Skip to main content

Kapitel 19: Prozedurale Übertragungsmechanismen

  • Chapter
  • First Online:
Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der vernetzten Weltordnung

Part of the book series: Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht ((BEITRÄGE,volume 293))

Zusammenfassung

Die Herstellung von Rechenschaftspflicht-Mechanismen ist nur ein gangbarer Weg, um einen rechtsordnungsübergreifenden Dialog zu initiieren und im Rahmen dieses rechtsordnungseigene Verfassungsprinzipien und -normen zu übertragen. In rechtsordnungsübergreifenden Zusammenhängen kommunizieren Gerichte auf vielfältige Weise, wie gezeigt, oft außerhalb formeller Verfahren. Aber in einer Vielzahl supranationaler Organisationen besteht mit dem Vorlageverfahren eine Verfahrensform, die den rechtsordnungsübergreifenden Dialog institutionalisiert. Dieses Vorlageverfahren, dessen zentrale Funktion in der Wahrung der Einheit des Rechts der supranationalen Organisation liegt, ist das direkteste, fallbezogenste, förmlichste rechtsordnungsübergreifende richterliche Kommunikationsmedium, das es gegenwärtig gibt.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 109.00
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Hardcover Book
USD 139.99
Price excludes VAT (USA)
  • Durable hardcover edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Für einen Überblick: Roberto Virzo, The Preliminary Ruling Procedures at International Regional Courts and Tribunals, Law & Prac. Int’l Cts. & Tribunals 10 (2011), 285 ff.

  2. 2.

    Das Zusatzprotokoll Nr. 16 ist am 1. August 2018 für diejenigen Konventionsstaaten in Kraft getreten, die das Protokoll ratifiziert haben. Das sind gegenwärtig Albanien, Andorra, Armenien, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Litauen, Niederlande, San Marino, Slowenien und die Ukraine (Stand: 30.12.2019). Dagegen hat die Bundesrepublik Deutschland das Zusatzprotokoll Nr. 16 noch nicht einmal unterzeichnet.

  3. 3.

    Dazu Ada Paprocka/Michał Ziółkowski, Advisory opinions under Protocol No. 16 to the European Convention on Human Rights, EuConst 11 (2015), 274 ff.; Christos Gionnopoulos, Considerations on Protocol No 16: Can the New Advisory Competence of the European Court of Human Rights Breathe New Life into the European Convention on Human Rights?, GLJ 16 (2015), 337 ff.

  4. 4.

    Grundsätzlich zum Vorlageverfahren im EU-Kontext: Morten Broberg/Niels Fenger, Preliminary References to the European Court of Justice, 2. Aufl., 2014. Klassisch: Ulrich Everling, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, 1986.

  5. 5.

    Laurence Helfer/Karen Alter, The Andean Tribunal of Justice and Its Interlocutors: Understanding Preliminary Reference Patterns in the Andean Community, N.Y.U. J. Int’l L. & Pol. 41 (2009), 871 ff.

  6. 6.

    Siehe Gerichtshof der Andengemeinschaft, Entsch. v. 09.12.1996, Nr. 1-IP-96 – Pariser Verbandsübereinkunft.

  7. 7.

    Dabei ging es um die Frage, wieviel Regelungskompetenzen den Mitgliedstaaten angesichts sekundärrechtlicher Regelungen durch die Andengemeinschaft verbleibt. Das kolumbianische Verfassungsgericht entschied sich dennoch zu einer Vorlage und gab dem Gerichtshof damit Gelegenheit, sein Interpretationsmonopol über das Recht der Andengemeinschaft zu bekräftigen. Dazu Karen Alter/Laurence Helfer, Nature or Nurture: Lawmaking in the European Court of Justice and the Andean Tribunal of Justice, IO 64 (2010), 563(575).

  8. 8.

    Der Vorlagebeschluss erfolgte in dem Verfahren Sancor Cooperativas Unidas Limitada v. Administración Federal de Ingresos Públicos – Dirección General de Aduanas (AFIP-DGA), in dem es konkret um eine vom argentinischen Wirtschaftsministerium verabschiedete Ausfuhrabgabe für bestimmte Milchprodukte ging. Siehe Corte Suprema de Justicia de la Nación, Entsch. v. 01.04.2008, TF 18476-A – Sancor CUL v. D.G.A. Dazu Carlos Espósito/Luciano Donadio, Inter-jurisdictional Co-operation in the MERCOSUR, Law & Prac. Int’l Cts. & Tribunals 10 (2011), 261 ff.

  9. 9.

    So ebd. Zu den Herausforderungen eines rechtsordnungsübergreifenden Gerichtsdialogs im MERCOSUR: Paula Wojcikiewicz Almeida, The Challenges of the Judicial Dialogue in Mercosur, Law & Prac. Int’l Cts. & Tribunals 14 (2015), 392 ff.

  10. 10.

    Vgl. Art. 267 Abs. 2 AEUV.

  11. 11.

    Auch wenn sich nationale Verfassungsgerichte häufig weigerten, eigene Vorlagen an den EuGH zu richten, haben sie darauf hingewirkt, dass unterinstanzliche Gerichte den EuGH anrufen im Rahmen des Vorlageverfahrens. Mit einer rechtsvergleichenden Analyse zur verfassungsrechtlichen Absicherung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht: Alexander Betz, Die verfassungsrechtliche Absicherung der Vorlagepflicht. Zum Bedürfnis einer nationalen Nichtvorlagerüge, 2013.

  12. 12.

    Zu den Gründen für rechtsordnungsübergreifende Gerichtsinteraktion bereits oben Erster Teil, Kap. 6, A., II.

  13. 13.

    Der EuGH entschied, dass „das staatliche Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, gehalten ist, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede – auch spätere – entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Befugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsgerichtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste“. EuGH, Urt. v. 09.03.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, ECLI:EU:C:1978:49, Rn. 23. Es würde „zu einer Abschwächung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts führen würde“, insofern dem zuständigen nationalen Gericht „die Befugnis abgesprochen wird, bereits zum Zeitpunkt dieser Anwendung [des Unionsrechts] alles erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften auszuschalten, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Gemeinschaftsnormen bilden“. Ebd.

  14. 14.

    Oben Zweiter Teil, Kap. 11, B.

  15. 15.

    Kritisch zu der Umgehung nationaler Verfassungsgerichte durch das Simmenthal II-Urteil: Jan Komárek, The place of constitutional courts in the EU, EuConst 9 (2013), 420 (427 ff.).

  16. 16.

    EuGH, Urt. v. 09.03.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, ECLI:EU:C:1978:49, Slg. 1978, 630 (634). Dazu Victor Ferreres Comella, Constitutional Courts and Democratic Values, 2009, 126 ff.

  17. 17.

    In der Rechtssache des späteren Grünen-Politikers Cohn-Bendit sah sich der Staatsrat nicht zu einer Vorlage an den EuGH nach Art. 177 EGV (heute Art. 267 AEUV) veranlasst, obwohl er sich in offenen Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH zur unmittelbaren Wirkung von unionsrechtlichen Richtlinien stellte, die der Conseil verneinte. Conseil d’État, Urt. v. 22.12.1978 – Ministre de l’Intérieur v. Sieur Cohn-Bendit, Rec. 524, EuR 1979, 292 ff. Zu der Entscheidung schon oben Dritter Teil, Kap. 18, B., I., 2., a.

  18. 18.

    Conseil d’État, ebd.

  19. 19.

    EuGH, Urt. v. 06.10.1982, Rs. 283/81 – CILFIT, ECLI:EU:C:1982:335, Rn. 16 ff. Siehe außerdem aus jüngerer Zeit: EuGH, Urt. v. 15.09.2005, Rs. C-495/03 – Intermodal Transports, ECLI:EU:C:2005:552.

  20. 20.

    Dazu näher Franz Mayer, Europäische Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Armin von Bogdandy/Jürgen Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., 2009, 229 (232 f.).

  21. 21.

    Für einen Überblick: Franz Mayer, ebd., 234 ff.

  22. 22.

    Corte Costituzionale, Entsch. v. 29.12.1995, Nr. 536/95 – Messagero Servizi ed altri v. Ufficio del Registro di Padova: „[…] the ICC could not be identified as the national jurisdiction according to the provision of the Article 177 of the EEC (heute Art. 267 AEUV), because the same court could not be included among the common or special judges, due to the substantial difference between the competence granted to the former, without any precedent in the Italian legal system, and the role and the powers which characterized, traditionally, the activity of the latter.“ Die Übersetzung stammt von Oreste Pollicino, The Italian Constitutional Court and the European Court of Justice, in: Monica Claes/Maartje de Visser/Patricia Popelier/Catherine Van de Heyning (Hrsg.), Constitutional Conversations in Europe, 2012, 101 (112).

  23. 23.

    Tribunal Constitucional, Entsch. v. 14.02.1991, STC 28/1991 – Europäisches Gemeinschaftsrecht.

  24. 24.

    Nach Art. 61 Abs. 3 S. 1 der französischen Verfassung muss der Verfassungsrat im Rahmen der präventiven Normenkontrolle binnen eines Monats entscheiden.

  25. 25.

    In Solange I spricht das Bundesverfassungsgericht von dem „auch für das Bundesverfassungsgericht verbindlichen Art. 177 des Vertrags“. BVerfGE 37, 271 (282) – Solange I (1974). Im Vielleicht-Beschluss setzt sich das Bundesverfassungsgericht eingehend mit dem Vorlageverfahren auseinander und weist darauf hin, dass sich die „wechselseitigen Einwirkungen“ zwischen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung und Gemeinschaftsrechtsordnung „in besonders eindringlicher Weise anhand der Kompetenzzuordnungen des Art. 177 EWGV (heute Art. 267 AEUV)“ zeige, die „auf ein Zusammenwirken zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten und dem Gerichtshof der Gemeinschaft gerichtet“ seien. BVerfGE 52, 187 (200) – Vielleicht (1979). In diesem Zusammenhang betont das Gericht auch, dass zur Sicherung „der Rechtssicherheit und der Rechtsanwendungsgleichheit einer möglichst einheitlichen Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch alle Gerichte im Geltungsbereich des EWG-Vertrages“ dem EuGH „die abschließende Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des Vertrages sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der dort genannten abgeleiteten gemeinschaftsrechtlichen Akte“ zukomme. Ebd. Daher seien die „nach Maßgabe des Art. 177 EWGV ergangenen Urteile des Gerichtshofs […] für alle mit demselben Ausgangsverfahren befassten staatlichen Gerichte bindend“ und zwar auch „für das Bundesverfassungsgericht […] im Verfahren der inzidenten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG“, weil „auch in dieser Verfahrensart […] das Bundesverfassungsgericht mit dem Ausgangsverfahren im Sinne des Art. 177 EWGV befasst“ sei. Ebd., 201.

  26. 26.

    Dort heißt es: „Die Verfassungsbeschwerden geben keinen Anlass für ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gem. Art. 267 AEUV. Zwar könnte eine entsprechende Vorlage durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 37, 271 [282]) insbesondere in Betracht kommen, wenn die Auslegung oder die Wirksamkeit von Gemeinschafts- beziehungsweise Unionsrecht in Frage stehen, das Vorrang vor innerstaatlichem Recht beansprucht und dessen Umsetzung vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes geprüft wird. Jedoch kann eine solche Vorlage nur dann zulässig und geboten sein, wenn es auf die Auslegung beziehungsweise Wirksamkeit des Unionsrechts ankommt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.“ BVerfGE 125, 260 (308) – Vorratsdatenspeicherung (2010).

  27. 27.

    BVerfGE 104, 214 – NPD-Verbot (2001). Dazu Franz Mayer, Das Bundesverfassungsgericht und die Verpflichtung zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, EuR 2002, 239 ff. Siehe grundlegend zur bundesverfassungsgerichtlichen Vorlagepflicht: Meike Schönemeyer, Die Pflicht des Bundesverfassungsgerichts zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV, 2014.

  28. 28.

    Oben Dritter Teil, Kap. 18, B., I., 2., c.

  29. 29.

    EuGH, Urt. v. 22.06.2011, Rs. C-399/09 – Landtová, ECLI:EU:C:2011:415, Rn. 199. Das tschechische Verfassungsgericht zeigte sich erbost und sah diese Zurückweisung als Ausdruck von „deficiencies concerning the safeguards of a fair trial in the proceeding before the ECJ in case C-399/09“. Tschechisches Verfassungsgericht, Urt. v. 31.01.2012, Pl. ÚS 5/12 – Holubec. Nähere Ausführungen zur Fundierung dieses ungewöhnlichen verfassungsgerichtlichen Rechts auf ein faires Verfahren unterblieben freilich. Allerdings ergibt sich aus der Satzung des EuGH, dass nur „Parteien, die Mitgliedstaaten, die Kommission und gegebenenfalls die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union […] beim Gerichtshof Schriftsätze einreichen oder schriftliche Erklärungen abgeben“ können. Siehe Art. 23 Abs. 2 EuGH-Satzung.

  30. 30.

    Monica Claes, The National Courts’ Mandate in the European Constitution, 2006, 262.

  31. 31.

    Belgische Cour constitutionnelle, Entsch. v. 19.02.1997, Nr. 6/1997 – Fédération Belge des Chambres Syndicales de Médecins v. Gouvernement flamand, Gouvernement de la Communauté française, Conseil des ministres.

  32. 32.

    Zur Vorlagepraxis des belgischen Verfassungsgerichtshofs: Patricia Popelier, Judicial Conversations in Multilevel Constitutionalism. The Belgian Case, in: Monica Claes/Maartje de Visser/Patricia Popelier/Catherine Van de Heyning (Hrsg.), Constitutional Conversations in Europe, 2012, 73 ff.; Elke Cloots, Germs of Pluralist Judicial Adjudication: Advocaten voor de Wereld and Other References from the Belgian Constitutional Court, CML Rev. 47 (2010), 645 ff.

  33. 33.

    EuGH, Urt. v. 01.03.2001, Rs. C-236/09 – Test-Achats, ECLI:EU:C:2011:100. Nach Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie 2004/113/EG ist bei der Berechnung von Prämien und Leistungen im Bereich des Versicherungswesens die Berücksichtigung des Faktors Geschlecht ausnahmsweise zulässig, wenn diese bei einer auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhenden Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist. Der Ausgangsfall betraf die Vereinbarkeit eines belgisches Gesetz, das von der Öffnungsklausel des Art. 5 Abs. 2 Gebrauch machte, mit der belgischen Verfassung,

  34. 34.

    Österreichischer Verfassungsgerichtshof, Beschl. v. 11.12.1995, B 2300/95 – Bundesvergabeamt.

  35. 35.

    Siehe Österreichischer Verfassungsgerichtshof, Beschl. v. 28.11.2012, G 47/12 u. a. – Vorratsdatenspeicherung; Beschl. v. 02.03.2001, W I-14/99 – Arbeiterkammerwahlrecht; Beschl. v. 12.12.2000, KR 1–6/00, KR 8/00 – Offenlegung von Gehaltsdaten; Beschl. v. 10.03.1999, B 2251/97, B 2594/97 – Vergütung von Energieabgaben.

  36. 36.

    EuGH, Urt. v. 08.04.2014, Rs. C-293/12, 594/12 – Digital Rights Ireland und Seitlinger, ECLI:EU:C:2014:238.

  37. 37.

    Siehe exemplarisch: EuGH, Urt. v. 19.06.2014, Rs. C-507/12 – Saint Prix, ECLI:EU:C:2014:2007.

  38. 38.

    Classen zufolge stellt der Conseil d’État mittlerweile selbst dann Vorlagefragen an den EuGH, wenn dessen Rechtsprechung um Widerspruch zur eigenen Einschätzung steht. Siehe Claus Classen, Der Conseil d’État auf Europakurs, EuR 2010, 557 (562 f.). Bedenkt man die ursprüngliche Europarechtsskepsis, wie sie in Cohn-Bendit zum Ausdruck gekommen ist, hat der Conseil d’État eine beträchtliche Wegstrecke in Hinsicht auf sein Verhältnis zum EuGH zurückgelegt.

  39. 39.

    In Arcelor beschloss der Conseil d’État, dem EuGH in Fragen des Grundrechtsschutzes vor Unionsrechtsakten die Frage der Vereinbarkeit des Rechtsakts mit europäischen Grundrechten vorzulegen, insoweit ein entsprechender allgemeiner Rechtsgrundsatz in der europäischen Rechtsordnung besteht. Im Umkehrschluss folgt daraus allerdings, dass der Conseil von einer Vorlage absieht, soweit ein solcher Rechtsgrundsatz nicht existiert. Mit einer differenzierenden Analyse des Arcelor-Urteils: Franz Mayer/Edgar Lenski/Mattias Wendel, Der Vorrang des Europarechts in Frankreich, EuR 2008, 63 ff.

  40. 40.

    Litauisches Verfassungsgericht, Entsch. v. 08.05.2007, Nr. 47/04 – Sabatauska. Auf Vorlageersuchen des litauischen Verfassungsgerichts erging: EuGH, Urt. v. 09.10.2008, Rs. C-239/07 – Sabatauskas, ECLI:EU:C:2008:551.

  41. 41.

    Corte Costituzionale, Beschl. v. 16.04.2008, Nr. 103/2008 – Presidente dei Consiglio dei ministri v. Regione Sardegna. Dazu: Giacinto della Cananea, The Italian Constitutional Court and the European Court of Justice: From Separation to Interaction?, Eur. Pub. L. 14 (2008), 523 ff.; Antonio Tizzano, Der italienische Verfassungsgerichtshof (Corte Costituzionale) und der Gerichtshof der Europäischen Union, EuGRZ 2010, 1 ff.; Filippo Fontanelli/Giuseppe Martinico, Between Procedural Impermeability and Constitutional Openness: The Italian Constitutional Court and Preliminary References to the European Court of Justice, ELJ 16 (2010), 345 ff.

  42. 42.

    Corte Costituzionale, Beschl. v. 18.07.2013, Nr. 207/2013. Siehe hierzu: Oreste Pollicino, From Partial to Full Dialogue with Luxembourg: The Last Cooperative Step of the Italian Constitutional Court, EuConst 10 (2014), 143 ff.

  43. 43.

    Corte Costituzionale, Beschl. v. 23.11.2016, Nr. 24/2017 – Taricco I.

  44. 44.

    Corte Costituzionale, Beschl. v. 06.03.2019, Nr. 117/2019 – Mr. D. B.

  45. 45.

    Tribunal Constitucional, Beschl. v. 09.06.2011, TC 6922/2008 – Melloni. Dazu: Aida Torres Pérez, Constitutional Dialogue on the European Arrest Warrant: The Spanish Constitutional Court Knocking on Luxembourg’s Door, EuConst 8 (2012), 105 ff.; Miryam Rodríguez-Izquierdo Serrano, The Spanish Constitutional Court and Fundamental Rights Adjudication After the First Preliminary Reference, GLJ 16 (2015), 1509 ff.

  46. 46.

    Conseil constitutionnel, Entsch. v. 04.04.2013, Nr. 2013-314 QPC – Jeremy F. Dazu: François-Xavier Millet, How much lenience for how much cooperation? On the first preliminary reference of the French Constitutional Council to the Court of Justice, CML Rev. 51 (2014), 195 ff.; François-Xavier Millet/Nicoletta Perlo, The First Preliminary Reference of the French Constitutional Court to the CJEU: Révolution de Palais or Revolution in French Constitutional Law?, GLJ 16 (2015), 1471 ff.; Arthur Dyevre, If You Can’t Beat Them, Join Them. The French Constitutional Council’s First Reference to the Court of Justice, EuConst 10 (2014), 154 ff.

  47. 47.

    Slowenisches Verfassungsgericht, Entsch. v. 06.11.2014, Nr. U-I-295/13 – Bankenmitteilung.

  48. 48.

    BVerfGE 134, 366 – OMT-Beschluss (2014). Kritisch zum Vorlagebeschluss: Werner Heun, Eine verfassungswidrige Verfassungsgerichtsentscheidung – der Vorlagebeschluss des BVerfG vom 14.01.2014, JZ 69 (2014), 331 ff.; Franz Mayer, Rebels Without a Cause? A Critical Analysis of the German Constitutional Court’s OMT Reference, GLJ 15 (2014), 111 ff.; Mattias Kumm, Rebel Without a Good Cause: Karlsruhe’s Misguided Attempt to Draw the CJEU into a Game of „Chicken“ and What the CJEU Might do About It, GLJ 15 (2014), 203 ff.; Mattias Wendel, Kompetenzrechtliche Grenzgänge: Karlsruhes Ultra-vires-Vorlage an den EuGH, ZaöRV 74 (2014), 615 ff.

  49. 49.

    BVerfGE 146, 216 – PSPP-Beschluss (2017).

  50. 50.

    Noch nicht vorgelegt haben die osteuropäischen Verfassungsgerichte aus Polen, Tschechien, Ungarm, Luxemburg, der Slowakei, Kroatien, Rumänien, Bulgarien, Portugal, Polen und Lettland. Das tschechische Verfassungsgericht hat die Frage seiner Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV in seiner Zuckerquoten II-Entscheidung thematisiert, aber letztlich offengelassen. Tschechisches Verfassungsgericht, Urt. v. 08.03.2006, Pl. ÚS 50/04 – Zuckerquoten II. Dagegen haben das portugiesische Tribunal Constitucional und der polnische Verfassungsgerichtshof zwar im Grundsatz ihre Vorlageverpflichtung gegenüber dem EuGH bestätigt, bislang allerdings noch nicht vorgelegt. Tribunal Constitucional, Entsch. v. 23.05.1990, TC 163/90 – Moreira da Costa e Mulher; Polnischer Verfassungsgerichtshof, Urt. v. 11.05.2005, K 18/04 – Beitrittsvertrag.

  51. 51.

    Siehe EuGH, Urt. v. 17.11.2009, Rs. C-169/08 – Presidente dei Consiglio dei ministri, ECLI:EU:C:2009:709; Urt. v. 26.02.2013, Rs. C-399/11 – Melloni, ECLI:EU:C:2013:107; Urt. v. 16.06.2015, Rs. C-62/14 – Gauweiler u. a., ECLI:EU:C:2015:400. Nur auf die Vorlage des Conseil constitutionnel entschied die Zweite Kammer des EuGH. Siehe EuGH, Urt. v. 30.05.2013, Rs. C-168/13 – Jeremy F., ECLI:EU:C:2013:358.

  52. 52.

    Generalanwalt Cruz Villalón, Schlussanträge v. 14.01.2015, Rs. C-62/14 – Gauweiler u. a., ECLI:EU:C:2015:7, Rn. 40.

  53. 53.

    Siehe zu den Gründen für den Wandel in der Vorlagepraxis mitgliedstaatlicher Verfassungsgerichte auch Maria Dicosola/Cristina Fasone/Irene Spigno, Foreword: Constitutional Courts in the European Legal System After the Treaty of Lisbon and the Euro-Crisis, GLJ 16 (2015), 1317 (1320 ff.).

  54. 54.

    Corte Costituzionale, Beschl. v. 16.04.2008, Nr. 103/2008 – Presidente dei Consiglio dei ministri v. Regione Sardegna: „[R]egarding the existence of the conditions necessary in order for this court to make a preliminary reference to the European Court of Justice on the interpretation of Community law, it should be pointed out that, albeit in its particular role as supreme constitutional guarantor of the national legal order, the Constitutional Court amounts to a national court within the meaning of (former) Article 234(3) of the EC Treaty and, in particular, a court of first and last instance (since – pursuant to Article 137(3) of the Constitution – its decisions are not subject to appeal).“ Die Übersetzung stammt von Oreste Pollicino, The Italian Constitutional Court and the European Court of Justice, in: Monica Claes/Maartje de Visser/Patricia Popelier/Catherine Van de Heyning (Hrsg.), Constitutional Conversations in Europe, 2012, 101 (113 f.).

  55. 55.

    So ausdrücklich mit Blick auf die Corte: Oreste Pollicino, ebd., 116.

  56. 56.

    Im spanischen Fall ging es ganz allgemein um die Zulässigkeit solcher Prüfungsbefugnisse, im französischen Fall um die Zulässigkeit von Rechtsmitteln mit kurzen Fristen („binnen 30 Tagen nach Eingang des Ersuchens“) nur für die besondere Konstellation einer nachträglichen Erweiterung des Haftbefehls durch den ersuchenden Mitgliedstaat.

  57. 57.

    Das Eilverfahren ist geregelt in Art. 23a EuGH-Satzung und Art. 107 EuGH-Verfahrensordnung.

  58. 58.

    François-Xavier Millet, How much lenience for how much cooperation? On the first preliminary reference of the French Constitutional Council to the Court of Justice, CML Rev. 51 (2014), 195 ff.

  59. 59.

    Tribunal Constitucional, Beschl. v. 09.06.2011, TC 6922/2008 – Melloni.

  60. 60.

    Dazu näher oben Dritter Teil, Kap. 18, B., I., 1., c.

  61. 61.

    BVerfGE 134, 366 – OMT-Beschluss (2014). Das Bundesverfassungsgericht legt ausweislich des Entscheidungstenors nach Art. 267 Abs. 1 AEUV und nicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV vor. Es betrachtet sich in dem Verfahren folglich nicht als letztinstanzliches Gericht i.S.v. Art. 267 Abs. 3 AEUV, das aus unionsrechtlicher Sicht zur Vorlage verpflichtet ist.

  62. 62.

    BVerfGE 134, 366 (398 ff.) – OMT-Beschluss (2014).

  63. 63.

    BVerfGE 134, 366 (416 f.) – OMT-Beschluss (2014). Danach wäre der OMT-Beschluss „aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise dann nicht zu beanstanden“, soweit er die Konditionalität der Hilfsprogramme nicht unterlaufe, einen die Wirtschaftspolitik in der Union nur unterstützenden Charakter habe, ein Schuldenschnitt ausgeschlossen werde, Staatsanleihen einzelner Mitgliedstaaten nicht in unbegrenzter Höhe angekauft und Eingriffe in die Preisbildung am Markt soweit wie möglich vermieden würden. Ebd., 417.

  64. 64.

    Dazu oben Dritter Teil, Kap. 18, C., I., 3.

  65. 65.

    Vgl. Matteo Bonelli, The Taricco saga and the consolidation of judicial dialogue in the European Union, Maastricht J. Eur. & Comp. L. 25 (2018), 357 (372).

  66. 66.

    BVerfG, Beschl. v. 06.11.2019 – 1 BvR 276/17 – Recht auf Vergessen II, Rn. 57 ff.

  67. 67.

    Ebd., Rn. 70.

  68. 68.

    Dazu oben Erster Teil, Kap. 6, A., I. und Kap. 7, B.

  69. 69.

    Vgl. oben Dritter Teil, Kap. 14, B.

  70. 70.

    Exemplarisch lässt sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Europäischen Haftbefehl verweisen, in dem das Gericht einer sachorientierten Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH ausweicht. In seinem abweichenden Sondervotum kritisiert Verfassungsrichter Gerhardt, „dass der Senat sich insoweit einer konstruktiven Mitarbeit an europäischen Lösungen verweigert. Namentlich mit der Behauptung eines inneren Zusammenhangs von Auslieferungsverbot und Staatsangehörigkeit als Status sowie mit dem undefiniert gebliebenen Topos des Vertrauens in die Verlässlichkeit der eigenen Rechtsordnung betont er einseitig die nationale Perspektive, statt einen Ausgleich zwischen den Bindungen des nationalen und des europäischen Rechts herzustellen. Dass er weder begrifflich noch in einer Diskussion möglicher Konsequenzen auf das Urteil des Gerichtshofs in der Sache Pupino eingeht, dient dem Recht nicht.“ BVerfGE 113, 273 (342) – Europäischer Haftbefehl (2005).

  71. 71.

    Aus ähnlichen Erwägungen plädiert Matthias Bäcker, Das Grundgesetz als Implementationsgarant der Unionsgrundrechte, EuR 2015, 389 (405), für die Nutzung des Vorabentscheidungsverfahrens als Forum für ein fortgesetztes Grundrechtsgespräch zwischen mitgliedstaatlichen Gerichten und EuGH über Anwendungsbereich und Ausgestaltung der Unionsgrundrechte.

  72. 72.

    In diesem Sinne lassen sich auch von Bogdandy und Schill verstehen, wenn sie argumentieren, dass ein Verfassungsgericht im Rahmen einer Identitätskontrolle „seine Bedenken im Hinblick auf die Achtung nationaler Identität im Rahmen des Vorlageverfahrens an den EuGH zu formulieren und damit zugleich einer europäischen Öffentlichkeit zu unterbreiten“ hat. Armin von Bogdandy/Stephan Schill, Die Achtung der nationalen Identität unter dem reformierten Unionsvertrag, ZaöRV 70 (2010), 701 (730).

  73. 73.

    Oben Erster Teil, Kap. 6, D.

  74. 74.

    BVerfGE 134, 366 – OMT-Beschluss (2014).

  75. 75.

    EuGH, Urt. v. 16.06.2015, Rs. C-62/14 – Gauweiler u. a., ECLI:EU:C:2015:400.

  76. 76.

    BVerfGE 142, 123 – OMT-Urteil (2016). Dazu instruktiv Claus Dieter Classen, Europäische Rechtsgemeinschaft à l’allemande?, EuR 2016, 529 ff.

  77. 77.

    Nach der Auffassung des BVerfG war der Grundsatzbeschlusses des EZB-Rates über das OMT-Programm ein Ultra-vires-Akt, nach der Überzeugung des EuGH war dieser unionsrechtskonform. Dieser Dissens hinsichtlich der Bewertung des Grundsatzbeschlusses wurde aber durch die Schwerpunktlegung auf und eine weitgehende Einigung über die Anforderungen an die Durchführung des OMT-Programms überspielt. Siehe dazu Armin Steinbach, Die EZB-Krisenpolitik nach dem OMT-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, JZ 71 (2016), 1045 (1045).

  78. 78.

    Mit dieser überzeichneten Charakterisierung: Mattias Kumm, Rebel Without a Good Cause: Karlsruhe’s Misguided Attempt to Draw the CJEU into a Game of „Chicken“ and What the CJEU Might do About It, German L.J. 15 (2014), 203.

  79. 79.

    Diese Befürchtung teilend: Jürgen Bast, Don’t Act Beyond Your Powers: The Perils and Pitfalls of the German Constitutional Court’s Ultra Vires Review, GLJ 15 (2014), 167 (180).

  80. 80.

    Oben Dritter Teil, Kap. 19, A.

  81. 81.

    Oben Erster Teil, Kap. 2, E.

  82. 82.

    Oben Erster Teil, Kap. 6.

  83. 83.

    Siehe Morten Broberg/Niels Fenger, Preliminary References to the European Court of Justice, 2. Aufl., 2014, 442. So auch ausdrücklich EuGH, Urt. v. 16.06.2015, Rs. C-62/14 – Gauweiler u. a., ECLI:EU:C:2015:400, Rn. 16.

  84. 84.

    Morten Broberg/Niels Fenger, ebd., 450.

  85. 85.

    Siehe Claus Dieter Classen, Funktionsadäquate checks and balances statt richterliche Vollkontrolle unter demokratischem Vorwand, EuR 2015, 477 (485), der nach dem EuGH-Urteil – und damit noch vor dem abschließenden Urteil des BVerfG – die Auffassung vertrat, dass „kaum vorstellbar“ sei, „dass sich das BVerfG nicht im Prinzip dem EuGH anschließt“, weil das Gericht ansonsten „in einer politisch ausgesprochen sensiblen Frage der Bundesrepublik schweren außenpolitischen Schaden zufügen“ würde. In diesem Sinne auch Daniel Kelemen, The Court of Justice of the European Union in the Twenty-First Century, Law & Contemp. Probs. 79 (2016), 117 (135), dem zufolge eine Ultra-vires-Erklärung des BVerfG eine „profound constitutional crisis for the EU“ herbeiführen würde.

  86. 86.

    Ulrich Haltern, Verschiebungen im europäischen Rechtsschutzsystem, VerwArch 96 (2005), 311 (343).

  87. 87.

    Dazu näher oben Zweiter Teil, Kap. 10, A., III.

  88. 88.

    So Jan Klement, Der geldpolitische Kompetenzmechanismus, JZ 70 (2015), 754 (754).

  89. 89.

    Für diese Lesart spricht, dass nach Auffassung des BVerfG die „Art und Weise richterlicher Rechtskonkretisierung“ im Gauweiler-Urteil des EuGH „gewichtigen Einwänden“ begegnet. BVerfGE 142, 123 (217) – OMT-Urteil (2016). Darüber hinaus hat das BVerfG die im Honeywell-Beschluss noch einschränkungslos bekräftigte Notwendigkeit einer Vorlage an den EUGH vor der Annahme eines Ultra-vires-Akts im OMT-Urteil abgeschwächt. Danach initiiert das Gericht ein Vorabentscheidungsverfahren nur noch „soweit erforderlich“. Ebd., Rn. 154. Siehe zu letzterem bereits oben, Dritter Teil, Kap. 18, B., I., 1., d.

  90. 90.

    In diesem Sinne Franz Mayer, Zurück zur Rechtsgemeinschaft: Das OMT-Urteil des EuGH, NJW 2015, 1999 (2003), nach dem der EuGH dem BVerfG mit seinem Urteil „die Hand“ reicht.

  91. 91.

    Mit einer fortgesetzten Widerwilligkeit des Bundesverfassungsgerichts zur Nutzung des Vorlageverfahrens trotz der erstmaligen Vorlage im OMT-Beschluss rechnet Eva Lohse, The German Constitutional Court and Preliminary References – Still a Match not Made in Heaven?, GLJ 16 (2015), 1491 (1508).

  92. 92.

    Mit der Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung der besonderen Stellung nationaler Verfassungsgerichte durch den EuGH: Monica Claes, Luxembourg, Here We Come? Constitutional Courts and the Preliminary Reference Procedure, GLJ 16 (2015), 1331 (1342); Michal Bobek, The Impact of the European Mandate of Ordinary Courts on the Position of Constitutional Courts, in: Monica Claes/Maartje de Visser/Patricia Popelier/Catherine Van de Heyning (Hrsg.), Constitutional Conversations in Europe, 2002, 287 ff.

  93. 93.

    Das bedeutet auch, dass der EuGH Vorlagen nationaler Verfassungsgerichte beantwortet, obwohl diese sich im konkreten Vorlageverfahren eine Ultra-vires-Kontrolle vorbehalten. Im Gauweiler-Verfahren hatte die italienische Regierung vorgetragen, dass „das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen […] vom Gerichtshof nicht geprüft werden [könne], weil das vorlegende Gericht [das BVerfG] der Antwort des Gerichtshofs auf dieses Ersuchen nicht den Wert einer endgültigen und bindenden Auslegung zuerkenne“ und sich stattdessen die Befugnis vorbehalte, „letztgültig darüber zu befinden, ob die streitigen Beschlüsse im Licht der Voraussetzungen und Grenzen, die sich aus dem deutschen Grundgesetz ergäben, gültig seien“. EuGH, Urt. v. 16.06.2015, Rs. C-62/14 – Gauweiler u. a., ECLI:EU:C:2015:400, Rn. 11. Dieses Argument hat der EuGH zu Recht zurückgewiesen. Ebd., Rn. 12 ff. Denn ein solches striktes Beharren auf den unbedingten Vorrang des Unionsrechts auf Kosten eines direkten Gerichtsdialogs im Rahmen des Vorlageverfahrens würde einer pluralistisch-heterarchischen Konzeption des Vorlageverfahrens gerade widersprechen. Mit guten Argumenten für diesen Standpunkt: Paul Craig/Menelaos Markakis, Gauweiler and the legality of outright monetary transactions, E.L.Rev. 41 (2016), 4 (15 ff.).

  94. 94.

    Generalanwalt Cruz Villalón, Schlussanträge v. 14.01.2015, Rs. C-62/14 – Gauweiler u. a., ECLI:EU:C:2015:7, Rn. 65.

  95. 95.

    BVerfGE 134, 366 (398) – OMT-Beschluss (2014). BVerfGE 146, 216 (Rn. 114) – PSPP-Beschluss (2017). Vgl. dagegen EuGH, Urt. v. 16.06.2015, Rs. C-62/14 – Gauweiler u. a., ECLI:EU:C:2015:400, Rn. 46 ff. EuGH, Urt. v. 11.12.2018, Rs. C-493/17 – Weiss u. a., ECLI:EU:C:2018:1000, Rn. 45 ff.

  96. 96.

    EuGH, Urt. v. 16.06.2015, Rs. C-62/14 – Gauweiler u. a., ECLI:EU:C:2015:400, Rn. 69 ff.

  97. 97.

    Oben Dritter Teil, Kap. 19, A.

  98. 98.

    Oben Dritter Teil, Kap. 19, A.

  99. 99.

    Oben Dritter Teil, Kap. 18, C., I. 3.

  100. 100.

    Vgl. EuGH, Urt. v. 08.04.2014, Rs. C-293/12, 594/12 – Digital Rights Ireland und Seitlinger, ECLI:EU:C:2014:238; Urt. v. 01.03.2001, Rs. C-236/09 – Test-Achats, ECLI:EU:C:2011:100. Zum Potenzial des Vorlageverfahrens für den europäischen Grundrechtsschutz am Beispiel des Seitlinger-Falls: Ludovica Benedizione/Eleonora Paris, Preliminary Reference and Dialogue Between Courts as Tools for Reflection on the EU System of Multilevel Protection of Rights: The Case of the Data Retention Directive, GLJ 16 (2015), 1727 ff.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2020 Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Lang, A. (2020). Kapitel 19: Prozedurale Übertragungsmechanismen. In: Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der vernetzten Weltordnung. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, vol 293. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-61442-6_19

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-61442-6_19

  • Published:

  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-662-61441-9

  • Online ISBN: 978-3-662-61442-6

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics