Neben den im Zuge der globalen Erwärmung erwarteten Änderungen der Mitteltemperaturen in Deutschland sind es ins besondere die Temperaturextreme, die unser Leben prägen. Es wird davon ausgegangen, dass es nicht nur zu einer allgemeinen Verschiebung der Temperaturverteilung hin zu höheren Werten kommen wird, sondern auch zu einer Zunahme der Klimavariabilität (Fischer und Schär 2008). Hieraus ergibt sich die Frage, inwieweit es auch zu neuen, in einer bestimmten Region bislang noch nicht beobachteten Rekordwerten kommen könnte. Die Hitzewellen der Jahre 2018 und 2019 zeigen sowohl für Deutschland als auch den europäischen Raum, dass neue Temperaturrekorde vermehrt auftreten. Attributionsanalysen (Kap. 28), wie die für Hitzewellen im Juni und Juli 2019 (Vautard et al. 2020), bestätigen den anthropogenen Klimawandel als Ursache. Der Klimawandel hat sowohl die Wahrscheinlichkeit als auch die Intensität von Hitzewellen erhöht.

Die Mehrzahl der wissenschaftlichen Untersuchungen beschäftigt sich vorwiegend oder gar ausschließlich mit den Veränderungen am warmen Ende der Temperaturverteilung, da dort ein höheres Schadenspotenzial zu erwarten ist. Hier spielen oft medizinische Implikationen eine wesentliche Rolle, wie der Sommer 2003 mit einer deutlich erhöhten Sterblichkeitsrate infolge der beiden Hitzewellen im Juni und insbesondere im August im westlichen und zentralen Europa deutlich gezeigt hat (z. B. Koppe et al. 2003; Robine et al. 2008). Auch die Veränderungen bei den kalten Werten sind von sozioökonomischer Bedeutung, wurden aber nur vereinzelt untersucht (Auer et al. 2005; Matulla et al. 2016).

Die Aussagen für die Zukunft werden dabei von den Ergebnissen einer Reihe europäischer Forschungsprojekte gestützt, in deren Rahmen gezielt Ensembles regionaler Klimaprojektionen erstellt und kollektiv für den Kontinent ausgewertet (Jacob et al. 2014, 2020; Matulla et al. 2014; Hübener et al. 2017). Untersuchungsgrößen sind dabei häufig die sogenannten Kenn- oder Ereignistage (s. Box in 6.2.3). Teilweise werden die zu über- oder unterschreitenden Schwellenwerte aber auch mittels statistischer Quantile bestimmt. Hierbei werden bevorzugt moderate Schwellen wie z. B. das 10. oder 90. Perzentil betrachtet, was den 10 % der niedrigsten bzw. höchsten Werte der vorliegenden Daten oder jeweils 36 Werten pro Jahr entspricht. Durch diese Vorgehensweise werden zwar nicht nur die stärksten Extreme und somit die besonders impaktrelevanten Ereignisse, sondern die 10 % der höchsten oder niedrigsten Werte insgesamt in die Analyse einbezogen. Dafür nimmt aber die Verlässlichkeit der Ergebnisse zu.

Über die Untersuchungen auf Tagesbasis hinaus wurde auch das Verhalten von länger andauernden Ereignissen bereits ausgewertet – insbesondere Hitzewellen. Eine absolut einheitliche Definition gibt es dabei zwar nicht, die unterschiedlichen Ergebnisse sind jedoch trotzdem gut miteinander vergleichbar. In Einzelfällen wurden auch aggregierte Werte vordefinierter Länge wie Monats- oder Jahreszeitenwerte betrachtet.

1 Beobachtete Temperaturänderungen

In den letzten drei Jahrzehnten wurden zahlreiche Studien zu dem seit der Industrialisierung zu beobachtenden Temperaturanstieg und den damit verbundenen Änderungen extremer Temperaturereignisse – global und für Europa – publiziert. Zusammenfassungen dieser Ergebnisse finden sich in den Sonderberichten des IPCC (IPCC 2012, 2019) und dem Fünften Sachstandsberichts des IPCC (Hartmann et al. 2013). Der Beitrag der Arbeitsgruppe „Naturwissenschaftliche Grundlagen des Klimawandels“ für den Sechsten Sachstandsbericht des IPCC wurde im August 2021 veröffentlicht (IPCC 2021). Diese Studien zeigen die generelle Tendenz zur Verschiebung der Tagesmitteltemperatur in Richtung hoher Quantilwerte und eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von extrem heißen Tagen. Es gilt als sicher, dass die Anzahl der warmen Tage und Nächte angestiegen und die Anzahl der kalten Tage und Nächte in Europa seit den 1950er-Jahren zurückgegangen ist. Als ebenso gesichert gilt, dass in den meisten Regionen Europas in den letzten Dekaden überproportional viele Hitzewellen (s. Box „Klimatologische Kenngrößen“ in Abschn. 6.2.3) aufgetreten sind (Hartmann, et al. 2013). Die Häufigkeit und die Intensität einiger extremer Wetter- und Klimaereignisse (z. B. Anzahl von heißen Tagen, Dauer und Intensität von Hitzewellen) haben als Folge der globalen Klimaerwärmung zugenommen und werden bei mittleren und hohen Emissionsszenarien weiter steigen (IPCC 2019, 2021).

Für die statistische Auswertung stationsbezogener Messungen in Europa stehen neben den Daten der nationalen Wetterdienste auch europaweite und globale Datensammlungen zur Verfügung. Eine der am häufigsten verwendeten ist die des European Climate Assessment & Dataset (ECA&D) mit einer Auswahl an europäischen Stationen mit Tageswerten verschiedener meteorologischer Messgrößen (Klok und Klein Tank 2009; Kap. 3).

1.1 Klimatologische Kenntage und Häufigkeitsverteilung

Zur Ableitung klimatologischer Kenntage wird, ausgehend von beobachteten Temperaturen, beispielsweise die Anzahl der Über- bzw. Unterschreitungen festgesetzter Schwellenwerte bestimmt (s. Box Abschn. 6.2.1). Abb. 6.1 zeigt Zeitreihen für zwei Kenntage an ausgewählten Stationen für den Zeitraum zwischen 1891 und 2020. Dabei werden heiße Tage und Eistage an 42 deutschen Stationen betrachtet. Eine Berechnung der Kenntage für ganz Deutschland ist aufgrund der Datenlage erst ab 1951 möglich. Die Abbildung stellt die Zeitreihen der Anzahl von Hitze- und Eistagen pro Jahr für die drei Subregionen Nord-, Ost- und Süddeutschland als Mittel über 14, 13 und 15 Stationen dar. Erkennbar ist, dass heiße Tage häufiger in Süddeutschland auftreten als in Ost- und Norddeutschland, während in Ostdeutschland die höchsten Zahlen an Eistagen registriert werden. Ferner ist ersichtlich, dass die von Jahr zu Jahr stark variierende Anzahl der Hitze- und Eistage von dekadischen Schwankungen überlagert ist. Dies gilt ebenso für die weniger extremen Sommer- und Frosttage (nicht dargestellt). Trotz der starken Schwankungen ist anhand der vieljährigen Mittelwerte zu Beginn und am Ende des Beobachtungszeitraumes zu erkennen, dass sich bei den heißen Tagen eine deutliche Zunahme ergibt, während es bei den Eistagen zu einer Abnahme kommt. Die Zunahme der heißen Tage beträgt im Ost und Süden mehr als das Doppelte, im Norden sogar mehr als das Dreifache. Die Abnahme der Eistage bewegt sich im Bereich von 20 bis 35 %. Der Trend der Abnahme ist im Osten und Süden nicht signifikant. Die Anzahl der heißen Tage in Süddeutschland im Jahr 1947 wurde bisher noch nicht wieder erreicht. Die Häufung von Jahren mit einer sehr hohen Anzahl von heißen Tagen in den letzten drei Dekaden wird jedoch deutlich.

Abb. 6.1
figure 1

Zeitreihe der jährlichen Anzahl an a heißen Tagen und b Eistagen für den Zeitraum 1891–2020 für Nord-, Ost- und Süddeutschland (Mittel jeweils über 14, 13 und 15 Stationen). (Deutscher Wetterdienst)

Imbery et al. (2021) zeigen die Häufigkeitsverteilung der Jahresmitteltemperatur der letzten 30 Jahre im Vergleich zum Zeitraum zwischen 1881 und 1990 (Abb. 6.2). Die Verschiebung der mittleren Jahrestemperaturen (Scheitelpunkt der Kurven) um über 1 °C ist deutlich zu erkennen. Die in dem früheren Zeitraum wärmsten Jahre liegen im aktuellen Zeitraum im Bereich des Durchschnitts. Diese Verschiebung kann auch bei den Extremtemperaturen beobachtet werden und macht das Auftreten von heißen Tagen wahrscheinlicher.

Abb. 6.2
figure 2

Häufigkeitsverteilungen der Jahresmitteltemperaturen für Deutschland für den Zeitraum 1881–1990 und 1991–2020. (Deutscher Wetterdienst)

1.2 Hitzewellen

Bei der Betrachtung von Hitzewellen gibt es mittlerweile ein breites Portfolio an Herangehensweisen. Oft werden feste Temperaturschwellenwerte für die Maximumtemperatur verwendet. Aber auch die Abkühlung in den Nachtstunden hat einen hohen Einfluss auf die Belastung durch Hitze für den menschlichen Körper. Deshalb wird die Minimumtemperatur bei bestimmten Analysen einbezogen. Um Auswertungen in unterschiedlichen Regionen durchführen zu können, werden Perzentile der lokalen Temperaturmaxima und -minima verwendet. Auch die Andauer und die räumliche Ausdehnung von Hitzewellen wird unterschiedlich definiert. In Abb. 6.3 wurde für jedes Jahr für acht deutsche Städte die wärmste 14-tägige Periode mit einem mittleren Tagesmaximum von mindestens 30 °C ausgewählt. Die Datenlage lässt hier eine Auswertung ab 1951 zu. Für einzelne Stationen lassen sich aber auch über diesen Zeitraum hinaus Aussagen machen. So wurde an der Station Hamburg im Jahr 1994 das erste Mal die 30 °C-Marke beim 14-tägigen Mittelwert seit Beobachtungsbeginn im Jahr 1936 überschritten. Die Station Mannheim verzeichnet für das Jahr 1947, indem die bisherige höchste Anzahl von heißen Tagen für Süddeutschland (Abb. 6.1 a) beobachtet wurde, einen Mittelwert der Maximumtemperatur von 32,2 °C und liegt damit unter dem im Jahr 2003 registrierten Wert von 36,5 °C. Trotz der in den letzten Jahren beobachteten neuen Temperaturrekorde für Deutschland war die Hitzewelle 2003 in Bezug auf die Höhe der gemessenen Temperaturen und der Andauer der Hitze weiterhin herausragend. Der Schwerpunkt der Hitzewelle lag über dem südlichen Mitteleuropa und beeinflusste besonders den Südwesten Deutschlands. Im Jahr 2015 erreichte die Station Kitzingen am 5. Juli mit 40,3 °C einen neuen Temperaturrekord, der am 7. August erneut eingestellt wurde (Becker et al. 2015). Dieser Rekord wurde im Jahr 2019 deutlich übertroffen. Am 25. Juli kletterte das Thermometer an den Stationen Tönisvorst und Duisburg-Baerl auf eine Temperatur von 41,2 °C (DWD 2020). Eine Maximumtemperatur von mehr als 40 °C zeigte das Thermometer an verschiedenen Stationen an drei aufeinanderfolgenden Tagen zwischen dem 24. und 26. Juli (Bissolli et al. 2019). Bisher wurden hierzulande Werte von 40 °C und mehr nur an einzelnen Tagen und räumlich sehr eng begrenzt registriert. Auch wenn in dieser Phase die Hitzebelastung sehr hoch war, beschränkte sich die Andauer in dieser Höhe auf wenige Tage. Auch in den anderen Jahren seit 2003 kam es zu einer Unterbrechung der sehr heißen Phasen durch kühlere Temperaturen. Im Jahr 2018 sorgte eine Hitzewelle von Mitte Juli bis Mitte August für sehr hohe Temperaturen (Imbery et al. 2018). In dieser Zeit wurden die bisherigen Rekorde der 14-tägigen Mittelwerte für die Stationen Dresden und Köln überschritten (Abb. 6.3). Neben den hohen Temperaturen im Sommer war der Zeitraum zwischen März und November 2018 von extremer Trockenheit gekennzeichnet. Zscheischler und Fischer (2020) schätzten das Auftreten der sehr hohen Temperaturen und der sehr geringen Niederschläge auf höchstens alle paar hundert Jahre.

Abb. 6.3
figure 3

Maximale jährliche 14-tägige Hitzewellen mit einem mittleren Tagesmaximum von 30 °C oder mehr für acht deutsche Großstädte. (Deutscher Wetterdienst)

Die Hitzewelle im Jahr 2018 war verbunden mit einer lang andauernden Trockenheit in vielen Regionen. Diese Kombination wird in der englischsprachigen Literatur compound event genannt. Hier ist ein Anstieg des Auftretens solcher Ereignisse zu erwarten (Manning et al. 2019; IPCC 2021).

Die Hitzewelle über Mitteleuropa im Juli 2019 wurde in einer Attributionsstudie untersucht (Vautard et al. 2020). In einer solchen Studie wird die Auftrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen und der eventuelle Zusammenhang mit dem anthropogenen Klimawandel bestimmt (Kap. 28). Demnach ergibt sich für Deutschland eine Häufigkeit des Auftretens einer solchen dreitägigen Hitzewelle einmal innerhalb von 10 bis 30 Jahren. Des Weiteren stieg durch den Klimawandel die Wahrscheinlichkeit solcher Hitzewellen um mindestens das Dreifache. Die Maximumtemperaturen wären ohne Klimawandel etwa 1,5 bis 3 °C niedriger gewesen.

Die Hitzewellen in den Jahren 2003, 2006, 2015 und 2018 sind nach Kornhuber et al. (2019) verbunden mit einem bestimmten Zirkulationsmuster der Rossby-Wellen (großräumige Wellenbewegungen in der ErdatmosphäreFootnote 1). Auch Mann (2019) hat die Ursachen für langanhaltende stabile Witterungsphasen untersucht. Durch die starke Erwärmung der Arktis, für die vor allem die geringe Meereisbedeckung verantwortlich ist, ergibt sich eine Verringerung des Temperaturgradienten zwischen dem Äquator und dem Pol. Aktuell gibt es in der Wissenschaft die These, dass es dadurch zu einer Verlangsamung des Jet-Streams, des Windbands in ungefähr 10 km Höhe, kommt und die Amplitude der Rossby-Wellen größer wird. In den Wellenbergen und -tälern setzen sich Hoch- und Tiefdruckgebiete mit langen Verweilzeiten fest. Somit werden längere heiße und trockene oder kühle und feuchte Witterungsphasen wahrscheinlicher (Kornhuber et al. 2020).

2 Zukunftsprojektionen

Wie im Kap. 2 beschrieben, basieren Analysen des zukünftigen Klimas auf definierten Szenarien, die unterschiedliche Zukunftspfade beschreiben. Für die nachfolgenden Aussagen wird auf Datensätze zurückgegriffen, die den RCP-Szenarien (Moss et al. 2010; van Vuuren et al. 2011a) folgen. Der Schwerpunkt wird dabei auf die Szenarien RCP2.6 (van Vuuren et al. 2011b) und RCP8.5 (Riahi et al. 2011) gelegt. Im weiteren Text wird das Szenario RCP2.6 als Klimaschutz-Szenario und das Szenario RCP8.5 als Hochemissionsszenario bezeichnet. Diese Szenarien wurden im Rahmen des CMIP5-Projektes (Taylor et al. 2012) für eine Vielzahl an Projektionen mit unterschiedlichen globalen Klimamodellen (GCMs) als Randbedingungen verwendet. Die Untersetzung der grob aufgelösten GCM-Rechnungen erfolgte im Rahmen der Projekte EURO-CORDEX (Jacob et al. 2014, 2020; Ciarlo et al. 2021) und ReKliEs-De (Hübener et al. 2017). Mehr zu regionalen Klimamodellen ist im Kap. 4 zu finden. Da bisher nur wenige regionale Datensätze auf der Basis des Teilprojektes ScenarioMIP (O'Neill et al. 2016) vom CMIP6-Projekt (Eyring et al. 2016) verfügbar sind, erfolgt hier nur ein kurzer Ausblick.

Die für die nachfolgenden Auswertungen genutzten regionalen Datensätze wurden vor der Nutzung auf Unstimmigkeiten (Zier et al. 2020) und kritische Annahmen (z. B. stationäre Treibhausgase, Jerez et al. 2018) geprüft. Auf der Basis dieser Erkenntnisse wurde der vorhandene Datensatz reduziertFootnote 2.

Alle nachfolgenden Aussagen geben eine Änderung gegenüber dem Bezugszeitraum zwischen 1971 und 2000 an. Die Nutzung des Zeitraumes widerspricht zwar den WMO-Vorgaben (World Meteorological Organization 2017), nach denen der Zeitraum 1961 bis 1990 als Referenz für den Klimawandel zu nutzen ist. Da aber eine Vielzahl der Datensätze erst Daten ab 1970 umfasst, war eine WMO-konforme Auswertung nicht möglich. Beschrieben werden zwei Zeitfenster: 2031 bis 2060 für die Mitte des Jahrhunderts/nahe Zukunft und 2071 bis 2100 für das Ende des Jahrhunderts/ferne Zukunft. Details dazu sind in Hänsel et al. (2020) zu finden. Für einige Aspekte wurde die Abschätzung der Änderung von Extremen mit der Kernschätzermethode durchgeführt (Dalelane und Deutschländer 2013).

Wie Abb. 6.4 zeigt, geben die Ergebnisse der genutzten Ensembles für jedes Szenario eine Bandbreite an möglichen Klimaänderungen wieder. Um diese mit abzubilden, wird neben der Information der mittleren Änderung auch das 15. und 85. Perzentil der Modellergebnisse mit benannt. Die Daten decken somit 70 % der Bandbreite ab.

Abb. 6.4
figure 4

Änderung der mittleren jährlichen Lufttemperatur über Deutschland als Zeitreihe (1951–2100; a 30-jähriges gleitendes Mittel und b als Änderungssignale für die nahe (dunkler Farbton) und die ferne Zukunft (heller Farbton) im Vergleich zum Bezugszeitraum. Die Zeitreihendarstellung erfolgt für Beobachtungsdaten (HYRAS) und zwei der DWD-Referenzensembles (für die Szenarien Klimaschutzszenario RCP2.6 und Hochemissionsszenario RCP8.5). Die violett gestrichelte Linie zeigt den Mittelwert aus den historischen Modellläufen für den Bezugszeitraum. Die Änderungssignale (Ensemblemedian als schwarzer Punkt sowie die Bandbreite als dicke Linie) werden für die Jahreszeiten (Winter/DJF, Frühling/MAM, Sommer/JJA, Herbst/SON) und das Jahr für das Klimaschutzszenario (blau) und das Hochemissionsszenario (rot) dargestellt

Je nach gewähltem Szenarienpfad wird sich die globale Temperatur bis zum Ende des 21. Jahrhunderts gegenüber der vorindustriellen Zeit (1850–1900) um knapp unter 2 °C (Klimaschutzszenario) bzw. 3,2 bis 5,4 °C (Hochemissionsszenario) erhöhen (IPCC 2014). Das Paris-Ziel einer Welt mit weniger als 1,5 °C Erwärmung ist mit beiden Szenarienpfaden nicht erreichbar. Die Erwärmung über Land übertrifft dabei die globale Erwärmungsrate (IPCC 2014, 2021). Werden diese globalen Datensätze auf die regionale Skala herunterskaliert, bleibt die Bandbreite erhalten. Analysen zeigen, dass die Lage der aufgezeigten Bandbreite einer einzelnen Projektion im Szenarienzeitraum im Wesentlichen vom globalen Klimamodell abhängt. Der Einfluss des regionalen Klimamodelles ist gering (Hübener et al. 2017).

Die Projektionen zeigen für sämtliche Jahreszeiten, Regionen und Emissionsszenarien steigende Temperaturen. Der stärkste Temperaturanstieg wird zum Ende des 21. Jahrhunderts für das Hochemissionsszenario projiziert. Für dieses Szenario liegt der mittlere Temperaturanstieg des Modellensembles – je nach Region und Jahreszeit – zwischen 3,0 °C und 4,2 °C. Der untere Bereich des Ensembles (15. Perzentil) reicht von 1,9 °C bis 3,3 °C, der obere Bereich (85. Perzentil) liegt zwischen 3,2 °C und 6,1 °C (s. Abb. 6.4).

Für die nahe Zukunft hat das gewählte Szenario einen geringen Einfluss auf die Temperaturänderung. Die Bandbreite der Szenarien weist einen ähnlichen Wertebereich auf. In der fernen Zukunft liegen die Projektionen der beiden Szenarien deutlich auseinander. Abhängig von Region und Jahreszeit liegen die mittleren Änderungswerte um bis zu 3,3 °C höher.

Beim Klimaschutzszenario liegt das Temperaturniveau in der fernen Zukunft auf vergleichbarem Niveau wie in der nahen Zukunft. Beim Hochemissionsszenario ergibt sich ein Anstieg der Temperatur um ca. 4 °C gegenüber dem Bezugszeitraum. Dabei ist ein Gradient von Nord nach Süd sichtbar (s. Abb. 6.5). Beispielhaft werden für acht Orte Jahresgänge der Änderungssignale gezeigt. Diese Diagramme zeigen einen prägnanten Jahresgang.

Abb. 6.5
figure 5

Median der mittleren Temperaturänderung [°C] für das Hochemissionsszenario (Mitte) aus dem DWD-Referenzensemble und den Zeitraum 2071–2100 gegenüber dem Bezugszeitraum 1971–2000. Umliegende Grafiken zeigen den mittleren Jahresgang der Temperaturänderung [°C] für das Klimaschutzszenario (RCP 2.6) und Hochemissionsszenario (RCP 8.5) im Zeitraum 2071–2100. Linien repräsentieren die Änderung des Ensemblemedians, schattierte Bereiche zeigen die Modellunsicherheit (15. bis 85. Perzentil). Die Ergebnisse basieren jeweils auf dem Mittelwert der nächsten 3 × 3-Gitterzellen des Standorts

2.1 Klimatologische Kenntage

Im Folgenden wird die projizierte Veränderung der schwellwertbasierten Indizes für Deutschland für das 21. Jahrhundert in Form von Gebietsmitteln und als räumliche Muster von Änderungswerten für die zwei Szenarien dargestellt. Für die Definitionen der Kenntage, s. Box „Klimatologische Kenngrößen“.

Die Analyse der klimatologischen Kenntage zeigt deutlich, dass auch in Deutschland zukünftig mit einer wesentlich höheren Anzahl warmer Temperaturextreme zu rechnen ist. Damit verbunden wird der Hitzestress deutlich steigen (Coffel et al. 2017; Casanueva et al. 2020). Bei den kalten Kenntagen beschränken sich die Untersuchungen zumeist auf die Analyse der Frosttage und Eistage, deren Anzahl merklich zurückgehen wird (Abb. 6.6). Erwartungsgemäß gilt das insbesondere für das Hochemissionsszenario sowie die ferne Zukunft.

Abb. 6.6
figure 6

Klimatologische Kenntage in Anzahl Tagen pro Jahr. Gezeigt sind Eistage, Frosttage, Sommertage, heiße Tage sowie Tropennächte (Definitionen Abschn. 6.2.1). Die linke Spalte stellt die mittlere Anzahl Tage pro Jahr im Bezugszeitraum dar. Die vier rechten Spalten zeigen die projizierte Änderung in Anzahl der Tage für den Zeitraum bis Ende des Jahrhunderts, jeweils 15. und 85. Perzentil des Klimaschutzszenarios (RCP2.6) und Hochemissionsszenario (RCP8.5)

Infolge des Klimawandels werden etliche Regionen deutlich häufiger betroffen sein als bisher. Entsprechend des Hochemissionsszenario in der fernen Zukunft würde die Anzahl der heißen Tage im Deutschlandmittel um +28 Tage ansteigen, in weiten Teilen Deutschlands sind über 40 heiße Tage pro Jahr zu erwarten. In Zukunft werden Sommertage besonders in tiefen Lagen deutlich öfter auftreten. Das Hochemissionsszenario projiziert für die ferne Zukunft deutlich über 100 Sommertage pro Jahr. Dies entspräche einem Zuwachs von rund 50 Tagen pro Jahr. Auch in den Mittelgebirgslagen und den Alpen unterhalb rund 2000 m ü. NN werden Sommertage häufig auftreten (rund 20 Tage pro Jahr). Dem Hochemissionsszenario zufolge werden zukünftig auch im Frühjahr bzw. im Herbst deutlich mehr Sommertage sowie heiße Tage auftreten.

Aufgrund des starken Anstiegs von heißen Tagen und Tropennächten steigt auch die Häufigkeit von längeren Wärme- und Hitzeperioden an. Während solche Phasen im Beobachtungszeitraum kaum auftraten, ist unter Annahme des Hochemissionsszenario in der nahen Zukunft im Deutschlandmittel bereits alle 5 bis 21 Jahre mit einem solchen Ereignis zu rechnen; in der fernen Zukunft wird im Mittel jedes Jahr ein solches Ereignis erwartet. Dabei ist zu beachten, dass sich Wärmeperioden im Gegensatz zu Hitzewellen nicht nur auf die warmen Monate beschränken, sondern – aufgrund ihrer Definition – in allen Jahreszeiten auftreten können.

Klimatologische Kenngrößen

Es gibt unterschiedliche Systematiken klimatologischer Kenngrößen. Dieses Kapitel und diese Box bezieht sich auf die vom Deutschen Wetterdienst (DWD) verwendeten Definitionen. Ins Glossar zu diesem Buch wurden die international gängigen Definitionen aufgenommen, die teilweise von den hier beschriebenen abweichen.

  • Frosttag: Die Minimumtemperatur des Tages bleibt unterhalb von 0 °C.

  • Eistag: Die Maximumtemperatur des Tages bleibt unterhalb von 0 °C.

  • Sommertag: Die Maximumtemperatur des Tages erreicht oder überschreitet 25 °C.

  • Heißer Tag: Die Tageshöchsttemperatur erreicht oder überschreitet 30 °C.

  • Extrem heißer Tag: Die Tageshöchsttemperatur überschreitet 40 °C.

  • Tropennacht: Die Minimumtemperatur des Tages bleibt bei über 20 °C.

  • Warm spell duration index (WSDI): Wärmeperioden bestehen aus mind. sechs aufeinanderfolgenden Tagen mit Tageshöchsttemperaturen über dem 90. Perzentil; gezählt wird die Jahressumme der Wärmeperioden zugeordneten Tage.

  • Hitzewelle: Mehrtägige Periode mit ungewöhnlich hoher thermischer Belastung. International existiert keine einheitliche Definition des Begriffs. Definitionen basieren häufig auf einer Kombination von Schwellenwerten (z. B. 98. Perzentil eines Tagesmaximumwertes von mindestens 30 °C sowie einer minimalen Dauer z. B. drei Tage).

    https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?lv3=101452

2.2 Wärmeperioden

Zur Bewertung der Veränderungen länger andauernder warmer Temperaturextreme existieren ebenfalls mehrere Indizes. Hier wird am Beispiel des warm spell duration index (Definition Abschn. 6.2.1) gezeigt, welche Entwicklungen auf der Basis des Klimaschutz- und Hochemissionsszenario zu erwarten sind. Grundlage bildet der Zustand im Zeitraum zwischen 1971 und 2000. Abb. 6.7 zeigt einen deutlichen Anstieg im Szenarienzeitraum. Das gilt sowohl für das Klimaschutz- als auch insbesondere für das Hochemissionsszenario. Gemäß einigen Simulationen könnten diese Perioden mehr als 100 Tage andauern.

Abb. 6.7
figure 7

Entwicklung des warm spell duration index auf Grundlage der Beobachtungsdaten (HYRAS, dunkelrote Linie) und des Klimaschutzszenarios (RCP2.6, blaue Linie) und Hochemissionsszenario (RCP8.5, rote Linie). Gezeigt werden die Medianwerte (Linie) und die Bandbreite (Farbereich um die jeweilige Linie) auf der Basis des 15. und 85. Perzentils. Die gestrichelte violette Linie zeigt das Mittel des Zeitraumes 1971–2000 aus dem historischen Zeitraum der Klimamodelldaten

2.3 Regionale Datensätze auf der Basis von CMIP6

In Vorbereitung des 6. Sachstandberichtes des IPCC wurden im Rahmen der 6. Phase des CMIP-Projektes neue Klimaprojektionsläufe erstellt. Basis für diese Projektionsläufe sind neue Szenarien. Es sind Kombinationen aus den schon vorhandenen RCP-Szenarien und sozioökonomischen Entwicklungspfaden Shared Socioeconomic Pathways/SSPs (O’Neill et al. 2016; Riahi et al. 2017). Die beiden Szenarienprojekte (RCP + SSP) wurden so konzipiert, dass sie sich gegenseitig ergänzen. Die RCPs legen Pfade für die Treibhausgaskonzentrationen fest und damit auch das Ausmaß der Erwärmung, die bis zum Ende des Jahrhunderts eintreten könnte. Die SSPs hingegen geben die Bühne vor, auf der Emissionsreduzierungen erreicht – oder eben nicht erreicht – werden. Es ist daher immer eine Kombination aus einem RCP und einem SSP-Szenario. Beispiele für diese Kombinationen sind das SSP1-1.9 oder SSP5-8.5). Erste Auswertungen zeigen, dass die Schätzwerte der sogenannten equilibrium climate sensitivity (ECS)Footnote 3 teilweise deutlich zugenommen haben (The CMIP6 landscape 2019; Flynn und Mauritsen 2020). Während dieser Wert bei CMIP5 noch bei 2.1 bis 4,7 °C lag, sind es in CMIP6 1,8 bis 5,6 °C. Damit verbunden ist ein verstärktes Klimasignal. Laut Hausfather (2020) steigt das globale Klimasignal für das Ende des Jahrhunderts vom RCP8.5-Szenario von 4,6 (3,3 bis 5,9 °C) auf 5,0°C (3,8 bis 7,4 °C) beim SSP5-8.5. In der Literatur läuft aktuell eine intensive Diskussion, inwiefern die ECS-Werte der Modelle problematisch sind (Meehl et al. 2020; Zelinka et al. 2020).

Es gibt bisher nur einen regionalen Datensatz auf Basis dieser erweiterten Szenarien für Europa. Kreienkamp et al. (2020) haben erste regionale Datensätze erzeugt und mit bestehenden verglichen. Während zwischen den mit EPISODES herunterskalierten CMIP5- und CMIP6-Datensätzen von MPI-ESM und NorESM kaum Unterschiede für Deutschland vorhanden sind, ist der Unterschied bei den Modellen CanESM und EC-Earth deutlich. Bei beiden Modellen ist ein Anstieg des Änderungssignales von CMIP5 hin zu CMIP6 in der Größenordnung von ca. 2 °C zu erkennen. Das Klimasignal für Deutschland liegt hier für CanESM5 bei 6,5 °C (2071–2100 versus 1971–2000, bisher 4,8 °C – CanESM2) und für EC-Earth3 bei 5,2 °C (2071–2100 versus 1971–2000, bisher 3,1 °C – EC-Earth2).

3 Kurz gesagt

Teilweise bis in das 19. Jahrhundert zurückreichende Beobachtungsdaten zeigen eine allgemeine Zunahme warmer Temperaturextreme bei gleichzeitiger Abnahme kalter Extreme. Besonders deutlich ist diese Entwicklung im Fall der jahreszeitlichen Mitteltemperaturen von meteorologischem Sommer und Winter zu erkennen.

Aber nicht nur die jahreszeitlichen Mittelwerte haben sich verändert, auch die Verteilung der Tagesmitteltemperaturen zeigt eine Verschiebung in Richtung höherer Temperaturwerte. Damit geht auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten heißer Tage einher. Deutlich zeigt sich, dass die Anzahl warmer Tage und Nächte angestiegen und die Anzahl kalter Tage und Nächte seit den 1950er-Jahren zurückgegangen ist.

Für die Zukunft lassen Klimaprojektionen insbesondere bei unverminderter Treibhausgasemission (Hochemissionsszenario) eine deutliche Verschärfung der bereits beobachteten Entwicklung erwarten. Unter den Annahmen des Hochemissionsszenario steigt die globale Mitteltemperatur bis zum Ende des 21. Jahrhunderts im Mittel um 3 bis 4,2 °C. Im Vergleich zur Tagesmitteltemperatur ist mit einem mindestens ähnlich hohen Anstieg der Tagesextrema zu rechnen. Die Klimaprojektionen zeigen eine deutliche Änderung aller temperaturbezogenen Extremindizes an, besonders für das Hochemissionsszenario sowie die ferne Zukunft. Die Änderungskarte weist auf ein regional stark unterschiedliches Klimasignal hin. Beim Klimaschutzszenario ist die Änderung deutlich geringer.