Nach Schätzungen der WHO wird unser Lebensstil im Jahr 2020 für etwa 70 % aller Krankheiten mitverantwortlich sein. Ein Hauptproblem dabei ist der Bewegungsmangel in unserer veränderten Lebenswelt mit dem täglichen zu langen Sitzen am Arbeitsplatz und in der Freizeit (Kap. 92). Denn die Skelettmuskulatur ist nicht nur für die Bewegung zuständig, sie ist zugleich auch ein wichtiges Stoffwechselorgan.

Bewegung ist für alle Körperfunktionen enorm wichtig.

Während körperlicher Aktivitäten werden in den arbeitenden Muskeln verschiedene immunologische und hormonelle Botenstoffe gebildet, die dann an den zentralen Schaltstellen unseres Körpers wirken. Diese Substanzen, als Myokine bezeichnet, haben einen sehr positiven Einfluss auf die Dauer und Qualität unseres Lebens (Kvaavik et al. 2010; Pedersen und Febbraio 2012; Petersen 2013). Der die Gesundheit verbessernde und das Leben verlängernde Effekt durch Sport ist selbst im hohen Alter noch wirksam (Hamer et al. 2014).

Nach den Ergebnissen einer prospektiven Langzeitstudie mit ca. 17.000 Personenjahren lebten von den hier untersuchten 70-, 78- und 85-jährigen Probanden diejenigen, die mindestens 4 Stunden Sport pro Woche trieben, deutlich länger als ihre trägen Altersgenossen (Stessman et al. 2009).

Abb. 54.1
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Trainingsziele beim Sport

Freizeitsport bremst auch den Alterungsprozess der Gene. Diesen Hinweis gibt eine Studie an 2401 Zwillingen im Alter von 18–81 Jahren, in der die Länge der Telomere untersucht wurde (Cherkas et al. 2008). Telomere sind lange DNA-Sequenzen am Ende der Chromosomen ohne jede Bauanweisung für den Organismus. Sie schützen aber die Genstränge bei ihrer Verdopplung vor Fehlern (Nobelpreis 2009 für E. Blackburn, C. Greider, J. Szostak). Die Länge der Telomere speziell in den weißen Blutkörperchen und das Ausmaß ihrer natürlichen Verkürzung mit jeder Zellteilung sind Indikatoren für das biologische Alter der Menschen. Bei gleichem kalendarischem Alter waren die Telomere bei den Probanden, die wöchentlich gut 3 Stunden Sport trieben, im Schnitt um 200 Nukleotide länger als bei den unsportlichen Zwillingen. Weil die Länge der Telomere in Leukozyten durchschnittlich um 21 Nukleotide pro Jahr abnimmt, bedeuten diese 200 Nukleotide, dass körperlich aktive Menschen biologisch etwa 10 Jahre jünger sind als ihre inaktiven Zeitgenossen. Solche positiven Effekte konnten in weiteren Studien für alle Sporttreibenden bestätigt werden, sie zeigen sich aber nur, wenn die körperlichen Aktivitäten über lange Zeiträume betrieben werden (Saßenroth et al. 2015).

Offenbar ist die Telomerenlänge auch ein generelles Gesundheitsmaß. Ein Ergebnis der Nurses’ Health Study zeigte nämlich, dass Frauen mit einem gesunden Lebensstil längere Leukozytentelomere hatten als ungesund lebende Frauen (Sun et al. 2012). Die bisher tatsächlich messbaren Gesundheitsvorteile längerer Telomere bestehen in einem geringeren Krebsrisiko, einer verminderten Sterberate an solchen Tumoren (Willeit et al. 2010) und einer niedrigeren Herzinfarktrate (D’Mello et al. 2016).