Zusammenfassung
Das Archiv des Collège de France in Paris besitzt eine sehr große und eindrucksvolle Sammlung von Notizbüchern, Laborjournalen und anderen wissenschaftlichen Manuskripten Claude Bernards. Diese Unterlagen sind nun klassifiziert und für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung gestellt worden.1 Einige Notizen und Papiere liefern bedeutende dokumentarische Informationen über Bernards philosophischen Hintergrund und seine Stellung zwischen der materialistischen Lehre und seiner Weltanschauung des Vitalismus.2 Für den Wissenschaftshistoriker sind allerdings vielleicht Bernards Laborjournale und die tagtäglichen Überlegungen zu physiologischen Problemen noch interessanter.3 In seiner berühmten Einführung (Introduction 4) berichtet er über seine eigenen Entdeckungen der Wertigkeit der Paradigmen. So ist eine detaillierte Studie aller Schritte seiner kreativen Tätigkeit eine notwendige Voraussetzung zur Annahme seiner Ergebnisse als epistemologische Beispiele. Die Analyse seiner Laborjournale offenbart in vielen Fällen eine beträchtliche historische Inkonsistenz.
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Referenzen
M. D. Grmek, Catalogue des manuscripts de Claude Bernard. Avec la bibliographie de ses travaux imprimés et des études sur son œeuvre. Avant-propos par M. Bataillon et E. Wolff. Introduction par L. Delhoume et P. Huard. Paris: Collège de France and Masson & Co., 1967, 419 Pp.
Cf. C. Bernard, Philosophie. Manuscrit inédit. Texte présenté par Jacques Chevalier. Paris: Hatier-Boivin, 1937, XIV, 63 pp. Siehe auch M.D. Grmek, „Quelques notes intimes de Claude Bernard“, Arch. Intern. Hist. Sci., 1963, pp. 339–352. Zahlreiches wichtiges Material ist noch unveröffentlicht. So drückt Bernard beispielsweise im ersten Entwurf seines Aufnahmeantrags zu seiner Berufung in die Académie Française einige sehr interessante Gedanken aus, bei denen in der Tat nicht die Absicht bestand, sie öffentlich zu äußern, und die folglich in der letzten Vorlesung weggelassen wurden.
Nur ein kleiner Teil dieser Journale wurde veröffentlicht. Das sog. „Cahier rouge“ stellt eine merkwürdige Mischung „philosophischer“ und technischer Notizen dar; cf. C. Bernard, Cahier de notes 1850–1860. Présenté et commenté par M. D. Grmek; preface de R. Courrier. Paris: Gallimard, 1965, 315 pp. In einer meiner letzten Publikationen habe ich Bernards Manuskript für eine detaillierte Analyse über die Entstehung eines wichtigen wissenschaftlichen Konzepts mit komplizierten „philosophischen“ Zwischenbemerkungen benutzt; siehe „Evolution des conceptions de Claude Bernard sur le milieu intérieur“, Philosophie et méthodologie scientifique de Claude Bernard. Paris: Masson & Cie, 1967, pp. 117–150.
C. Bernard, Introduction à l’étude de la médecine expérimentale. Paris: Bailliere, 1865, 400 pp. An Introduction to the Study of Experimental Medicine. Translated by H. Copley Greene, with an Introduction by L. J. Henderson and a Foreword by I.B. Cohen. New York: Dover, 1957, 226 pp.
Cf. M.D. Grmek, „Examen critique de la genèse d’une grande découverte: la piqûre diabétique de Claude Bernard.” Clio Medica, 1 (1966), 341–350.
J.B. Dumas und J. B. Boussingault, Essai de statique chimique des êtres organisés. 3d ed. Paris: Fortin, Masson et Cie, 1844. — The Chemical and Physiological Balance of Organic Nature. London: J.-B. Bailliere, 1844; New York: Saxton, 1844.
C. Bernard, Du suc gastrique et de son rôle dans la nutrition. These pour le doctorat en médecine. Paris: Rignoux, 1843, 34 pp.
C. Bernard, An Introduction. Transl. by H.C. Greene, New York: Dover, 1957, pp. 163–164.
Nur in seiner Dissertation zum Doktor der Naturwissenschaften gibt Claude Bernard einige wertvolle Informationen bezüglich der ersten Schritte seiner Entdeckung der Glykogenese-Funktion der Leber. Er sagt, daß es sein Ziel war, den Zucker ganz eng zu verfolgen, der ins Blut resorbiert wurde. Er wollte wissen, ob er beim Durchfließen der Leber abgebaut würde; dann, was nach der Passage des zuckerhaltigen Blutstroms durch die Lunge geschah, und so fort. Zu diesem Zweck wurde ein Hund, der sieben Tage lang mit kohlenhydratreicher Nahrung gefüttert worden war, während des Verdauungsvorgangs getötet, und Bernard konnte zeigen, daß das Blut der Lebervenen, wo sie sich zur unteren Vena cava vereinen, eine große Menge Glukose enthielt. Dies schien ein experimenteller Beweis dafür zu sein, daß die Leber nicht den Zucker abbaut. Als Gegenbeweis führte Claude Bernard ein ähnliches Experiment an einem Hund durch, den man ausschließlich mit Fleisch gefüttert hatte, und zu seiner Überraschung fand er wieder, daß das Blut der Lebervenen beachtliche Mengen Zucker enthielt, obwohl sich im Darm kein Zucker fand. Er fand ebenfalls, daß „das Blut der Pfortader vor Eintritt in die Leber keinen Zucker enthält, während dasselbe Blut beim Verlassen des Organs beträchtliche Glukosemengen enthält. “ Cf. C. Bernard, Recherches sur une nouvelle fonction du foie considéré comme organe producteur de matière sucrée chez l’homme et les animaux. Thèse pour le garde de docteur ès-sciences naturelles. Paris: Martinet, 1853, 97 pp. — Trotz einiger Vereinfachungen und Fehler (z. B. das Fortlassen der Tatsache, daß Bernard in dem Experiment mit dem Hund bei Fleischkost Zucker im Blut der Pfortader entdeckte), ist die Geschichte im Grunde korrekt, besonders in der Betonung von Bernards Erstaunen nach den unerwarteten Resultaten des Experiments zum Gegenbeweis. Die besten historischen Darstellungen in englischer Sprache zu Bernards Entdeckung der Glykogenese-Funktion der Leber halten sich an den Text seiner Doktorarbeit. Zum Beispiel D. Wright Wilson, „Claude Bernard“, Pop. Sci. Monthly, 84 (1917), 567–578; F. G. Young, „Claude Bernard and the Theory of the Glycogenic Function of the Liver“ , Ann. Sci., 2 (1937), 47–83; J.M.D. Olmsted, Claude Bernard, Physiologist (New York: Harper, 1938, 272 pp.). In den meisten anderen Veröffentlichungen ist die Geschichte sehr verzerrt dargestellt.
C. Bernard, „De l’origine du sucre dans l’économie animale“, Arch. gen. Med., 18, 4th ser. (1948), 303–319. Auch veröffentlicht in Mem. Soc. Biol., 1 (1849), 121–133. Eine englische Übersetzung („The Origin of Sugar in the Animal Body“) wurde in Kelly’s Medical Classics (1939), III, 567–580, veröffentlicht.
Claude Bernards unveröffentlichte Unterlagen im Collége de France, Ms. 7b, 7c und andere.
Er arbeitete auf den Stationen von Rayer und Andral im bekannten Krankenhaus La Charité in Paris; cf. Ms. 7b, pp. 246 und 249–250; Ms. 151 und Fasc. 25b, f. 370.
Ms. 7b, p. 133.
Ms. 7b, p. 130.
Ann. univ. di med. e chir., 74 (1835), 160. — Siehe einleitende Kapitel in R. Lépine, Le diabète sucré (Paris: Alcan, 1909).
F. Tiedemann und L. Gmelin, Die Verdauung nach Versuchen, vol. I, Heidelberg und Leipzig; Groos, 1826.
Lépine, Le diabète sucré. Siehe auch Bernards historische Skizze in Leçons sur le diabète (Paris: Bailliere, 1877), pp. 142–161.
C. R. Acad. Sci., 23 (1846), 189.
In einer seiner letzten Arbeiten bemerkt Bernard stolz: „Je montrai... que la glycémie est indépendante de l’alimentation; qu’elle se rencontre chez l’homme et chez les animaux nourris de viande ou soumis à l’abstinence. Je prouvai que la présence du sucre dans le sang est un fait normal coïncidant toujours avec l’état de santé et ne disparaissant que lorsque la nutrition était arretée. De sorte qu’au lieu d’admettre, comme mes prédécesseurs, que la glycémie fut un fait pathologique ou accidentel, je fis voir que la proposition contraire était vraie, et que c’était l’absence de sucre dans le sang qui constituait le véritable fait anormal“ (Lecons sur le diabète, 1877, pp. 127–128).
Ms. 7c, p. 308.
Ms. 7c, p. 311.
Er vermutete, daß „chez un animal en digestion d’amidon, il devra y avoir du sucre dans le sang de la veine porte artériel et pas dans le sang veineux de retour“ (Ms. 7c, p. 311; Notiz datiert 31. Mai 1848).
Ms. 7c, p. 307.
Ms. 7c, p. 312.
Ms. 7c, pp. 354, 358 und 363–366.
C. Bernard und Ch. Barreswil, „Du sucre dans l’ œeuf“ , C. R. Soc. Biol., 1 (1849), 64.
Ms. 7c, p. 338.
Ms. 7c, pp. 379–382.
Ms. 7c, p. 387.
Ms. 7c, p. 387.
Ms. 7c, p. 392.
C. Bernard und Ch. Barreswil, „Du presence du sucre dans le foie”, C. R. Acad. Sci., 27 (1848), 514–515.
Zitiert unter 10.
J.M.D. Olmsted und E. Harris Olmsted, Claude Bernard and the Experimental Method in Medicine (New York: Schuman, 1952).
Cannons Buch The Way of an investigator, New York, 1945, bringt viele ausgezeichnete Beispiele der „deduktiven“ , historisch falschen Ansätze zur Analyse der wissenschaftlichen Entdeckungen. Cannon sagt (p. 65), daß Claude Bernard „bei der Untersuchung des Blutes auf seinen Zuckergehalt an den verschiedenen Orten nach Verlassen des Darms, wo der Zucker resorbiert wird... weniger davon im Blut der linken Herzseite und in den Arterien als in den Venen fand. Er zog den irrigen Schluß, daß der Zucker in den Lungen verbraucht wird. Danach führte ihn sein Interesse am Zuckerstoffwechsel im Körper dazu, Personen, die an Diabetes litten, zu untersuchen, und er war betroffen von dem Nachweis, daß die Ausscheidung des Zuckers im Urin der Diabetiker größer ist als die entsprechende Menge in der aufgenommenen Nahrung. Da kam ihm plötzlich der Leitgedanke, daß Zucker im Organismus produziert wird“. Dies ist, glaube ich, die Art, in der Cannon die tierische Glykogenese entdeckt haben würde, doch fehlt ihr jede Verbindung mit der geschichtlichen Wahrheit.
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Grmek, M.D. (1989). Die ersten Schritte bei Claude Bernards Entdeckung der Glykogenese-Funktion in der Leber. In: von Engelhardt, D. (eds) Diabetes in Medizin- und Kulturgeschichte. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-06578-5_21
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