FormalPara Biomedizinische Technik

(BMT) ist die Bereitstellung ingenieurwissenschaftlicher Mittel und Methoden sowie deren Anwendung auf lebende Systeme in Biologie und Medizin

  • im medizinischen Betreuungsprozess (Prophylaxe und Metaphylaxe, Diagnose und Prognose, Therapie und Rehabilitation) und zur Lebensqualitätsverbesserung,

  • in der Forschung und in allen Phasen des Produktlebenszyklusses (Konzeption, Entwicklung, Prüfung und Zulassung, Herstellung, Anwendung, Aufbereitung und Entsorgung biomedizintechnischer Geräte und Systeme),

  • in verschiedenen Branchen wie Medizintechnik, Biotechnologie, Gesundheitswirtschaft, Pharmazie, Umwelttechnik sowie allgemein in den Lebenswissenschaften [1].

Biomedizinische Technik ist durch eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ingenieuren, Naturwissenschaftlern und Medizinern geprägt. Den Kern der Biomedizinischen Technik bilden die Medizintechnik und das Klinikingenieurwesen , die sich auf den Einsatz von Technik im klinischen Umfeld beziehen und die Bereitstellung und Anwendung technischer Mittel und Methoden in der Medizin sowie (im engeren Sinne) deren Vergegenständlichung umfassen [2]. Dieses Kapitel kann lediglich einen kleinen Ausschnitt aus dem breiten Spektrum der Biomedizinischen Technik darstellen.

Wesentliche gesetzliche Rahmenbedingungen setzen die EU‐Verordnung 2017/745 für Medizinprodukte und die EU‐Verordnung 2017/746 für In‐vitro‐Diagnostika, die im April 2017 verabschiedet wurden und zum 25. Mai 2017 mit einer Übergangszeit von drei Jahren in Kraft getreten sind [3, 4]. Medizinprodukte werden in § 3 des Medizinproduktegesetzes definiert. Danach sind Medizinprodukte (zusammenfassend) Gegenstände, die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel (Arzneimittel) noch durch Metabolismus (Lebensmittel) erreicht wird. Ihre primäre Zweckbestimmung erzielen Medizinprodukte also z. B. über physikalische oder ähnliche Wirkmechanismen. Werkstoffe für die Biomedizinische Technik sind von definierter Struktur, Zusammensetzung, Oberfläche sowie Funktion und für eine speziesadaptierte, biokompatible Anwendung an oder in Menschen und Tieren vorgesehen [1]. Diese nicht lebensfähigen Materialien werden als Biomaterial bezeichnet. Besonders hohe Anforderungen an die Fähigkeit eines Werkstoffs, in einer spezifischen Anwendung bei angemessener Wirtsreaktion eine bestimmte Funktion auszuüben (Biokompatibilität ) stellen sich bei Implantaten . Das sind künstliche Materialien, die durch einen chirurgischen Eingriff ganz oder teilweise in den Körper eingeführt werden und dort mindestens 30 Tage lang verbleiben [1].

Die wirtschaftliche Entwicklung der deutschen Medizintechnikbranche verläuft ausgesprochen positiv. Medizintechnik als Teil der Biomedizinischen Technik ist heute in allen Bereichen des Gesundheitswesens und der Lebenswissenschaften etabliert. Weltweit werden ingenieurwissenschaftliche Studiengänge im interdisziplinären Querschnittsfach der Biomedizinischen Technik angeboten (deutschsprachige Studienangebote siehe https://blbt.file2.wcms.tu-dresden.de/ausbildung/ Stand 13.3.2017). Diese Studiengänge sind oft aus anderen Studiengängen der Elektrotechnik, der Physik und des Maschinenbaus hervorgegangen.

Für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist die Branche von grundlegender und wachsender gesellschaftlicher sowie ökonomischer Bedeutung. Der Alltag moderner Krankenhäuser, Kliniken und Praxen ist durch einen hohen Grad an Technisierung geprägt. Trotzdem machen die Ausgaben für Medizintechnik nur ca. 8 % der Gesamtausgaben im deutschen Gesundheitswesen aus [5]. Insbesondere vor dem Hintergrund des demographischen Wandels wird der Bedarf an moderner Medizintechnik für Diagnose und Therapie, aber auch für die Vor‐ und Nachsorge sowie die Rehabilitation in den kommenden Jahrzehnten weiter steigen, ergänzt durch die Technik, die im häuslichen Umfeld und zur telemedizinischen Überwachung des Menschen eingesetzt wird [6].

Die Medizintechnik gehört zu den innovativsten Branchen . Die Investitionen der medizintechnischen Unternehmen in Forschung und Entwicklung in Deutschland sind u. a. mit rund neun Prozent des Umsatzes etwa doppelt so hoch wie im Industriedurchschnitt [6]. Fast 15 % der rund 132.700 Mitarbeiter in 1260 deutschen medizintechnischen Unternehmen waren 2016 in der Produktentwicklung tätig [7]. Die Medizintechnik wächst weltweit seit Jahrzehnten. Der Umsatz der deutschen Medizintechnik stieg 2016 um 5,8 % gegenüber dem Vorjahr auf 20,19 Mrd. €. Die Exportquote von 63,7 % liegt in der Medizintechnik im Vergleich zum Industriedurchschnitt (ca. 40 %) sehr hoch [7, 8]. Regionale Zentren der Medizintechnik in Deutschland sind die Räume Tuttlingen, Hamburg/Lübeck, Erlangen, München und Berlin. Die deutsche Medizintechnikbranche ist stark mittelständisch geprägt. Kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern repräsentieren 93 % der deutschen Medizintechnikunternehmen [8]. Die Produktpalette reicht vom Investitionsgut bis zu Einwegartikeln. Wichtige Industrieverbände sind der Bundesverband Medizintechnologie e. V. (www.bvmed.de), der Industrieverband SPECTARIS (www.spectaris.de) und der Fachverband Elektromedizinische Technik im ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik‐ und Elektronikindustrie e. V. (http://www.zvei.org/verband/fachverbaende/elektromedizinischetechnik). Die DGBMT – Deutsche Gesellschaft für Biomedizintechnik im VDE (www.dgbmt.de) ist die größte wissenschaftlich‐technische Fachgesellschaft der Medizintechnik in Deutschland. Im Verein Deutsche Ingenieure haben sich ca. 3500 Mitglieder dem Fachbereich Medizintechnik zugeordnet.