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1 Einleitung

Resiliente Städte sind u. a. durch robuste Ver- und Entsorgungssysteme gekennzeichnet, die es ihnen ermöglichen, die verfügbaren lokalen Ressourcen für eine zuverlässige und nachhaltige Deckung des Bedarfs der Gesellschaft zu verwalten (siehe Rink et al. in diesem Band). Dabei spielen die Stoffströme in die Städte und aus ihnen heraus eine entscheidende Rolle: Je nachdem, wie Städte gestaltet sind, wie sie mit Energie, Materialien und Nahrungsmitteln versorgt werden, wie sie geheizt und gekühlt werden, wie effizient ihre Infrastrukturen sind oder wie die Konsum- und Verkehrsgewohnheiten ihrer Bewohner*innen sind, verursachen sie unterschiedlich hohe Treibhausgasemissionen und haben einen unterschiedlichen Einfluss auf die Nutzung von Land-, Wasser-, mineralischen und Biomasseressourcen. Städte stellen Hotspots des Materialumsatzes dar und bieten damit besondere Möglichkeiten, Stoffströme zu reduzieren und Ressourcen in Kreisläufen und Kaskaden zu nutzen. Wegen der vielfältigen Möglichkeiten, die insbesondere die biogenen Stoffströme in Städten bieten, wird der urbanen Bioökonomie ein hohes Innovationspotenzial zugeschrieben (Bioökonomierat 2022a).

Darüber hinaus kann die urbane Bioökonomie zur Schaffung optimierter, autonomer und resilienter Städte beitragen. In den letzten Jahren haben mehrere Studien (Bahers et al. 2019, 2022; Bezama et al. 2021a; Peponi et al. 2022) die Relevanz des Konzepts des urbanen Metabolismus als Modellierungsinstrument verdeutlicht, mit dem man aufzeigen kann, wie städtische Ressourcenflüsse gelenkt werden können. Mit seiner Hilfe lassen sich z. B. der Gesamtinput und Verteilungen über die Funktionen und Dienstleistungen der Stadt, der daraus resultierende Gesamtoutput und schließlich der regulierende Rahmen, der diese Ströme und Verteilungen bedingt, ermitteln. Dabei lassen sich die wichtigsten Verwendungszwecke der städtischen Stoffwechselmodelle in zwei Punkten zusammenfassen: erstens als Grundlage für eine nachhaltige und resiliente Stadtgestaltung und zweitens als Grundlage für politische Analysen (Zhang 2013). Bislang hat es jedoch keine Fortschritte bei der Erforschung der Definition eines urbanen Stoffwechsels im Kontext der Bioökonomie und seiner Bedeutung für urbane Resilienz gegeben.

In Anbetracht dessen lautet die Forschungsfrage: Wie ist urbane Bioökonomie auf der Grundlage des Stoffwechselkonzepts und unter Beachtung der Stoffströme zu definieren, sodass Konzepte und Maßnahmen zur Stärkung urbaner Resilienz entwickelt werden können? Bei der Analyse und dem Management urbaner Stoffströme ist dabei immer auch die Interaktion mit den peripheren Gebieten zu beachten, die in der Literatur auch als Hinterland bezeichnet werden, und ein systematisches regionales Ressourcenmanagement vorzubereiten und zu etablieren (Rechberger und Brunner 2004; Baccini und Brunner 2012; Bezama et al. 2021a).

Dieser Beitrag bietet eine Übersicht über verschiedene Ansätze des Metabolismuskonzeptes, das auf die urbane Bioökonomie angewendet werden kann. Dabei steht der potenzielle Nutzen eines solchen Managementkonzepts im Fokus, um Städte bei der Verwaltung und Optimierung ihrer Biomasseressourcen und der damit verbundenen Infrastrukturen und Dienstleistungen zu unterstützen. Dadurch soll ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Schwankungen in der Material- und Energieversorgung sowie instabilen Rohstoff- und Produktpreisen erhöht werden.

2 Der urbane Metabolismus als Managementansatz für resilientere Städte

Das Konzept des städtischen Stoffwechsels (urban metabolism) ist nicht neu. Bereits in den 1970er-Jahren gab es mehrere Pionierstudien, die Stoffstromanalysekonzepte zur Bewertung und Charakterisierung der Stoffströme innerhalb der Stadtgrenzen einsetzten. Die Mehrzahl der vorhandenen Studien entstanden seit den 2000er-Jahren (Anderberg 2012). Im Jahr 2001 wurde von Eurostat eine standardisierte Stoffstromanalyse als Vorlage für nationale Analysen herausgegeben und daraufhin in vielen Studien verwendet. Etwa ein Jahrzehnt später wiesen Wissenschaftler*innen darauf hin, dass die Stoffstromanalyse auf regionaler und lokaler Ebene immer noch sehr begrenzt sei (Niza et al. 2009). 2006 veröffentlichten Hammer et al. eine Stoffstromanalyse, die auf den drei Regionen um Hamburg, Wien und Leipzig basiert. Der Analyse vorangestellt ist eine Auflistung ausgewählter Strukturmerkmale der untersuchten Regionen, wie z. B. die Veränderung der Siedlungs- und Verkehrsflächen im untersuchten Zeitraum. Die Auswertungen zeigen, dass bereits einzelne Veränderungen der Materialströme einen großen Einfluss auf die Materialintensität einer Region haben können. Dies betrifft z. B. die rückläufige Menge an Baustoffen in der Region um und in Wien oder den Rückgang des Braunkohleabbaus in der Region Leipzig im jeweiligen Betrachtungszeitraum. Die Analyse zeigt auch Lücken des Konzepts auf, z. B. dass eine Stoffstromanalyse die Umwandlung von Stoffen in Energie und interregionale Stromexporte nicht erfasst. Dies war bei der Untersuchung Leipzigs der Fall, weshalb sich hier der ermittelte Pro-Kopf-Materialverbrauch deutlich von dem der Metropolregionen Hamburg und Wien unterscheidet. Der Vergleich zeigt auch, dass technologische Entwicklungen – d. h. die veränderte Nutzung bestimmter Ressourcen – die Materialeffizienz (bzw. die Materialintensität einer Volkswirtschaft) erheblich steigern können (Hammer et al. 2006). Im Zusammenhang mit der Stoffstromanalyse weisen Hammer et al. (2006) auf die Wirksamkeit der Integration von Stoffstrom- und Strukturanalyse (z. B. ökologischer Fußabdruck) hin, durch die sich die Nachhaltigkeit einer regionalen Entwicklung umfassender bewerten lässt.

Niza et al. (2009) haben eine Analyse der Materialflüsse in Lissabon mit dem Ziel der methodischen Verbesserung durchgeführt. Zu diesem Zweck wurden Materialkategorien gebildet: auf der Inputseite Biomasse, Energieträger, Metalle und nichtmetallische Mineralien; auf der Outputseite Emissionen und Abfall. Das Ergebnis ihrer Untersuchung zeigte z. B., dass 80 % des städtischen Materialverbrauchs aus nichterneuerbaren Quellen stammen. Gründe dafür sind die einstöckige Bauweise von Neubauten und die gleichzeitig fehlende Renovierung von Altbauten in Lissabon seit den 1990er-Jahren. In der Prozentzahl enthalten sind auch die Verlagerung von öffentlichem Verkehr auf den individuellen Autoverkehr und der innerstädtische Transport von Transitgütern. Erwähnenswert ist weiterhin die Einbeziehung der Lebensdauer von Produkten (schnell verbrauchbare Materialien 0–1 Jahr, 2–10 Jahre, 11–30 Jahre, über 30 Jahre). Diese Kategorisierung ermöglicht eine Untersuchung der Materiallagerung in den Städten (city mining) und der zukünftigen Abfälle oder der potenziellen Nutzung von Sekundärrohstoffen.

Wallsten (2015) kombinierte in einer Studie den Ansatz der quantitativen Materialflussanalyse (MFA) mit dem qualitativen sozialwissenschaftlichen Ansatz der Infrastrukturstudien, um ein lokalspezifisches Forschungsthema aus einer soziotechnischen Perspektive zu betrachten. Die Studie konzentrierte sich auf den überwinternden Bestand, d. h. ungenutzte Rohre und Kabel unter den Straßen der schwedischen Stadt Norrköpping. Mithilfe einer quantitativen Erhebung ermittelte Wallsten die Menge an Stahl, Kupfer und Aluminium, die potenziell geborgen werden und somit als alternative Materialreserve dienen könnte (5000 t), sowie deren lokale Verteilung. Anhand von Interviews mit Straßenbaupersonal und anderen Akteuren konnten Aussagen über die Herkunft und den Umgang mit den ungenutzten Materialien gemacht werden. Die Studie verdeutlicht eine Logik des Abkoppelns und Zurücklassens, definiert drei Kategorien zurückgelassener Infrastrukturen und schließt mit der politischen Empfehlung, die Metallrückgewinnung in kontinuierliche Renovierungs- oder Stadtplanungsprozesse zu integrieren.

Schließlich analysierten Bahers et al. (2019) die Materialströme zweier mittelgroßer Städte in Westfrankreich (Rennes, 400.000 EW; Le Mans, 200.000 EW) mithilfe der MFA. Bei ihrer Untersuchung konzentrierten sich die Wissenschaftler*innen auf räumliche Indikatoren und Abfallströme. Die Analyse erfasste Importe und Exporte auf städtischer, lokaler (Departement), regionaler sowie nationaler und internationaler Ebene. Auf diese Weise wurden zwei Kategorien gebildet: lokale Güter (Biomasse, Baumaterialien, Sekundärrohstoffe) und stark globalisierte Güter (Industriegüter, Brennstoffe, Metalle). In einem weiteren Schritt wurden die Abfallexporte der beiden Städte analysiert und verglichen. Die Forscher*innen stellten fest, dass die Externalisierungspraktiken darauf hinweisen, dass selbst das Recycling von Abfällen hauptsächlich auf nationaler oder sogar globaler Ebene stattfindet. Die Studie zeigt, dass sich die Stoffstromanalyse einer mittelgroßen Stadt erheblich von der einer Großstadt unterscheidet, da erstere als Zwischenglied zwischen ländlichen und großstädtischen Gebieten fungiert. Außerdem zeichnen sich mittelgroße Städte durch eine sehr starke Verbindung mit ihrer ländlichen Umgebung aus (Bahers et al. 2019).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Stoffstromanalyse ein systematisches Instrument zur Charakterisierung der Materialflüsse im Zusammenhang mit dem Ressourcenmanagement von Städten bietet. Die Anpassung dieser Methodik an den Bereich der Bioökonomie könnte ein nützlicher Weg sein, um eine robuste Bewertung der Biomasseressourcenbewirtschaftung innerhalb der Stadtgrenzen vorzunehmen. Dabei sollten die folgenden Aspekte berücksichtigt werden:

  • Stoffstromanalyse-Studien konzentrieren sich hauptsächlich auf Großstädte. Nur wenige Studien widmen sich dem regionalen Stoffwechsel (Bahers et al. 2019).

  • Stoffstromanalyse-Studien sind an administrative Grenzen gebunden (Bahers et al. 2019).

  • Die begrenzte Datenverfügbarkeit (z. B. auf lokaler und städtischer Ebene) verhindert umfassende Systembeschreibungen und trägt zu einer gewissen Unsicherheit der Ergebnisse bei (Bahers et al. 2019; Hammer et al. 2006; Niza et al. 2009; Shahrokni et al. 2015).

  • Die begrenzte Verfügbarkeit von Daten führt dazu, dass ausgewählte Stoffströme, für die eine gute Datengrundlage existiert, vorrangig berücksichtigt werden (Anderberg 2012; Niza et al. 2009).

3 Bioökonomie und Ressourcennutzung im Rahmen eines Kaskadenkonzepts

Die Bioökonomie umfasst die Erzeugung, Erschließung und Nutzung biologischer Ressourcen, Prozesse und Systeme, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren für ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem bereitzustellen (Bioökonomierat 2022b). Daraus folgt einerseits, dass die Biomasse-Ressourcen die Grundlage dafür bilden, bisherige, auf fossilen Rohstoffen basierende Materialien und Energieträger zu ersetzen. Darüber hinaus zielt die Bioökonomie aber auch entscheidend auf eine bessere Nutzung dieser Ressourcen ab, indem Innovationen nicht nur die Kohlenstoffquelle ersetzen, sondern insbesondere die Funktionalität verbessern (Thrän 2020). Auch wenn die Nutzung von Biomasse für die Versorgung mit Nahrungs- und Futtermitteln, Materialien und Energie nicht neu ist (tatsächlich hat die Menschheit dies seit den Anfängen der Zivilisation getan), besteht die aktuelle Herausforderung darin, die verschiedenen Arten von aus fossilen Rohstoffen gefertigten Materialien durch biobasierte zu ersetzen, nachdem Erstere jahrzehntelang die Wirtschaft angetrieben haben.

Vor der Industriellen Revolution galt Biomasse (vor allem Holz) als Grundlage für die Deckung des Energiebedarfs der Welt und bildete zusammen mit einigen Grundmetallen und keramischen Materialien die Basis für die damalige Werkstoffentwicklung. Seither hat sich die Industrie auf die Multifunktionalität der fossilen Brennstoffe (insbesondere Öl und Kohle) gestützt, um sich bis zum heutigen Stand der Technik zu entwickeln. Seit der Ölkrise in den 1970er-Jahren und insbesondere in den letzten 20 Jahren wurde jedoch die verstärkte Nutzung von Biomasse als erneuerbarer Energieträger bzw. nachwachsender Rohstoff forciert, der Substitutionsmöglichkeiten für die Energiebereitstellung (einschließlich Strom, Wärme und Kraftstoffe) und chemische Grundstoffe und Materialien (d. h. Polymere und Chemikalien, Kraftstoffe, Baumaterialien usw.) bietet.

Dies führte zu einer Reihe von Fördermaßnahmen zur Realisierung von Energieerzeugungsanlagen auf der Basis von Biomasse, die die technische Reife von Biogasanlagen, Biokraftstoffanlagen und emissionsarmen Holzheizungen, aber auch von biobasierten Rohstoffen für die Chemie vorangebracht haben (Thrän et al. 2015; Pfeiffer und Thrän 2018; Thrän et al. 2020). Nutzungskonkurrenzen mit den etablierten Sektoren, wie der Nahrungs- und Futtermittelindustrie, wurden in den 2000er-Jahren international debattiert und haben die Grenzen des Anbaus von Biomasse für Energieträger deutlich gemacht (Pfeiffer und Thrän 2018). Da in den letzten Jahren zunehmend weitere Nutzungsansprüche an die begrenzte Biomasse gestellt werden (z. B. auch Erhaltung der Biodiversität, Beitrag zur Kohlenstoffentnahme aus der Atmosphäre), die auch den Wald- und Holzbereich betreffen, gelten heute die Biomasseverfügbarkeit und die Nutzung in Kaskaden und Kreisläufen als entscheidende Stellgrößen für die Etablierung der Bioökonomie (Bioökonomierat 2022c), insbesondere wenn man nicht nur die potenziellen Umweltauswirkungen des Bioenergiesystems, sondern auch soziale und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt.

Vor dem Hintergrund des dringenden und umfassenden Handlungsbedarfs für ein klimaneutrales Wirtschaftssystem bis spätestens 2045 in Deutschland gilt es, die begrenzte Biomasse so einzusetzen, dass sie – gemeinsam mit den schnell weiter auszubauenden Energieträgern Sonne und Wind – den bestmöglichen Beitrag im Sinne der Nachhaltigkeitsziele leistet. Der Übergang zu einer solchen biobasierten Wirtschaft wird jedoch kein leichter Weg sein. Wie Kircher (2012) hervorhebt, bedarf es maßgeschneiderter nationaler Strategien, die den allgemeinen Richtlinien gerecht werden und gleichzeitig die lokalen technologischen und infrastrukturellen Entwicklungen berücksichtigen, die den Übergang zur biobasierten Wirtschaft unterstützen, was auch für einzelne Industriesektoren gilt.

Das Konzept der Bioökonomie konzentriert sich auf drei Hauptstrategien für die Nutzung von Biomasse. Das sind in der Reihenfolge ihrer Priorität: i) Sicherstellung einer gesunden und nachhaltigen Produktion von Biomasseressourcen, ii) Produktion wettbewerbsfähiger Biomaterialien, die auf dem Markt erhältlich sind und fossile Ressourcen ersetzen können, und iii) Produktion von Bioenergie. Dies beinhaltet die Schaffung von Netzwerken zur Nutzung von Biomasse, in welche die Konzepte der Kaskadennutzung (d. h. die Umsetzung von Wertschöpfungsketten, die den oben genannten Prioritäten der Bioökonomie entsprechen) und der industriellen Integration eingeführt werden. Angesichts der Komplexität solcher Systeme ist es notwendig, die Nachhaltigkeit dieser integrierten Netzwerke ganzheitlich zu bewerten und dabei Ansätze des Lebenszykluskonzepts zu verwenden. Das Lebenszykluskonzept berücksichtigt das mit einem bestimmten Produkt verbundene Produktionssystem, von der Gewinnung der natürlichen Ressourcen bis zu dessen endgültiger Entsorgung nach seiner Nutzungsphase. Die Ökobilanz (oder Lebenszyklusanalyse) hingegen zielt darauf ab, die potenziellen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des gesamten Lebenszyklus eines Produkts zu bewerten. Die Einführung eines Lebenszyklusansatzes ermöglicht es, eine Verschiebung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen auf die Netzwerke zu vermeiden. Es ist unerlässlich, sich nicht nur auf die üblichen, zweidimensionalen Ansätze zur Untersuchung der technischen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu konzentrieren, sondern auch die mit diesen Wertschöpfungsketten verbundenen sozialen Auswirkungen einzubeziehen (Bioökonomierat 2013). Die wichtigsten Stoffströme (Abb. 4.1) lassen sich wie folgt unterscheiden: Lebens- und Futtermittelproduktion; Materialverwendung mit dem Ziel der Substitution von Materialien und Produkten und der Entwicklung neuer Produkte; und Kraftstoffe/Energieproduktion. Sie alle werden letztlich von der Gesellschaft genutzt und sind somit Teil des Metabolismus der Städte. Die derzeitige Auffassung, dass die Bioökonomie nur ein Teil des industriellen Systems ist, ist daher falsch: Ein angemessenes Management der biobasierten Ressourcen kommt nicht umhin, sämtliche Ressourcen innerhalb der Stadtgrenzen zu verwalten.

Abb. 4.1
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Schematische Darstellung (nicht im Maßstab) der Kaskadennutzung von Biomasse in einer biobasierten Wirtschaft. (Basierend auf Krausmann et al. 2008)

Darüber hinaus ist es klar, dass eine wirtschaftlich tragfähige und umweltfreundliche Entwicklung innovativer biotechnologischer Produktionssysteme in einer biobasierten Wirtschaft nicht von der bereits bestehenden Nutzung von Biomasse im Energiesektor getrennt werden kann. Aus diesem Grund ist die Kaskadennutzung als integrierte Strategie der Biomassenutzung ein vielversprechendes Instrument, das sich aus den bisherigen Konzepten der sauberen Produktion und der industriellen Ökologie ableitet (Baur 2010). Es muss festgestellt werden, dass der ökologische Vorteil der Kaskadennutzung für die Herstellung von Gütern aus nachwachsenden Rohstoffen davon abhängt, wie sich die Substitutionseffekte (z. B. in Bezug auf das Sequestrationspotenzial, das Emissionsminderungspotenzial, den ökologischen Fußabdruck) im Vergleich zu den Auswirkungen der substituierten Referenzprodukte und -dienstleistungen entwickeln. Daher sollte die Kaskadennutzung selbst nicht als direkte Konkurrenz zur Energienutzung gesehen werden. Im Gegenteil, sie muss in enger Abstimmung mit dem Bioenergiesystem betrachtet werden. Durch eine Koordination, welche die zeitlichen Schwankungen der Rohstoffverfügbarkeit ausgleicht, könnten nachfolgende Mengen- und Qualitätsschwankungen bei den produzierten Gütern vermieden werden (siehe Abb. 4.1).

Zwei der am wenigsten erforschten Aspekte sind der Transformationsprozess innerhalb der Stadtgrenzen und seine Verbindung mit dem Bereich der Bioökonomie. Zwar gibt es starke Entwicklungen im Hinblick auf die Schaffung stärker integrierter und wertschöpfungsorientierter Abfallwirtschaftssysteme, doch ist wenig darüber bekannt, wie sich neue technologische Konzepte und Produkte im Zusammenhang mit der Bioökonomie darauf auswirken werden. Was die Stärkung urbaner Resilienz betrifft, sind die Potenziale der Bioökonomie bislang bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

4 Bioökonomie im regionalen Kontext: Die Verbindung zwischen Biomasseressourcen, dem Industriesektor und der Gesellschaft

Biomasse hat das Potenzial, die derzeitige, auf fossilen Rohstoffen basierende Wirtschaft in eine biobasierte Industrie umzuwandeln. Will man die Nutzung von Biomasseressourcen wirtschaftlich realisieren, steht man allerdings einigen Herausforderungen gegenüber, z. B. jener der lokalen Verfügbarkeit. Land- und forstwirtschaftliche Reststoffe gelten als weithin verfügbar und sind mit immer noch niedrigen Kosten verbunden, aber oft müssen sie dezentral gesammelt, bereitgestellt und in einen geeigneten Zustand für die industrielle Nutzung gebracht werden. Dazu bedarf es angemessener Geschäftsmodelle, aber auch organisatorischer und technischer Innovationen, um die Biomasse kostengünstig bereitstellen zu können. Dies sollte in der Regel auch mit verbesserter Wertschöpfung, vor allem in den ländlichen Regionen, verbunden sein (Lask 2018; Jusakulvijit et al. 2021; Balkau et al. 2021). Generell sind Reststoffe aus der Landwirtschaft oder der Industrie, die in großen Mengen anfallen, als Biomasse für eine potenzielle stoffliche und energetische Nutzung anzusehen. Auch Algen und organische Reststoffe stellen eine bedeutende Biomasseressource dar, da sie nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen (Giesler 2017).

In Deutschland hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Bioökonomie-Forschungsprogramm „Technologie-Initiative Bioraffinerien“ gefördert, da Bioraffinerien einen großen integrativen Ansatz bei der Nutzung nachwachsender Rohstoffe und der nachhaltigen Produktion von Zwischen-, Haupt- und Nebenprodukten für eine biobasierte Industrie verfolgen. Bioraffinerien werden als zukünftiger Innovationsmotor mit großem Potenzial gesehen. Die Herausforderung besteht nun darin, wirtschaftlich wettbewerbsfähige Produkte zu schaffen (BMBF 2017), und es stellt sich die Frage, wie Bioraffineriekonzepte unter Berücksichtigung der vorhandenen menschlichen und industriellen regionalen Kapazitäten umgesetzt werden können (Bezama et al. 2019).

In verschiedenen europäischen Ländern gab es im letzten Jahrzehnt eine Reihe von Arbeiten, die darauf abzielten, die Potenziale der Bioökonomie auf regionaler Ebene zu verstehen. So analysierten Welfle et al. (2014) die lokalen Biomasseressourcen und bewerteten den Einfluss verschiedener Faktoren in der Wertschöpfungskette im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Biomasseressourcen am Beispiel des Vereinigten Königreichs. Sie wendeten das Biomasse-Ressourcenmodell (BRM) mit einer Bottom-up-Analyse des Potenzials der einheimischen Biomasseressourcen innerhalb einer Region an. Die Einbeziehung der identifizierten Faktoren in das BRM ermöglicht eine realistische Vorhersage, welche Ressourcen bis zum Jahr 2050 die höchste Verfügbarkeit aufweisen werden. Maack et al. (2017) hingegen untersuchten das regionale Potenzial von lignozellulosehaltigem Material mithilfe von Fernerkundungsmethoden, um Informationen über die potenziell verfügbare Biomasse aus Bäumen bzw. Wäldern am Beispiel von Baden-Württemberg zu erhalten. Infrastrukturdaten, Transportkosten und Holzpreise wurden in die aus der Fernerkundung abgeleiteten Karten aufgenommen, um die profitabelsten Anlagen zur Umwandlung von Biomasse ausfindig machen zu können. Sie kamen zu dem Schluss, dass eine regionale Bioökonomie auf der Grundlage der lokalen Nutzung primärer lignozellulosehaltiger Biomasse möglich ist, prognostizierten jedoch eine Konkurrenz zu den traditionellen holzverarbeitenden Sektoren.

Darüber hinaus haben eine Reihe neuer Arbeiten mit kombinierten ökologischen und sozialen Lebenszyklusmethoden zur Bewertung der industriellen Integration im Bereich der Bioökonomie gezeigt, dass integrierte Bioökonomieregionen verschiedene ökologische Vorteile gegenüber fossilen Produktionssystemen mit sich bringen (Hildebrandt et al. 2019b, 2020; Bezama et al. 2022; Zeug et al. 2022). Auch führt diese Integration zur Stärkung regionaler Bioökonomie-Netzwerke und damit zu sozioökonomisch wettbewerbsfähigeren Regionen, was sich in der Anzahl und Qualität der mit dem regionalen Netzwerk verbundenen Arbeitsplätze widerspiegelt. Eine bessere Wettbewerbsfähigkeit und soziale Vorteile in einigen Regionen sind weitere Aspekte, die in den Fallstudien ermittelt werden konnten. Allerdings sind diese Ergebnisse bisher auf Einzelaspekte begrenzt und legen nahe, dass eine Verbindung zu den Sozialwissenschaften geschaffen und das Verständnis der sozialen Auswirkungen der Bioökonomie auf regionaler Ebene in den nächsten Jahren gefördert werden muss, um eine angemessene Umsetzung der Bioökonomie-Strategie zu gewährleisten (Hildebrandt et al. 2019a, b; Bezama et al. 2021b, 2022).

5 Städtische Bioraffinerien: Verbindung der Stadt mit dem Produktions- und Industriesektor durch Energie- und Stoffintegration

Biomasse- und Abfallströme aus städtischen Gebieten stellen eine erneuerbare Ressource mit saisonalen Schwankungen des Volumens und der Anteile verschiedener Arten von Biomasse dar. Das Volumen ist jedoch begrenzt und hängt von der Beräumung und Erhaltung von Grünflächen ab, sodass die Verwertung dieser Biomasse unter Berücksichtigung verschiedener Logistik- und Erntesysteme unterschiedlich kosten- und kohlenstoffintensiv sein kann (Chen et al. 2020).

Das Konzept der städtischen Bioraffinerien und der Abfallbioraffinerien kann ein praktikables Plattformkonzept für eine intensivere Verwertung lokaler Ressourcen sein, um das Ziel einer Kreislaufwirtschaft in Städten zu erreichen oder zur Abkopplung vom ressourcenintensiven Import kritischer Materialien und zur Erbringung öffentlicher Dienstleistungen von allgemeinem Interesse beizutragen (Azagoh et al. 2015; Dong et al. 2019; Esteban und Ladero 2018; Ferreira et al. 2019; Pandey et al. 2018).

Traditionell war die Senkung der mit der Deponierung verbundenen Kosten, wie z. B. der Kosten für die Sickerwasserbehandlung, eine wichtige Motivation für die Verbesserung der Sammlung und Behandlung von Siedlungsabfällen und Ressourcenströmen. In vielen Ländern weltweit ist die Ausweitung der industriellen Kompostierung immer noch ein wichtiger Weg, um die Umweltbelastung durch schlecht bewirtschaftete organische Abfälle zu verringern und diese als Ressourcen für die stoffliche Verwertung in der Landwirtschaft, im Gartenbau und in der Landschaftsgestaltung zu nutzen (Ayilara et al. 2020; EEA 2009). In Europa unterscheidet sich die Behandlung dieser Biomasse-Abfallströme von Gemeinde zu Gemeinde und von Land zu Land. In der Regel gibt es dezentrale Sammelstellen und größere Anlagen für eine industrielle Kompostierung oder Biogaserzeugung. Des Weiteren erfolgt die Weitergabe von holzigen Abfällen an Biomasseheizkraftwerke und von Laubabfällen mit hohen Verunreinigungen an kommunale Verbrennungsanlagen (Chen et al. 2020).

In unserer letzten Arbeit (Hildebrandt et al. 2022) zum Verständnis des Konzepts der städtischen Bioraffinerien haben wir vier Szenarien verschiedener Bioraffinerie-Plattformen bewertet, die sich durch unterschiedliche Biomasse-Inputs (z. B. Garten- und Parkabfälle, Bioabfall aus Haushalten) auszeichnen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Einführung von Kreislaufwirtschafts- und Nachhaltigkeitsindikatoren eine ganzheitliche Analyse der Trade-offs und Synergien beim Vergleich verschiedener Anlagenkonzepte für urbane Bioraffinerien ermöglicht. Dadurch kann der Beitrag der in den vier Szenarien definierten Bioraffinerie-Plattformen zu mehr Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit des urbanen Bioökonomiesystems bewertet werden. Die Ergebnisse zeigen, dass alle optimierten Szenarien ihre eigenen spezifischen Zielkonflikte mit sich bringen. Die innovativeren Konzepte garantieren nicht per se, dass mehr Nachhaltigkeits- und Kreislaufziele erreicht werden, da sie auch ihre eigenen Kompromisse machen, z. B. bei der Deckung des internen Energiebedarfs. Der Gesamtrahmen ist geeignet, um die Zielkonflikte komplexer Abfallwirtschaftssysteme zu bewerten und ihre Integration in zirkuläre urbane Bioökonomie-Systeme zu beurteilen.

6 Integrierte Forschungsansätze zum Beitrag der urbanen Bioökonomie für die resiliente Stadt

Die wissenschaftlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem urbanen Stoffwechsel zeigen, dass integrierte Ansätze, die quantitative Methoden wie die MFA mit politischen oder infrastrukturellen, soziotechnischen Analysen oder sozialwissenschaftlichen Methoden kombinieren, umfassendere Studien der urbanen Komplexität oder sogar der urbanen Unordnung gestatten (Broto et al. 2012; Wallsten 2015). Rein quantitative Methoden, wie MFA und ökologischer Fußabdruck, sind nicht in der Lage, eine effiziente Stadtpolitik oder Stadtplanung zu erreichen (Broto et al. 2012).

Integrierte Ansätze berücksichtigen sowohl die Ressourcenströme als auch die Geschichte, die Politik und die sozioökonomischen Bedingungen der städtischen Kontexte. Sie beinhalten Überlegungen zur Resilienz bzw. Widerstandsfähigkeit (z. B. im Falle von Gefahren) und zur Flexibilität und Multifunktionalität städtischer Strukturen (Anderberg 2012; Bristow und Mohareb 2020). Die Beachtung der Strukturen der (zivilen) Selbstorganisation, der Machtbeziehungen und Entscheidungsprozesse ermöglichen detailliertere Perspektiven auf urbane Ressourcenflüsse und den Zugang zu ihnen (Broto et al. 2012; Bristow und Mohareb 2020).

Die urbane Bioökonomie legt den besonderen Schwerpunkt auf die biogenen Stoffkreisläufe. Die Bereitstellung von Biomasse sowohl in den urbanen Systemen als auch im Hinterland stellt die Basis dar und kann die immer notwendigere Interaktion von städtischen und ländlichen Gebieten verbessern. Dabei können Stadt und Region komplementäre Rohstoffe und damit ein nachhaltiges Stoffstrommanagement umfassend befördern. Das Verständnis der städtischen Stoffströme im Sinne eines urbanen Stoffwechsels ist aus unserer Sicht ein bisher zu wenig gewürdigter Einstieg, um die Resilienz von Städten zu verstehen und zu gestalten.

Durch die Erweiterung des Konzepts des urbanen Stoffwechsels hin zu einer stärker integrierten und interdisziplinären Analyse städtischer Gebiete wird es möglich sein, diese theoretischen Ansätze näher an die Realität der Stadtplanung und der Politikgestaltung heranzuführen. Das Konzept der Bioökonomie zielt auf einen Wandel hin zu nachhaltigeren Wirtschaftspraktiken, die eine resiliente Stadtentwicklung unterstützen. Dieser Wandel hängt von strukturellen Veränderungen auf institutioneller, gesellschaftlicher, rechtlicher und technologischer Ebene ab (Ludwig 2019). In diesem Sinne muss das Management der urbanen Bioökonomie eine integrierte Planung und Bewertung des Ressourcenmanagements innerhalb und außerhalb der Stadtgrenzen beinhalten, wofür ein angemessener und dynamischer Governance-Rahmen erforderlich ist. Dies wird nicht nur durch eine strategische Politikentwicklung unterstützt, sondern auch durch ein nachhaltiges Beschaffungsprogramm (sustainable green procurement), das die regionalen Kapazitäten und Stärken nutzt (d. h. lokale Ressourcen, menschliche Kapazitäten und industrielle Infrastrukturen) (Balkau et al. 2021; Bezama et al. 2021a; Balkau und Bezama 2019).

Städte können durch die Verknüpfung von Stadtplanung, Infrastrukturmanagement und Ressourcenzuteilung aus der Perspektive der Bioökonomie die verfügbaren Ressourcen im Hinblick auf ihre eigenen definierten Ziele identifizieren und verwalten, basierend auf den Vorgaben der lokalen und regionalen Entwicklungspläne für Nachhaltigkeit. Ein regionaler Ansatz für das Lebenszyklusmanagement könnte dann dazu beitragen, die notwendigen Informationen für Entscheidungsträger*innen und beteiligte Interessengruppen und Einzelpersonen bereitzustellen, um einen robusten und einvernehmlichen Plan für das Ressourcenmanagement unter Resilienzaspekten zu erstellen.