Zusammenfassung
Zentral für die theoretische Erfassung der möglichen Auswirkungen und Konsequenzen von Mediendarstellungen zu Suizidalität und Suizid sind die beiden Pole eines Spektrums von Medienwirkungen (Scherr, 2016, S. 39): Werther- versus Papageno-Effekt, also Imitation versus Prävention; Dabei haben die Medien einen „normative effect on attitudes, while also providing a model“ (Schmidtke & Häfner, 1989, S. 313) und können damit Normen, Einstellungen und Handlungen beeinflussen, verschieben und damit schlussendlich (in)akzeptable Lösungsansätze entwerfen (ebd., S. 324; Mann et al., 2005, S. 2070). Reduziert auf seinen theoretischen Kern beschreibt der Werther-Effekt, dass negative Darstellungen von Suiziden in den Medien zu imitativem Verhalten der Rezipient:innen führen können (Phillips, 1974), während der Papageno-Effekt meint, dass positive Darstellungen selbiger einen präventiven Effekt haben können (Niederkrotenthaler et al., 2010). Tatsächlich sind beide Phänomene bzw. deren Auftreten und Ausprägungen abhängig von zahlreichen Faktoren (vgl. Markiewitz, Arendt & Scherr, 2021; Niederkrotenthaler & Till, 2019b; Scherr & Steinleitner, 2015; Scherr, 2016; Till & Niederkrotenthaler, 2019).
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Notes
- 1.
Wie die aufgeführten Beispielstudien zeigen, ist die Analyse der Suizidmethode ein gängiger Behelf, Zusammenhänge oder gar Kausalitäten zwischen einer medialen Suiziddarstellung und der realen Suizidrate herzustellen. Dies liegt zum einen daran, dass sich dieses Merkmal zumeist eindeutig abbilden und mit Realdaten vergleichen lässt. Zum anderen zeigen Anstiege einer bestimmten Suizidmethode bei gleichzeitigem Anstieg der Suizidrate, dass mit dem Werther-Effekt Imitationssuizide wohl tatsächlich gefördert werden und Personen, die sich auch unabhängig von einem medial dargestellten Suizid suizidiert hätten, nicht lediglich zu einer anderen (als der medial dargestellten) Suizidmethode greifen (Schmidtke & Häfner, 1988, S. 674 f.). Dieser Aspekt wird häufig als Kritik zum Werther-Effekt verargumentiert (siehe auch Abschnitt 2.5).
- 2.
Für Überblick zum Kriterienkatalog zur Annahme kausaler Wirkbeziehungen ohne Überprüfung im experimentellen Studiendesign siehe Abschnitt 2.1.2;
- 3.
Darunter fallen individuelle, soziale und entwicklungsbezogene Suszeptibilität, die vor allem durch Erfahrungen geprägt sind (Valkenburg & Peter, 2013).
- 4.
Die übrigen Einflussfaktoren des Modells Integrated Motivational-Volitional Model of Suicidal Behaviour umfassen Zugang zu Suizidmitteln/ -werkzeugen, Fähigkeit zum Suizid (darunter Abwesenheit von Todesangst und erhöhte physische Schmerztoleranz), Planung, aber auch Impulsivität, sowie „mental imagery“ (Vorstellungsvermögen) und frühere Suizidhandlungen (O’Connor & Kirtley, 2018).
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Markiewitz, A. (2024). Rezeption und Rezipient:innen: Diametrale Wirkrichtungen der Berichterstattung über Suizidalität und Suizid – Imitation vs. Prävention?. In: Zwischen Information und Sensation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-43511-0_2
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