger6, Heino Konrad2, Martin Mehofer8, Janine Oettel2, Jana Petermann9, Markus Sallmanshofer2, Tanja Tötzer10, Marcela van Loo2, Werner Zollitsch4

FormalPara Review-Editor_innen:

Anette Freibauer11, Daniel Müller12

FormalPara Technische Unterstützung:

Bastian Bertsch-Hörmann4

FormalPara Zitiervorschlag:

Baumgarten, A., Lapin, K., Schüler, S., Freudenschuss, A., Grüneis, H., Lexer, M. J., Miloczki, J., Sandén, T., Schauberger, G., Schaumberger, A., Stumpp, C., Zoboli, O., 2024: Kapitel 4 Anpassungsoptionen in der Landnutzung an den Klimawandel. In: APCC Special Report: Landnutzung und Klimawandel in Österreich (APCC SR Land) [Jandl, R., Tappeiner, U., Foldal, C. B., Erb, K.-H. (Hrsg.)]. Springer Spektrum. Berlin/Heidelberg. S. 217–274.

1

Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH

2

Bundesforschungszentrum für Wald

3

Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen

4

Universität für Bodenkultur Wien

5

Veterinärmedizinische Universität Wien

6

HBLFA Raumberg-Gumpenstein

7

Technische Universität Wien

8

Höhere Bundeslehranstalt und Bundesamt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg

9

Paris Lodron Universität Salzburg

10

Austrian Institute of Technology GmbH

11

Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft

12

Humboldt-Universität zu Berlin

4.1 Einleitung

Die vielfältigen Auswirkungen des Klimawandels führen in Österreich zu einem dringenden Anpassungsbedarf von menschlichen und natürlichen Systemen (APCC, 2014). Während Anpassung prinzipiell ein biologischer oder sozialer Entwicklungsprozess ist, sind jene Anpassungen an den Klimawandel effektiver, die proaktiv, geplant und vorausschauend passieren sowie unterschiedliche Akteur_innen, wie z. B. Wissenschafter_innen, Praktiker_innen und Entscheidungsträger_innen, involvieren (Adger et al., 2009; Berrang-Ford et al., 2011; Smit & Skinner, 2002)

Im 5. Sachstandsbericht des IPCC wird Klimawandelanpassung definiert als

„Prozess der Anpassung an aktuelle oder erwartete klimatische Veränderungen und deren Effekte. In menschlichen Systemen versucht Anpassung, Schäden abzuschwächen oder zu vermeiden und neue Möglichkeiten günstig zu nutzen (APCC, 2014).“

Anpassungen können nach unterschiedlichen Aspekten differenziert werden: z. B. nach Akteur_innen (öffentliche oder private), dem Zeitpunkt (reaktiv oder antizipativ) oder der Intention (autonom oder geplant; Smit et al., 2000; Füssel, 2007; Malik et al., 2010). Das Verständnis von Anpassung hat sich im Laufe der Zeit verändert: Während als Anpassungen der „ersten Generation“ nur direkte Reaktionen auf klimatische Veränderungen verstanden werden (Boyd et al., 2013), berücksichtigen Anpassungen „der zweiten Generation“ auch ökologische, soziale, politische und ökonomische Entwicklungen und streben eine höhere Systemresilienz an (Burton et al., 2002; Grasso, 2010; Moser & Boykoff, 2013). Anpassungen werden nicht isoliert von anderen Themen umgesetzt (Adger et al., 2005), und auch in der Landnutzung werden Entscheidungen aufgrund vielfältiger ökonomischer, sozialer und kultureller Kontexte getroffen (Grüneis et al., 2018; Moser & Ekstrom, 2010; Naess, 2013; Wolf, 2011). Die vielfache Forderung nach „Mainstreaming Adaptation“ zielt darauf ab, Strategien und Maßnahmen zur Anpassung nicht separat zu formulieren, sondern in bestehende Programme, Politiken oder Managementstrategien aufzunehmen (Klein et al., 2007; Tompkins et al., 2010).

Ein Bedarf an Anpassung führt jedoch nicht automatisch zu Anpassungshandlungen [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung], und in der Praxis zeigen sich vielfach Hürden bzw. Barrieren, wie z. B. unklare Verantwortlichkeiten, unzureichende Ressourcen oder ineffektive Kommunikation, sodass Anpassungen nicht stattfinden (Adger et al., 2009; Klein et al., 2007; Mc Carl et al., 2016; Mitter et al., 2019; Moser & Ekstrom, 2010; Wolf, 2011). Solche Barrieren führen zu Anpassungsdefiziten oder Anpassungslücken, die in der Praxis vor allem auf regionaler Ebene vielfach beobachtet werden können (Chen et al., 2016; Dow et al., 2013; Ford & King, 2015; Klein et al., 2014). Eine wichtige Rolle spielen dabei neben Unsicherheiten in den Prognosen für klimatische Entwicklungen auch Vorkenntnisse, Werte, Risikowahrnehmung sowie ökonomische Einschätzungen, die Akteur_innen eine Umsetzung erschweren können.

Anpassungsmaßnahmen können auch erfolglos sein oder sogar die Vulnerabilität gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels gegenwärtig oder auch künftig erhöhen. Solche Anpassungen werden als Fehlanpassungen (Maladaptationen) bezeichnet und führen zu einer Erhöhung klimarelevanter Emissionen, besonderer Belastung vulnerabler Gruppen, hohen Opportunitätskosten, Reduzierung von Anreizen zur Anpassung oder schränken durch die Wahl von Pfaden die Möglichkeiten zukünftiger Generationen ein (Pfadabhängigkeiten). Eine umfassende Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen birgt den Vorteil, solche eventuell negativen Wirkungen zu vermeiden (Adger et al., 2005). Allerdings können negative externe Effekte auch entstehen, wenn keine (Anpassungs-)Handlungen gesetzt werden (Steininger et al., 2015).

2012 wurde die Österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus veröffentlicht und 2017 aktualisiert (BMNT, 2017a). Diese enthält auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse 136 konkrete Handlungsempfehlungen in 14 Aktivitätsfeldern, die auch alle relevanten Gebiete der Landnutzung, wie z. B. Land- und Forstwirtschaft, Wasserhaushalt und Raumordnung, abbilden. Zusätzlich wurden zwischen 2009 und 2020 in den österreichischen Bundesländern Strategien zur Anpassung eigenständig oder innerhalb anderer Programme veröffentlicht (http://www.klimawandelanpassung.at).

Anpassungsmaßnahmen im Bereich der Landnutzung verfolgen unterschiedliche Ziele. Im Bereich Landwirtschaft hat die Sicherung der menschlichen Ernährung die oberste Priorität. In der flächenmäßig bedeutsamen Waldbewirtschaftung sollen dagegen verschiedene Waldökosystemleistungen bzw. Waldfunktionen gesichert werden. Dazu gehören u. a. die Holzproduktion, die Erhaltung des Schutzwaldes und mit zunehmender Bedeutung auch die Kohlenstoffspeicherfunktion des Waldes. Neben den primären Zielen von Anpassungsmaßnahmen hat jegliche Änderung der Landnutzung auch über die Ziele hinausgehende Auswirkungen auf andere Ökosystemleistungen (Abschn. 1.4). Erfolgreiche Anpassungsmaßnahmen in der Landnutzung berücksichtigen deren Folgen auf den Schutz unserer natürlichen Ressourcen, wie Wasser und Luft, und auf die heimische Biodiversität. Zudem betreffen Anpassungsmaßnahmen in Land- und Forstwirtschaft zumeist direkt die ländliche Entwicklung und Chancengleichheit zwischen ländlichen und städtischen Räumen.

Durch Anpassungsmaßnahmen in der Landnutzung können sich Nutzungskonflikte zwischen verschiedenen Landnutzungsformen verändern. Ein Nutzungskonflikt entsteht dann, wenn eine Fläche mehrere Flächennutzungspotenziale aufweist (von der Dunk et al., 2011). Sowohl globale als auch lokale Nutzungskonflikte in der Landnutzung sind in Österreich beobachtet worden (Exner & EB & P Umweltbüro GmbH, 2011; Filipancic, 2008). Mit zunehmenden und vielfältigeren Landnutzungsansprüchen werden die verfügbaren Flächenressourcen knapp (von der Dunk et al., 2011). Mit dem Klimawandel und den notwendigen Anpassungen erhöhen sich die Möglichkeiten für verschiedene Formen der Landnutzung (Iglesias & Garrote, 2015), was zu einer Verschärfung der Konfliktsituation führen kann. Nutzungskonflikte werden für den Siedlungsraum, Landwirtschaft und Forstwirtschaft in der Literatur diskutiert (Bernard et al., 2014; Perfler et al., 2007), insbesondere zwischen Naturschutz und anderen Landnutzungsformen.

Zur Lösung von Nutzungskonflikten in der Landnutzung werden die Einbindung von Interessengruppen und der Öffentlichkeit in den frühen Phasen der Entscheidungsprozesse (Semenza et al., 2011), die Abwägung vom potenziellen Nutzen der Maßnahme (Iglesias & Garrote, 2015), die Simulation der Szenarien und Flächennutzungspotenziale (Schaumberger et al., 2011) sowie eine standortspezifische Analyse der zeitlichen und räumlichen Landnutzungsveränderungen und ihrer Auswirkungen auf die Bereitstellung von Ökosystemdienstleistungen empfohlen (Stürck et al., 2018).

Im folgenden Kapitel werden Anpassungen an den Klimawandel in den landnutzungsrelevanten Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Schutzgebiete sowie Siedlungsraum betrachtet. Darüber hinaus geben die nächsten Absätze einen Überblick zu den Querschnittsthemen Wasser und Biodiversität.

4.1.1 Querschnittsthema: Wasser

Wasserverfügbarkeit und -qualität sind wesentliche Elemente der Landnutzung. Klimawandel-Anpassungsmaßnahmen können sich positiv oder negativ auf die Wasserverfügbarkeit und Wasserqualität auswirken (Dunn et al., 2012; Schönhart et al., 2018; Zessner et al., 2017). Somit beeinflusst der Klimawandel nicht nur direkt die Verfügbarkeit und Qualität des Wassers (Abschn. 3.2.1), was Anpassungsmaßnahmen im Bereich der Landnutzung und des Landmanagements notwendig macht oder einleitet, sondern auch indirekt, als Konsequenzen von Anpassungen. Als Querschnittsthema wird deshalb in den folgenden Abschnitten der besondere Bezug auf Konsequenzen für Wasserressourcen gelegt. Die wichtigsten Punkte sind hier kurz zusammengefasst.

Die zur Verfügung stehenden Anpassungsoptionen im Ackerbau zeigen, dass es sowohl synergistische als auch antagonistische Effekte gibt in Bezug auf den Gewässerschutz und den Wasserhaushalt. Zwischenfruchtanbau und die damit verbundene erhöhte Bioturbation im Boden durch Regenwürmer führen beispielsweise zu einer Erhöhung des Bodenwasserspeichers und einem geringeren Hochwasserrisiko, aber sie können auch durch präferenzielle Fließwege die Filterfunktion des Bodens vermindern und daher zu einem höheren Input von Nährstoffen und Schadstoffen in die Gewässer führen. Ein anderes Beispiel von Zielkonflikten zeigt sich bei konservierender Bodenbearbeitung, die zu potenziell vermehrtem Einsatz von Herbiziden und einer damit verbundenen erhöhten Gewässerbelastung führt. Die potenziellen Auswirkungen der Anpassungen im Ackerbau auf die Gewässer werden in Abschn. 4.2.1 im Detail ausgeführt. Außerdem werden die mögliche Rolle der Bewässerung bzw. ihre Beschränkungen, Folgen und technischen Umsetzungsmöglichkeiten sowohl im Ackerbau (Abschn. 4.2.1) als auch im Grünland (Abschn. 4.2.2) sowie im Gartenbau, Wein- und Obstbau (Abschn. 4.2.3) ausführlich diskutiert.

In Abschn. 4.2.4 werden die vorhersehbaren negativen Auswirkungen auf Gewässer dargelegt, die aus Anpassungen in der Tierhaltung entstehen könnten. In diesem Kontext sind v. a. der erhöhte Nährstoffeintrag in die Gewässer und das vermehrte Gefährdungspotenzial von Antibiotikaresistenzen hervorzuheben, die eine Intensivierung der Tierhaltung verursachen könnte. Anpassungsmaßnahmen in der Forstwirtschaft verändern den Wasserhaushalt in Waldgebieten, was die Grund- und Trinkwasserressourcen stark beeinflussen kann (Abschn. 4.3.2). Hinsichtlich des Wassermanagements im urbanen Raum wird in Abschn. 4.4 der Schwerpunkt der Diskussion auf das Potenzial, die Umsetzungsmöglichkeiten und die positiven und negativen Effekte eines gezielten Rückhalts des Regenwassers („Schwammstadtprinzip“) gesetzt. Des Weiteren wird auf die Box 1.3 verwiesen, in welcher der Zusammenhang zwischen Klimawandel, Landnutzungsänderungen und Wasserkreislauf übergeordnet dargestellt ist.

4.1.2 Querschnittsthema: Biodiversität

Zu den Bedrohungen der Biodiversität gehören allen voran die Veränderungen in der Landnutzung, Lebensraumfragmentierung und -verlust, Umweltverschmutzung, invasive gebietsfremde Arten und der Klimawandel (Brook et al., 2008; IPBES, 2019). Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel sind in der großen Mehrheit auch geeignet, langfristig dem Verlust an Biodiversität entgegenzuwirken, ist doch der Klimawandel einer der wichtigsten Verursacher dafür (Sala et al., 2000; Thomas et al., 2004). Verstärkend zum anthropogenen Verlust an biologischer Vielfalt wirkt sich der Klimawandel vor allem durch Habitatzerstörung und -fragmentierung sehr negativ aus. Der Biodiversitätsschutz bezieht sich auf die Erhaltung und den Schutz der Vielfalt, einschließlich der Vielfalt der Arten, der Ökosysteme und der genetischen Vielfalt. Dies kann Maßnahmen wie die Erhaltung von Lebensräumen, die Wiederansiedlung von Arten und die Regulierung von Aktivitäten, die der biologischen Vielfalt schaden könnten, beinhalten. Der Schutz der Biodiversität umfasst nicht nur Naturschutzmaßnahmen in Schutzgebieten (Abschn. 4.3.4), sondern auch den integrativen Biodiversitätsschutz mit einer nachhaltigen Nutzung von Biodiversität auch außerhalb der Schutzgebiete (Doyle & Ristow, 2006). Durch Anpassungsmaßnahmen kann es in der Landnutzung zu Synergien und Trade-offs zwischen Zielen der Anpassung und Biodiversitätsschutz kommen. Die Integration von Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Biodiversität in allen genannten Bereiche ist daher ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgsorientierten Strategie, um die biologische Vielfalt auf allen Ebenen zu erhalten bzw. zu fördern. Die dargestellten Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel umfassen vor allem die Bereiche der Landwirtschaft (Abschn. 4.2), der Forstwirtschaft (Abschn. 4.3), des Siedlungsraums (Abschn. 4.4) und der Schutzgebiete (Abschn. 4.3.4).

Hervorzuheben ist, dass insbesondere der genetischen Vielfalt in allen aktuellen Maßnahmen eine bedeutende Rolle zugeschrieben wird. Nur durch die Vernetzung der Lebensräume kann der Genfluss zwischen Teilpopulationen aufrechterhalten werden und Effekte der Inzucht in den kleinen Populationen verhindert werden, die langfristig unweigerlich zum Erlöschen von Vorkommen bis hin zum Aussterben von Arten führen können (Wiens, 2016; Abschn. 4.3.4). In Bezug auf den Klimawandel kommen bei der Vernetzung der Vorkommen noch weitere wichtige Komponenten hinzu, nämlich werden so die Wanderbewegungen der Arten unterstützt, um Habitatveränderungen ausweichen zu können, und ein funktionierender Genfluss trägt auch zur erfolgreichen Verbreitung (neu) angepasster Genotypen in der Population bei (Braunisch et al., 2010).

Auch im Bereich der Forstwirtschaft ist die Vernetzung von Waldlebensräumen durch die Schaffung selektiv bewirtschafteter sowie unbewirtschafteter Gebiete eine synergistische Anpassungsmaßnahme; so können sich die waldbewohnenden Arten durch Wanderungsbewegungen oder langfristig durch Genfluss an veränderte Bedingungen anpassen (Mawdsley et al., 2009). Die Vernetzung von Waldflächen ist besonders unter den gegebenen Unsicherheiten in Bezug auf die Auswirkungen des Klimawandels und der daraus resultierenden Herausforderung, Langzeit-Bewirtschaftungsstrategien zu entwickeln, von besonderer Bedeutung (Seidl & Lexer, 2013) [mittlere Evidenz, mittlere Übereinstimmung].

Weiters wurden zahlreiche Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität im bewirtschafteten Wald identifiziert, die synergetisch mit der Anpassung der Wälder an den Klimawandel wirken (Hickler et al., 2012; Milad et al., 2013; Oettel & Lapin, 2021). Zum Beispiel sind die Erhöhung der Baumarten- und Strukturvielfalt sowie die Erhaltung und Förderung der genetischen Vielfalt durch Einbringung von Vermehrungsgut mit erhöhter genetischer Vielfalt wichtige Anpassungen an den Klimawandel (Minimierung des Betriebsrisikos) und wirken sich ebenfalls positiv auf die Biodiversität aus (Brang et al., 2014). Der gezielte Wechsel von empfindlichen Baumarten in betroffenen Regionen oder die Schaffung von Mischbeständen (Seidl et al., 2011a) ist im Rahmen von Aufforstungen möglich und insbesondere nach klein- bis mittelflächigen Störungen eine erfolgversprechende Anpassungsmaßnahme (Thom et al., 2017).

Der ökologische Hochwasserschutz ist ein Beispiel für Synergien zwischen Klimawandelanpassung und Biodiversitätsschutz. Die Bewahrung und Ausweitung von ausreichend weitläufigen, natürlichen Retentionsräumen gelten als ökonomisch und ökologisch sinnvoll (Essl & Rabitsch, 2013) und werden in der Raumplanung berücksichtigt. Sie bieten einen natürlichen Hochwasserschutz bei starken Niederschlagsschwankungen sowie einem saisonal steigenden Hochwasserrisiko und schaffen darüber hinaus für viele Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum (Niedermair et al., 2007; Thieken et al., 2016; Abschn. 1.3.6) [Evidenz: mittel, Übereinstimmung: hoch].

Im Bereich der Landwirtschaft ergeben sich Synergien von Klimaanpassung und Biodiversität durch die Förderung von artenreichen Landschaften, die durch die Verwendung von klimaangepassten, trocken- und hitzeresistenten Kulturarten und -sorten sowie artenreiche Anbausysteme (z. B. Zwischenfruchtanbau, Untersaaten, Agroforstsysteme) die Steigerung der Ernteerträge ermöglichen. Heckenpflanzungen und Heckenpflege (Windschutzgürtel) sind eine weitere synergetische Anpassungsmaßnahme für den Biodiversitäts- und Naturschutz, da diese Landschaftselemente als Wind- und Verdunstungsschutz (Klimaschutz) sowie als Habitate und Ausbreitungskorridore für eine Vielzahl von Organismen dienen (Eitzinger, 2010, 2007). Extensiv genutzte Flächen stellen ebenso wichtige Lebensräume für viele Arten dar und können durch ihre hohe Strukturdiversität gleichzeitig positive lokalklimatische Wirkungen erzielen, wodurch das Ertragspotenzial und die -sicherheit z. B. in Trockenjahren gesteigert werden können (Essl & Rabitsch, 2013). Eine vielfältige Bodenfauna und Symbiosen sind für die Pflanzengesundheit und -resilienz darüber hinaus sehr wichtig, um den prognostizierten Stressfaktoren (Wetterextreme, Schädlingsbefall, etc.) zu begegnen (Zethner et al., 2015). Methoden mit geringer Intensität der Bodenbearbeitung oder unter möglichst geringem Einsatz schwerer, kraftstoffbetriebener Maschinen sorgen für ein stabiles Bodengefüge, das widerstandsfähig gegen Erosion ist (Zethner et al., 2015). Auch Anpassungen, wie adaptierte Fruchtfolgen, können Bodenerosion verringern und sich gleichzeitig positiv auf die Biodiversität auswirken (Hamidov et al., 2018) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Für eine Fläche von 1,3 Mio. ha Dauergrünland in Österreich wird in den kommenden Jahren ein steigendes Ertragspotenzial prognostiziert, während auf anderen Flächen (Grenzertragsböden, trockenere Gebiete, Hanglagen) der Ertrag sinken wird (Haslmayr et al., 2018). Dementsprechend ist mit einer intensiveren Nutzung der begünstigten Flächen zu rechnen (Haslmayr et al., 2018). Die zunehmende Konkurrenz um diese ertragreichen Flächen kann zur Aufgabe von Grenzertragsböden führen (Sailer, 2002). Sowohl die intensivere Nutzung begünstigter Lagen als auch die Aufgabe von Grenzertragsböden können zu negativen Auswirkungen auf die regionale Arten- und Strukturdiversität sowie die Landschaftsheterogenität führen (Tappeiner et al., 2008) [mittlere Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Die Schaffung von Grünraumstrukturen bzw. die Verringerung von versiegelten Flächen sind wesentliche Einflussgrößen auf das Stadtklima, dienen der Reduzierung der Hitzebelastung und können zugleich die Biodiversität fördern. Städtischer Grünraum kann somit einen wertvollen Beitrag zur Pflanzen- und Tiervielfalt leisten (Frantzeskaki et al., 2017) und als Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel dienen: Zum Beispiel trägt der Ausbau der großräumigen und kleinräumigen Vernetzung der Lebensräume zur Abkühlung der unmittelbaren Umgebung, zur Speicherung erhöhter Mengen an Niederschlag bzw. einer Verzögerung des Wasserabflusses bei. Lösungen sind natürliche oder halb-natürliche Bereiche, wie Parks, begrünte Dachflächen und Fassaden, Straßenbäume, Stadtgärten oder Flüsse, Kanäle, Seen, Teiche, etc. Dies sind Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel und sie erfüllen zumindest teilweise Ökosystemfunktionen (Kabisch et al., 2016). In stark versiegelten Stadtteilen sind es zum Beispiel „Rain Gardens“ der grün-blauen (Land-Wasser-)Infrastruktur (Henninger & Weber, 2019), die ein ökologisch breites Spektrum an Pflanzenarten beherbergen und auch unter extremen Bedingungen – von Dürre bis hoher Feuchtigkeit – funktions- und lebensfähig bleiben. Darüber hinaus kann „Urban Gardening“, v. a. in Kombination mit anderen Grünraum- und Wasserstrukturen, durch eine Verminderung der Bodenversiegelung und eine Erhöhung der Arten- und Strukturvielfalt zur Wasserregulierung beitragen, Luftzirkulation und Kühlung durch Transpiration und Beschattung der Pflanzen bewirken und die mikroklimatischen Bedingungen verbessern (Bindewald et al., 2021; Cabral et al., 2017) [mittlere Evidenz, mittlere Übereinstimmung].

Objektschutzbauten, die als Klimawandelanpassung mit hoher Schutzwirkung für Gebäude bei Extremereignissen wie Hochwasser empfohlen werden (Hübl & Tscharner, 2015), verhindern nicht nur eine natürliche Wasserrückhaltefähigkeit (Retention), sondern bedeuten auch den Verlust von Ökosystemen (Feuchtwiesen, Auwälder), Arten und Genotypen, die an temporäre Überflutungen angepasst sind. Natürliche Retentionsflächen fehlen zunehmend (und sind langfristig nicht mehr verfügbar), während ein hohes Sicherheitsgefühl durch Objektschutz und Versicherungen (Kreibich et al., 2011) zu einer weiteren Intensivierung der Erschließung und Bebauung führt (Fuchs et al., 2017; Nordbeck et al., 2019; Tappeiner et al., 2008). Dies erhöht nicht nur das Schädigungspotenzial und die Vulnerabilität bei Extremereignissen (Cammerer & Thieken, 2013; Mitchell, 2003), sondern auch den negativen Einfluss auf empfindliche Ökosysteme durch Landnutzungsänderung und Landschaftsfragmentierung (Cammerer et al., 2013). Auch werden hydrologische Prozesse negativ beeinflusst (Braunisch et al., 2010; Elfert & Bormann, 2010; Fox et al., 2012; Niehoff et al., 2002) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

4.2 Anpassungsmaßnahmen in der Landwirtschaft

4.2.1 Ackerbau

Der Klimawandel zeigt bereits Auswirkungen auf die Landwirtschaft, z. B. Hitze- und Trockenstress und damit verbundene Ertrags- und Qualitätseinbußen, häufigere Wetterextreme (Eitzinger & Kersebaum, 2016), zunehmende Ausbreitung von Schadorganismen (Abschn. 3.2.1). Dies erfordert die rasche Umsetzung von Anpassungsstrategien auf betrieblicher sowie nationaler, regionaler und lokaler Ebene, um die Vulnerabilität der Landwirtschaft zu mindern (Heeb et al., 2019). Aufgrund kleinräumiger Topografien und Klimaregionen sind die Produktionssysteme der österreichischen Landwirtschaft durch große regionale Unterschiede, vor allem in der Niederschlagsverteilung, geprägt, und die Vulnerabilität gegenüber dem Klimawandel ist zwischen den Regionen sehr unterschiedlich (Eitzinger et al., 2009a). Die Entwicklung und Anwendung von Anpassungsstrategien, welche lokale Standortcharakteristika, Standortkenntnisse und Praxiserfahrungen sowie sozio-ökonomische Bedingungen und Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen berücksichtigen, ist daher eine Bedingung für eine erfolgreiche Anpassung, d. h. eine Reduktion der Vulnerabilität und eine Erhöhung der Resilienz, an den unvermeidbaren Klimawandel (Eitzinger & Kersebaum, 2016) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Diversifizierung

Es wird übereinstimmend berichtet, dass die Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion durch weitere und vielgestaltigere Fruchtfolgen oder Erhöhung der Kulturartenvielfalt die Resilienz gegen abiotische (z. B. Hitze, Trockenheit) sowie gegen biotische Stressfaktoren (z. B. Pathogene, Schadinsekten) erhöht und zur Risikostreuung beiträgt. Als besonders zielführend werden Bewirtschaftungsverfahren und Forschungstätigkeiten eingeschätzt, die grundsätzlich die Nachhaltigkeit und Anpassungsfähigkeit fördern sowie eine möglichst standortangepasste Landwirtschaft mit minimiertem externen Ressourceneinsatz verfolgen (Bernard et al., 2014; BMNT, 2017a; Steinwidder & Starz, 2016) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Eine abwechslungsreiche Fruchtfolge ist eine zentrale Maßnahme der Diversifizierung und kann auch bei Wetterextremen stabilere Erträge erbringen, den Boden schonen und die Produktion widerstandsfähiger gegen Beikraut- und Schädlingsdruck gestalten (Steinwidder & Starz, 2016). Als Möglichkeiten werden der Wechsel zwischen Sommer- und Winterkulturen/-früchten und zwischen Halm- und Blattfrüchten wie auch der Anbau von Hülsenfrüchten (Leguminosen), Zwischenfrüchten, Untersaaten und mehrjährigen Kulturen genannt (VLK, 2019). Leguminosen, beispielweise Klee, Luzerne und Erbse, stellen der Folgefrucht fixierten Stickstoff zur Verfügung. Der daraus resultierende geringere Bedarf an mineralischem N-Dünger hat positive Auswirkungen auf die Treibhausgasbilanz (Reduktionspotenziale von bis zu 2,2 t CO2e/ha wurden ermittelt; Dersch et al., 2015). Allerdings können Leguminosen in der Fruchtfolge erhöhte Lachgas- (N2O-)Emissionen verursachen gegenüber nicht leguminosen Pflanzen (Lehtinen et al. 2014, Basche et al., 2014; Foldal et al., 2019), wobei hier langjährige quantitative Daten fehlen (Böhm et al., 2020).

Möglichkeiten zur Anpassung an Klimaänderungen bieten der Anbau von Zwischenfrüchten, Zwischenbegrünungen und Untersaaten [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Damit können folgende positive Effekte erreicht werden: Sie tragen zur Humusbildung bei und reduzieren das Aufkommen von Beikräutern und Schadorganismen, wie Nematoden (Fadenwürmer), was vor allem im Biolandbau geschätzt wird (BAB, 2019; Bio Austria, 2016; Petritz, 2020). Die ganzjährige Bodenbedeckung mit Pflanzen mindert die Erosion und senkt das Erosionsrisiko um 25–60 % (BAB, 2019; Klik & Eitzinger, 2010; Schönhart et al., 2014). Regenwürmer steigern die Wasserinfiltration und verringern somit das Hochwasserrisiko (Bodner et al., 2014; Bodner & Keiblinger, 2020). Allerdings kann es durch Grobporen im Boden zur Verlagerung von Nähr- und Schadstoffen und somit zu einer Reduzierung der Filterfunktion des Bodens kommen (Jarvis, 2007). Der Zwischenfruchtanbau verbessert den Bodenwasserhaushalt, denn Pflanzen und Ernterückstände verringern die Bodenverdunstung und den Oberflächenabfluss und verbessern die Infiltration und Wasserspeicherfähigkeit des Bodens. Dadurch wird der Boden im Gegensatz zur Brache (unbestelltes, pflanzenlosen Feld) vor Austrocknung geschützt, weniger stark erhitzt und die Bodenorganismen vor starken Temperaturschwankungen bewahrt (Kirchman, 2011). Auch in Trockenzeiten bzw. -gebieten stehen Zwischenfrüchte nicht in Wasserkonkurrenz zur Hauptfrucht und vermindern deren Ertrag nicht (Bodner et al., 2011). Des Weiteren kann die prognostizierte erhöhte Stickstoffmineralisierung aufgrund höherer Temperaturen durch die Aufnahme in Zwischenfrüchte abgedämpft werden, wodurch potenzielle Nährstoffausträge reduziert werden (BAB, 2019; BMNT, 2017a).

Es gibt winterharte oder abfrostende Zwischenfrüchte. Erstere haben den Vorteil, dass sie den Stickstoff über den Winter binden, doch sie bilden ein umfangreiches Wurzelsystem aus, was bei Systemen mit minimaler Bodenbearbeitung zu Schwierigkeiten bzw. zur Notwendigkeit von Herbizideinsatz führen kann (Kriegner-Schramml, 2021). Eine diverse Zwischenfruchtmischung bietet viele Vorteile gegenüber einer Reinsaat, besonders bei einer Kombination von Leguminosen und Nicht-Leguminosen [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Eine artenreiche Mischung erhöht die Stressresistenz und die Wurzelbiomasse des Anbausystems. Die verschiedenen Arten ergänzen sich in ihren Wurzelsystemen und können Nährstoffe aus unterschiedlichen Tiefen bereitstellen (Gentsch et al., 2020; Schmidt & Gläser, 2013). Darüber hinaus steigt die Netto-Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre mit zunehmender Diversität der Zwischenfrüchte, und mehr Photoassimilate werden in die Wurzeln und den Boden transportiert. Dieser Eintrag stimuliert die mikrobielle Biomasse und Kohlenstoff bleibt länger im Boden (Gentsch et al., 2020).

Auch Untersaaten sind geeignete Anpassungsmaßnahmen im Ackerbau [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Sie bieten eine Verringerung der Erosion (vor allem in Reihenkulturen wie Mais), tragen zum Humusaufbau bei, können das Aufkommen von Beikräutern unterdrücken und können je nach Artenwahl überschüssigen Stickstoff binden (BWSB, 2014; Enggist, 2019). Die Untersaat kann in Form einer einzelnen Art oder einer Mischung aus Gräsern (und Klee) mit der Deckfrucht oder kurz danach gesät werden (Berendes, 2014). Für eine optimale Entwicklung beider Kulturen darf die Konkurrenzkraft der Deckfrucht nicht höher als jene der Untersaat sein. Zusätzlich muss die Untersaat den Boden rasch bedecken und im Winter abfrieren, wenn sie zur Beikrautunterdrückung eingesetzt wird. Abzuwägende Nachteile dieses Anbausystems sind die Wasser- und Nährstoffkonkurrenz und potenzielle Ertragsverluste (bis zu 10 %) der Hauptfrucht (BWSB, 2014; Enggist, 2019).

Der Anbau von Mischkulturen (zeitgleiche Kultivierung von zwei oder mehr Arten) erhöht die Widerstandskraft gegen Klimaschwankungen, Unkrautdruck und Schaderreger und kann Erträge steigern [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung], da sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich eine an die aktuellen Witterungsverhältnisse angepasste Kulturart auf dem Feld befindet (Hohmann & Haug, 2019). In weiterer Folge können kompatible Mischkulturen und eine geeignete Fruchtfolge den Einsatz von Düngemitteln reduzieren und die Bodenstabilität positiv beeinflussen, vor allem bei Integration mehrjähriger Kulturen und/oder von Kulturen mit unterschiedlicher Wurzeltiefe (Bernard et al., 2014). Tiefwurzler können dabei Wasser aus tieferen Bodenschichten in trockenere Bereiche befördern („hydraulic lift“) und Flachwurzler somit in trockeneren Zeiten mit Wasser versorgen (Bayala & Prieto, 2020). Diesen Potenzialen stehen höhere Kosten und größerer Aufwand für die Aussaat, Ernte und Trennung des Erntegutes entgegen. Zudem ergibt sich ein höherer Planungsaufwand, da die Arten gleichzeitig reifen müssen und eine Konkurrenz um Ressourcen zu vermeiden ist (Dierauer et al., 2017; Fischl et al., 2020). In Österreich wurden Mischkulturen aus Körnerleguminosen und Getreide in Feld- und Demonstrationsversuchen getestet. Dabei zeigte sich unter anderem eine beikrautunterdrückende Wirkung der Mischungen Wickroggen, Ackerbohne & Sommerhafer und Körnererbse & Sommergerste sowie eine Steigerung der Kornproteingehalte (und dadurch des Roherlöses) bei Wintererbse & Winterweizen und Winterackerbohne & Winterweizen. Die Ernte von Leguminosen-Getreide-Mischungen kann bei präziser Einstellung mit einem herkömmlichen Mähdrescher erfolgen, und Mischungen wie Ackerbohne und Weizen lassen sich durch Sieben gut trennen (Fischl et al., 2020).

Eine weitere wirksame Anpassungsmaßnahme sind Landschaftselemente wie Hecken [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Aufgrund der Reduzierung der Windgeschwindigkeit (bis zu 60 %) vermindern Hecken die Winderosion sowie die unproduktive Verdunstung des Bodens und die Transpiration der Pflanzen. Infolgedessen können die Pflanzen in dem durch Hecken geschützten Gebiet Trockenperioden leichter überstehen und stabilere Erträge erbringen (Ableidinger et al., 2020; BMNT, 2017a). Darüber hinaus erhöhen Hecken – und andere Landschaftsstrukturen wie Steinmauern, Blühflächen und Alleen – die Biodiversität, indem sie Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten und Rückzugsorte für seltene Arten schaffen und als biologische Korridore fungieren, in denen sich Tiere und Pflanzen wieder ausbreiten können. Diese hohe biologische Vielfalt hat auch positiven Einfluss auf angrenzende Flächen aufgrund der Regulierung von Schädlingen durch natürliche Feinde, der Stimulation des Bodenlebens und einer höheren Bestäuberleistung (Ableidinger et al., 2020; Graf et al., 2016). Der Erhalt von Landschaftselementen ist Teil der ÖPUL-Vorhabensart „Umweltgerechte und Biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung“, welche bereits auf etwa der Hälfte der Ackerflächen umgesetzt wird (BAB, 2019).

Ein anderer Ansatz erhöhter Vielfalt in der Landwirtschaft ist die Etablierung von Agroforstsystemen. Das sind Landnutzungssysteme, in denen Gehölze (Bäume oder Sträucher) mit Ackerkulturen und/oder Tierhaltung auf einer Fläche kombiniert werden, sodass signifikante ökologische und/oder ökonomische Synergien entstehen können (Nair, 1993). Die Wechselwirkungen zwischen Gehölzen und Ackerkulturen werden typischerweise bewusst genutzt und bieten Synergien wie den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, die Kontrolle von Schädlingen und Krankheiten, die Regulation des Mikroklimas, die Erhöhung von Kohlenstoffspeicherung und die Reduktion der Nitratauswaschung (Jacobi et al., 2014; Lasco et al., 2014). Die Gehölze bieten zudem Nährstoffnachlieferung und Windschutz, wodurch die Evaporation vermindert wird und mehr Wasser auf dem Standort verfügbar ist (Kanzler et al., 2017; Petersen & Weigel, 2015). Durch die Diversifizierung des Lebensraums wird auch die Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten stimuliert (Torralba et al., 2016; Varah et al., 2013). Aufgrund dieser Effekte werden Agroforstsysteme gleichzeitig als Anpassung an und Minderung des Klimawandels gesehen. Allerdings sind Agrarforstsystem häufig mit geringeren Erträgen (Bertsch-Hoermann et al., 2021) verbunden [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

In Österreich werden kaum Agroforstsysteme etabliert, da die Gehölzflächen dem Forstgesetz unterliegen und somit nicht von den Instrumenten des österreichischen Agrarumweltprogramms gefördert werden (ARGE Agroforst, n.\,d.). Darüber hinaus stehen der Etablierung von Agroforstsystemen hohe Anlage-, Pflege- und Erntekosten und die Notwendigkeit von langfristigen Investitionen entgegen (Herzog et al., 2016). Systeme, die bereits doch etabliert wurden, sind beispielsweise Reihen von Obstbäumen oder Pappeln auf bzw. zwischen bewirtschafteten Ackerflächen in Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark (Wallner, 2021). Auch die in Niederösterreich weit verbreiteten Windschutzhecken können aufgrund ihrer Wechselwirkungen mit einjährigen Ackerkulturen als Agroforstsysteme definiert werden. Eine historisch bedeutsame Form der Agroforstwirtschaft ist – neben Hecken – die Streuobstwiese, die ein bedeutsames Landschaftselement und einen der artenreichsten Lebensräume Mitteleuropas darstellt. Jedoch gilt die Streuobstwiese in Österreich gegenwärtig als gefährdet aufgrund von Betriebsintensivierung oder Flächenumwidmungen (Waiss, 2019). Bestrebungen hinsichtlich einer rechtlichen Absicherung, einer einfacheren Förderabwicklung und verstärktem Wissenstransfer werden von der ARGE Agroforst betrieben (ARGE Agroforst, n.\,d.).

Förderung der Bodenfunktionen

Es ist davon auszugehen, dass sich die klimatischen Veränderungen (steigende Temperatur, sinkende Wasserverfügbarkeit, häufigere Wetterextreme) auf diverse Bodenparameter auswirken werden, unter anderem auf den Wasserhaushalt und Humusgehalt. Die unmittelbare Wirkung ist stark von den lokalen Gegebenheiten abhängig. Angesichts der erwarteten stärkeren Wind- und Wassererosion und der beschleunigten Zersetzung geht Bodensubstrat verloren, und der Humusgehalt kann sich verringern (Klik & Eitzinger, 2010; Pfeiffer et al., 2017; Schönhart et al., 2014). Ein zentraler Hebel der erfolgreichen landwirtschaftlichen Klimawandelanpassung ist daher die nachhaltige Bodenbewirtschaftung und Sicherung der Bodenfunktionen. Die langfristige Stabilisierung eines optimalen Humusgehaltes ist daher ein wichtiger Aspekt, um den Konsequenzen des Klimawandels entgegenzuwirken [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Humusreiche (kohlenstoffreiche) Böden weisen eine höhere Aggregatstabilität, höhere Wasserinfiltrationsraten und Wasserrückhaltevermögen auf (BMLFUW, 2006; Erhart & Hartl, 2010; Kolbe & Zimmer, 2015), wodurch sie widerstandsfähiger gegenüber Extremereignissen wie Starkregen und Dürre sind (Fließbach et al., 2008; Petersen & Weigel, 2015), die Erosionsgefahr verringern (Erhart & Hartl, 2010) und vor allem mittel- bis langfristig höhere Erträge erbringen (Johnston et al., 2009; Kolbe & Zimmer, 2015).

Die Stabilisierung von Humus erfolgt durch Aggregatbildung und Anlagerung an Mineraloberflächen (überwiegend durch Mikroorganismen) und wird grundlegend von der mikrobiellen Gemeinschaft sowie physikalischen und chemischen Eigenschaften (z. B. Temperatur, Feuchtigkeit, Sauerstoff, Bodentextur, Mineralbestand) bestimmt. Die Bedingungen für mikrobielle Humusstabilisierung können durch landwirtschaftliche Bewirtschaftung optimiert werden (Bodner et al., 2020). Humusaufbauende Maßnahmen zeigen zu Beginn eine deutliche Steigerung des Humusgehaltes, die mit zunehmendem Gehalt über die Zeit abflacht. Um die Effekte abschätzen zu können, sind lange Zeitreihen mit regelmäßigen Messungen nötig. Die natürliche Sättigung des Humusgehaltes wird von Standortfaktoren wie Bodentextur, pH-Wert und Klima bestimmt. So weisen z. B. tonreiche Böden ein höheres Humuspotenzial auf als leichtere Böden (Bodner et al., 2020). Humusaufbauende und -erhaltende Maßnahmen umfassen organische Düngung, konservierende Bodenbearbeitung, eine vielfältige und standortangepasste Fruchtfolge, Zwischenfruchtanbau und Zwischenbegrünung (Schönhart et al., 2014; Steinwidder & Starz, 2016; BMNT, 2017b; Abschn. 2.5.1, 2.5.1.5).

Der Zwischenfruchtanbau ist aufgrund der frischen Gründüngung wertvoll für den Humusaufbau, die zurückbleibenden Wurzeln leisten einen deutlichen Beitrag zur Humusbildung. Zudem trägt ein durchgehender Pflanzenbewuchs durch Ausscheidungen von Kohlenstoff über die Wurzeln und Aggregatbildung zum Humusaufbau bei (Weißhaidinger et al., 2012; Bodner et al., 2020). Zum einen bringen die Wurzelausscheidungen selbst Kohlenstoff und Stickstoff in den Boden ein, und zum anderen regen sie die Aktivität der Bodenorganismen an (Nannipieri et al., 2008; Philippot et al., 2013).

Da die mikrobiellen Gemeinschaften moderner Agrarsysteme oft durch Kohlenstoff limitiert sind, tragen organische Dünger zur Erhöhung der mikrobiellen Biomasse und Aktivität sowie des Humusgehaltes bzw. organischen Kohlenstoffs im Boden bei (Erhart & Hartl, 2010; Ros et al., 2006; Zavattaro et al., 2017). Regelmäßige Kompostdüngung erhöht zudem die Zahl der Regenwürmer, die Nährstoffverfügbarkeit und die Resistenz gegen Schädlinge und Krankheiten (BMLFUW, 2006; Erhart & Hartl, 2010). Die organische Düngung muss für eine Humusanreicherung allerdings regelmäßig durchgeführt werden, da das organische Material auch kontinuierlich von Mikroorganismen abgebaut wird (Bodner et al., 2020). Der Gewinn an organischem Kohlenstoff im Boden impliziert zudem nicht unbedingt einen Beitrag zur Klimawandelminderung, da bei der Zersetzung auch CO2 und N2O emittiert werden (Sandén et al., 2018) sowie keine Kohlenstoffsequestrierung aus der Atmosphäre erfolgt (Abschn. 2.2, 5.1). Organische Düngung wird als humusaufbauende Maßnahme in der Wissenschaft kritisch diskutiert, da die organische Substanz oftmals von einem Standort an einen anderen verlagert wird und sich daher zwar als Anpassungsstrategie, aber nicht notwendigerweise auch zur Emissionsminderung eignet (Schlesinger & Amundson, 2019; Sykes et al., 2020; Wiesmeier et al., 2020).

Eine weitere Möglichkeit, den Humusgehalt des Bodens zu erhöhen, ist die Einarbeitung von Ernterückständen (z. B. von Zwischenfrüchten). Dieses Verfahren kann vor allem in viehlosen Ackerbaubetrieben und in Böden mit niedrigen Humuskonzentrationen vorteilhaft sein (Spiegel et al., 2010). Auch wenn eingearbeitete Ernterückstände und Wirtschafsdünger kurzfristige Ertragsminderungen im Vergleich zu mineralischen Düngern bedingen können (Sandén et al., 2018), sind organische Dünger dem Erhalt der Bodenfruchtbarkeit zuträglich (Erhart & Hartl, 2010; Zavattaro et al., 2017), wodurch die Produktion auf lange Sicht getragen werden kann. Der Einfluss landwirtschaftlicher Bewirtschaftungsmaßnahmen auf die Humus- bzw. Kohlenstoffspeicherung in Böden und deren Trade-Offs wird ebenso in den Abschn. 2.5.1.5, 5.1.1, 5.3.2.2 behandelt.

Eine Alternative für die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, die in der Wissenschaft große Aufmerksamkeit findet, ist der Einsatz von Biokohle („Biochar“). Studien zufolge sorgt Biokohle für eine höhere Speicherfähigkeit von Wasser und Nährstoffen im Boden und für vorteilhafte Bedingungen für Bodenorganismen (BMLFUW, 2017). Die Anwendung von Biokohle als Bodenzusatzstoff wird in den Abschn. 2.2.4.2, 2.5.1.5, 5.2.2 erläutert.

Um die Bodenfunktionen bestmöglich zu fördern, kann die Bodenbearbeitungsweise an den Standort und die Fruchtfolge angepasst und kontinuierlich aufrechterhalten werden (Artman & Bockisch, 2003; Grosse & Heß, 2016; Spiegel et al., 2007). Konservierende Bodenbearbeitung umfasst die dauerhaft pfluglose Bewirtschaftung („No-till“ bzw. Direktsaat) und die reduzierte Bodenbearbeitung (Reduzierung der Häufigkeit, Tiefe und/oder Fläche). Österreichische Berichte nennen als ökologische und wirtschaftliche Vorteile der Direktsaat eine Erhöhung der biotischen Aktivität und des Bodenkohlenstoffs sowie eine Reduktion der Treibhausgasemissionen, der Arbeitszeit und des Kraftstoffverbrauchs (Moitzi et al., 2019; Szalay et al., 2015; Zethner et al., 2015). Langzeitversuche in Niederösterreich bestätigen eine Verringerung des Bodenabtrages bei „No-till“ (gänzlicher Verzicht auf Bodenbearbeitung) und Mulchsaat (nicht wendende Bodenbearbeitung zur oberflächlichen Einarbeitung von Ernterückständen; Klik & Rosner, 2020; Komissarov & Klik, 2020), da die Infiltrationskapazität des Bodens erhöht und die Bodenstabilität verbessert wird (Schomakers et al., 2011). Mulchsaat und No-till sind in Trockenperioden eine wichtige Anpassungsmaßnahme [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung], da die Bodenbedeckung mit Ernterückständen und lebenden Pflanzen die Verdunstung senkt und das Wasserrückhaltevermögen erhöht (BMNT, 2017a; Huggins & Reganold, 2009; Zethner et al., 2015). Dadurch steigt auch das Ertragspotenzial der Pflanzen, vor allem auf sandigen Böden (Blanco-Canqui & Ruis, 2018; Eitzinger et al., 2013).

Mehrere Studien (Neugschwandtner et al., 2020; Sandén et al., 2018; Spiegel et al., 2007) stellten fest, dass sich pflanzenverfügbare Nährstoffe in der obersten Bodenschicht (0–5 bzw. 0–10 cm) bei minimaler bzw. reduzierter Bodenbearbeitung im Vergleich zu konventioneller Bodenbearbeitung akkumulierten, während in tieferen Bodenschichten (nach 15–20 Jahren Bewirtschaftung) keine Managementeffekte gefunden wurden. Diese oberflächliche Akkumulation kann unter feuchten Klimabedingungen positive Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum haben, während die Nährstoffe unter anhaltender Dürre unzugänglich sein können (Sandén et al., 2018).

Konservierende Bodenbearbeitung, vor allem No-till, hat sich in Österreich aufgrund der Beikraut regulierenden Wirkung des Pflügens nicht durchgesetzt. In der Praxis gehen pfluglose Varianten daher oft mit dem Einsatz von Herbiziden einher (Bernard et al., 2014; Zethner et al., 2015). Das Ausbringen von Herbiziden kann Oberflächengewässer oder das Grundwasser belasten (Klik, 2013; Klik & Rosner, 2020) und kann negative Auswirkungen auf Bodenmikroorganismen, die Resilienz und das Wurzelwachstum der Nutzpflanzen haben (Zethner et al., 2015). Alternativen zur Beikrautbekämpfung sind der Einsatz von Grubber und Scheibenegge, das Striegeln, „Strip-till“ und eine Bedeckung des Bodens (Zethner et al., 2015). Beispielsweise erlaubt eine hohe Biomasseproduktion der Zwischenfrucht eine reduzierte Bodenbearbeitung, wohingegen geringer Aufwuchs eine höhere Bodenbearbeitungsintensität zur Beikrautunterdrückung verlangt (Grosse & Heß, 2016).

Über die Ertragsleistung von Kulturpflanzen unter konservierender Bodenbearbeitung sind divergierende Forschungsergebnisse zu finden. Unter pannonischem Klima im Osten Österreichs wurden vergleichbare Erträge von Winterweizen zwischen Pflugbearbeitung, reduzierter Bodenbearbeitung und Direktsaat festgestellt, wobei Direktsaat in sehr trockenen Jahren höhere Erträge erzielte (Neugschwandtner et al., 2015). Theurl et al. (2015) fanden dahingegen eine Ertragsminderung bei Zuckerrüben unter reduzierter Bodenbearbeitung, und Rieger et al. (2008) und Zikeli et al. (2013) ermittelten deutlich niedrigere Erträge bei Weizen unter nicht wendender Bodenbearbeitung in der Schweiz und Deutschland.

In der biologischen Landwirtschaft werden Maßnahmen gesetzt, die die Bodenfruchtbarkeit durch den Eintrag organischer Substanz, vielfältige Fruchtfolgen (inklusive Zwischenfruchtanbau, Begrünungen) und eine dauerhafte Bodenbedeckung erhöhen (Weißhaidinger et al., 2012). Diese Diversität fördert zudem die Resilienz gegenüber Schadorganismen, Unkräutern und extremen Wetterereignissen wie Dürre (Steinwidder & Starz, 2016). Auch wenn die Erträge im Biolandbau im Allgemeinen geringer sind, wurden unter wasserlimitierenden Bedingungen in biologisch bewirtschafteten Feldern höhere Ernteerträge als in konventionell bewirtschafteten verzeichnet (Badgley et al., 2007; Hepperly et al., 2006). Dieser Umstand und der verminderte bzw. fehlende Einsatz von leicht löslichen Mineraldüngern und Herbiziden machen den Biolandbau nachhaltig und bedeutsam für die Klimawandelanpassung (BAB, 2019; Fließbach et al., 2008). Im Biolandbau können trotz Verzichts auf den Einsatz von Mineraldüngern erhebliche Nährstoffmengen durch die Ausbringung von Wirtschaftsdüngern auf die Flächen gebracht werden. Diesbezügliche Unterschiede zwischen biologischer und konventioneller Landwirtschaft sind nicht eindeutig nachgewiesen, und die Grenzwerte der EU-Nitratrichtlinie können bei beiden Bewirtschaftungsformen überschritten werden (Biernat et al., 2020; Kirchmann & Bergström, 2001).

Da der Großteil dieser Anpassungsentscheidungen auf lokaler bzw. betrieblicher Ebene von Landwirt_innen getroffen wird, ist die Einbeziehung der zugrundeliegenden sozialen Prozesse eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Nach einer Studie von Mitter et al. (2019) entscheiden sich Landwirt_innen nur dann für Anpassungsmaßnahmen, wenn sie effektive Maßnahmen kennen, Eigenverantwortung annehmen und die verbundenen Kosten positiv bewerten. Deshalb empfehlen die Autor_innen bei Informationsstrategien die Einbindung von regionalen und betriebstypspezifischen Bedürfnissen und Herausforderungen, Anpassungskosten sowie Nutzen für den Betrieb.

Pflanzensorten- und -artenwahl

Der Anstieg von sommerlichen Hitzeperioden und zunehmende Trockenheit beeinträchtigen die Wachstumsbedingungen für Kulturpflanzen. Die Prüfung und Etablierung neuer Kulturarten oder Sorten, die an solch extreme Verhältnisse angepasst sind, stellen eine effiziente Anpassungsmaßnahme dar [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Besonderer Fokus der Pflanzenzüchtungsforschung liegt hierbei auf Eigenschaften wie Toleranz gegenüber Hitze und Kälte, effiziente Nährstoff- und Wassernutzung und Resistenzen gegenüber Schaderregern (VLK, 2019).

Als häufigster abiotischer Stress in Ost- und Zentraleuropa kann Trockenheit zu enormen Ertragsverlusten besonders bei Getreide und Leguminosen führen (Brandstetter et al., 2019; Eitzinger et al., 2013; Patil et al., 2010). Hitzestress kann neben Ertragsverlusten auch Veränderungen von Qualitätsparametern (z. B. Proteinqualität und -quantität von Getreide, Ölgehalt von Raps) verursachen (Gömann et al., 2017; Semenov & Shewry, 2011). Hitzestress bei Kulturpflanzen wirkt sich demnach auch auf die funktionellen Eigenschaften für die Verarbeitung und den Verzehr ihrer Ernteprodukte aus (Weigel et al., 2014). In Österreich sind die Pflanzenbestände der pannonischen Region oft Hitze- und Trockenstress ausgesetzt (Flamm et al., 2012). Dementsprechend ist die Selektionierung von hitze- und trockenheitstoleranten Sorten, die eine stabile Jugendentwicklung und Kühltoleranz aufweisen, notwendig (BMNT, 2017a; Brandstetter et al., 2019).

Eine Alternative zur Selektierung aus heimischen Arten ist die Etablierung von Kulturarten aus wärmeren Gegenden, wie z. B. Hirse, Linsen und Esparsette (Christen, 2008). Eitzinger und Kersebaum (2016) finden infolge der Temperaturerhöhung eine Ausweitung potenzieller Anbaugebiete in bislang zu kühle Regionen vor.

Die Züchtung einer Sorte dauert 8–13 Jahre. Es gibt Handlungsbedarf, um rechtzeitig angepasste Sorten zur Verfügung zu haben (BMNT, 2017a). Eine Möglichkeit besteht in der Prüfung (alter) einheimischer Sorten hinsichtlich ihrer Klimasensitivität (Weigel, 2011). Dahingehende Bemühungen werden z. B. im Projekt KLIMAFIT unternommen, (Brandstetter et al., 2019). In Forschungsprojekten, wie z. B. Wheat Stress (2009–2011) und Efficient Wheat (2012–2013), wurden trockenstresstolerante Genotypen von Weizen und Eigenschaften in Zusammenhang mit Trockenstress identifiziert. Durch einen Austausch mit anderen Ländern könnte der Genpool erweitert werden (Majer et al., 2008).

Um mehr Diversität und Anpassungsfähigkeit an klimatische Veränderungen in der Pflanzenzüchtung zu erreichen, sind verwandte Wildarten von Nutzpflanzen eine wichtige Ressource [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Wildarten weisen oft größere Resistenz gegen hohe Temperaturen und Trockenheit sowie gegen Schädlinge und Krankheiten auf (Kilian et al., 2021). Toleranz gegenüber Trockenheit kann beispielsweise bei Gerste, Kichererbse und Sonnenblume durch die Nutzung von Wildarten gestärkt werden (Dempewolf et al., 2014). International gibt es diesbezüglich Bestrebungen (z. B. das Crop Wild Relatives Global Portal; Biodiversity International, 2022), wohingegen diese Methode in Österreich noch nicht angewandt wird. Ein großes Potenzial wird auch in der Anwendung von Mikrobiomen der Pflanzen und des Bodens gesehen. Durch die Selektion und Züchtung von Pflanzen hinsichtlich ihrer Assoziation mit nützlichen Mikroorganismen können Toleranzen gegen Trockenheit, Salzgehalt und Pathogene verbessert und Erträge und die Nährstoffnutzungseffizienz gesteigert werden (Compant et al., 2019; Hussain et al., 2018).

Das Wachstum von Sommergetreidearten wird durch Frühjahrstrockenheit und Hitze im Sommer beeinträchtigt, weshalb sie zunehmend von Wintergetreidearten ersetzt werden. Diese können die Feuchtigkeit in den Wintermonaten besser nutzen (Amt der oberösterreichischen Landesregierung, 2013). Das Spektrum von wintertauglichen Kulturarten erweitert sich nun als Folge der seltener auftretenden Frostereignisse. Damit kommen Sorten von Winterhafer und Winterleguminosen vermehrt zum Einsatz (Christen, 2008). Darüber hinaus trägt die Optimierung des Aussaattermins zur Anpassung bei. Gemäß Modellierungen von Ebrahimi et al. (2016) können höhere Weizenerträge im Marchfeld als derzeit üblich unter zukünftigen Klimabedingungen durch eine frühe Aussaat im September mit einer früheren Düngung erreicht werden. In Praxisversuchen zeigte eine frühe Aussaat im Trockengebiet jedoch negative Effekte auf den Ertrag von Winterweizen aufgrund der erhöhten Anfälligkeit für Virosen (AGES, 2021). Eine allgemeingültige Einschätzung der Vorteile frühreifer Kulturpflanzen ist kaum möglich, da die Literatur dazu sehr spärlich ausfällt und weil ihr Erfolg von der Kulturart, der Witterung des jeweiligen Jahres und den Entwicklungsstadien der Pflanze abhängt (AGES, 2021).

Vorgehensweise hinsichtlich neuer Schaderreger und Krankheiten

Klimatische Veränderungen im Zuge des Klimawandels können die Ausbreitung und das Schadenspotenzial von Schadorganismen (Insekten, Krankheiten, Beikräuter) sowie deren Wechselwirkungen mit Pflanzen erheblich beeinflussen [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Klimatische Veränderungen und Extremwetterereignisse machen Ökosysteme anfälliger für die Etablierung und/oder Ausbreitung von Schädlingen, beispielsweise durch die Entstehung ökologischer Nischen für nichtheimische Arten (Masters & Norgrove, 2010; Thuiller et al., 2008).

Ein übereinstimmend berichteter Trend ist, dass erhöhte Temperaturen eine Verschiebung des Verbreitungsgebietes von Schadorganismen weiter nach Norden und/oder in größere Höhenlagen bewirken können (Heeb et al., 2019; Huss, 2013; Svobodová et al., 2014) und zu einer Steigerung der Reproduktionsraten, der Vitalität, des Wachstums und der Lebendüberwinterung führen können (Bernard et al., 2014; Eitzinger et al., 2013; Krengel et al., 2014). Durch die erhöhte Mobilität von Viren übertragenden Insekten infolge steigender Herbsttemperaturen nimmt auch das Risiko von Viruseinträgen (z. B. Verzwergungsviren) in frisch aufgekeimtes Wintergetreide zu (Huss, 2013). Extremwetterereignisse wie langanhaltende Niederschläge können das Auftreten von bisher unbekannten Schadorganismen begünstigen (Huss, 2013).

Des Weiteren begünstigen die klimatischen Änderungen die Einwanderung und Etablierung invasiver Arten (Heeb et al., 2019; Krengel et al., 2014). Ein Beispiel ist der Maiswurzelbohrer, der in den 1990er-Jahren nach Europa eingeschleppt wurde und seither Schäden an Maiskulturen hinterlässt (Grabenweger, 2008). Seine Ausbreitung wird durch milde Winter und heiße Sommer mit ausreichend Niederschlag und durch fehlenden Fruchtwechsel begünstigt (Falkner et al., 2019). Invasive Pflanzenarten können aufgrund ihrer zum Teil hohen Nährstoffnutzungskapazität heimische Kulturarten rasch überwuchern. Ein Beispiel dafür ist das Beikraut Ambrosia (Ragweed), welches die Ernten von Ölkürbis und Soja um 50 % mindern kann (Landwirtschaftskammer Steiermark, 2020).

Die klimatischen Veränderungen führen zu einem vermehrten Auftreten von Krankheiten und Schädlingen, wie man beispielsweise am verheerenden Befall von Kartoffeln und Zuckerrüben durch Drahtwurm und Rüsselkäfer im Jahr 2018 festmachen kann (BMNT, 2019a). Eine Möglichkeit, dieser Gefährdung entgegenzuwirken, ist die Förderung von Resistenz und Standfestigkeit gegenüber Schaderregern in der Pflanzenzucht und Sortenprüfung (Amt der oberösterreichischen Landesregierung, 2013; VLK, 2019). Eine Kulturart, für die der Infektionsdruck durch Schadorganismen durch die sich verändernden Umweltbedingungen besonders steigt, ist die Kartoffel (Brandstetter et al., 2019).

Allgemeingültige Vorhersagen über die Dynamik von Schadorganismen und Krankheiten und universale Bekämpfungsstrategien sind nicht möglich, da der fortschreitende Klimawandel sowohl positive als auch negative Effekte auf eine bestimmte Art ausübt. Für eine robuste Prognose müsste jede Art einzeln bewertet werden (Lehmann et al., 2020). Da das Wissen über die Ausbreitungsmuster spärlich ist und konkrete Lösungen zur Eindämmung der Schadorganismen und Krankheiten benötigt werden, kommt der Forschung eine hohe Priorität zu (BMNT, 2017a; Landwirtschaftskammer Steiermark, 2020). Monitoring ermöglicht die Entwicklung prognostizierender Modelle und damit die Identifikation von gefährdeten Gebieten unter diversen Landnutzungs- und Klimawandelszenarien sowie die Einschätzung des (ökonomischen) Schadenpotenzials (Falkner et al., 2019). Basierend darauf können gezielte Präventionsmaßnahmen in der landwirtschaftlichen Praxis ergriffen werden (Heeb et al., 2019).

Ein Puffer gegenüber dem erhöhten Schädlings- und Krankheitsdruck kann durch eine vielfältige Fruchtfolge, ausgewogene Düngung, eine aktive Bodenfauna und Förderung von Nützlingen durch Landschaftselemente geschaffen werden [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Auch die gezielte Resistenzzüchtung stellt eine wichtige Bewältigungsstrategie dar (Bernard et al., 2014; Huss, 2013). Eine vielfältige Fruchtfolge wird z. B. gegen den Maiswurzelbohrer als effektive Bekämpfungsstrategie berichtet, da er sich bei räumlich und zeitlich ausgedehnten Maisbeständen ungehindert ausbreiten kann (Falkner et al., 2019; Feusthuber et al., 2017). Durch den Anbau alternativer Futtermittel, wie z. B. Hirse, kann der Maisanteil im Ackerbau zusätzlich vermindert werden (Zukunftsraumland, n.\,d.). Die natürliche Schädlingsregulation kann mithilfe von künstlich angelegten Blühstreifen gesteigert werden, in welchen die spezifischen Gegenspieler der Schadorganismen gefördert werden (Balmer et al., 2012). Des Weiteren können pflanzenstärkende Maßnahmen und eine biologische Bekämpfung durch das Einbringen natürlicher Feinde eingesetzt werden (Grabenweger, 2008).

Die Anpassungsmaßname eines erhöhten Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln wird in der Literatur kritisch gesehen (Bernard et al., 2014) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Das deutsche Umweltbundesamt identifizierte in einer Literaturstudie (Brühl et al., 2015) Pflanzenschutzmittel und Biozide als den Faktor mit den meisten negativen Effekten auf die Biodiversität (von 18 analysierten Faktoren). Die Studie zeigte Beeinträchtigungen von wirbellosen Tieren (z. B. Wildbienen, Laufkäfer, Schwebfliegen) auf, die als Bestäuber, Räuber oder Zersetzer fungieren und dadurch unentbehrliche Rollen im Ökosystem erfüllen. Der Rückgang von Bestäubern mindert wiederum die Bestände von Wildpflanzen (IPBES, 2016). Zudem wird die Biodiversität durch Pestizideinsatz auch indirekt über das Nahrungsnetz geschädigt, indem diversen Tieren die Nahrungsgrundlage genommen wird (Niggli et al., 2020).

Für einen wirksamen Pflanzenschutz sind darüber hinaus der Ausbau von Warndiensten, die Ausarbeitung von Bekämpfungsstrategien und der Einsatz neuer genetischer Ressourcen dienlich (BMNT, 2017a; Eitzinger et al., 2013; Heumesser et al., 2012). Heeb et al. (2019) betonten darüber hinaus die Wichtigkeit der politischen Koordination aller involvierten Stakeholder_innen.

Wassermanagement

Haslinger et al. (2019) zeigten die Ursachen von Dürreereignissen im erweiterten alpinen Raum auf. Aufgrund von Wassermangel und Hitze werden eine Verringerung des Ertrags und eine Veränderung der Produktqualität von Kulturpflanzen im Osten und Südosten Österreichs erwartet, insbesondere bei nicht bewässerten Sommerkulturen (BMNT, 2017a; Bodner et al., 2016; Haslmayr et al., 2018). Heumesser et al. (2012) prognostizierten eine Reduktion der Jahresniederschlagssumme (vor allem durch abnehmende Sommerniederschläge) um 20 % im Marchfeld bis zum Jahr 2040 und ein vermehrtes Auftreten von extremen Dürreperioden. Des Weiteren sind Ertragsverluste in Wald- und Mühlviertel, Südburgenland und in der Südoststeiermark zu erwarten (Haslmayr et al., 2018). Die Ertragseinbußen werden dabei deutlicher ausfallen auf Böden mit niedriger Wasserspeicherkapazität (sandige Böden; Eitzinger et al., 2013).

Diese Prognosen machen deutlich, dass die natürliche Wasserverfügbarkeit für die Pflanzen zu einem ertragslimitierenden Faktor wird und die Anpassung des landwirtschaftlichen Wassermanagements essenziell für die zukünftige Produktionssicherung ist [mittlere Evidenz, hohe Übereinstimmung], wobei die Steigerung der Wassereffizienz (Leitthema „More crop per drop“) im Zentrum stehen sollte (Heumesser et al., 2012). Es stehen verschiedene ackerbauliche, technische und politische Maßnahmen zur Verfügung, die an den Standort anzupassen sind.

Da eine künstliche Bewässerung aufgrund mangelnder Wasserverfügbarkeit nur auf Teilen der landwirtschaftlichen Fläche Österreichs möglich ist, wird die Steigerung der ackerbaulichen Wassernutzungseffizienz mittels Optimierung von Bodenbearbeitung und Steigerung der Bodenbedeckung, des Humusgehalts und der Durchwurzelungstiefe gefördert und auch praktiziert (Abschn. 5.1.1; Gollner et al., 2019; Grocholl, 2011). Beispielsweise wird durch die Verbesserung der Bodenstruktur und durch den Anbau tiefwurzelnder Kulturen der Bodenwasservorrat ergiebiger genutzt (VLK, 2019). Winterfrüchte haben einen Vorteil bei Wasserstress gegenüber Sommerfrüchten, da das bereits tiefere Wurzelsystem im Frühjahr die Bodenwasserressourcen besser nutzen kann (Bodner et al., 2016). Der Umstieg von Pflugbearbeitung auf minimale Bodenbearbeitung vermindert die unproduktive Verdunstung, wodurch gemäß Modellierungen das Ertragspotenzial von Kulturpflanzen verbessert werden kann (bis zu 10 % bei Winterweizen; Eitzinger et al., 2013). Reduzierte Bodenbearbeitung (nicht wendende Bearbeitung) wird derzeit auf rund 29 % der österreichischen Ackerfläche angewandt, wohingegen nur auf 2 % der Ackerfläche eine Bestellung des Feldes ohne Bodenbearbeitung (Direktsaat) erfolgt (Statistik Austria, 2018). Zudem mindern eine permanente Bodenbedeckung und Windschutzanlagen, z. B. Hecken, die unproduktive Evaporation (Ableidinger et al., 2020; BMNT, 2017a; Eitzinger et al., 2013). Diese Möglichkeiten werden bereits in nennenswertem Ausmaß genutzt und sind Bestandteil von Fördermaßnahmen des Agrarumweltprogramms (BMLRT, 2021).

Ein Ansatzpunkt ist der Einsatz effizienter Bewässerungstechnik sowie eine an das Bewässerungssystem, den tatsächlichen Pflanzenwasserbedarf und die Bodeneigenschaften angepasste Bewässerungsplanung und -steuerung (BMNT, 2017a; Eitzinger et al., 2013). Die Effekte einer Bewässerung hängen von den Standortfaktoren ab. Einerseits kann die Bewässerung eine verbesserte Aufnahme von Stickstoff im Vergleich zu Trockenperioden bedingen (Fricke, 2009), doch andererseits kann sie auf sandigen Böden zu erhöhter Nitratauswaschung und Ertragsverlusten führen (Eitzinger et al., 2013). Als eine effiziente Bewässerungstechnik wird die Tropfbewässerung bewertet, die jedoch aufgrund der hohen Investitionskosten nur vereinzelt eingesetzt wird (Heumesser et al., 2012). Andere moderne Techniken inkludieren Kreis- und Linearberegnung und mobile Beregnungsmaschinen mit optimierter Steuerung (Schimmelpfennig et al., 2018). Eine bedarfsorientierte Steuerung der Bewässerung wird durch Messungen des Bodenmatrixpotenzials oder der Bodenfeuchte (Dabach et al., 2015; Nolz et al., 2016; Nolz & Loiskandl, 2017) sowie durch Bestimmung von pflanzenbezogenem Pflanzenwasserstatus und Stressindices mit Hilfe von Fernerkundungsmethoden ermöglicht (Romero-Trigueros et al., 2019), aber noch kaum praktiziert. Aufgrund der hohen Kosten und eingeschränkten Umsetzbarkeit wird eine Beregnung in Österreich zurzeit lediglich für hochpreisige Marktfrüchte als effektiv bewertet (Schönhart et al., 2014).

Im Falle der Errichtung einer Bewässerungsanlage ist dem kritischen Aspekt der Wasserquelle große Bedeutung zu schenken. Die Entnahme von Grund- und Oberflächenwasser kann zu einer Beeinträchtigung der Grundwasserqualität, der Bodenqualität und der Wasserökologie sowie zur Absenkung des Grundwasserspiegels führen (BMNT, 2017a; de Graaf et al., 2019; Müller et al., 2007). Da sich bei der Wasserentnahme konkurrierende Nutzungen (z. B. Energiebereitstellung durch Wasserkraft) ergeben können, sollten vorab Erhebungen zu langfristigen Entnahmekapazitäten des betreffenden Gebiets durchgeführt werden (BMNT, 2017a). Darüber hinaus wird vor allem unter Anbetracht voraussichtlicher Trockenperioden die Errichtung von Speicherteichen angeraten (Amt der Steiermärkischen Landesregierung, 2017). Vielversprechend, aber noch weniger etabliert, ist der Ansatz, die Wassereffizienz durch die Nutzung alternativer Wasserquellen zu verbessern, wie z. B. Regenrückhaltebecken oder aufbereitetes Abwasser (VLK, 2019).

Neben den technischen Innovationen nennt die Europäische Umweltagentur (EEA, 2009) auch die Etablierung von spezifischer Beratung für Landwirt_innen und Politikmaßnahmen wie Subventionen für effiziente Wassernutzung und Wasserpreisgestaltung. Eine ganzheitliche Evaluierung des landwirtschaftlichen Wassermanagements über die regionale Wasserverfügbarkeit, den Wasserbedarf und die Effektivität und Wirtschaftlichkeit diverser Wassermanagementsysteme, wie sie in Deutschland (Dietrich et al., 2015) erfolgte, fehlt in Österreich noch.

Anpassung des Düngeeinsatzes

Die sich verändernden Witterungsbedingungen ändern auch die Nährstoffdynamik, den Wasserhaushalt und die saisonalen Düngeanforderungen (BMNT, 2017a; Pfeiffer et al., 2017). Die Düngung sollte sich im Sinne einer bedarfsgerechten und nachhaltigen Nutzung an diese Schwankungen anpassen und die standortspezifischen Bedingungen berücksichtigen (Amon, 2014; BMNT, 2017a), wobei insbesondere die Effizienz der Nährstoffnutzung im Vordergrund stehen sollte.

Die Effizienz kann durch bedarfsgerechte Düngung erhöht werden (Barraclough et al., 2010; Spiegel et al., 2021). Optimale Düngung erfordert die Berücksichtigung der Nährstoffe aus der Vorfrucht, der Bodeneigenschaften, des Nährstoffbedarfs und der vorherrschenden Wetterbedingungen wie auch eine Optimierung der Fruchtfolge (BMNT, 2017a; Spiegel et al., 2021) und könnte durch eine Analyse des pflanzenverfügbaren mineralischen Stickstoffs (Nmin) im Boden im Frühjahr und Chlorophyllmessungen des Pflanzenbestandes, wie es z. B. auf Referenzflächen des Nitrat-Informationsdienstes (NID) durchgeführt wird, unterstützt werden (Spiegel et al., 2009). Überdies erlauben Precision-Farming-Technologien mithilfe von Satelliten- und Sensordaten, unterstützt durch GPS-gesteuerte Maschinen, räumlich bedarfsgerechte N-Düngungsraten mit einer hohen Stickstoffnutzungseffizienz, wodurch die Erträge mit einem Minimum an N-Verlusten gesteigert werden (Spiegel et al., 2021).

Anbaumethoden, die den Nährstoffaustrag reduzieren, sind Zwischenfruchtanbau und Winterbegrünung, vor allem in Regionen mit viel Niederschlag im Winter (BMNT, 2017a; Kaye & Quemada, 2017). Des Weiteren sollten die Unterschiede der Düngerarten (mineralisch vs. organisch) hinsichtlich der Nährstoffmineralisierung, und die sachgerechte Düngerausbringung und -einarbeitung in die Planung miteinbezogen werden (Amon, 2014; Mayer & Mäder, 2016). N-Verluste können darüber hinaus durch den Einsatz von Düngern mit kontrollierter N-Freisetzung und von (biologischen) Nitrifikationsinhibitoren verringert werden (Osterburg & Runge, 2007). Dadurch wird die Umwandlung von Ammonium zu Nitrat verzögert, was vor allem bei unregelmäßigen Wetterbedingungen, wie z. B. sehr hohen Niederschlägen nach der Düngerausbringung, zu mehr Ertragssicherheit führt. Des Weiteren können damit Lachgasemissionen um 20–80 % reduziert werden, jedoch variieren die Effekte in Abhängigkeit von Standort und Klima sehr stark (Dersch & Spiegel, 2020).

Leguminosen in der Fruchtfolge können den Bedarf an (mineralischen) Düngern reduzieren, da sie der Folgefrucht fixierten Stickstoff bereitstellen. Jedoch muss bei einer solchen Änderung der Fruchtfolge eine potenzielle Abnahme der Energieproduktion und der wirtschaftliche Verlust für die Landwirt_innen bedacht werden (Amon, 2014). Um diesen Erschwernissen für die Landwirt_innen entgegenzuwirken, kann eine Weiterentwicklung der Direktzahlungen für klimawandelangepasstes Düngemanagement erfolgen, wie in der Österreichischen Strategie zur Klimawandelanpassung empfohlen (BMNT, 2017a). Neben Direktzahlungen sind verstärkte Beratung und Bewusstseinsbildung, gesetzliche Regelungen, freiwillige ÖPUL-Maßnahmen und intensivierte Kollaboration zwischen Wissenschaft, Beratung und Praktiker_innen wichtige Steuerungsinstrumente (Amon, 2014; BAB, 2019; BMNT, 2017a).

4.2.2 Grünland

In Österreich werden 1,34 Mio. ha, das ist annähernd die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche, als Grünland bewirtschaftet. Flächenmäßig ist Dauergrünland damit die wichtigste Kulturart und vor allem im klimatisch und topografisch benachteiligten Berggebiet das prägende Element alpenländischer Kulturlandschaft. Die Wiesen und Weiden des Wirtschaftsgrünlandes bilden als Grundfutterquelle (Grünfutter, Silage, Heu) die zentrale Lebensgrundlage für knapp die Hälfte aller landwirtschaftlichen Betriebe Österreichs (BMLRT, 2020).

In Abhängigkeit von Bodeneigenschaften, Seehöhe, Hangneigung und klimatischen Bedingungen bietet das Wirtschaftsgrünland eine große Bandbreite unterschiedlicher Nutzungstypen, die von intensiver Bewirtschaftung mit hoher Schnitthäufigkeit und darauf abgestimmter Düngung in den Gunstlagen bis hin zu extensivster Nutzung auf Almen reicht. Mit dieser Vielfalt erfüllt das Grünland neben der Bereitstellung von Grundfutter für die nachhaltige Milch- und Fleischproduktion weitere Aufgaben, wie zum Beispiel den Schutz vor Bodenerosion, die Sicherung der Wasserqualität oder die Speicherung von Kohlenstoff (Le Clec’h et al., 2019; Pötsch, 2010). Vor allem extensiv bis mäßig genutztes Grünland weist eine hohe Biodiversität auf (Ellmauer, 2019; Isselstein, 2018). Gerade diese wertvollen Flächen geraten zunehmend unter Druck, weil ihre Nutzung aufgegeben oder intensiviert wird. Zudem fällt Grünland mehr und mehr der Versiegelung zum Opfer oder wird vor allem in den Gunstlagen umgebrochen und als Ackerland genutzt (Ellmauer, 2019; Isselstein, 2018). Grünland in einer abwechslungsreichen, alpenländisch geprägten Landschaft bietet Raum für Erholung und Freizeitgestaltung und stellt deshalb für den Tourismus einen bedeutenden Mehrwert dar (Parente et al., 2012).

Für viele landwirtschaftliche Kulturen sind niedrige Temperaturen und eine damit einhergehende kürzere Vegetationsperiode in klimatisch benachteiligten Regionen limitierende Faktoren. Grünland passt sich jedoch bei standortgerechter Bewirtschaftung unterschiedlichen Bedingungen gut an und kann in den meisten Lagen produktiv genutzt werden (Pötsch, 2012). Allerdings ist der Wasserbedarf mit mindestens 700 l kg\({}^{-1}\) Trockenmasse im Grünland vergleichsweise hoch, sodass in den Grünlandgrenzlagen ein Jahresniederschlag von mindestens 700–800 mm erforderlich ist (Bohner & Eder, 2006; Carlsson et al., 2017; Chmielewski, 2011).

Eine entsprechende Wasserversorgung als Voraussetzung für gute Erträge wird insbesondere im Bergland und in Staulagen meist erreicht. Mit der Klimaveränderung einhergehende Temperaturzunahmen und ungleichmäßigere Niederschlagsverteilungen erhöhen vor allem in inneralpinen Trockenlagen und im östlichen Flachland das Risiko von extremen Dürreperioden, die sich auch auf das sonst robuste Grünland auswirken (Eitzinger et al., 2009a; Frenck et al., 2018; IPCC, 2016; Chimani et al., 2016). Ergebnisse des Freilandexperimentes ClimGrass an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein zur Erforschung der Klimafolgen für das Ökosystem Grünland zeigen signifikante Auswirkungen der Klimaveränderung auf Pflanzenbestandszusammensetzung, Ertrag, phänologische Entwicklung und Bodenwasserhaushalt (Pötsch et al., 2019a, b).

Anpassung der Bewirtschaftung

Nutzung (z. B. Schnitthäufigkeit) und Düngung bieten die Möglichkeit, auf veränderte Klimabedingungen direkt zu reagieren (Pötsch, 2009). Immer häufiger ist Grünland von anhaltender Trockenheit betroffen, die teilweise zu erheblichen Ertragsausfällen führt. Die Resistenz und Resilienz der Pflanzenbestände hängt dabei vom ursprünglichen Artenspektrum sowie dessen Veränderung als Folge einer standortgerechten Bewirtschaftung hinsichtlich Nutzungshäufigkeit und Düngungsintensität ab (Carlsson et al., 2017; Tello-García et al., 2020). Studien zeigen einhellig, dass sich das Wachstum bei höheren Temperaturen mit ausreichender Wasserverfügbarkeit beschleunigt und die einzelnen Aufwüchse früher zur Schnittreife gelangen (Schaumberger et al., 2019; Wang et al., 2020). Daraus ergibt sich die Möglichkeit, die Schnitthäufigkeit zusammen mit der Düngung an die sich verändernden klimatischen Bedingungen so anzupassen, dass durch rechtzeitige Nutzung eine entsprechende Grundfutterqualität erhalten bleibt und mit einer höheren Schnittanzahl auch das Risiko von dürre- oder schädlingsbedingten Ertragsausfällen auf mehrere Aufwüchse verteilt werden kann. Steht ausreichend Wasser zur Verfügung, führt eine moderate Temperaturzunahme zu einer höheren Produktivität und damit auch zu höheren Erträgen (Volk et al., 2021).

Erfolgt keine Anpassung der Schnitthäufigkeit, so werden höhere Temperaturen speziell in wärmeren Jahren auch in Regionen mit ausreichenden, aber ungünstig verteilten Niederschlägen zu Ertragsrückgängen führen (Schaumberger et al., 2019) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Dies ist unter anderem auf Veränderungen des Pflanzenbestandes zurückzuführen, wo sich zwar trockentolerante Gräserarten wie Knaulgras oder Glatthafer stärker durchsetzen, der Anteil an Futtergräsern insgesamt aber abnimmt und durch Kräuter ersetzt wird (Dumont et al., 2015; Schaumberger et al., 2019). Tritt dazu Dürre auf, reduziert sich der Ertrag noch einmal stärker als unter aktuellen klimatischen Bedingungen (Pötsch et al. 2019b). Während der Trockenmasseertrag vor allem bei einer deutlichen Klimaveränderung (RCP 8.5) ohne Anpassungsmaßnahmen künftig sowohl unter Normal- als auch noch stärker unter Extrembedingungen zurückgeht, zeigt sich bei der Veränderung des Futterwertes kein einheitliches Bild (Jäger et al., 2020), jedoch eine starke Abhängigkeit vom jeweiligen Pflanzenbestand (Küchenmeister et al., 2014). Trockenheit hat nach Meisser et al. (2015) einen viel geringeren Einfluss auf die Futterqualität als auf den Ertrag.

Trockengestresste Pflanzenbestände regenerieren im Grünland rasch, und in Folgeaufwüchsen stellt sich durch erhöhte Stickstoffverfügbarkeit, stärkere Wurzelbildung sowie Reserveeinlagerungen ein kompensatorischer Mehrertrag ein (Hofer et al., 2017, 2016). Führt eine längere und intensive Dürre zu irreversiblen Schäden, sodass keine natürliche Regeneration des Pflanzenbestandes möglich ist, wird eine Nachsaat oder Neuansaat notwendig, vorzugsweise mit trockentoleranten Arten bzw. Mischungen. Das höhere Risiko von Ertragsausfällen erfordert eine optimale Abstimmung zwischen Ertragsniveau und Tierbestand, bei der auch eine entsprechende Futterreserve berücksichtigt werden sollte.

Klimasimulationen mit höheren Temperaturen und CO2-Konzentrationen (Kruijt et al., 2008; Slavitsch et al., 2019). Pötsch et al. (2019b) zeigen, dass in warmen und trockenen Jahren die Verdunstung (Evapotranspiration) zunimmt, Bodenwassergehalte und Sickerwasserraten deutlich abnehmen, eine höhere CO2-Konzentration die negativen Effekte von Erwärmung und Trockenheit auf den Wasserhaushalt jedoch teilweise kompensiert [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Auch der Nutzungstyp kann die Vulnerabilität einer Grünlandfläche in Zeiten der Dürre maßgeblich beeinflussen. So verstärkt beispielsweise eine intensive Weidenutzung (Kurzrasenweide) im Gegensatz zur Schnittnutzung die negativen Folgen von Trockenperioden auf Ertrag und Pflanzenbestand (Deléglise et al., 2015). Während die Weidehaltung in Regionen mit ausreichenden Niederschlägen eine effiziente Form der Grünlandnutzung darstellt, ist sie in den Grünlandgrenzlagen mit nicht mehr als 800 mm Jahresniederschlägen und höherer Trockengefährdung nur bedingt und dann eher als Koppelweide geeignet (Starz et al., 2013).

Mit steigenden Temperaturen und eingeschränkter Wasserverfügbarkeit ist eine Umstellung auf Kulturarten mit geringerem Wasserbedarf wie Silomais oder Getreide in umbruchfähigen Lagen zu erwarten. Problematisch ist dies deshalb, da das Dauergrünland mit vergleichsweise hohen Humusgehalten in einem stabilen, fruchtbaren und gut durchwurzelten Oberboden einen positiven Beitrag zum Kohlenstoffhaushalt leistet, der bei einem Umbruch verloren geht (Janssens et al., 2005; Reinsch et al., 2018; Vleeshouwers & Verhagen, 2002). Standortangepasste Bewirtschaftung und die Versorgung der Flächen mit Wirtschaftsdüngern fördern den Aufbau von Bodenhumus und tragen wesentlich zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit bei (Pötsch, 2010). Die Erhaltung von Grünlandflächen leistet daher einen wesentlichen Beitrag für den Klimaschutz.

Anpassung durch technische Maßnahmen

Künstliche Bewässerung ist ein geeignetes Mittel, Trockenperioden zu überbrücken und Ernteausfälle im Grünland zu verhindern. Wenngleich in Österreich noch kaum eingesetzt, sind Beregnungssysteme in einigen Grünlandregionen des Alpenraums, wie beispielsweise in den mittleren Lagen Südtirols und in der Schweiz, häufig anzutreffen. Eine regelmäßige Beregnung im Grünland eignet sich nach Peratoner et al. (2009) allerdings nicht zur Ertrags- und Qualitätssteigerung; es wird ausdrücklich empfohlen, nur nach Bedarf zu bewässern, um Trockenphasen zu überbrücken. Eine ständige Wasserzufuhr führt zu verminderter Bodenstabilität, einer Veränderung des pH-Wertes im Boden sowie zu einer vermehrten Verunkrautung durch abgekühlte Böden. Die Optimierung der Wasserzufuhr durch Bodensensoren (Tensiometer) oder durch Berechnungen des Wasserbedarfs über Verdunstungsgleichungen reduziert die Kosten und steigert die Effizienz (Dabach et al., 2015; Nolz et al., 2016; Nolz & Loiskandl, 2017). Wasser ist insbesondere bei Trockenheit knapp und bedarf einer sorgfältigen Planung, die auch die zu errichtende Infrastruktur wie Wasserfassungen, Zubringerleitungen, Filteranlagen, Speicherbecken usw. mit einbezieht (Prünster, 2020).

Mit einer laufenden Beobachtung von Grünlandbeständen und einer genauen Schätzung von Ertrag und Qualität bietet sich die Möglichkeit, Managementmaßnahmen wie Pflege, Düngung und Ernte zielgerichtet zu planen und in Hinblick auf Klimaveränderungen anzupassen. So bietet ein satellitenbasiertes Monitoring in hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung mit daraus abgeleiteten Vegetationskennwerten („Normalized Difference Vegetation Index“, NDVI) effiziente Möglichkeiten, Ertragszuwächse und Qualitätsveränderungen auf Grünlandflächen zu bestimmen (Guerini Filho et al., 2020; Siegmund et al., 2019). Modelle auf Basis von Wetter- und Satellitendaten befinden sich zwar noch weitgehend im Entwicklungsstadium, werden jedoch einen wertvollen Beitrag für die Digitalisierung in der Grünlandwirtschaft liefern (Klingler et al., 2020; Schaumberger et al., 2019). Vor allem die Möglichkeit einer regionalen Schätzung von Erträgen ist die Voraussetzung für Grundfutterbilanzen zur Planung eines regionalen Ausgleichs zwischen trockenheitsbedingten Defiziten und den Überschüssen in Gunstlagen. Im Zuge der Klimaveränderung kann dies eine Maßnahme darstellen, die bei extremen Dürreereignissen eine flächendeckende Futterversorgung des Viehbestandes weiter gewährleistet und den Bedarf kurzfristig überbrückt.

Anpassung durch den Einsatz trockenresistenter Sorten und Mischungen

Für klimabedingte Anpassungsmaßnahmen im Grünland erlangt der Einsatz von trockenresistenten Sorten zunehmend an Bedeutung, was sich unter anderem auch in einer Ausweitung von Zuchtprogrammen niederschlägt (Krautzer & Graiss, 2015). Weltweit wird derzeit an der Verbesserung der Trockenresistenz von Zuchtsorten (Merewitz et al., 2010) und der Resilienz verschiedener Grünlandtypen gearbeitet (Carlsson et al., 2017; Vogel et al., 2012).

Die Anpassungsmöglichkeiten von Pflanzen an Trockenstress sind sehr vielfältig. Während die meisten Gräser ihren Hauptwurzelhorizont in den obersten 10–20 cm des Bodens ausbilden (Staniak & Kocon, 2015), dringen verschiedene Kräuter und auch einige Leguminosen und Gräser (z. B. Luzerne und Rohrschwingel) mit ihren Wurzeln über einen Meter in den Boden ein und können somit die Wasserreserven der tieferen Bodenschichten nutzen.

Auch auf Sortenebene finden sich einige Ansätze, die Trockenresistenz festzustellen und den Züchtungserfolg zu verbessern (Ebrahimiyan et al., 2013; Walter et al., 2012). Hinsichtlich Trockentoleranz kommt der Verwendung von regionalen Herkünften eine große Bedeutung zu, da die daraus abgeleiteten Sorten ideal auf die vorherrschenden Standorteigenschaften angepasst sind. Ebenso werden verschiedene Inhaltsstoffe auf ihre Möglichkeiten zur Verbesserung der Trockenresistenz untersucht (Abtahi et al., 2018; Ebrahimiyan et al., 2013). Von zunehmend größerer wirtschaftlicher Bedeutung sind Blattflecken- und Rosterkrankungen sowie eingeschleppte Krankheiten, wie beispielsweise der Südliche Stängelbrenner bei Rotklee (Krautzer & Graiss, 2015), auf die die Futterpflanzenzüchtung bereits mit entsprechenden Zuchtprogrammen reagiert. Mögliche Anpassungsmaßnahmen und -strategien der Züchtung für inneralpine Pflanzenbestände sind

  • eine Erweiterung des Artenspektrums in Grünlandmischungen für trockengefährdete Standorte,

  • eine Intensivierung der Zucht auf trockenresistente Sorten unter Einsatz neuer Methoden, um Zuchterfolge schneller zu erkennen, und

  • eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegenüber den bereits etablierten und neu auftretenden Krankheiten und Erregern als Zuchtziel neuer Sorten.

Neben den spezifischen Sorteneigenschaften kommt der Mischungsgestaltung große Bedeutung zu. Durch die Kombination von verschiedenen Sorten und Arten unter Einbeziehung ihrer funktionalen Merkmale kann sich der Bestand gut an widrige Witterungsbedingungen anpassen und so Ertragsausfälle deutlich verringern (Haughey et al., 2018; Komainda et al., 2020; Prieto et al., 2015).

Anpassung durch eine verstärkte Nutzung von Almen

Almfutterflächen stellen eine wichtige, in den letzten Jahren jedoch immer weniger genutzte Ressource für die landwirtschaftliche Produktion in Österreich dar. Die Veränderung der klimatischen Bedingungen beeinflusst die standortspezifische Produktivität von Almfutterflächen sowohl positiv als auch negativ.

Höhere Temperaturen und damit eine längere Vegetationsperiode (Chimani et al., 2016) fördern die Produktivität auf Almen, welche zurzeit noch aufgrund niedriger Temperaturen und kurzer Vegetationsdauer eingeschränkt ist. Zum einen kann die Alpung einen wichtigen Beitrag zum Ausgleich von Ertragsdefiziten in inneralpinen trockengefährdeten Gebieten darstellen, zum anderen dienen die Almen als Refugialgebiete für pflanzliche und tierische Arten, die an kühlere Bedingungen angepasst sind (Grabherr et al., 2011; Stanisci et al., 2005).

Heute noch ausreichend mit Wasser versorgte Lagen können aufgrund sich ändernder Niederschlagsverteilungen und erhöhter Evapotranspiration zunehmend unter Druck geraten. Als Folge steigender Temperaturen (Wieser et al., 2009) und der seit etwa 150 Jahren rückläufigen Almbewirtschaftung (Zwittkovits, 1974) – besonders stark war dieser Rückgang in den letzten Jahrzehnten zu beobachten (BMLRT, 2020) – dringen subalpine Wald- und Straucharten sukzessive in die aufgegebenen Almfutterflächen vor. Aufgrund der im Vergleich zu Grünlandflächen erhöhten Evapotranspiration von Waldflächen führt die zunehmende Verwaldung und Verbuschung zu einer verstärkten negativen Entwicklung der Bodenwasserbilanz in den alpinen Tälern Österreichs (Strasser et al., 2017; van den Bergh et al., 2018). Aus Sicht des Waldes sind in den beiden letzten Jahrzehnten rund 10 % des Waldes über 1800 m durch Neubewaldungen früherer Grünlandstandorte dazugekommen (Russ, 2019). Dadurch entsteht ein Nutzungskonflikt zwischen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Biodiversität und Tourismus.

Umfassende und adäquate Subventionen sind eine Möglichkeit zur Förderung einer flächendeckenden Almbewirtschaftung in Österreich und einer damit verbundenen Grundfutterversorgung, einer positiven Wasserbilanz sowie einer hohen Biodiversität. Die weidebasierte Milch- und Fleischproduktion auf den Almen, in der Viehbesatz und Standortpotenzial in einem Gleichgewicht stehen, stellt eine nachhaltige Produktionsstrategie mit einer vergleichsweisen hohen Umweltverträglichkeit dar (O’Brien et al., 2012; Pittarello et al., 2020). Eine moderate, dafür flächendeckende Almbewirtschaftung erlaubt es, diese positiven Effekte auszubauen. Allerdings sind erheblichen Bewirtschaftungsnachteile, besonders in Hinblick auf Nutzung und Düngung und die nötige Arbeitszeit für ein standortangepasstes Almmanagement, damit verbunden. Fördermaßnahmen können hier ausgeglichen wirken [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Mithilfe eines Almbewirtschaftungsplans kann eine weitere Möglichkeit geschaffen werden, um den Almfutterflächenverlust zu reduzieren und bereits verbuschte und verstrauchte Almflächen zu rekultivieren. Der Einsatz neuer Techniken, wie zum Beispiel die Satellitenfernerkundung, ermöglicht eine kontinuierliche Beobachtung der alpinen Vegetation und trägt dazu bei, das Management auf den Almen zu verbessern. So können unter anderem der optimale Auftriebszeitpunkt oder das aktuelle Futterangebot auf den Almen ermittelt werden und eine effiziente und standortangepasste Weidewirtschaft gefördert und unterstützt werden.

4.2.3 Garten-, Wein- und Obstbau

Gartenbau

Viele Erkenntnisse aus dem Ackerbau lassen sich auf den Gartenbau übertragen. Insbesondere für die Nahversorgung sind Anpassungsmaßnahmen von großer Relevanz, wobei sie in erster Linie für den Freilandanbau wesentlich sind. Im geschützten Anbau werden Kühl- und Bewässerungssysteme bereits eingesetzt. Die Sortenwahl (Hitzetoleranz ist bei vielen Kulturen ein Zuchtziel geworden) kann zu einer Verbesserung führen, allerdings können resistente Sorten auch geringere Erträge haben (Gruda et al., 2019). Die längeren Produktionszeiträume im Frühjahr und Herbst können genutzt werden (z. B. früherer Anbau von wärmeliebenden Kulturen), allerdings steigt das Risiko der Schädigung durch Frostereignisse (Bisbis et al., 2019).

Neue Kulturen, die früher nur in südlichen Regionen angebaut werden konnten, werden regulär oder versuchsweise in die Anbaupläne aufgenommen. Beispiele dafür sind Wassermelonen, Zuckermelonen, Süßkartoffeln, Kichererbsen, Linsen, Artischocken, Erdnüsse oder Edamame. Darüber hinaus kann die Wasserversorgung durch die Optimierung der Bewässerung, z. B. durch die gezielte Versorgung der Wurzeln mit Wasser (Badr et al., 2018) oder Unterflur-Tröpfchenbewässerung (Badr et al., 2010), verbessert werden.

In Regionen mit ausgeprägter Trockenheit werden Produktionszeiträume im Sommer nicht mehr genutzt, nach Einschätzung der LK Niederösterreich wird sogar teilweise die gesamte Produktion stillgelegt, da sie unter den geänderten Klimabedingungen zu risikoreich und dadurch nicht mehr wirtschaftlich ist (LK Niederösterreich, pers. Mitteilung).

Wein- und Obstbau

Im Wein- und Obstbau sind die zentralen Herausforderungen die erhöhten Temperaturen sowie der mögliche Wassermangel. Die Anpassungsmaßnahmen im Weinbau können kurzfristig im Verlauf einer Vegetationsperiode oder langfristig angelegt sein.

Kurzfristige Anpassungsmaßnahmen

Eine Reduktion des Traubenbesatzes durch Abschneiden (hauptsächlich in jungen Anlagen) oder eine Verringerung der Blattfläche führen zu geringerer Transpiration und damit zu geringerem Wasserverbrauch (van Leeuwen & Darriet, 2016). Dies kann aber auch zu einem erhöhten Risiko von „Sonnenbrand“ führen.

Eine Blattspritzung mit Kaolin kann mit gutem Erfolg als Schutz gegen extreme Hitze und Sonnenbrand eingesetzt werden (Dinis et al., 2018).

Neben den üblichen Bewässerungssystemen zeigt auch die ressourceneffiziente Form der „deficit irrigation“ sehr gute Erfolge. Diese basiert auf einem Evapotranspirationsmodell (Allen et al., 1998), für das Sensoren für die Bodenfeuchte oder auch die direkte Pflanzenversorgung, eingesetzt werden (Malheiro et al., 2011; Santos et al., 2020). Vor allem Letztere sind weniger fehleranfällig und können für automatisierte Systeme eingesetzt werden (z. B. Montoro et al., 2012). Die Umsetzung dieser Systeme ist insbesondere in Regionen mit geringer Wasserversorgung von einer genauen Kosten-Nutzen-Analyse abhängig (Koech & Langat, 2018).

Geänderte Perioden mit Krankheits- und Schädlingsdruck sowie neue Schadorganismen und Krankheiten erfordern eine genaue Beobachtung der lokalen Situation. Hier sind bestehende Warndienstsysteme auszubauen und zu verbessern (z. B. engmaschigeres Monitoring, verstärkter Einsatz von IT) und der Informationstransfer zu fördern, um erfolgreiche Bekämpfungsmaßnahmen aus anderen Regionen übernehmen zu können. Dennoch besteht gerade in diesem Bereich noch großer Forschungsbedarf, z. B. in Hinblick auf die Verbreitungsmöglichkeiten und die Biologie von Krankheiten und Schädlingen.

Das Management des Bodens stellt ein zentrales Instrument für eine Anpassung dar. Durch möglichst permanente Bodenbedeckung (z. B. Mulch, Begrünung) werden die Evapotranspiration und das Erosions- bzw. Verdichtungsrisiko vermindert sowie die Bodenstruktur verbessert (Santos et al., 2020). Bei einer Anwendung von Kompost ist auch auf die damit gegebene Nährstoffzufuhr zu achten. Der Einsatz von Gründüngungspflanzen führt aufgrund der vielfältigen positiven Wirkungen zu Verbesserungen von Ertrag und Qualität (Xi et al. 2010). Im Bedarfsfall kann durch gezielte Bodenbearbeitung der Kapillarwasserstrom unterbrochen werden.

Langfristige Anpassungsmaßnahmen

Über Modelle, die auf Daten für Niederschlag, Strahlung und Topografie aufbauen, können lokale Zonierungen für die Auswahl von entsprechenden Arten oder Sorten ausgewiesen werden (Egarter Vigl et al., 2017).

Durch die Form des Baumes (beeinflussbar durch verschiedene „Erziehungssysteme“), die Geometrie des Blätterdachs und der Baumkronen sowie die Orientierung kann ein deutlicher Einfluss auf Faktoren wie Lichtinterzeption (Aufnahme der Sonnenenergie) oder Windgeschwindigkeit genommen werden. Dadurch werden physiologische Prozesse wie die Reifeentwickung oder Wassernutzungseffizienz beeinflusst, wodurch entsprechende Anpassungen an neue klimatische Gegebenheiten ermöglicht werden (Santos et al., 2020). Diese Maßnahmen können auch mit Änderungen der Bepflanzungsdichte kombiniert werden, um den Wasserstress zu reduzieren (Neethling et al., 2019).

Eine wesentliche Bedeutung kommt der Wahl von Sorten, Klonen und Unterlagsreben zu. Dazu zählen auch z. B. Mehltau-resistente Sorten, die derzeit allerdings aufgrund fehlender Zulassungen noch nicht eingesetzt werden können. Hier kann einerseits auf bereits verfügbare Pflanzen zurückgegriffen werden, andererseits ist aber auch noch ein hohes Entwicklungspotenzial gegeben (Morales-Castilla et al., 2020). Ein Problem könnte allerdings die Vermarktung von „Terroir-Weinen“ darstellen, da spezielle Regionen mit bestimmten Sorten in Verbindung gebracht werden und ein diesbezüglicher Wechsel erst von den Kunden akzeptiert werden müsste (Schultz & Jones, 2010).

Im Obstbau kann durch eine Intensivierung von Schutzmaßnahmen, sowohl in Hinblick auf Extremwetterereignisse (Hagel, Trockenheit) als auch neue Krankheiten und Schädlinge, eine auch ökonomisch sinnvolle Verbesserung erreicht werden (Wurm, 2020). Auch der Anbau von robusten, seltenen Obstarten (z. B. Quitte, Mispel, Speierling, Elsbeere) oder „neuen“ Kulturen (z. B. Feigen, Kiwi, Kiwibeere, Indianerbanane) oder der Einsatz spät reifender Sorten kann zumindest regional zu Verbesserungen führen (Wurm, 2020). Schlussendlich kann sowohl im Obst- als auch im Weinbau durch eine Verlagerung der Anbauregionen (z. B. in höhere Lagen) eine Adaptierung erreicht werden, wobei allerdings die ökonomischen und sozio-ökonomischen Konsequenzen zu beachten sind (Zhu et al., 2016).

4.2.4 Landwirtschaftliche Tierhaltung

Die Tierhaltung ist ein bedeutender Teil der österreichischen Landwirtschaft und trägt rund 39 % zu den Erträgen der Land- und Forstwirtschaft bei. Die wichtigsten Nutztierarten in Österreich mit Stand 2018 sind Rinder, Schweine, Geflügel, Schafe, Ziegen und Pferde (BMNT, 2019a).

Bei der Tierhaltung wird hier zwischen den Futterbaubetrieben mit Weide- und Almhaltung und den Veredelungsbetrieben mit Stallhaltung unterschieden. In der ersten Betriebsform werden vorrangig Rinder, Schafe und Ziegen in sogenannten Kalt- bzw. Außenklimaställen sowie auf Weiden und Almen gehalten. Im Gegensatz dazu werden Schweine und Geflügel vorrangig in Warmställen aufgestallt (Pöllinger et al., 2018). Die ganzjährige Weidehaltung wird in Österreich zunehmend häufiger, benötigt jedoch einige Voraussetzungen wie z. B. die Bodeneigenschaften der Weide (Vermeidung von Nährstoffungleichgewichten, mechanische Tragfähigkeit, ausreichender Abstand zu Oberflächengewässern, regelmäßiger Wechsel der Fress- und Tränkeplätze; Pötsch, 2007). Dieser Abschnitt beschäftigt sich vorrangig mit der Stallhaltung, da die Freilandhaltung größtenteils schon in der Grünlandbewirtschaftung thematisiert wird (Abschn. 4.2.2).

Auf den österreichischen Almen herrschen im Durchschnitt geringe bis moderate Besatzdichten. Diese hängen von der Alpungsdauer sowie vor allem vom Ertragspotenzial ab, welches wiederum ganz wesentlich von den Standortbedingungen und der Bewirtschaftung beeinflusst wird. Die geringen Besatzdichten und die häufig verspäteten Almauftriebe haben einen zu geringen Weidedruck zur Folge. Schlechte Futterqualitäten, hohe Weidereste, Verunkrautung sowie zunehmende Verwaldung und Verbuschung sind Konsequenzen dieser Trends in der Almbewirtschaftung (LFI, 2015; Abschn. 2.4.4 für daraus resultierende Treibhausgasemissionen und andere klimawirksame Effekte). Diese geringen Besatzdichten auf Almen ergeben sich unter anderem auch aus den aufgelassenen und zusätzlich gepachteten Betrieben im Tal, da diese Tiere nicht mehr auf die Alm bzw. nur mehr für die Mindestweidedauer von 60 Tagen gehalten werden, um die Förderbedingungen einzuhalten (Abschn. 4.2.2, Machatschek, 2016). Eine Anpassung und Abstimmung geeigneter Förderungsmaßnahmen ist demnach notwendig, um den zu geringen Besatzdichten mit ihren negativen Folgen für die Almflächen entgegenzuwirken, indem die im Zuge der Alpung entstehenden Bewirtschaftungsnachteile ausgeglichen werden.

Neben dem Klimawandel steht die Tierhaltung vor einer Reihe weiterer Herausforderungen, wie z. B. der Sicherstellung des Tierwohles. Diese beeinflussen die Tierhaltung u. U. stärker als die unmittelbaren Auswirkungen des Klimawandels. Gleichwohl sind Veränderungen in der Tierhaltung vor dem Hintergrund des Klimawandels zu sehen. Dafür werden zu Beginn die Auswirkungen der Tierhaltung auf den Klimawandel und die Umwelt sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Tierhaltung erläutert, um letztendlich mögliche Anpassungsmaßnahmen vorzustellen (Abschn. 4.2.4).

4.2.4.1 Tierhaltung und seine Auswirkungen

Landwirtschaftliche Tierhaltung ist mit wesentlichen Umweltauswirkungen verbunden (siehe Abb. 4.1). Der globale Anteil der Tierhaltung an der THG-Emission wird weltweit auf etwa 14–18 % geschätzt, für Österreich wird ein Anteil von 10,2 % angenommen, wobei der Energieeinsatz (Transport, Lüftungsanlage, Fütterung, Entmistung etc.) nicht berücksichtigt werden (Abschn. 2.2). Unter Einbeziehung des Energieeinsatzes steigt der Anteil auf 14 % (Lindenthal & Schlatzer, 2020).

Abb. 4.1
figure 1

Zusammenhang zwischen Proteinproduktion, Stickstoff- (N-)Düngung und Umweltauswirkungen. In Österreich werden jährlich 353 kt Stickstoff ausgebracht (Daten aus dem Jahr 2017). Davon entfallen 130 kt auf Mineraldünger, 173 kt auf Wirtschaftsdünger, 5 kt auf symbiotische Stickstoffbindung, 40 kt auf N-Deposition und 4 kt auf N im Saatgut. Diese Mengen übersteigen die N-Aufnahme durch Pflanzen, was zu einem Brutto-N-Überschuss von 122 kt führt, der als NO3, NH3, N2O oder NO austritt (Umweltbundesamt, 2019). Darüber hinaus werden bei der Herstellung von Mineraldüngern 60 MJ/kg N fossile Energie verbraucht. Datenmodellierungen zeigen, dass ein reduzierter Einsatz von Mineraldüngern gemeinsam mit einem effizienteren Einsatz von Wirtschaftsdüngern und einem verstärkten Anbau von Getreide und Futterleguminosen diese Emissionen aufgrund der Düngung verringern können. (ATF & ETP, 2019)

Bei den luftgetragenen Emissionen haben die THG-Emissionen globale Bedeutung, sind aber durch Anpassungsmaßnahmen nur in geringem Umfang zu beeinflussen. Jene Emissionen, die regional (Ammoniak) und lokal (Geruchstoffe und Bioaerosole) relevant sind, können jedoch durch technische Minderungsmaßnahmen (Luftwäscher, Biofilter, etc.) verringert werden und stehen oftmals in einer engen Beziehung mit der Landnutzung (intensive und extensive Haltungsformen, Stallhaltung, Weidehaltung, etc.).

In Österreich wird der Großteil der Ammoniakemissionen (NH3) durch die Landwirtschaft (95 %) verursacht, 47 % durch Tierhaltung und Güllelagerung, 43 % durch Ausbringen von Gülle, 8 % Dünger, 2 % Weideland und andere Tätigkeiten. In Europa sind die NH3-Emissionen zwischen 1990 und 2015 um 23 % gesunken (EEA, 2017a). Zwischen 2000 und 2015 gingen die Emissionen um 8 % zurück. In Österreich war jedoch ein gegenläufiger Trend (Anstieg der NH3-Emissionen von 1990 bis 2016 um 3 %, Tab. 4.1) zu beobachten (EEA, 2017b). Im Jahr 2005 betrug die Emission 62,70 kt und stieg kontinuierlich auf 69,09 kt pro Jahr im Jahr 2017. Für den Zeitraum von 2020 bis 2030 wurden Emissionsszenarien berechnet. Diese basieren auf Änderungen der Landnutzung, des Tierbestandes und der Produktionssysteme (Sinabell et al., 2018). Die Emissionsszenarien für 2020, 2025 und 2030 zeigen eine weitere Zunahme der jährlichen NH3-Emissionen (Anderl et al., 2019). Gemäß der NEC-Richtlinie (EU 2284, 2016) muss für 2020 eine Reduzierung um 1 % und in weiterer Folge eine lineare Abnahme bis 2030 auf 12 % (bezogen auf 2005) erreicht werden. Die Zielverfehlung ergibt sich aus diesen Vorgaben der NEC und den Emissionsszenarien und beträgt im Jahr 2020 12 % und steigt bis zum Jahr 2030 auf 30 % an [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Tab. 4.1 Jährliche Ammoniakemissionen für Österreich auf der Basis des nationalen Emissionsinventars (2005–2017) und der Szenarien 2020–2030 unter Berücksichtigung des verkauften Kraftstoffs. (Anderl et al., 2019)

Oft mit anderen luftgetragenen Emissionen einhergehend, ist die Tierhaltung auch eine wesentliche Quelle für Bioaerosole (Partikel mit einer biologischen Herkunft). Dazu zählen Partikel, die Pilze (Sporen, Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakterien, Viren und/oder Pollen sowie deren Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte (z. B. Endotoxine, Mykotoxine) beinhalten. Damit bedingen Bioaerosole auch bedeutsame Erkrankungen von Mensch und Tier, die durch Übertragungswege von Betrieb zu Betrieb mit der Atmosphäre als Vektor verbreitet werden. Das Risiko für eine derartige Übertragung ist einerseits von den meteorologischen Ausbreitungsbedingungen (Wind, Stabilität der Atmosphäre) und andererseits vom Abstand der Tierhaltungsbetriebe zueinander bzw. von der Agglomeration von Wohnbebauung und Tierhaltung abhängig. Ein besonderer Aspekt ist die Emission von antibiotikaresistenten Keimen (Greenpeace, 2018), die insbesondere für die Lebensmittelkette von Bedeutung für die humane Gesundheit sind. Daneben sind auch Bioaerosole, die keine zoonotischen Pathogene beinhalten, für das Auftreten von umweltbedingten Erkrankungen verantwortlich (Freidl et al., 2017; Hoopmann et al., 2004; Radon, 2005; Smit et al., 2012) [mittlere Evidenz: mittlere Übereinstimmung].

Die Emission von Geruchstoffen aus der Tierhaltung und die damit verbundene Geruchsbelästigung ist eine der häufigsten Beschwerden der Anrainer_innen und stellt daher ein wesentliches Konfliktpotenzial zwischen landwirtschaftlicher Tierhaltung und Wohnbevölkerung dar (Nicolas et al., 2008; Schauberger et al., 2001) [hohe Evidenz: hohe Übereinstimmung]. Anpassungsmöglichkeiten in Hinblick auf eine Reduktion sind vorrangig auf geschlossene Stallhaltung reduziert (Abluftreinigung, Adaptationsmaßnahmen zur Reduktion von Hitzestress). Diese Maßnahmen weisen eine starke Überlappung mit Maßnahmen zur Reduktion der NH3-Emission auf.

Durch die Gülleausbringung wird ein breites Spektrum von Stoffen auf die landwirtschaftlichen Böden geführt, die einen wesentlichen Beitrag zur Düngung der Pflanzen leisten, die aber auch potenziell gravierende Auswirkungen auf den ökologischen und chemischen Zustand von Grund- und Oberflächengewässer haben können. Werden Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor im Übermaß ausgebracht und nicht durch die Pflanzen aufgenommen, können diese durch Versickerung und Auswaschung direkt in Grund- und Oberflächengewässer ausgetragen werden, oder sie können in die Luft ausgetragen werden und infolgedessen über atmosphärische Deposition in Gewässer gelangen. Stickstoff gefährdet den chemischen Zustand von Grundwasser und trägt gemeinsam mit Phosphor zur Nährstoffüberversorgung von Oberflächengewässern (Eutrophierung) bei. Aufgrund von erhöhten Nitratkonzentrationen werden zwei Grundwasserkörper in Österreich jeweils als voraussichtliches Maßnahmengebiet (Marchfeld) bzw. als Beobachtungsgebiet (Weinviertel) ausgewiesen (Loishandl-Weisz et al., 2013). Die Höhe der Stickstoffüberschüsse geht mit einem höheren Viehbesatz und dem damit verbundenen Wirtschaftsdüngeranfall einher (Loishandl-Weisz et al., 2013). Bei den Fließgewässern wird derzeit für 11 % der österreichischen Messstellen aufgrund eines erhöhten Phosphorgehaltes der gute Zustand nicht erreicht (BMNT, 2019b). Intensive Tierhaltung bzw. geografische und funktionelle Trennung zwischen Viehzucht und Ackerland tragen im Wesentlichen zur Bildung eines Phosphorüberschusses im Boden und somit zu einem erhöhten Risiko von Phosphoreinträgen in die Oberflächengewässer bei (Nesme & Withers, 2016).

Nicht nur Nährstoffe werden über die Gülleausbringung auf die Böden gebracht, sondern auch Veterinärarzneimittelrückstände, die ein zunehmendes ökologisches Problem für die Wasserqualität und die öffentliche Gesundheit bilden. In Gebieten mit hoher Viehdichte wurde bei umfangreichen Screenings das Vorkommen von mehreren Antibiotika in Grundwasser in den Niederlanden (Kivits et al., 2018) und in Deutschland (Balzer et al., 2016; Burke et al., 2016; Karfusehr et al., 2019) bzw. in Oberflächengewässern in Deutschland nachgewiesen (Burke et al., 2016). Darüber hinaus kann die Ausbringung der Gülle zu einem erhöhten Gefährdungspotenzial durch Antibiotikaresistenzgene, sowohl in Oberflächengewässern als auch in Grundwasser, führen (Singer et al., 2016). Obwohl in Österreich solch hohe Viehdichten derzeit nicht üblich sind, ist diese Problematik ein wesentlicher Aspekt der Anpassungsmaßnahmen, die eine Intensivierung vorsehen.

4.2.4.2 Auswirkungen des Klimawandels auf die Tierhaltung

Die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Tierhaltung werden aus meteorologischen Parametern abgeleitet. Geeignete Hitzestressparameter für die Tierhaltung (Hahn et al., 2009) müssen jedoch für die Freilandhaltung geeignet sein und neben Lufttemperatur und Feuchtigkeit auch Windgeschwindigkeit und solare Strahlung berücksichtigen (Mader et al., 2006). Im Gegensatz dazu muss in der Stallhaltung der Tiere die thermische Situation im Stallgebäude für die Beurteilung herangezogen werden. Diese hängt vom Tierbestand, der Gebäudehülle und der Form der Lüftung ab.

Der Anstieg von Hitzestress hat in der Tierhaltung Auswirkungen auf die Gesundheit der Tiere (Mortalität), ihre Leistungsfähigkeit (Futterverwertung, Mastleistung, Milchleistung, Legeleistung) und ihr Wohlbefinden. Weiters hat Hitzestress auch Auswirkungen auf die Fleischqualität (Zhang et al., 2020). Für geschlossene Stallungen mit mechanischer Lüftung konnte für Österreich gezeigt werden, dass die Resilienz im Vergleich zur Freilandhaltung geringer ist und in den letzten 40 Jahren die Jahressumme einiger Hitzestressparameter (Häufigkeit und Intensität der Überschreitung der Stalltemperatur von 25 °C und des THI von 75) für Mastschweine um 9–13 % pro Dekade bei der Überschreitungshäufigkeit und 15–64 % pro Dekade bei der Intensität zugenommen hat (Mikovits et al., 2019). Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel müssen daher sowohl bei der Auswahl der Haltungsformen als auch bei der Gestaltung und Nutzung von Stallanlagen ansetzen, denn der Tierbestand, die Gebäudehülle und die Form der Lüftung beeinflussen die thermische Belastung [mittlere Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Skjøth und Geels (2013) haben die Auswirkungen des Klimas und des Klimawandels auf NH3-Emissionen in Europa untersucht. Diese Temperaturabhängigkeit der NH3-Emission kann bei der Erstellung der jährlichen Emissionsinventare mitberücksichtigt werden. Während 1984 (kühles Jahr) nur 98 % der sonst üblichen Menge an NH3 freigesetzt wurde, betrug dieser Faktor im Jahr 2015 (warmes Jahr) 108 % (Schauberger et al., 2018). Aufgrund des nichtlinearen Zusammenhangs zwischen NH3-Emission und Temperatur liegt diese Schwankungsbreite auch deutlich außerhalb des relativen Trends einer Zunahme der NH3-Emissionen von 1981 bis 2017 von 0,16 % pro Jahr. Simulationsergebnisse von Schauberger et al. (2018) zeigen, dass eine Temperaturerhöhung von 5 °C eine Zunahme der NH3-Emissionen aus Stallungen von 17 % mit sich bringen würde. Diese Abschätzung ist konservativ gegenüber jener von Sutton et al. (2013), welche eine Zunahme der NH3-Emissionen von 42 % bei einer Erwärmung von 5 °C postuliert. In dieser Untersuchung wurden jedoch auch NH3-Emissionen berücksichtigt, welche nicht in der Landwirtschaft freigesetzt wurden [mittlere Evidenz, hohe Übereinstimmung].

4.2.4.3 Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel

Anpassungsmaßnahmen der Tierhaltung können im Hinblick auf die Haltungssysteme einerseits unter dem Konzept der nachhaltigen Intensivierung (Garnett et al., 2013; Silva et al., 2017) und andererseits als Konzept der nachhaltigen Extensivierung (Van Grinsven et al., 2015) betrachtet werden (Box 4.1).

Box 4.1 Nachhaltige Intensivierung versus nachhaltige Extensivierung in der Tierhaltung

In der landwirtschaftlichen Tierhaltung werden einerseits die nachhaltige Intensivierung (Garnett et al., 2013; Silva et al., 2017) und anderseits die nachhaltige Extensivierung (Van Grinsven et al., 2015) als zwei konkurrierende Konzepte diskutiert.

Nachhaltige Intensivierung basiert auf dem Konzept eines hohen Inputs (Futter, Energie etc.), um einen hohen Output (tierische Produkte) mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Umwelt zu erzielen (Rauw et al., 2020). Intensive Haltungsformen führen zu geringerem Energieaufwand, Futterbedarf und Emissionen, bezogen auf die produzierte tierische Leistung (Protein-, Energiemenge, etc.; Basset-Mens & van der Werf, 2005; de Vries & de Boer, 2010; Dourmad et al., 2014; Haas et al., 2001; Rudolph et al., 2018), da der Anteil des Erhaltungsbedarfs, im Vergleich zu extensiven Haltungsformen mit geringeren tierischen Leistungen, kleiner ist. Im Gegensatz zur Weidehaltung können Emissionen durch die hohe räumliche Dichte der Tiere in den Stallungen technisch einfacher beherrscht werden. Bei diesen Untersuchungen bleiben oftmals externe Aufwendungen und die Lebensmittelkonkurrenz unberücksichtigt (Ertl et al., 2015; Wilkinson, 2011). Eine Intensivierung der Tierhaltung mit einer dadurch bedingten Erhöhung des Tierdichte und/oder Trennung vom Ackerbau könnte zu einer vermehrten Nährstoffemission in die Gewässer führen (Fezzi et al., 2015; Schönhart et al., 2018), da technologische Ansätze zur Rückgewinnung von Nährstoffen aus Wirtschaftsdünger derzeit noch mit zu hohen Kosten bzw. mit rechtlichen Hindernissen verbunden sind (Sharpley et al., 2015). Auch Ökobilanzen der Rinderhaltung in der Schweiz, Frankreich, Deutschland und Italien zeigen ein vielschichtiges Bild zur nachhaltigen Intensivierung (Bysticky et al., 2014).

Nachhaltige Extensivierung geht von einem System mit reduziertem Input und reduziertem Output aus. Insbesondere die globale Erwärmung und die dadurch bedingte Steigerung von Hitzestress und der Einsatz von alternativen Futterquellen werden für dieses Szenarium ins Treffen geführt (Rauw et al., 2020). Außerdem trägt es dazu bei, Trade-off-Effekten von Futterimporten und der Nahrungskonkurrenz der Tierhaltung gegenüber dem Menschen gerecht zu werden. Weitere positive Aspekte einer Extensivierung sind die Verbesserung der Biodiversität, geringere Emissionen bezogen auf die genutzte Fläche und dadurch geringere externe Folgekosten für die Gesellschaft. Ein Mindestmaß an extensiven Haltungsformen ist jedenfalls erforderlich, da eine Mindestbesatzdichte zur Erhaltung der Almen, aber auch von Weideflächen, notwendig ist, um durch einen ausreichenden Weidedruck eine ausreichende Futterqualität durch geringe Weidereste und Verunkrautung zu gewährleisten (LFI, 2015). In kleinstrukturierten Betrieben, in denen Tierhaltung ein integraler Bestandteil ist, kann die THG-Emission des gesamten Betriebs so weit reduziert werden, dass auch eine THG-neutrale Tierhaltung erreicht werden kann (Chiriacò & Valentini, 2021). Nachhaltige Extensivierung ist vor allem in Kombination mit einer Reduktion des Fleischkonsums umsetzbar, da dadurch der Tierbestand verringert werden kann, der einen zentralen Skalierungsfaktor für die Mitigation von THG darstellt.

Eine nachhaltige Entwicklung der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Österreich benötigt eine regional differenzierte Optimierungsstrategie zwischen Intensivierung und Extensivierung, die auch auf das jeweilige Produktionssystem abgestimmt werden muss. Die Entwicklung derartiger Trade-offs inkludiert neben dem Anpassungsbedarf an den Klimawandel auch Mitigationseffekte (Emission von Treibhausgasen in Österreich und durch Importe von Futtermitteln, Kohlenstoffspeicherung etc.), One-Health-Konzepte und Ernährungsgewohnheiten.

Änderungen im Konsumverhalten

Eine wesentliche Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel in der Tierhaltung kann einerseits durch die Verschiebung von tierischen Lebensmitteln weg von Wiederkäuern (Milch, Fleisch) hin zu Geflügel und Schweinen erfolgen, weil damit die Abhängigkeit von Grünland abnimmt. Der spezifische Nutzungsbedarf von Landfläche pro produziertem Produkt (m2/kg) ist von der Tierart und der Nutzungsart abhängig. Den höchsten Bedarf hat Rindfleisch mit 27–49 m2/kg, gefolgt von Schweine- und Geflügelfleisch mit 8,1–11 m2/kg, Eiern mit 4,5–6,2 m2/kg und Milch mit 1,1–2,0 m2/kg (de Vries & de Boer, 2010). Bei diesen Kennzahlen, die auf Lebensdaueranalysen basieren, muss weiters zwischen intensiven und extensiven Haltungsformen unterschieden werden. Andererseits kann durch eine generelle Reduktion von tierischen Lebensmitteln eine Anpassung erreicht werden, weil dadurch die Bedeutung der Tierhaltung insgesamt verändert wird.

Anpassungen der Haltungsverfahren und Haltungsbedingungen

Die Wahl von geeigneten Anpassungsmaßnahmen an die globale Erwärmung hängt davon ab, ob die Tiere im Freien gehalten werden (Alm, Weidehaltung, Freilandhaltung) oder in Stallungen. Bei der Haltung im Freien sind die Hitzestress betreffenden Anpassungsmaßnahmen auf Schatten, ausreichend Zugang zu Wasser und zusätzliche Luftbewegung durch Ventilatoren reduziert (Thornton et al., 2021). In Stallungen stehen vielfältige Anpassungsmaßnahmen zur Verfügung, mit großen Unterschieden in der Effizienz in Hinblick auf die Reduktion von Hitzestress (Hörtenhuber et al., 2020). Dazu zählen energiesparende Luftaufbereitung (z. B. evaporative Kühlung, Bodenspeicher), Maßnahmen für das Gebäude (Orientierung, Fassaden und Dachbegrünung, thermische Isolation), im Stallraum (z. B. erhöhte Luftgeschwindigkeit, Vernebelung von Wasser, Kühlung von Trinkwasser und Liegeflächen, Suhlen) und Managementmaßnahmen (z. B. Reduktion der Tierdichte, Erhöhung der maximalen Luftrate, thermisch adaptierte Genotypen, Fütterungsmaßnahmen). In der Schweinehaltung kann durch energiesparende Luftaufbereitungssysteme (Vitt et al., 2017) die Häufigkeit des Hitzestresses um etwa 50–90 % reduziert werden, während Maßnahmen im Bereich des Managements der Tierhaltung (z. B. Reduktion der Tierdichte) deutlich geringere Reduktionen mit 5–35 % aufweisen (Schauberger et al., 2019). Aufgrund der langen Nutzungsdauer von Stallungen ist es notwendig, solche Anpassungsmaßnahmen bereits in der Planung von Neu- und Umbauten zu berücksichtigen, um die Investitionskosten möglichst gering zu halten. Daneben sind auch, nicht zuletzt aufgrund der hohen Mitigationspotenziale im Tierhaltungsbereich (Abschn. 5.1.1.2), ebenso Veränderungen zu erwarten, die die Tierhaltung in Art und Umfang nachhaltig beeinflussen.

Da NH3 eine wichtige Vorläufersubstanz zur Bildung von Feinstaub ist (Baek et al., 2004), der als gesundheitliches Risiko für einige Erkrankungen des Menschen relevant ist (APCC, 2018), aber auch in das THG Lachgas umgewandelt wird, müssen Anpassungsmaßnahmen in Hinblick auf die Freisetzung von NH3 und Geruchstoffen (UNECE, 2015) erfolgen. So können die bereits o. g. Maßnahmen zur Reduzierung von Hitzestress in Stallungen (Hutchings et al., 1996; Ni, 1999; Schauberger et al., 2013) und Güllelagern die Freisetzung reduzieren: Für die Schweinehaltung wird für die Kühlung der Gülle eine Minderung der NH3-Emissionen von 30–60 % angenommen, für die Zuluftkühlung bis zu 10 % (Wulf et al., 2017), für Sprinklersysteme etwa 45 % (Jeppsson et al., 2021). Die Emissionen von NH3, Staub, Bioaerosolen und Geruchstoffen lassen sich durch Abluftreinigungssysteme wirksam reduzieren (Aarnink et al., 2011; De Vries & Melse, 2017; Melse et al., 2008; Melse & Ogink, 2005). Diese Maßnahmen sind in anderen Ländern als Stand der landwirtschaftlichen Tierhaltung angesehen und in einem BREF-Dokument der EU dargestellt (IPPC, 2017), während für die Anwendung in Österreich bisher kein Konsens vorliegt (Anderl et al., 2016) [mittlere Evidenz, mittlere Übereinstimmung].

Ammoniumsulfat und Ammoniumnitrat zählen in den ländlichen Regionen Österreichs zu den wichtigsten sekundären anorganischen Aerosolen, welche zwischen 30 und 45 % der gesamten Staub- („Particulate Matter“) PM10 bzw. Feinstaubbelastung PM2.5 ausmachen können (Buxbaum et al., 2014). Für belastete Gebiete – sogenannten Feinstaub-Sanierungsgebieten – werden nach § 3 UVP-G 2000 PM10 Minderungen der NH3-Emissionen empfohlen. Das betrifft vor allem das Grazer und Leibnitzer Becken in der Südoststeiermark. Solche Maßnahmen sind jedoch bisher nicht in allen Bundesländern Bestandteil der Maßnahmenkataloge der dafür verantwortlichen Landeshauptleute. In Österreich existieren im Vergleich zu anderen Ländern mit hoher Tierdichte kaum Auflagen zur Reduktion von NH3-Emissionen. Das führt in den kommenden Jahren zu zusätzlichen Investitionskosten in den Bereichen Abluftreinigung von Ställen (nur für Stallanlagen mit einer mechanischen Lüftungsanlage), Güllelagerabdeckung und Gülleausbringungstechnik, um die von der EU vorgeschlagenen zukünftigen Ziele der NEC-Nachfolge-Richtlinie erreichen zu können (Anderl et al., 2017). Derzeit werden NH3-Immissionen nur in Hinblick auf schädigende Einflüsse auf Waldökosysteme im Rahmen von ICP Forests (Neumann, 2016), aber nicht operationell im Messnetz der Länder und des Bundes gemessen. Die notwendigen Reduktionsmaßnahmen haben auch Auswirkungen auf die Landnutzung. Bei der Ausbringung von Gülle auf Grünland ist eine unmittelbare Einarbeitung während oder nach der Ausbringung nur eingeschränkt möglich, das bedeutet, dass für diese Flächen nur eine bodennahe Ausbringung erfolgen kann. Weiters kann die Abluftreinigung aus ökonomischen Gründen nur für Stallungen mit einem großen Tierbestand erfolgen (Anderl et al., 2017; IPPC, 2017). Das bedeutet, dass solche Maßnahmen als Teil der diskutierten nachhaltigen Intensivierung zu sehen sind.

Notwendige Schutzabstände zwischen Tierhaltungsbetrieben und stickstoffempfindlichen Ökosystemen (z. B. Feuchtgebiete, Magerrasen, Heiden, Bäume und Waldökosysteme, insbes. Nadelbäume auf sauren Standorten) können durch eine Richtlinie (BMLFUW, 2011) mit Hilfe der deutschen TA Luft (2002) geregelt werden, um die ökosystemspezifischen Belastungsgrenzen („Critical Loads“) nicht zu überschreiten. Pufferdistanzen können auch gegenüber Natura-2000-Gebieten erforderlich sein (Kelleghan et al., 2014). Dies führt in jedem Fall zu einem erhöhten Flächenbedarf für neue Stallungen außerhalb dieser Schutzabstände.

Generell ist eine Versorgung der Tierhaltung aus betrieblichen Brunnen oder kleinregionalen Brunnengemeinschaften anzutreffen. Für eine Absicherung der Wasserversorgung in kritischen Phasen empfiehlt sich ein Anschluss an ein kommunales Wassernetz, die Verwendung von Zisternen, Rückhaltebecken oder Regenwasser-/Dachwasserspeichern sowie Wiederverwertung von (noch verwendbaren) Abwässern, z. B. Nachspülwasser der Tank- und Melkmaschinenreinigung für andere Reinigungszwecke.

4.3 Forstwirtschaft

4.3.1 Hintergrund Wald

Die Interessen unterschiedlicher Anspruchsgruppen am Wald in Österreich gehen weit über die Produktion und Bereitstellung des Rohstoffs Holz zur Versorgung von Säge- und Papierindustrie und zur energetischen Verwertung (Strom, Wärme) hinaus. Im österreichischen Forstgesetz 1975 (i. d. g. F.) wird traditionell der Begriff der Waldfunktionen verwendet und explizit die Nutz-, die Schutz-, die Wohlfahrts- und die Erholungsfunktion genannt. Zudem wird seit der Novellierung des Forstgesetzes 2002 die Bedeutung des Waldes als Lebensraum für Mensch, Tiere und Pflanzen unabhängig von einzelnen Funktionen anerkannt und bei der forstlichen Raumplanung berücksichtigt. Dabei wird das Konzept der Multifunktionalität als klassischer (zentral-)europäischer Ansatz zur bestmöglichen Befriedigung diverser Ansprüche verfolgt (Bollmann & Braunisch, 2013). Dieses Konzept sieht vor, die wichtigsten Funktionen in einem integrativen Ansatz möglichst gleichzeitig zu berücksichtigen. Im Gegensatz dazu wird bei dem weltweit stärker verbreiteten segregativen Ansatz (FAO, 2010) ausschließlich eine Waldfunktion auf einer Waldfläche realisiert, z. B. Produktion oder Naturschutz oder Schutzwald (FOREST EUROPE, 2020; FOREST EUROPE et al., 2011). In Österreich werden für die gesamte Waldfläche die vier o. g. Funktionen inkl. der vorherrschenden Leitfunktion im Waldentwicklungsplan (WEP), einem Instrument der forstlichen Raumplanung, dokumentiert, um durch vorausschauende Planung sämtliche Waldfunktionen bestmöglich zu erhalten (BMLFUW, 2012). Mit dem Millenium Assessment (MA, 2003) hat sich der Begriff der „Ökosystemleistungen“ (ÖSL) etabliert, der die Waldfunktionen weiter operationalisiert (siehe „Common International Classification of Ecosystem Services“ der European Environmental Agency; EEA, 2020) und ÖSL in die Kategorien „bereitstellend“ (z. B. Holz, Trinkwasser, Nichtholzprodukte), „regulierend“ (z. B. Schutz vor gravitativen Naturgefahren, Abflussregulierung, Kohlenstoffspeicher und -sequestrierung), Lebensraumleistungen (Maes et al., 2011) und „sozial-kulturell“ (z. B. Erholung) gliedert. ÖSL werden nicht unabhängig voneinander erbracht, sondern können in positivem, negativem, aber auch neutralem Zusammenhang zueinander stehen (Strengbom et al., 2018; van der Plas et al., 2018). Bewirtschaftung erlaubt die gemeinsame Optimierung zahlreicher ÖSL inkl. Holznutzung und Biodiversität (Asbeck et al., 2021; Eyvindson et al., 2018; Lafond et al., 2015; Storch et al., 2019; van der Plas et al., 2018). Die Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen hat sowohl direkte Auswirkungen auf bestimmte ÖSL als auch deren Wechselbeziehungen (Brockerhoff et al., 2017; Langner et al., 2017) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Die Intensität des Klimawandels und Anpassungsmaßnahmen in der Waldbewirtschaftung beeinflussen Artenzusammensetzung und Waldstrukturen und damit ÖSL und deren Wechselwirkungen in unterschiedlichem Ausmaß (Irauschek et al., 2017; Maroschek et al., 2015; Mina et al., 2017; Rammer et al., 2015; Scheidl et al., 2020). Insbesondere intensivierte Störungsregime (e.g., Seidl et al., 2018; Steyrer et al., 2020b) wirken sich direkt auf ÖSL aus [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Dazu gehören Wetterextreme wie Stürme, extreme Schneefallereignisse und Eisanhang und der dadurch ausgelöste Befall durch Sekundärschädlinge (Forzieri et al., 2021) ebenso wie die in den letzten zwei Jahrzehnten häufiger und intensiver auftretenden sommerlichen Trocken- und Hitzeperioden, die zu einem bisher in Mitteleuropa unbekannten Populationswachstum von Borkenkäfern geführt haben (Forzieri et al., 2021; Hlásny et al., 2021). Auch die Anzahl und Flächengröße von Waldbränden ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen (Müller et al., 2015). Insgesamt ist in der Zukunft mit einer Intensivierung der Störungsregime zu rechnen (Seidl et al., 2017). Dabei ist überwiegend von negativen Auswirkungen auf ÖSL auszugehen (Thom & Seidl, 2016). Zum Beispiel führen großräumige Störungen durch Sturm oder Insektenkalamitäten u. a. zu einer Reduktion der Evapotranspiration und höheren Abflussgeschwindigkeiten (Mikkelson et al., 2013). Auch die Speicherung von Kohlendioxid wird durch zunehmende Störungen massiv beeinträchtigt (u. a. Kurz et al., 2008; McDowell et al., 2020; Abschn. 5.1.2).

Anpassungsmaßnahmen in der Waldbewirtschaftung zielen vor allem darauf ab, die Auswirkungen von Störungen auf die Erbringung von ÖSL zu reduzieren. Dabei sind drei Elemente zu kombinieren (Abb. 4.2):

  • Resilienz als Vermögen von Waldökosystemen, möglichst selbstständig und rasch nach einer eingetretenen Störung wieder in einen Zustand überzugehen, der das erforderliche Niveau an ÖSL erbringen kann (Falk et al., 2022; Box 4.2)

  • Resistenz als Vermögen, Störungseinflüssen möglichst gut standhalten zu können (Jactel et al., 2021; Naidoo et al., 2019)

  • Anpassungsfähigkeit als Vermögen, sich möglichst autonom, z. B. über Naturverjüngungsprozesse, an sich verändernde Klimabedingungen anpassen zu können (Puettmann, 2014; Royer-Tardif et al., 2021)

Situativ kann eine Planung von Anpassungsmaßnahmen aber eine optimale Kombination der drei Elemente erreichen [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Abb. 4.2
figure 2

Die Erhöhung und Erhaltung von Resilienz, Resistenz und Anpassungsfähigkeit sind drei strategische Ziele von Anpassungsmaßnahmen im Waldbereich, zu denen einzelne Maßnahmen in unterschiedlichem Ausmaß beitragen. (Eigene Darstellung)

Ein großräumig repräsentatives Monitoring des Waldes erfolgt durch die Österreichische Waldinventur (ÖWI; BFW, 2021). In den Daten der ÖWI zeigen sich sowohl eine allmähliche Anpassung an die veränderten klimatischen Bedingungen als auch Trends, die einer Anpassung entgegenstehen. Der Holzvorrat ist seit den 1960er-Jahren kontinuierlich angestiegen und weist einen der höchsten mittleren Hektarwerte in Europa auf (Tomppo et al., 2010). Der Flächenanteil von laubholzreicheren Beständen im österreichischen Wald hat seit den 1980er-Jahren um rund 10 % zugenommen, wobei vor allem der Anteil von Hartholzarten ansteigt, während Nadelbaumarten wie Fichte und Weißkiefer an Waldfläche verlieren (Hauk, 2011; Russ, 2019), dies insbesondere im Bereich der sekundären Nadelwälder in Tieflagen (Gschwantner & Prskawetz, 2005). Gleichzeitig zeigt sich, bedingt durch Altersklassenaufbau und unterbliebene Nutzungseingriffe, eine deutliche strukturelle Verschiebung zu stärkeren Durchmesserklassen (Gschwantner, 2019), die zukünftig rückläufige Holzzuwächse (Ledermann et al., 2020) und eine abnehmende Bestandsstabilität erwarten lassen (Gschwantner, 2019; Seidl et al., 2019; Abschn. 5.1.2). Gleichaltrige und vergleichsweise alte Bestände ohne ausreichende Verjüngung kennzeichnen gegenwärtig auch den Schutzwald (Niese, 2011; Schodterer, 2011, 2004; Schodterer & Schadauer, 1997) [hohe Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Empirische Untersuchungen zeigen, dass größere und ältere Bäume stärker von Sturm und Trockenheit betroffen sind (Albrecht et al., 2012; Bennett et al., 2015; Schmidt et al., 2010) und daher mit starken demografischen Veränderungen durch die Zunahme an Störungen gerechnet werden muss: junge Altersklassen werden eher zunehmen und alte Altersklassen eher abnehmen (Albrich et al., 2020; McDowell et al., 2020). Zu beachten ist auch, dass das seit Mitte des 20. Jahrhunderts beschleunigte Wachstum von Einzelbäumen und Waldbeständen (Pretzsch et al., 2014) zwar die Baumdimensionen und Bestandsvorräte gesteigert hat, die Lebensdauer von Bäumen (Büntgen et al., 2019) dagegen abnimmt und mit erhöhten Mortalitäten in reifen Waldbeständen gerechnet werden muss (Brienen et al., 2020). Daher gilt es als sehr unsicher, ob ältere Wälder und deren ÖSL eine geringere Sensitivität gegenüber dem Klimawandel aufweisen als junge Wälder, so wie dies z. B. für boreal-gemäßigte Wälder Nordamerikas aus Modellrechnungen abgeleitet wurde (Thom et al., 2019), weil in dieser Studie keine Störungen berücksichtigt wurden.

Über 50 % der Waldfläche gehört der Gruppe der Kleinwaldbesitzer_innen mit Besitzgrößen unter 200 ha (BMNT, 2017b). Davon sind viele Waldbesitzer_innen Hof-fern und haben selber keinen Bezug zu Waldarbeit und Waldbewirtschaftung mehr (Mostegl et al., 2019). Erfolgreiche flächenwirksame Anpassung an den Klimawandel wird also u. a. davon abhängen, einen hohen Anteil dieser Besitzergruppe zu erreichen.

In Interviews in drei Fallstudienregionen in Österreich gaben ca. 70 % des befragten Forstpersonals und der befragten Waldbesitzer_innen an, dass sie bereits Anpassungsmaßnahmen gesetzt hätten (Kavallar, 2019; Senitza, 2020). Dieser Anteil war umso höher, je höher der Anteil der sekundären Fichtenwälder in den Fallstudienregionen war. Dies korrespondiert gut mit dem zunehmenden Anteil an Mischbeständen in den letzten Inventurperioden der ÖWI (Russ, 2019). Für die restlichen ca. 30 % wurden als ausschlaggebende Gründe für bisheriges Zögern, Anpassungsmaßnahmen zu setzen, genannt, dass Informationen über das zukünftige Klima derzeit zu unsicher seien (Labonne et al., 2020).

Seit 2004 wird durch das bundeseinheitliche Wildeinflussmonitoring der Wildeinfluss auf die Baumartenzusammensetzung in der Waldverjüngung erfasst (Schodterer & Lackner, 2019). Während in den untersten Verjüngungsschichten die meisten Baumarten (bis zu 18 verschiedene) vertreten sind, vermindert sich die Artenanzahl mit zunehmender Höhenklasse. Die Ursachen dafür sind vielfältig, der Verbiss durch Schalenwild spielt dabei aber sehr oft eine wichtige Rolle. Insbesondere die in einem zukünftigen wärmeren Klima wichtigen Baumarten Tanne, Bergahorn, Eiche und Hainbuche sind in den oberen Höhenklassen nur sporadisch vertreten. Insgesamt beträgt laut Wildeinflussmonitoring (BFW, 2019) der Anteil der Flächen mit starkem Wildeinfluss auf die Waldverjüngung bundesländerweise zwischen 44–72 % und ist damit in Hinblick auf eine Anpassung der Baumartenzusammensetzung an zukünftiges Klima viel zu hoch. Der hohe Wildeinfluss kann einen Kaskadeneffekt auf zahlreiche waldbewohnende Arten auslösen (Angelstam et al., 2017; Vázquez & Simberloff, 2004) und schränkt die Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel empfindlich ein.

Box 4.2 Resilienz

Als Resilienz bezeichnet man die Fähigkeit eines Systems, nach einer temporären Störung in einen Referenzzustand zurückzukehren (Abb. 4.3; Grimm & Wissel, 1997; Holling, 1973). Als theoretisches Konzept wird Resilienz heute als Schlüsselelement im Umgang mit zunehmenden Störungen und der Unsicherheit im Ökosystemmanagement und deren Erhöhung als eines der wichtigsten Ziele von Anpassungsmaßnahmen genannt (Spears et al., 2015).

Resilienz spielt sowohl in bewirtschafteten Landnutzungssystemen, insbesondere in der Forstwirtschaft, als auch in Naturschutz und Schutzgebietsmanagement eine wichtige Rolle. Im Schutzgebietsmanagement geht es z. B. darum, die Schutzgüter auf das vermehrte Auftreten von Störungen vorzubereiten und negative Auswirkungen wie den Verlust der zu schützenden Arten und Lebensgemeinschaften zu vermeiden. In der Forstwirtschaft steht dagegen die Erhaltung der Fähigkeit des Systems, wichtige Ökosystemleistungen (ÖSL) zu erbringen, im Vordergrund.

Die Bedeutung der Resilienz kann auf verschiedenen Ebenen realisiert werden (Nikinmaa et al., 2020):

1.:

Auf der Ebene von Einzelindividuen geht es zum Beispiel um die Regenerationsfähigkeit nach einem unmittelbaren Stressereignis, z. B. wie schnell ein Baum nach einer Trockenperiode sein früheres Wachstum wieder erreicht.

2.:

Auf der Ebene von Populationen spielt dagegen die Fähigkeit zu Reproduktion, zu Migration und Genfluss sowie zu genetischer Anpassung (durch Prozesse wie Mutation, genetische Drift und Selektion) an veränderte Umweltbedingungen eine zentrale Rolle. Maßnahmen zum Schutz seltener und gefährdeter Arten, z. B. Assisted Migration, sind auf dieser Ebene zu realisieren.

3.:

Die Ebene der Ökosysteme betrifft Lebensgemeinschaften und deren Fähigkeit, auch beim Ausfall einzelner Arten wichtige ÖSL zu erbringen. Diese Ebene ist in der Waldbewirtschaftung und im Schutzgebietsmanagement von Relevanz.

4.:

Oberhalb der Ökosysteme ist eine sozio-ökologische Resilienz anzustreben, denn die gegenwärtigen Landnutzungsformen sind eingebettet und abhängig von den sie umgebenden sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Zum Beispiel werden die Waldbewirtschaftung und deren Anpassung ohne die Abgeltung anderer ÖSL maßgeblich vom Holzmarkt und den Kapazitäten der holzverarbeitenden Industrie beeinflusst. Gleichzeitig haben Störungen auf der Ebene der Waldbewirtschaftung das Potenzial, auf das sozio-ökonomische System durchzuschlagen, indem z. B. der Rohstoff Holz langfristig knapp werden könnte oder die heutigen Holzsortimente durch andere Holzarten ersetzt werden. Daher ist die Erhöhung der Resilienz der sozio-ökonomischen Systeme eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Anpassungen der Landnutzungssysteme.

In der Waldbewirtschaftung hat sich der Ansatz der Steigerung der Resilienz zur Erbringung von ÖSL als erfolgsversprechende Anpassungsstrategie etabliert (siehe Box 1.3). Die mit dem Klimawandel verbundenen Auswirkungen, Risiken und Unsicherheiten (z. B. Ausbruch von Schädlingen und Krankheitserregern, Temperaturstress und Windwurfgefahr) führen zu Veränderungen von bisher zu erwartenden Referenzwerten für die ökologischen und sozio-ökologischen Systeme (Araújo et al., 2011; Felton et al., 2016). Durch den klimabedingten Ausfall der ökosystembestimmenden Baumarten (Abschn. 4.3.2) sowie der damit verbundenen assoziierten Biozönosen kann es zu Verringerung der Resilienz kommen (Ellison et al., 2005; Rohr et al., 2009).

Abb. 4.3
figure 3

Ökologisches Konzept von Resilienz nach Holling (1973), dargestellt als Berg- und Taldiagramm nach Keane et al. (2018). Der Ball stellt ein Ökosystem dar, dass sich innerhalb bestimmter Grenzen verändern kann, aber nach Veränderungen immer wieder in seinen Ausgangspunkt, die Tallage, zurückkehren kann. Überschreitet die Störung einen bestimmten Schwellenwert, kann auch ein komplett neuer Zustand erreicht werden

4.3.2 Anpassungsmaßnahmen

Als konzeptioneller Rahmen ist bei der Planung von Anpassungsmaßnahmen die Berücksichtigung der Kriterien Resistenz, Resilienz und Anpassungsfähigkeit hilfreich (Neumann et al., 2021).

Baumartenwahl

Hohe Übereinstimmung besteht darüber, dass die Wahl von geeigneten Baumarten und Baumartenmischungen in Bezug auf Klimawandelanpassung die größte Hebelwirkung aller Anpassungsmaßnahmen hat. Die Baumartenwahl bzw. die Mischung von Baumarten wirkt sich auf Resistenz, Resilienz und das Anpassungsvermögen von Beständen aus. Da sich Baumarten in Bezug auf ihr Wurzelsystem sowie das Vermögen, ihren Wasserhaushalt durch Schließen der Stomata zu kontrollieren, unterscheiden, kann durch die Wahl geeigneter Baumarten die Resistenz von Waldbeständen gegen Sturm oder Vitalitätsverlust durch mangelnde Wasserversorgung erhöht werden (Sykes et al., 1996; Thuiller, 2003; Dyderski et al., 2018). Heute begründete Bestände müssen imstande sein, die Umweltbedingungen der kommenden 80–100 Jahre an ihrem Standort zu tolerieren (Jandl et al., 2021). Da aber die zukünftigen Klimabedingungen unsicher sind, kann für die Planung nur die wahrscheinliche Bandbreite zukünftiger klimatischer Bedingungen verwendet werden [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Das Vorkommen und die Eignung verschiedener Baumarten werden nicht nur durch Temperaturmittel und Niederschlagssummen bestimmt, sondern hängen auch vom artspezifischen Verhalten der Bäume in Trockenperioden, der Phänologie und Frosthärte bei immer häufiger auftretenden Spätfrösten ab (Liu et al., 2018; Zohner et al., 2020) sowie vom Auftreten von Klimaextremen (Zimmermann et al., 2009) und Störungsfaktoren wie Sturm, Schnee, und Schadorganismen. Zudem sind neben den klimatischen Faktoren auch weitere lokale Standortsfaktoren wie Bodeneigenschaften und topografische Merkmale (Hanglage, Exposition, etc.) bei der Baumartenwahl zu berücksichtigen (Walthert & Meier, 2017). Allerdings liegt für österreichische Waldstandorte bisher keine hochaufgelöste Kartierung der Waldstandorte flächendeckend vor (Englisch et al., 2019).

Hohe Übereinstimmung besteht darüber, dass wichtige Hauptbaumarten des zentraleuropäischen Raumes wie Fichte, Buche oder Kiefer unter den prognostizierten Klimaänderungen und Kalamitätsanstiegen in den nächsten Jahrzehnten deutlich (60 % bzw. 33–50 %) an Flächenanteilen an den warmen Enden ihrer Verteilung verlieren werden (Sykes et al., 1996; Thuiller, 2003; Schueler et al., 2014; Thurm et al., 2018). Im Fall der Fichte ist dies vor allem auf Trockenperioden und die sich intensivierenden Störungen durch Borkenkäfer zurückzuführen. Ähnlich anfällig für Borkenkäfer und Pilzorganismen sind Reinbestände aus Weißkiefer (Dyderski et al., 2018). Auf geeigneten Standorten und in Mischung stellt die Schwarzkiefer eine alternative Nadelbaumart dar, leidet auf den heute wärmsten und trockensten Standorten allerdings ebenfalls stark an pilzlichen Krankheitserregern (Triebsterben), die von klimatischen Faktoren beeinflusst werden (Steyrer et al., 2020a). Die Buche leidet bei Sommertrockenheit und wird unter diesen Bedingungen anfällig für Sekundärschädlinge wie etwa Buchenborkenkäfer (Tomiczek et al., 2008). Die Buche wird allerdings in einem wärmeren Klima durch längere Vegetationsperioden und geringere Winterfröste in den montanen Berglagen konkurrenzkräftiger. Auf heutigen submontanen Buchenstandorten werden wiederum Stiel- und Traubeneiche zu möglichen bestandsbildenden Baumarten. Auf gut wasser- und nährstoffversorgten Standorten oberhalb von ca. 1000 m können im Klimawandel steigende Zuwächse erwartet werden (Lexer et al., 2015) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

In den kommenden Jahrzehnten ist nach den relevanten Klimaszenarien (Chimani et al., 2016) in allen Regionen Österreichs weiterhin mit Winterfrösten zu rechnen, die ein wesentlicher Hemmfaktor für die alternative Verwendung von mediterranen Baumarten mit geringer Winterhärte sind (Kreyling et al., 2015; Thurm et al., 2018).

Da der regionale Ausfall der Fichte zu massiven Einkommensverlusten für Waldbesitzer_innen führen wird (Hanewinkel et al., 2014), besteht großes Interesse an alternativen Nadelbaumarten. Als besonders relevant wurde bisher vor allem die aus dem Nordwesten der USA und British Columbia in Kanada stammende Douglasie diskutiert, die bereits seit fast 200 Jahren in Europa vertreten ist. Sie ist trockenheitsresistenter (George et al., 2019; Lévesque et al., 2014) und in Mitteleuropa bisher weniger schädlingsanfällig als heimische Nadelbaumarten. Allerdings ist die Douglasie auf schweren, stauwasserbeeinflussten Böden nicht geeignet (u. a. Eckhart et al., 2019), und Modellierungen ihres Wachstumspotenzials im Klimawandel zeigen, dass die Douglasie zwar heute noch in den tieferen Lagen des sommerwarmen Osten geeignet ist, dort aber in Zukunft an ihre klimatischen Grenzen stoßen könnte (Chakraborty et al., 2016; Pötzelsberger et al., 2019; Schüler & Chakraborty, 2021). Als weitere interessante Baumarten werden u. a. Roteiche, Küstentanne, Libanonzeder, Atlaszeder oder Baumhasel diskutiert (Schuster & Ruhm, 2015) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Das Einbringen nicht heimischer Baumarten wird aber vor dem Hintergrund möglicher Invasivität und damit potenziell möglicher negativer Auswirkungen auf die heimische Biodiversität, insbesondere in geschützten Lebensräumen, kontrovers in der Wissenschaft diskutiert (Brundu et al., 2020; Brundu & Richardson, 2016; Lapin et al., 2019; Pötzelsberger et al., 2020). Insgesamt gesehen besteht noch erheblicher Forschungsbedarf in Hinblick auf die Chancen und Risiken nicht heimischer Arten und deren potenzieller ökologischer und ökonomischer Rollen (Thurm et al., 2018, Wohlgemuth et al., 2021, Bindewald et al., 2021) [robuste Evidenz, geringe Übereinstimmung]

Verwendung anderer Samenherkünfte

Neben der Nutzung anderer heimischer und nicht heimischer Baumarten spielt die Anpassung von Waldbeständen bzw. Baumpopulationen an ihre Umweltbedingungen eine wichtige Rolle. Die meisten Baumarten haben ein großes natürliches Verbreitungsgebiet, innerhalb dessen sie an unterschiedliche Klimabedingungen angepasst sind. Diese lokale Anpassung an das Klima (Chakraborty et al., 2019a) äußert sich in verschiedenen Merkmalen, z. B. dem Austriebszeitpunkt, der Frostresistenz, der Wuchsleistung oder der Trockenresistenz (Kreyling et al., 2012; Richter et al., 2012). Bisherige Empfehlungen zur Verwendung von Herkünften basieren auf der vorwiegenden Nutzung von lokalen Samenherkünften bzw., soweit möglich, der Nutzung der Naturverjüngung von autochthonen Beständen (Gaviria et al., 2019). Zahlreiche Studien im Alpenraum und Skandinavien zeigen allerdings, dass lokale Anpassungen durch die starke Veränderung der Umweltbedingungen obsolet geworden sind und das Risiko von Fehlanpassungen in Hinblick auf die Wuchsleistung (Kapeller et al., 2012) und die Steuerung von Austrieb und Wachstumsabschluss (Chakraborty et al., 2019b; Frank et al., 2017a, 2017b; Milesi et al., 2019) bis zum Ende des Jahrhunderts für wichtige Baumarten wie Fichte, Rotbuche und Weißtanne deutlich steigt. Das gilt für Baumarten der montanen und subalpinen Waldstufe wie Rotbuche (Gauzere et al., 2020) und Zirbe (Dauphin et al., 2021) genauso wie für wichtige Arten in den tieferen Lagen (Arend et al. 2011). Zum Beispiel weisen die heimischen Eichenarten lokale Anpassungen an klimatische Faktoren auf (Sáenz-Romero et al., 2017), und bereits Temperaturveränderungen von 1 °C können zu Fehlanpassungen wachstumsrelevanter Eigenschaften (Höhen-, und Dickenwachstum) führen (George et al., 2020). Neben Unterschieden in Wuchseigenschaften und Phänologie zeigen heimische und nicht heimische Baumarten auch genetische Anpassungen an extreme Trockenperioden (George et al., 2019, 2017, 2015; Schueler et al., 2021). Auch die bereits in der Vergangenheit häufig eingesetzten Herkünfte nicht heimischer Baumarten (z. B. Douglasie) werden auf den bisher genutzten Standorten im Osten Österreichs und in tieferen Lagen in Zukunft geringere Zuwächse erleben (Chakraborty et al., 2015). Die Auswahl anderer Herkünfte kann diese Zuwachseinbußen abmildern (Chakraborty et al., 2019a, 2016, 2015) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Box 4.3 Assisted Migration

Die Anpassung von Baumpopulationen an die zukünftigen Bedingungen kann entweder durch gezielte Züchtungsmaßnahmen, die auch innerhalb kurzfristiger Projekte umsetzbar sind (Lstibůrek et al., 2020), erfolgen, oder durch den Einsatz von Samenherkünften aus anderen Teilen der natürlichen Verbreitungsgebiete. Letztere Maßnahme wird oft als „Assisted Migration“ bzw. „Assisted Gene Flow“ bezeichnet (Aitken & Bemmels, 2016; McLachlan et al., 2007).

„Assisted Migration“ ist ein Überbegriff für die vom Menschen aktiv unterstützte Wanderung von Arten und einzelnen Populationen, um dem Verlust ihrer angestammten Lebensräume durch den Klimawandel entgegenzuwirken und für die jeweiligen Arten und Populationen neue Lebensräume mit passenden Klimabedingungen zu finden. Parallel zu Assisted Migration werden auch die Begriffe „Managed Relocation“ oder „Managed Translocation“ verwendet. Für Arten mit breiter geografischer Verbreitung, für die Anpassungen an die heutigen lokalen Umweltbedingungen bekannt sind (wie etwa für viele Baumarten), wird der „Assisted Gene Flow“ als Sonderfall unterschieden (Abb. 4.4). Dabei werden die lokalen Anpassungen der jeweiligen Baumpopulationen durch Transfer von Saat- und Pflanzgut innerhalb des Verbreitungsgebietes der jeweiligen Art erhalten und damit gleichzeitig die Resilienz der zukünftigen Waldökosysteme erhöht.

Assisted Migration und Assisted Gene Flow gelten sowohl im Naturschutz als auch in der Forstwirtschaft als aktive Anpassungsmaßnahme. Als Herausforderungen für die Umsetzung von Assisted Migration/Assisted Gene Flow gelten

  1. 1.

    die Unsicherheit der Klimaprognosen,

  2. 2.

    das oft noch fehlende Verständnis über lokale Anpassungen an Standort und Klima

  3. 3.

    mögliche Risiken intrakontinentaler Invasionen und

  4. 4.

    die regulatorischen Herausforderungen der meist regional und national verankerten Gesetze im Naturschutzbereich und dem forstlichem Saat- und Pflanzgut.

Abb. 4.4
figure 4

Abgrenzung zwischen Assisted Migration und Assisted Gene Flow. Populationen an der bisherigen warmen Grenze ihrer Verbreitung müssen gegebenenfalls durch zusätzliche Generhaltungsmaßnahmen außerhalb ihrer bisherigen Lebensräume (ex situ) gesichert werden. (Grafik nach Aitken & Bemmels, 2016)

Mischbestände

Die Begründung von Mischbeständen ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Obwohl heute gute Abschätzungen für das mögliche Vorkommen und Wachstum der wichtigsten Baumarten im Klimawandel existieren, ist die Unsicherheit der Klimaszenarien zu hoch, um spezifisch einzelne Baumarten für die Zukunft empfehlen zu können [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Die wichtigsten gesicherten Vorteile von Mischbeständen im Vergleich zu Reinbeständen sind:

  1. 1.

    Sie reduzieren das Auftreten von spezialisierten Forstschädlingen und den von ihnen verursachten Schäden (Guyot et al., 2016; Jactel & Brockerhoff, 2007).

  2. 2.

    In Abhängigkeit von den beteiligten Baumarten und Klimabedingungen können sie eine höhere Produktivität und Gesamtwuchsleistung aufweisen (z. B. Pretzsch & Schütze, 2009), für einige Baumartenmischungen jedoch auch zu einer geringeren Wuchsleistung führen (Nothdurft & Engel, 2020; Vospernik, 2021).

  3. 3.

    Einzelne Baumarten der jeweiligen Mischung zeigen während und nach Trockenperioden geringere Wachstumseinbußen und/oder eine bessere Erholung (Pretzsch et al., 2013; Thurm & Pretzsch, 2016).

  4. 4.

    Baumarten wie Fichte weisen in Mischbeständen auch unter wärmeren und trockeneren Bedingungen eine geringere Mortalität auf als Fichten in Reinbeständen (Neuner et al., 2015).

Der klimabedingte Ausfall von einer oder mehreren Baumarten der Mischung führt bei entsprechend gewählten Mischungsanteilen nicht zu einem vollständigen Verlust des Bestandes. Werden Baumarten mit unterschiedlichen Verjüngungsverhalten gemischt, erhöht dies die Resilienz. Ein Anteil von Baumarten mit Pioniereigenschaften (z. B. häufige und intensive Samenproduktion) kann die natürliche Wiederbewaldung im Störungsfall deutlich beschleunigen. Auch können bei geeigneten Baumartenmischungen durch Steuerung der Baumartenanteile im Laufe des Bestandslebens sich manifestierende klimatische Entwicklungstendenzen berücksichtigt werden (Neumann et al., 2021). Ein Beispiel ist das Einbringen von Eichen und eventuell Kiefern in Buchenbestände.

Die Bewirtschaftung von Mischbeständen, insbesondere mit höherem Laubholzanteil, verlangt von Waldbesitzer_innen und Bewirtschafter_innen ein höheres Know-how [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Absenkung der Bestandsgrundfläche, Dichtereduktion und Durchforstung

Das Risiko, das mit großflächigen abiotischen und biotischen Kalamitäten verbunden ist, wird durch die dynamischen Störungsfaktoren (z. B. maximale Windgeschwindigkeit, Länge der Trockenperiode) und relativ unveränderlichen Standortsfaktoren wie Relief, Seehöhe, Neigung, Exposition und Bodentyp bestimmt (Seidl et al., 2011a). Darüber hinaus beeinflussen dynamische Baum- und Bestandsfaktoren (Stammdurchmesser, Baumhöhe, Kronenlänge, Stammzahl, Blattfläche, Baumart, Mischungstyp, Bestandsstruktur) die Prädisposition der betroffenen Bestände (Albrecht et al., 2012; Schmidt et al., 2010). Durch waldbauliche Maßnahmen können die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkungen von Störungen und damit das Risiko des Verlusts an ÖLS verringert werden (Seidl et al., 2011b; del Rio et al., 2017). Neben der Baumart bzw. der Baumartenmischung (vgl. oben) können durch gezielte Waldpflege- und Durchforstungsmaßnahmen die Stammzahl je Hektar und davon abhängend das Baumhöhen/Durchmesser-Verhältnis (H/D-Wert), die Kronenlänge und -breite, die Bestandsgrundfläche sowie die Bestandsblattfläche, die wesentlich die Verdunstungsverluste bestimmt, gesteuert werden. Geringere Pflanzenzahlen bei der Aufforstung, sehr frühzeitige Stammzahlreduktion (bevor verstärkte Kronen- und Wurzelkonkurrenz auftritt) und kräftige Durchforstungen haben ein rascheres Dickenwachstum in Relation zum Höhenwachstum und damit einen günstigeren H/D-Wertes zur Folge (Assmann, 1961; Puettmann et al., 2008) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Hinsichtlich der Gefahr von Windwürfen gibt es einen sehr gut abgesicherten Zusammenhang zwischen der Wahrscheinlichkeit von Windwürfen und der Baumhöhe des Waldbestandes bei mittleren Windgeschwindigkeiten: Je größer die Baum-, bzw. Bestandshöhe, desto wahrscheinlicher ist ein Windwurf bzw. -bruch (Albrecht et al., 2012; Ledermann et al., 2010). Bei sehr hohen Windgeschwindigkeiten ab ca. 120 km/h haben diese baumspezifischen Parameter dagegen nur einen geringen Einfluss auf das Auftreten von Sturmschäden (Hanewinkel et al., 2013). Durch gezielte frühe und starke Durchforstungen wird ein wirtschaftlich nutzbarer Baumdurchmesser von ca. 30–35 cm in kürzerer Zeit und damit bei geringeren Baumhöhen erreicht. Derartige bewirtschaftete Bestände weisen aufgrund der niedrigeren Baumhöhen nicht nur ein geringeres Risiko gegenüber Sturm auf (Scott & Mitchell, 2005; Slodicak & Novak, 2006; Torita & Masaka, 2020), sondern sind auch weniger von abiotischen Störungen und klimatischer Veränderung innerhalb ihrer kürzeren Produktionszeit betroffen [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Auch die Sensitivität von Bäumen gegenüber Trockenperioden lässt sich durch eine geeignete Stammzahlhaltung und regelmäßige Durchforstungen beeinflussen. Zum Beispiel zeigt eine Zusammenfassung europäischer Studien (Sohn et al., 2016), dass Laubbaumarten nach Durchforstungen in Trockenperioden geringere Einbußen des Radialwachstums und damit eine höhere Resistenz aufweisen, während gut durchforstete Nadelbaumbestände nach einer Trockenphase eine bessere Erholungsfähigkeit (Resilienz) aufweisen und schneller ihr ursprüngliches Radialwachstum wieder erreichen. Bäume mit höherer Resistenz und Erholungsfähigkeit zeigen gleichzeitig ein geringeres Mortalitätsrisiko in darauffolgenden Trockenperioden (DeSoto et al., 2020). Auch in Langzeitexperimenten konnte der Einfluss von geringeren Stammzahlen und Bestandsgrundflächen auf die Mortalität bestätigt werden (Powers et al., 2010). Eine aktuelle Studie auf Basis von fünf europäischen Waldinventuren (Spanien, Frankreich, Deutschland, Schweden, Finnland) zeigt, dass der Einfluss der Bestandsgrundfläche (d. i. die Summe aller Grundflächen aller Einzelbäume auf einer Flächeneinheit, z. B. auf einem Hektar) auf die Baummortalität über einen weiten klimatischen Gradienten für häufig vorkommende Baumarten wie Waldkiefer und Rotbuche gilt (Archambeau et al., 2020). Insgesamt können die positiven Auswirkungen von Durchforstung und geringerer Stammzahl auf das Wachstum und Überleben in und nach Trockenperioden als sehr sicher eingeschätzt werden (Gebhardt et al., 2014; Sohn et al., 2013) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]

Neben der Eingriffstärke der Durchforstung ist auch die rechtzeitige Durchführung eine Voraussetzung zum Erreichen eines stabilen Waldbestandes. Werden Durchforstungen zu spät durchgeführt, d. h. zu einem Zeitpunkt, an dem das H/D-Verhältnis schon über 100 liegt und die Länge der Baumkrone weniger als ca. ein Drittel der Baumlänge ausmacht, erhöhen starke Durchforstungen das Kalamitätsrisiko, da dann bereits instabile und wenig vitale Einzelbäume das schützende Stützgerüst des Bestandes verlieren (Wallentin & Nilsson, 2014). Durchforstungen erhöhen kurzfristig die mechanische Anfälligkeit der Bestände gegenüber Störungen (Stritih et al., 2021; Temperli et al., 2017), sind grundsätzlich langfristig aber unverzichtbar, um eine hohe mechanische Bestandsstabilität zu erzielen (Assmann, 1961; Cameron, 2002; Marchi et al., 2018; Mayer, 1984; Oliver & Larson, 1990; Vacek et al., 2020) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Ein weiterer Aspekt von stabilen und vitalen Einzelbäumen in Waldbeständen ist die damit einhergehende größere waldbauliche Freiheit im Rahmen von Verjüngungsverfahren (Brang et al., 2016), die maßgeblich zu einer höheren Anpassungsfähigkeit und Resilienz beiträgt. Bestände mit instabilen Baumindividuen können mehr oder weniger nur im Kahl- oder Saumschlagverfahren verjüngt werden, während in Beständen mit stabilen Einzelbäumen Einzelstammnutzungen bzw. kleinflächige Nutzungen und entsprechende Verjüngungsverfahren möglich sind.

Bestandsstruktur

Eine Maßnahme, die ebenfalls die Resilienz erhöhen kann, ist Vorausverjüngung von geeigneten Baumarten (siehe oben) unter Schirm und eine kleinflächig mosaikartig strukturierte Altersklassenverteilung in Dauerwaldsystemen (Brang et al., 2016). Im Störungsfall wird in der Regel das Hauptkronendach oder eine bestimmte Altersklasse betroffen sein, und ein funktionsfähiger Bestandsaufbau kann so rascher wieder erreicht werden. Auch gibt es Hinweise, dass längerfristig die Resistenz von vertikal strukturierten Wäldern gegenüber abiotischen Störungsfaktoren (Schnee, Sturm) größer ist (Hanewinkel et al., 2014) [mittlere Evidenz, mittlere Übereinstimmung].

Landschaftskonfiguration (Baumartendiversität auf übergeordneter Ebene)

Eine höhere Baumartenvielfalt und -verteilung auf Landschaftsebene stellt eine Möglichkeit dar, das Kalamitätsrisiko zu verringern [mittlere Evidenz, mittlere Übereinstimmung]. Geringere Anteile einer vulnerablen Baumart in einer Landschaft (z. B. Fichtenwälder in warmen Regionen, in denen eine rasche Zunahme von Borkenkäfergenerationen erwartet werden kann) sowie die geklumpte Verteilung der gefährdeten Baumart tragen dazu bei, das Risiko dieser Baumart zu senken (z. B. Raffa et al., 2008; Honkaniemi et al., 2020). Zudem fördern unterschiedliche Baumarten und Bewirtschaftungskonzepte auf Landschaftsebene die Habitatvielfalt und die Erbringung verschiedener ÖSL (Duflot et al., 2022).

Adaptiver Waldbau als situationsgerechte Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen

Die wesentlichen Anpassungsmaßnahmen (geeignete Baumartenwahl, Etablierung resilienzfördernder Baumartenmischungen, rechtzeitige und zielgerichtete Waldpflege- und Durchforstungsmaßnahmen) können mit verschiedenen waldbaulichen Systemen unterschiedlich gut umgesetzt werden. Brang et al. (2014) verglichen dazu drei naturnahe Waldbewirtschaftungsmethoden (Plenterung, Femelschlag und Schirmschlag). Es zeigt sich, dass mit der Femelschlagmethode, bei der nur kleine Baumgruppen entnommen werden, die meisten Anpassungsmaßnahmen gut umgesetzt werden können. Begrenzte Möglichkeiten bestehen allerdings bei der Erhöhung der Baumartenvielfalt. Hier spielen vor allem das Flächenausmaß der Verjüngungshiebe sowie die Geschwindigkeit der Abfolge der Verjüngungshiebe eine entscheidende Rolle, damit lichtbedürftige Pionierbaumarten das Artenspektrum erhöhen können. In steilen Lagen in Gebirgswäldern muss dieses Verfahren an die Erfordernisse der tragseilgestützten Holzernte angepasst werden (Haberl, 2020; Lexer & Stampfer, 2022). Die Durchforstungen ermöglichen eine Erhöhung der horizontalen und vertikalen Strukturvielfalt sowie der Resistenz von Einzelbäumen hinsichtlich biotischer und abiotischer Störfaktoren. Umtriebszeitverkürzungen oder stärkere Durchforstungen ermöglichen auch eine Überführung von Reinbeständen in Mischbestände.

Die Dauerwald- und Plenterwaldbewirtschaftung charakterisiert Waldökosysteme mit einer kontinuierlichen Waldbedeckung (Pommerening & Murphy, 2004). Ihre hohe Strukturvielfalt, Baumartenmischung und Heterogenität in den Altersklassen ist demnach weniger anfällig für biotische und abiotische Schäden (Brang et al., 2014). Eine Erhöhung der Baumartenvielfalt bzw. das Einbringen von Baumarten, die besser an die Klimaerwärmung und den jeweiligen Standort angepasst sind, ist in der klassischen Plenterwaldbewirtschaftung ohne Modifizierung des Konzeptes kaum möglich. Die im Plenterwald übliche Einzelbaumernte ist ungeeignet, Baumarten mit höherem Lichtanspruch zu fördern und zu integrieren. Stattdessen können, je nach Situation, trupp- bis gruppengroße Entnahmen (ca. 1000 m2) zielführend sein, um Resistenz, Resilienz und Anpassungsfähigkeit zu erhöhen.

Für die Umsetzung dieser waldbaulichen Konzepte sind eine Kenntnis und ein verbessertes Monitoring der Dynamik von Schadereignissen, insbesondere der zur Massenvermehrung neigenden Forstschädlinge, notwendig (O’Hara, 2016). Dabei verlangen die genannten Anpassungsmaßnahmen eine aktive Bewirtschaftung. Allerdings sind nicht alle Waldtypen gleichermaßen vom Klimawandel betroffen, daher ist in einigen Waldtypen auch eine passive Anpassung, bzw. Nicht-Bewirtschaftung ausreichend (Jandl et al., 2018; Royer-Tardif et al., 2021).

Obwohl Anpassungsmaßnahmen in der Waldbewirtschaftung vor allem auf die Erhaltung der vielfältigen ÖSL abzielen, sind potenziell negative Folgen für einzelne ÖSL nicht auszuschließen und müssen im Einzelfall und vor dem Hintergrund der jeweiligen Waldfunktionen betrachtet werden. So haben z. B. Änderungen in den Beständen (Baumartenänderung, Durchforstung) auch Einfluss auf hydrologische Prozesse in Waldgebieten und können Veränderungen im Bodenwasserspeicher, der Grundwasserneubildung, der Fließwege und des Abflussverhaltens im Einzugsgebiet bewirken (Müller, 2011; Pribulick et al., 2016) und damit letztlich auch die Bereitstellung von Trinkwasser beeinflussen. Rund 31 % der österreichischen Waldfläche (12.512 km2), sind nach internationalen und europäischen Richtlinien unter Schutz gestellt (IUCN-Kategorien I–IV, inkl. Natura-2000-Schutzgebiete). Insgesamt sind in Österreich 125 Waldlebensraumtypen mit 65 heimischen Baumarten bekannt (Willner et al., 2007). Etwa 68.000 Arten, darunter 3462 heimische Arten und Unterarten von Gefäßpflanzen und 54.000 Tierarten wurden bisher in Österreich erfasst (Geiser, 2018), von denen schätzungsweise zwei Drittel in Wäldern vorkommen. Der Status, die Verbreitung und die Bedrohung der waldabhängigen Arten sind jedoch nach wie vor unbekannt. Eine bessere Wissengrundlage steht für verschiedene Waldbiodiversitätsindikatoren zur Verjüngung, wie Baumartenvielfalt, Strukturvielfalt sowie Tot- und Altholz (Lapin et al., 2021; Oettel & Lapin, 2021). Untersuchungen zu Biodiversitätsparametern auf der Datenbasis der österreichischen Waldinventur (in Zeitraum 1981–2009) zeigten steigende Anteile an stehendem und liegendem Totholz (Gschwantner et al., 2019; Oettel et al., 2022) sowie steigende Anteile an Laub- und Mischwäldern (Russ, 2019) in österreichischen Wäldern sowie eine verbesserte Wissensgrundlage zu Habitatansprüchen und Management von waldabhängigen saproxylischen Insekten (Oettel et al., 2022). Weiters wird mit Programmen zur Lebensraumvernetzung (Trittsteinbiotope) und Prozessschutz (Naturwaldreservate) im Wald an der Umsetzung der Anpassungsmaßnahme der nationalen und europäischen Biodiversitäts- und Waldstrategien gearbeitet.

4.3.3 Handlungsmöglichkeiten für den Naturschutz

Durch die Erweiterung des konservierenden (bewahrenden oder auch passiven) Naturschutzes um einen dynamischen integrativen (erhaltenden – aktiven) Biodiversitätsschutz ergeben sich neue Handlungsmöglichkeiten für den Schutz von Biodiversität und die nachhaltige Nutzung der biologischen Ressourcen außerhalb von Schutzgebieten (Aggestam et al., 2020; Gustafsson et al., 2020, 2012; Krumm et al., 2020). Zu den Handlungsoptionen zählen der Ausbau des Schutzes von gefährdeten, endemischen (nur in einem begrenzten Gebiet vorkommenden) und pflanzenbestäubenden Arten sowie von ursprünglichen Wildformen von Nutztieren und Nutzpflanzenarten, die zur Entwicklung neuer, angepasster Kultursorten in laufenden Zuchtprogrammen verwendet werden. Hier ist der In-situ-Schutz (Erhaltung im Lebensraum) zu priorisieren, da dieser effektiver und kosteneffizienter ist als der Ex-situ-Schutz (Erhaltung genetischer Ressourcen außerhalb ihrer natürlichen Lebensräume, wie z. B. in Samenbanken oder Zoos; Gippoliti, 2012; Khoury et al., 2010). Neben der Erhaltung der Artenvielfalt ist es notwendig, auch die genetische Vielfalt zu schützen, da diese für den Fortbestand der Artenvielfalt sowie für die Anpassungsfähigkeit einer Population essenziell ist (García-Dorado & Caballero, 2021; Laikre et al., 2010). Der regelmäßige genetische Austausch zwischen verschiedenen Populationen einer Art ist eine wichtige Maßnahme, um eine geringe genetische Vielfalt und die Auswirkungen von Inzucht zu vermeiden sowie eine langfristige genetische Anpassung an das Klima zu ermöglichen. Die Information zur genetischen Vielfalt einer Population ist für die Entwicklung von Naturschutzmaßnahmen entscheidend. Allerdings fehlt diese Information in vielen Fällen (Coates et al., 2018; DeWoody et al., 2021; Massatti & Winkler, 2022; Taylor et al., 2017) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Die Erhaltung gefährdeter Arten kann eine aktive Ausbreitung durch den Menschen oder die Ermöglichung der selbstständigen Ausbreitung von Arten, Unterarten und Sorten in Gebiete außerhalb ihres aktuellen geografischen Vorkommens erfordern (Box 4.3). Die Bewertung des Invasivitätspotenzials der Arten, die in neue Gebiete gelangen, erfordert innovative Instrumente zur Risikobewertung von nichtheimischen bzw. gebietsfremden Arten, z. B. im Rahmen standortspezifischer Risikoanalysen (Bindewald et al., 2021).

Eine weitere Voraussetzung für den Einsatz angepasster genetischer Ressourcen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit künftiger Produktionssysteme ist eine verbesserte Kenntnis dieser Ressourcen (Coates et al., 2018). Daher bleibt die Charakterisierung genetischer Ressourcen, ihrer Eigenschaften, insbesondere in Bezug auf die Resistenz gegen Trockenheit oder gegen Krankheiten und Schädlinge, als auch das Zusammenführen resistenter Individuen in Erhaltungspopulationen eine Priorität (Lazic et al., 2022), die es ermöglicht, resistente Individuen zu unterstützen. Allerdings bestätigen wenige Vorhaben die Effizienz und den Erfolg dieser Maßnahmen. Weiterführende Forschung ist notwendig, um diese Maßnahme für unterschiedliche taxonomische Gruppen einzusetzen und langfristige Effekte zu evaluieren [geringe Evidenz, mittlere Übereinstimmung].

Die Fragmentierung von Lebensräumen ist eine Ursache für den Verlust von Biodiversität in Österreich. Insbesondere im Alpenraum sind der Schutz und die Vernetzung von Lebensräumen und Schutzgebieten, sog. ökologischen Netzwerken, über natürliche Korridore oder Trittsteinbiotope notwendig, um den genetischen Austausch und damit den Arterhalt zu sichern (CIPRA, 2010; Trivellini et al., 2013). Der Ausbau von Pufferzonen und die Anwendung von dynamischen Schutzkonzepten, welche dem Bedarf der wandernden Arten angepasst werden, sind eine Handlungsoption für die Erhöhung der Schutzwirkung von statischen Schutzgebieten. Sowohl die Wiederherstellung als auch der Erhalt der Lebensraumqualität und die Vernetzung von Lebensräumen sind essenziell, um die Anpassungsfähigkeit der biologischen Vielfalt an die Auswirkungen des Klimawandels zu erhöhen (Hoffmann et al., 2019; Oestreich et al., 2020) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

4.3.4 Schutzgebiete

Die Einrichtung von Schutzgebieten ist, neben anderen Naturschutzmaßnahmen, nachhaltiger Landnutzung und Renaturierungsmaßnahmen eine Kernkomponente nationaler und EU Abkommen (z. B. österreichische Biodiversitätsstrategie 2020+, EU Biodiversity Strategy 2030) und von Österreich ratifizierter, internationaler Abkommen, Konventionen und Strategien (Alpenkonvention, Berner Konvention, Biodiversitätskonvention, Bonner Konvention, Europäische Landschaftskonvention, Paneuropäische Strategie, Ramsar-Konvention, Übereinkommen zum Schutz der Donau, Washingtoner Artenschutzabkommen, Weltkultur- und Naturerbe). Der Schutz von Lebensräumen ist die wichtigste Voraussetzung für die Erhaltung von lokaltypischer Flora und Fauna. In diesem Zusammenhang spielen die Erhaltung und Förderung natürlicher und naturnaher Lebensräume, vor allem in der Kulturlandschaft, eine wesentliche Rolle für die Artenvielfalt der regional heimischen Flora und Fauna (Pascher et al., 2020). Die Erhaltung biologischer Vielfalt dient gleichzeitig dem Erhalt des natürlichen und kulturellen Erbes, sie stellt die Lebensgrundlage in vielerlei Hinsicht zur Verfügung und trägt häufig auch zur Stärkung der ökonomischen Situation in ländlichen Gebieten bei (Buckley et al., 2012; Hein, 2011; Kletzan & Kratena, 1999; Steven et al., 2013). Langzeit-Ökosystemforschung ermöglicht die Beobachtung von Trends und Entwicklungen der Biodiversität (Mirtl et al., 2015).

Regional unterschiedliche Anforderungen und Nutzungskonflikte haben zur Entstehung verschiedener Schutzkategorien geführt. In Europa gibt es über 90 solcher Kategorien, allein in Österreich 26. Die Gesamtfläche der Schutzgebiete aller Kategorien beträgt in Österreich rund 30 % der Bundesfläche (Nationally Designated Areas [CDDA] – European Environment Agency). Das klare Ziel aller Managementkategorien der International Union for Conservation of Nature (IUCN) ist die „Bewahrung der Vielfalt der Landschaften oder Lebensräume und der darin vorkommenden Arten und Ökosysteme“ (IUCN, 2010). Dieses übergeordnete Ziel wird durch den bereits stattfindenden Artenverlust und die Verschiebung bioklimatischer Verbreitungsgebiete gefährdet (Thuiller et al., 2005). Die spezifischen Ziele werden entsprechend der festgelegten Schutzziele definiert, für deren Umsetzung in Österreich die jeweiligen Ämter der Landesregierungen verantwortlich sind. Da Österreich ein nahezu gänzlich über Jahrhunderte geprägter Kulturraum ist, benötigen sehr viele Schutzgebietsziele aktive Maßnahmen zur Erhaltung der Artenvielfalt und Förderung der Biodiversität (Umweltbundesamt, 2020; Weixlbaumer et al., 2020). Selbst in Schutzgebieten, die keine Landnutzung vorsehen, war es nach der Einrichtung oft notwendig, die Rückentwicklung hin zu einem natürlichen, ökosystemaren Gefüge über Jahrzehnte zu lenken („Entwicklungsnationalparks“). In vielen österreichischen Schutzgebieten gibt es Zonierungen in Kern-, Pflege- und Entwicklungszonen. Dementsprechend werden auf ausgewiesenen Flächen Pflegemaßnahmen durchgeführt, um die anthropogen entstandene Kulturlandschaft zu erhalten (Huemer & Tarmann, 2001; Weixlbaumer et al., 2020).

Die österreichischen Schutzgebiete erfüllen eine Vielzahl von Ökosystemfunktionen und -leistungen. Angesichts des Klimawandels (Dullinger et al., 2012), der Biodiversitätskrise und der Globalisierung findet eine Veränderung der ökosystemaren Ausstattung der Schutzgebiete statt (Araújo et al., 2011; Hoffmann et al., 2019) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. So kann es zu erheblichen Veränderungen in der Habitatqualität der Lebensräume sowie der Artenzusammensetzung kommen, was langfristig die Bildung neuer Artengemeinschaften zur Folge hat (DeWoody et al., 2021; Ellwanger et al., 2013; Heger et al., 2019). Insbesondere klimasensible und seltene Arten leiden unter Arealverlusten und -verschiebungen, die zu einem Artenrückgang und -verlust führen können (Dyderski et al., 2018; Rahmstorf, 2013; Tanneberger et al., 2017). Auch verbreiten sich zunehmend invasive, nicht-heimische Tier- und Pflanzenarten in vielen österreichischen Schutzgebieten, die unter unkontrollierten Umständen ganze Ökosysteme verändern können (Dullinger et al., 2017; Gallardo et al., 2017). Die Herausforderung besteht darin, biodiversitätsfördernde Anpassungsmaßnahmen in Schutzgebieten einzuleiten, die einem Habitatverlust und dem damit einhergehenden Artensterben entgegenwirken.

Anpassung von Schutzzielen und Schutzgebietsmanagement

Bestehende Konzepte des Biodiversitätsschutzes zielen gegenwärtig auf den Erhalt der Kulturlandschaft, ausgewählter Ökosysteme oder Arten (z. B. FFH- und Rote Liste-Arten) ab. Die langfristige Effektivität des Managements von Schutzgebieten in ihrer heutigen Konzeption muss hinsichtlich dieser Zielsetzung geprüft werden (Johnston et al., 2013), da das Konzeptdesign sowie die Auswahl der im Fokus stehenden Habitate und Arten aktuelle Aspekte, wie den Klimawandel, in der Regel nicht berücksichtigen (Haslett et al., 2010; Lee & Jetz, 2008). Lebensraumkonzepte könnten dahingehend erweitert werden, dass auch klimasensible Arten berücksichtigt werden, da im Zuge des Klimawandels mit neuen schutzbedürftigen Arten zu rechnen ist (Araújo et al., 2011; Rumpf et al., 2019; Thomas et al., 2004) [mittlere Evidenz, mittlere Übereinstimmung].

Das Schutzgebietsmanagement, welches derzeit je nach Schutzgebietskategorien und den jeweiligen Erhaltungszielen variiert, erfordert mit fortschreitenden Klimaveränderungen, Umweltverschmutzungen und steigender Besucherfrequenz regelmäßige Managementeingriffe (z. B. ein aktives und kontinuierliches Monitoring von invasiven nicht heimischen Arten, oder die Erhaltung der Lebensräume von gefährdeten regionalen Pflanzenarten). Auch ist fraglich, ob bestehende Schutzgebiete unter dem Einfluss des Klimawandels ihre Schutzgüter (Zielarten) bewahren können (Vohland et al., 2013). So wird zum Beispiel die Effektivität von statischen Schutzgebieten weitgehend in Frage gestellt, da sich die Verbreitungsgebiete vieler Zielarten als Reaktion auf den Klimawandel verlagern und diese Nischen von invasiven gebietsfremden Arten besiedelt werden können (Gallardo et al., 2017; Hannah et al., 2007). Eine ausreichende Flächengröße und -konnektivität der Schutzgebiete sowie die rechtzeitige Identifizierung von Gebieten mit zukünftigen Schutzbedürfnissen und von Möglichkeiten zur Renaturierung (Gallardo et al., 2017) sind essenziell, um eine natürliche Anpassung und Ausbreitung zu ermöglichen (IUCN, 2010). Der Schutz stark gefährdeter Arten kann eine Ex-situ-Erhaltung erforderlich machen (Storme et al., 2004) [mittlere Evidenz, mittlere Übereinstimmung].

Intensive Landnutzungen führen zu einer Homogenisierung der Artenzusammensetzung mit einer Ausbreitung von Generalisten auf Kosten von Spezialisten (Olden et al., 2004; Pascher et al., 2020; Thuiller et al., 2014). Die Folge ist nicht nur eine Homogenisierung auf Artniveau, sondern auch genetisch (1. Ebene der Biodiversität) und funktionell, was zu einer verringerten Resilienz und Anpassungsfähigkeit der Arten sowie auch der Ökosysteme gegenüber klimawandelbedingten Veränderungen führt (Rabitsch et al., 2013). Insbesondere in den Pufferzonen und Randgebieten zu Schutzgebieten gilt es, den Einfluss zu verringern [mittlere Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Um Schutzgüter und Schutzgebiete auf das vermehrte Auftreten von direkten und indirekten Störungen vorzubereiten und negative Auswirkungen bestmöglich zu vermeiden, ist eine Erhöhung der Resilienz in den betroffenen Ökosystemen von großer Bedeutung (McCann, 2000; Box 4.2). Bei geringer Resilienz steigt die Vulnerabilität für irreversible Veränderungen, die zur Entwicklung eines neuen Zustands führen (Box 4.2). Besonders Arten(-gemeinschaften) mit engen ökologischen Nischen sind davon betroffen. Klimabedingte Extremereignisse, wie Trockenheit und Stürme, können bestehende Ökosysteme stark verändern. Auch innerhalb von Schutzgebieten kann die Resilienz, z. B. durch aktive Maßnahmen zur Erhöhung der genetischen Vielfalt sowie der Artenvielfalt, gestärkt werden (Vranckx et al., 2012) [mittlere Evidenz, mittlere Übereinstimmung].

Vernetzung von Schutzgebieten

In Österreich ist die Landschaftsmatrix stark anthropogen geprägt. Dies führt unter anderem zu einer fehlenden Konnektivität zwischen einzelnen Schutzgebieten und natürlichen Kleinlebensräumen und durch die Barrieren der Artenmigration und Arealausweitung damit zu einem erhöhten Risiko von Biodiversitätsverlusten (Janishevski et al., 2015; Krosby et al., 2010). Unter Klimaveränderungen sind die Migration von Arten sowie das Ausmaß und die Geschwindigkeit von Arealerweiterungen limitiert [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Die Fragmentierung von Lebensräumen hat eine Verkleinerung der verbleibenden Populationen zur Folge, die in der Veränderung und dem möglichen Verlust der genetischen Vielfalt resultieren kann (Andersen et al., 2004). Darüber hinaus erhöht sich das Risiko von Inzucht. Solch ein genetisches „Bottleneck“ schränkt die Anpassungsfähigkeit von Arten an sich verändernde Umweltbedingungen massiv ein und kann zum gänzlichen Artenverlust führen (Frankham, 2015; Lande, 1995; Rosenberg et al., 1997; Schonewald-Cox et al., 1983).

Entscheidende Faktoren für die Ausbreitung von Arten und damit die Erhaltung gesunder und resilienter Populationen sind daher Größe, Qualität und räumliche Verteilung geeigneter Lebensräume sowie das Vorhandensein und die Erhaltung von Korridoren und Trittsteinen zur Vernetzung (Hockings et al., 2006). Die kritische Habitatgröße zur Gewährleistung des Fortbestands von Arten geht dabei häufig über die Grenzen bestehender Schutzgebiete hinaus (Angelstam et al., 2020; Fahrig, 2001). Auch ist damit zu rechnen, dass diese Minimalhabitatgröße durch Klimaänderungen stark variieren wird. Die Etablierung von ökologischen Netzwerken, unter Berücksichtigung zukünftiger Auswirkungen des Klimawandels (Vos et al., 2008), sowie eine verstärkte internationale Kooperation sind daher entscheidend (Hanberry et al., 2015; Lindenmayer et al., 2006) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Eine Anpassungsmaßnahme jenseits von Flächenausweitungen ist die Erhöhung der Habitatqualität außerhalb von Schutzgebieten (Janishevski et al., 2015; Rangel & Loyola, 2012; Rappaport et al., 2015), wodurch zusätzlich potenzielle Lebensräume für viele Zielarten der Schutzgebiete geschaffen werden (Hobbs et al., 2014). Ein Beispiel dafür ist die extensive Bewirtschaftung von Grünland (Abschn. 4.1.2 und 4.2.2). Auch in Waldökosystemen ist die Extensivierung der Waldbewirtschaftung eine Maßnahme zur Erhöhung der Qualität und in Folge zur Erhöhung der Konnektivität von Lebensräumen. Für eine umfassende Bewertung des Zustands und der Qualität von Waldökosystemen ist eine Habitatvernetzung auf Landschaftsebene unerlässlich (Gregory et al., 2007). Waldbauliche Maßnahmen zur Vermeidung von Habitatfragmentierung und Isolation beinhalten die Vermeidung von Kahlschlägen (Česonienė et al., 2019; Iordan et al., 2018; Vangansbeke et al., 2017) und die Erhaltung bzw. Förderung von Totholzinseln und Habitatbäumen (Oettel & Lapin, 2021). Häufig grenzen Schutzgebiete in Österreich direkt an landwirtschaftlich genutzte Felder. Hier ist die Einrichtung von Pufferzonen essenziell, um beispielsweise eine Verbreitung von Agrochemikalien in Schutzgebiete zu unterbinden [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Aktive Förderung der Migration von Arten

Die Migration von klimasensiblen Arten zu neuen, geeigneten Lebensräumen ist eine mögliche Reaktion auf Klimaveränderungen, die Arealerweiterungen oder -verschiebungen zur Folge hat. Häufig geht dies mit einem lokalen Artensterben einher. Der Temperaturanstieg, verlängerte Dürreperioden und Extremwetterereignisse werden zu Verbreitungsverschiebungen von Arten führen, die in derzeitigen Schutzgebieten oft nicht möglich sein werden (Araújo et al., 2011; Benito Garzón et al., 2019). Insbesondere Gebirgsarten zeigen eine hohe Vulnerabilität (Dullinger et al., 2012; Rumpf et al., 2019; Thuiller et al., 2005), aber es gibt gerade im Gebirge auf kurze Distanzen Ausweichmöglichkeiten als Folge des Reliefs und damit verbundenen Mosaiks von Kleinklimabedingungen (Körner, 2013; Körner & Hiltbrunner, 2021; Lenoir et al., 2013). Für Arten(-gefüge), die bereits an den Rand ihrer klimatischen Verbreitungsamplitude gedrängt sind, ist eine natürliche Migration nicht oder nur eingeschränkt möglich. Besonders gefährdet sind Arten mit hoher Spezialisierung (Biella et al., 2017; Schleuning et al., 2016). Beispielsweise hat sich die untere Verbreitungsgrenze der Hummelart Bombus alpinus in den letzten 35 Jahren um 480 m aufwärts verschoben, während die obere Verbreitungsgrenze gleich geblieben ist (Biella et al., 2017). Diese Limitierung des Lebensraumes zeigt, wie unmittelbar betroffen spezialisierte Arten mit engem Nischenvorkommen sind. Im Allgemeinen sind isolierte Populationen alpiner Arten, wie Schneefink, Bergpieper oder Alpenschneehuhn, von einer durch mehrere Faktoren verursachten Lebensraumverkleinerung ihrer Areale betroffen und drohen auszusterben (Niedermair et al., 2007). Des Weiteren sind Randpopulationen spezialisierter Arten zudem genetisch weniger anpassungsfähig (Fréjaville et al., 2020). Konkrete Auswirkungen des Klimawandels auf das Artengefüge sind bisher jedoch nur unzureichend bekannt (Schleuning et al., 2016) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Die bisher statische Abgrenzung von Schutzgebieten dürfte der Verschiebung der Areale allerdings nicht gerecht werden (Hannah et al., 2007). Einige Gebiete werden sich daher für den Artenschutz als ungeeignet herausstellen (IUCN, 2010; Thomas et al., 2004). Systematische Schutzgebietsansätze entlang von Umweltgradienten, die eine Klimamigration auf natürlichem Wege ermöglichen, wurden bisher kaum umgesetzt (Vohland et al., 2013). Auch gilt es zu prüfen, ob die Zielarten auf natürlichem Wege ausreichend migrationsfähig sind (Rumpf et al., 2019) oder unterstützende Migrationsmaßnahmen (Aitken & Bemmels, 2016) notwendig werden (Hoegh-Guldberg et al., 2008; Box 4.3).

Monitoring und Evaluierung

Eine wesentliche Anpassungsmaßnahme für Schutzgebiete stellt ein Langzeitmonitoring von Arten und Ökosystemen – innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten – zur Beurteilung von Veränderungen dar (Badeck et al., 2007). Dies beinhaltet auch eine entsprechende langfristige Datenspeicherung und -zugänglichkeit. Der Bedarf an Schutzgebietsbetreuungen zu Konzeption und Umsetzung von Managementplänen sowie für Monitoring, Partizipation und Bildungstätigkeiten (Oberleitner et al., 2007) wurde im Laufe der letzten Jahre in Österreich zunehmend erkannt und in einzelnen Bundesländern bereits mehrfach umgesetzt. Die Anpassung an den Klimawandel sowie die Entwicklung eines biodiversitätsfördernden Schutzgebietsmanagements wird den Betreuungsbedarf zukünftig erhöhen. Alle IUCN-Managementkategorien beinhalten in ihren gemeinsamen Zielen (1) den Schutz des Entwicklungspotenzials der biologischen Vielfalt sowie die Erstellung von (2) Managementplänen mit Monitoring- und Evaluierungsprogrammen, die ein adaptives Management unterstützen (IUCN, 2010). Diese Ziele sind wichtige Voraussetzungen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Schutzgebiete reduzieren zu können [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

4.4 Siedlungsraum

Problematik der städtischen Wärmeinseln

Siedlungen und Städte zeichnen sich durch dichte Bebauungsstrukturen, versiegelte Straßen, Plätze und Gehwege, wenig Vegetation und tendenziell dunkle Oberflächen aus, was zu einem speziellen Mikroklima und einer Überwärmung der Stadt gegenüber dem Umland – dem sogenannten städtischen Wärmeinsel-Effekt – führt (Santamouris, 2013; Shafiee et al., 2020; Voogt & Oke, 2003). Dabei können städtische Wärmeinseln (engl. „Urban Heat Islands“, UHI) weiter differenziert werden; nach einer Überwärmung der Oberflächentemperaturen („Surface UHI“, SUHI) und nach einer Überwärmung der oberflächennahen Lufttemperaturen z. B. in Straßenschluchten („Canopy UHI“, CUHI). Beide sind im Winter und nachts am stärksten ausgeprägt. Tagsüber ist die CUHI nicht immer vorhanden, da es in den städtischen Straßenschluchten aufgrund der Beschattung durch Bäume oder Gebäude auch kühler sein kann (Trimmel et al., 2021). Durch die Zunahme an Hitzetagen (Tmax > 30 °C) und -wellen sowie Tropennächten (Tmin > 20 °C) infolge des Klimawandels wird besonders die Intensität der SUHI und der nächtlichen CUHI weiter verstärkt (de Munck et al., 2018), was sich auch in Klimamodellierungen für Verdichtungsräume wie Wien und Klagenfurt zeigt (Oswald et al., 2020; Reinwald et al., 2019; Trimmel et al., 2021; Žuvela-Aloise et al., 2016). Städte entwickeln daher zunehmend Strategien (z. B. Stadt Wien: MA 22, 2015), um sich an die veränderten Bedingungen anzupassen.

Die Tagesamplitude der Lufttemperatur kann gedämpft und somit der UHI-Effekt reduziert werden, wenn Gebäudestrukturen, Materialien und das Verhältnis von versiegelten zu offenen, grünen Flächen in Städten entsprechend angepasst werden (Hagen et al., 2014a; He, 2019; Nastran et al., 2019; Orehounig et al., 2014) [mittlere Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Eine Verdichtung durch Ausnutzen der maximal zulässigen Gebäudehöhen wirkt sich durch die stärkere Beschattung der Straßen tagsüber positiv aus, nachts jedoch reduziert sich die Abkühlung aufgrund der geringeren Öffnung zum Himmel und der größeren thermischen Speicherung (Loibl et al., 2021; Vuckovic et al., 2019, 2020). Trimmel et al. (2017) fand für eine Erhöhung von 5 m eine ähnliche Tendenz, mit jedoch nur sehr geringen Auswirkungen (< 0,1 °C) [mittlere Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Wohndichte. Eine höhere Wohndichte bewirkt einen geringeren Flächenverbrauch und lässt Platz für Freiräume, wie zum Beispiel Frischluftschneisen, die für die effektive Nutzung lokaler Zirkulationssysteme (Luftaustausch zwischen Stadt und Umland, Talwinde, Hangabwinde etc.) wesentlich sind und dem UHI-Effekt entgegenwirken (Peng et al., 2020).

Weiters spielen die Ausrichtung der Gebäude hinsichtlich Sonneneinstrahlung und Windströmung (Loibl et al., 2021) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung] und die Gebäudematerialien sowie Oberflächenfarbe eine relevante Rolle (Hagen et al., 2014b; He, 2019; Orehounig et al., 2014). So bewirkt eine Erhöhung der Albedo eine stärkere Reflexion und somit reduzierte Absorption der Sonneneinstrahlung. Simulationen für die Städte Klagenfurt und Wien zeigen eine deutliche Abnahme der Lufttemperatur, vor allem bei helleren Dächern, in der Größenordnung von 1 °C (Oswald et al., 2020; Trimmel et al., 2018a; Žuvela-Aloise et al., 2018) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Trotz der positiven Wirkung auf die Außenlufttemperaturen und die Reduktion des Kühlenergiebedarfs für Gebäude wird an klaren Sommertagen der thermische Komfort für Fußgänger aufgrund vermehrter Reflexion verschlechtert (Falasca et al., 2019; Oswald et al., 2019; Revesz et al., 2018; Weihs et al., 2018) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].

Eine reduzierte Wärmeleitfähigkeit, wie sie durch den Zero-Energy Standard in der europäischen Energy Performance of Buildings Directive (EU 844, 2018) zur Reduktion des Heizenergiebedarfs gefordert wird, kann tagsüber zu einem Anstieg der Oberflächen- und Lufttemperaturen im Straßenraum von bis zu 1,5 °C führen, da weniger Energie durch die Gebäude absorbiert wird. Dieser Anstieg kann durch stärker reflektierende Oberflächen zumindest kompensiert werden (Di Giuseppe et al., 2017; Trimmel et al., 2021). Durch die geringere Hitzespeicherung in den Gebäudemassen tagsüber wird die Wärmeabstrahlung nachts reduziert. Dadurch wird zwar nachts der UHI-Effekt geschwächt, tagsüber aber hingegen verstärkt [mittlere Evidenz, mittlere Übereinstimmung].

Photovoltaikanlagen können, abhängig von ihrem Wirkungsgrad und den thermischen Eigenschaften des Vergleichsdaches, städtische Temperaturen reduzieren (Masson et al., 2014; Oswald et al., 2019; Scherba, 2011) [mittlere Evidenz, hohe Übereinstimmung]. PV-Anlagen an der Fassade mit Hinterlüftung reduzieren zwar die Oberflächentemperatur und die Wärmestromdichte, der Einfluss auf die Lufttemperatur ist jedoch gering (Tian et al., 2007).

Dachbegrünungen bewirken vor allem eine Absenkung der Dachtemperatur und der Luftschicht direkt über dem Dach. Dies trägt zur Reduktion des UHI-Effekts bei, wirkt sich jedoch abhängig von der Dachhöhe und Straßengeometrie nur in geringerem Maße auf den Straßenraum aus. Trotzdem trägt Dachbegrünung sehr wahrscheinlich zu einer Reduktion der UHI bei (bis zu 0,5 °C; Dong et al., 2020; Loibl et al., 2021; Santamouris et al., 2017; Sharma et al., 2016) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Smith und Roebber (2011) berechneten sogar eine Reduktion von 3 °C. Allerdings nimmt die Wirkungen von Dachbegrünung bei nachlassender Bodenfeuchte ab (Trimmel et al., 2021).

Grünflächen und Vegetation können, neben der Erhöhung des Anteils von Wasserflächen, als ein Schlüsselelement zur Reduktion des UHI-Effekts bezeichnet werden (Kleerekoper et al., 2012; Norton et al., 2015) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Grüne Infrastruktur beschreibt ein strategisch geplantes Netzwerk natürlicher und naturnaher Gebiete mit anderen Umweltmerkmalen, wie z. B. ein Netzwerk aus Grünflächen ebenso wie Einzelpflanzen, Fassaden- oder Dachbegrünungen (EC, 2013). Grüne Infrastruktur hilft Städten und Gemeinden, sich an den Klimawandel anzupassen (Žuvela-Aloise et al., 2016) und negative Klimawandelauswirkungen wie Hitzestress und Überschwemmungen durch natürliche Kühlung (Evapotranspiration) und Wasseraufnahme, -speicherung sowie -versickerung abzumildern (Carter, 2018; Everett et al., 2018; Li et al., 2019). Fassadenbegrünung kann die Temperatur in städtischen Straßenschluchten reduzieren, indem sie Gebäude vor einfallender Sonnenstrahlung schützt und die Wärmespeicherung der Gebäudemasse mindert. Evapotranspiration verstärkt die Abkühlung im Straßenraum, was insgesamt zu einer Minderung der mittleren Strahlungstemperatur um bis zu 5 °C führen kann (Loibl et al., 2021) [Evidenz hoch, Übereinstimmung hoch].

Es besteht eine robuste Evidenz für die positiven mikroklimatischen Effekte von Bäumen und Sträuchern (Castaldo et al., 2018; Hoelscher et al., 2016; Perini et al., 2017; Tan et al., 2016) sowie von vertikaler Begrünung (Wong et al., 2010, 2009) durch Evapotranspiration und Beschattung [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. In einer Studie von Gillner et al. (2015) wurde der Kühlungseffekt von sechs verschiedenen Baumarten untersucht, und es wurden Abnahmen der Lufttemperatur im Bereich von 0,77–2,22 °C beobachtet. Verschiedene Baumarten weisen dabei unterschiedliche Kühlungspotenziale auf. Bäume, die einen hohen Blattflächenindex und eine hohe Transpirationsrate aufweisen, wie etwa Linde und Hasel, sind besonders effektiv darin, die Oberflächen- und Lufttemperaturen zu verringern.

Damit Pflanzen ihre volle mikroklimatische Wirkung entfalten können, müssen sie ausreichend bewässert werden (Daniel et al., 2018). Sowohl bereits implementierte Projekte als auch Modellvorhersagen auf Stadtebene weisen darauf hin, dass der Wasserbedarf für Stadtgrün erheblich und der langfristige Erhalt von Begrünung gefährdet sein kann, wenn dieser Aspekt als wesentlicher Teil der Planung bzw. der Umsetzung nicht mitbetrachtet wird (de Munck et al., 2018; Riley, 2017).

Entsiegelung und Wasserrückhalt

Grünelemente und Wasserkörper können die Stadthitze wesentlich senken (Kim & Brown, 2021). Es besteht eine enge Wechselwirkung zwischen Grün und Wasser, nicht nur aufgrund des Wasserbedarfs der Pflanzen. So können begrünte Flächen eine relevante Auswirkung auf die urbane Wasserbilanz haben, indem sie Regenwasser zurückhalten und somit den Abfluss verringern bzw. ihn bei Starkregenereignissen verzögern (de Munck et al., 2018).

Der Rückhalt des Regenwassers hat gleichzeitig den Effekt, dass es den Pflanzen in einer sonst großteils versiegelten Umgebung zur Verfügung steht. Ein integriertes, nachhaltiges Wassermanagementsystem und nachhaltige städtische Entwässerungssysteme können die Nutzbarmachung des Regenwassers zusätzlich unterstützen (Gimenez-Maranges et al., 2020; Nguyen et al., 2020). Dies entspricht auch dem „Schwammstadtprinzip“, das bereits in vielen Städten angewandt wird und mit offenen Vegetationsflächen, versickerungsfähigen Oberflächen, Rückhaltemulden, Rigolen u. Ä. helfen soll, Überflutung zu reduzieren, das Regenwasser zu halten und in trockeneren Perioden verfügbar zu machen (Chan et al., 2018). Auch in Österreich findet das Schwammstadtprinzip bereits Anwendung, wie zum Beispiel in Graz, Mödling und der „Seestadt“ in Wien-Aspern, wo das Prinzip der „Schwammstadt“ erstmals in ganzen Straßenzügen umgesetzt wird (Stadt Wien, 2021).

Durch die Entsiegelung von Flächen bzw. durch die Implementierung von Retentionsmaßnahmen kann Wasser vermehrt im urbanen Raum zurückgehalten werden. Generell wirkt sich eine solche Retention positiv auf verschiedene Aspekte der Siedlungswasserwirtschaft aus [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung], indem sie zu einer Verminderung von Überflutungsrisiken, zu einer Verbesserung der Wasserqualität der Oberflächengewässer durch eine geringere Emission von Schadstoffen über Kanalüberläufe und zu einer vermehrten Grundwasserneubildung führt (Dhakal & Chevalier, 2016; Oral et al., 2020). Außerdem kann zurückgehaltenes Regenwasser innerhalb der Stadt z. B. für Bewässerung und Landschaftsgestaltung wiederverwendet werden (Winker et al., 2019). Allerdings kann die potenzielle Schadstoffbelastung des urbanen Oberflächenabflusses bzw. des Bodens die Qualität der Grundwasserkörper gefährden bzw. die sichere Wiederverwendung des Wassers verhindern; daher müssen diese Aspekte bei der Implementierung solcher Anpassungen mitbetrachtet werden bzw. es können je nach Kontext und Anwendung zusätzliche Wasserbehandlungsmaßnahmen erforderlich sein (Goonetilleke et al., 2017). Der Nutzen von mit Entsiegelung und Schwammstadtprinzip verbundenen Anpassungsmaßnahmen kann als Bündel von ÖSL betrachtet werden. Die Literaturstudie von Prudencio und Null (2018) weist allerdings darauf hin, dass die Quantifizierung solcher Leistungen noch lückenhaft ist und dass weiterer Forschungsbedarf auf größeren räumlichen Skalenebenen, über einzelne Parzellen hinweg, besteht, um die Auswirkungen auf die Wasserressourcen auf regionaler Ebene besser zu verstehen.