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Einleitung

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Multiple Übersetzung der Religion

Zusammenfassung

Ist die Frage nach Religion ein Überbleibsel aus vergangener Zeit, ein Motor für gesellschaftlichen Zusammenhalt oder doch eine Gefahr für eine friedliche moderne Gesellschaft? Nach wie vor sind Debatten über und Begriffsimplikationen von Religion, ihrer Form und Funktion in einer pluralisierten Gesellschaft und integrativen Rolle in Vergesellschaftungsprozessen vor dem Hintergrund funktional ausdifferenzierter sozialer Systeme sowie einer scheinbar unaufhaltsamen Individualisierung aus (religions-)soziologischer Perspektive unzufriedenstellend, wenn nicht gar defizitär. Welche Formate und Formen nehmen Religion(szugehörigkeit) und religiöse Lebensführung in einer globalisierten Moderne an? Welche Unterscheidungen sind bei islamischen und christlichen Ländern zu berücksichtigen? Mit einem veränderten Blickwinkel kann die Soziologie einen anderen Weg zur Analyse von Religion in der Moderne freilegen.

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Notes

  1. 1.

    In der vorliegenden Arbeit werden der besseren Lesbarkeit wegen zentrale Konzepte, Bezeichnungen und Namen aus dem türkischen Kontext nach der türkischen Orthografie geschrieben. Eine jeweilige deutsche Übersetzung/Erklärung erfolgt in den Fußnoten oder im Fließtext. Aus leser:innenfreundlichen Gründen wird bei der Pluralbildung und bei der Genitivendung der türkische Wortkern kursiv gesetzt und das deutsche Plural-s sowie das Genitiv-s angehängt, z. B.: ocak als ocaks, dede als dedes. Ferner wird in dieser Arbeit explizit die inklusive Schreibweise Gender-Doppelpunkt verwendet. Hier sei die Gelegenheit genutzt zu betonen, dass die Intention dabei nicht (nur) eine leser:innenfreundliche Schreibweise ist, sondern die eigentliche Motivation darin begründet ist, eine geschlechtergerechte Sprache zu gewährleisten und damit weibliche, männliche und weitere Geschlechter einzubeziehen bzw. Geschlechteridentitäten in einer typografischen Form sichtbar zu machen. Damit möchte die Arbeit bewusst einen inklusiven Ansatz verfolgen. Falls eine inkludierende Abkürzung (Doppelpunkt) nicht möglich ist, ist das weibliche/männliche/diverse/dritte Geschlecht ausdrücklich mitgedacht. Insgesamt wird eine neutrale Schreibweise vorgezogen.

  2. 2.

    Zu einer Soziologie multipel differenzierter Gesellschaft als eine pragmatistische Gesellschaftstheorie vgl. Renn 2006a, 2014, zur Entfaltung und Begründung siehe Kap. 3.

  3. 3.

    Dt.: Präsidium für Religionsangelegenheiten.

  4. 4.

    Anmerkung für die Aussprache türkischer Buchstaben:

    1. c

      wie dsch gesprochen, z. B.: Dschungel

    2. ç

      wie tsch gesprochen, z. B.: Klatsch

    3. ğ

      vorangegangener Vokal wird gedeht

    4. ı

      wie ein kurzes/dumpfes i wie bei haben

    5. ş

      wie ein sch gesprochen, z. B.: Schach

  5. 5.

    Das ursprünglich arab. Wort Diyanet (Bezeichnung der islamischen Religionsbehörde) bedeutet tr.: „Din kurallarına tam bağlı olma durumu“ (Türk Dil Kurumu 2021), wörtlich dt.: ein Zustand der vollen Einhaltung religiöser Pflichten/Regeln; religiös.

  6. 6.

    Hier verstanden als die Trennung von Staat und Religion.

  7. 7.

    Zur Rolle der Türkei im Nahen Osten, Konfliktlinien und Allianzbildung vgl.: Karadag 2017.

  8. 8.

    Die EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei wurden 2016 aufgrund diplomatischer Anspannungen eingefroren (z. B. rechtstaatliche Versäumnisse) (Tekin 2017).

  9. 9.

    Vgl. dazu auch: Bardakci 2015; Köse 2010; Subaşı 2010.

  10. 10.

    Der Putschversuch wird als „Katalysator für den Staatsumbau“ (Baier 2016) bewertet und ermögliche die schnellere „Institutionalisierung eines autokratischen Herrschaftssystems“ (Çopur 2018). Zu den Folgen des Putschversuchs vgl.: Röther 2020; Martens 2017; Karasu 2017.

  11. 11.

    Zum Umgang der Türkei mit religiöser Vielfalt vgl.: Bardakci et al. 2017.

  12. 12.

    Die Verwendung „die alevitische Organisationen“, „die Alevit:innen“ und ähnliche Bezeichnungen sind in der gesamten Arbeit reflektiert angewendet worden. Mit dem bestimmten Artikel wird nicht expliziert, dass es sich um eine einzige, homogene Gruppe handelt, sondern die Nutzung dient lediglich einer leser:innenfreundlichen Darstellung/Bezeichnung.

  13. 13.

    Vgl. Minority Rights Group International 2018; USCIRF 2020, 2012; USDSOIRF 2019.

  14. 14.

    Zu den verschiedenen Positionen zur Verortung des Alevitentums vgl.: Dreßler 2019a: 65.

  15. 15.

    Historisch-kritische Kontextualisierung des Alevitentums vgl.: Dreßler 2013a: 186–238, 2013b.

  16. 16.

    In Anlehnung an Renn (2006a) könnte hier auch von einer türkeispezifischen Übersetzung des Islams gesprochen werden, das es im Verlauf der Arbeit zu entfalten gilt.

  17. 17.

    Siehe auch: Dreßler 2013a, 2002; Massicard 2005; Kehl-Bodrogi 1993.

  18. 18.

    Vgl. ausführlich: Spuler-Stegemann 2003.

  19. 19.

    Zur Verwendung der Bezeichnung Alevi vgl. auch: Kanar 2010: 459; Devellioğlu 2007: 28.

  20. 20.

    Tr.: ehl-i beyt, d. h. die Familie des Propheten: der Prophet, seine Tochter Fatima, ihr Ehemann Imam Ali, ihre Söhne Imam Hasan und Imam Hüseyin (vgl. Dreßler 2013a: 5).

  21. 21.

    Für eine ausführliche und interessante Darstellung des Bektaschi-Ordens und seine Kulturbeziehungen und -interaktionen im Osmanischen Reich und darüber hinaus ebenso zu Kızılbaş-Alevit:innen und Bektaschi-Beziehungen im Spannungsfeld von Konfessionalisierung sowie Nationalismus vgl.: Kara 2019. Zum Bektaschitum vgl. ausführlich: Yıldırım 2010.

  22. 22.

    Die Glaubensbrüderschaft (tr.: müsahiplik) bedeutet im Alevitentum, dass zwei Männer mit ihren Ehefrauen sich dafür entscheiden, wahlverwandt zu werden und zeitlebens füreinander in allen sozialen und finanziellen (Not-)Lagen oder auch bei begangenen Fehlern verantwortlich zu sein. Ferner gilt ein Heiratsverbot für die Kinder dieser Familien, die nunmehr ebenfalls Geschwister sind (vgl. Kehl-Bodrogi 2017 [1988]: 168–197, 1988; Aksünger-Kizil/Kahraman 2018).

  23. 23.

    Sökefeld (2005a: 208, Hvg. i. O.) definiert cem wie folgt: „‚[c]em‘ ist arabischer Herkunft und bedeutet ‚Gemeinschaft‘, ‚Gemeinde‘, ‚Zusammenkunft‘“. Cem ist ein in der Gemeinschaft vollzogenes Ritual mit mehreren Familien/der ganzen Dorfgemeinschaft. Die Praktizierung des Rituals erfolgte im dörflichen Kontext in einem „große[n] Haus im Dorf, nicht […] ein Gebäude, das als [c]em […] Haus […] [cemevi] allein dem religiösen Zweck vorbehalten war“ (ebd.).

  24. 24.

    Der Begriff „Tanz“ wird hier explizit vermieden, da semah (tr.) ein religiöses Ritual (im cem) und „Tanz“ vielmehr eine negativ konnotierte sunnitische Fremdbeschreibung von alevitischen Ritualpraktiken war/ist.

  25. 25.

    Sowohl in der Türkei als auch in Deutschland herrscht unter Sunniten das Gerücht (vgl. auch Massicard 2007: 37), dass am Ende eines cems „die ‚Kerzen gelöscht“ (Sökefeld 2008a: 8) (tr.: mum söndürmek) und „inzestuöse Orgien gefeiert werden“ (ebd.). Daher auch die Bezeichnung „‚Ana bacı tanımaz‘“, d. h., ‚sie kennen weder Mutter noch Schwester“ (ebd.). Die Haltlosigkeit dieser Vorwürfe sollte hier nicht noch einmal explizit hervorgehoben werden müssen.

  26. 26.

    Die Arbeit schließt an die Vermutung Massicards (2007: 72–73) an, dass die Marginalisierung von Alevit:innen bei ihrer Organisierung eine Rolle gespielt hat, wird dies aber differenziert mit entsprechenden soziologischen Instrumenten analysieren und erweitern, siehe Kap. 3 und 6.

  27. 27.

    In Anlehnung an Şahin 2005.

  28. 28.

    Zur Sichtbarkeit der Religion in der Öffentlichkeit bzw. zum Verhältnis Öffentlichkeit und Religion vgl.: Casanova 1994. Er untersucht die beobachtbare mediale Präsenz von Religion sowie deren zunehmende zentrale Rolle in öffentlichen Diskursen (vgl. ebd.: 5). Diesen Prozess der Bedeutungszunahme von Religion in öffentlichen Arenen beschreibt Casanova (1996) als „Deprivatisation“ bzw. „Ent-Privatisierung“ (ebd.: 184). Genau dies, nämlich der Eingang religiöser Argumente in die öffentlichen Arenen bzw. öffentliche Bedeutungszunahme von religiösen Optionen, ist im Falle der Türkei beobachtbar und mit dem Vorschlag einer Umkehrung der Habermas‘schen Figur des Übersetzungsvorbehalts am Beispiel der alevitischen Glaubensgemeinschaft rekonstruierbar (vgl. Kap. 56). Allerdings seien Casanovas Arbeiten auch kritisch zu betrachten. Ihm wird vorgehalten, sich nur auf das Christentum beschränkt zu haben. Insofern würden seine Überlegungen mit Blick auf nicht christliche Religionen, wie z. B. den Islam, zu kurz greifen (vgl. Joas 2020: 565). Dies gründe v. a. darin, wie Asad (2003) moniert, dass Casanova mit einem christlich-europäisch geprägten Säkularitätsbegriff operiert, dessen Übertragung auf nicht christliche bzw. nicht westliche Gesellschaften ein Problem darstelle.

  29. 29.

    Alevit:innen werden im Osmanischen Reich als (tr.) „mülhid“ und „zındık“ (Massicard 2007: 32–33, Hvg. E.Y.) bezeichnet. Beides sind im islamischen Kontext herabsetzende Ausdrücke (dt. vergleichbar mit: Ketzer, Apostat oder Häretiker, ebd.: 32–38).

  30. 30.

    Während die Historie der Alevit:innen meist mit Verfolgung und Unterdrückung verbunden wird, legt Benjamin Weineck mit seiner Arbeit „Zwischen Verfolgung und Eingliederung“ (2021) eine Neubewertung ihrer Geschichte vor. Mit seiner Studie untersucht er das Verhältnis der Alevit:innen zum Osmanischen Reich vom 16.–18. Jahrhundert und zeigt anhand bisher ungenutzter osmanischer Quellen in der Alevitentumforschung, dass Alevit:innen nach der Verfolgung „in unterschiedlichen Kontexten regelmäßig mit Agenten des Staates interagierten“ (Klappentext Weineck 2021). Weineck kann eine Etablierung eines Verhältnisses nachweisen, „das vor allem auf zweckdienliche Einbindung dieser Gruppen in den osmanischen Herrschaftszusammenhang zielte“ (ebd.). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird mit Blick auf das in der alltäglichen Praxis und in Interaktionen der Alevit:innen und in alevitischen Organisationen rekonstruierte, dominante Narrativ der Verfolgung als Referenzrahmen für die Deutungen verwendet. Mit dem Verweis auf Weinecks Arbeit soll hier gezeigt werden, wie zentral in diesem Zusammenhang eine differenzierte Betrachtung und Einordnung der Forschungsergebnisse ist.

  31. 31.

    Aus Angst vor Verfolgung und Ermordung setzte sich allmählich das Prinzip der Mündlichkeitstradition durch die dede-Familien fort. Deswegen wird das Alevitentum oft als orale Tradition charakterisiert (vgl. Gümüş 2007; Sökefeld 2005b: 50–51, 2003: 247).

  32. 32.

    Massicard (2007: 53–54) beschreibt ausführlich die migrationsbedingten Veränderungen auf Alevit:innen und ihre Glaubenspraxis.

  33. 33.

    Im Osmanischen Reich haben Alevit:innen vermieden, osmanische Gerichte oder Muftis zu konsultieren. Dies gründete darin, dass sie unter den Repressalien des Osmanischen Reichs litten und nicht zusätzlich auffallen wollten. Zudem wollten sie nach außen Stärke, Unabhängigkeit und eine friedlich lebende Einheit konstruieren (vgl. Massicard 2007: 38). Für eine Gegendarstellung bzw. Neubewertung der alevitischen Historie, die die oben dargestellt Perspektive in Frage stellt: vgl. Weineck 2021.

  34. 34.

    Siehe auch: Laҫiner 1989: 241–254; Seufert 1999: 75.

  35. 35.

    Wie diese Übergriffe die Wahrnehmung und (öffentliche) Haltung der Alevit:innen veränderten und prägten siehe: Massicard 2007: 84–88.

  36. 36.

    Zum Beispiel im Jahre 1993 in der türkischen Stadt Sivas, 1980 in Çorum und 1978 in Maraş.

  37. 37.

    Nach Massicard (2007: 222) sei es der alevitische Bewegung nicht gelungen, ein sprech- und handlungsfähiger politischer Akteur zu werden. Die politische Beteiligung habe zur Zersplitterung mit verschiedenen politischen Haltungen und Interessen geführt (ebd.).

  38. 38.

    Zur Anerkennung der Alevit:innen als Religionsgemeinschaft im Kontext von integrationspolitischen Fragen und Diskursen in Deutschland siehe einschlägig: Sökefeld 2008c.

  39. 39.

    Der alevitischen Gemeinde in Nordrhein-Westfalen wird im Jahr 2020 auf Bundesebene erstmals der Status „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ (Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen 2021) verliehen. Damit ist sie „als anerkannte Religionsgemeinschaft“ (Alevitische Gemeinde Deutschland e. V. 2020b) den christlichen Kirchen gleichgestellt. Mit der „Körperschaft in der Form eines Vereins“ hätten für die Alevit:innen ihr Engagement und ihre Arbeit „Sichtbarkeit und […] Wertschätzung erfahren“ und „die höchste Form der gesellschaftlich-juristischen Anerkennung“ (ebd.) erhalten.

  40. 40.

    Vgl. türkisches Vereinsgesetz von 1983 (Türkiye Cumhuriyeti Kültür ve Turizim Bakanlığı Teftiş Kurulu Başkanlığı 2019). Das Verbot bezog sich nicht nur auf Vereine (2908. Vereinsgesetz, Abs. 2 und 5), sondern ebenso waren Stiftungsgründungen verboten (4721. Zivilgesetz, Abs. 101, tr.: T.C. Resmî Gazete 2001). Dies wurde aber u. a. im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen und Reformbestrebungen der Türkei gelockert bzw. teils geändert (vgl. Massicard 2007: 248). Alevitischen Organisationen war es qua Rechtsbeschluss (ab dem Jahr 2000) möglich, Alevi, cem bzw. überhaupt alevitische Begriffe in die Satzung aufzunehmen und ein cem offiziell durchführen zu können (ebd.: 249). Außerdem ist der Rechtsstatus von Stiftungen im Vergleich zu Vereinen geschützter. So müssen zur Schließung einer Stiftung z. B. grobe Rechtsverstöße oder Straftaten vorliegen. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal (bzgl. Des Rechtsstatus) ist, dass Vereine der Kontrolle des Innenministeriums unterliegen und sich meist über Spendengelder und/oder Mitgliedsbeiträge finanzieren; Stiftungen werden vom Stiftungsamt kontrolliert und haben größere finanzielle sowie politische Ressourcen zur Verfügung (ebd.: 250).

  41. 41.

    Zum misstrauischen Verhältnis des türkischen Staates zu Alevit:innen vgl. İçduygu/Soner 2006.

  42. 42.

    Eines der wichtigsten Differenzen ist die Veränderung der am Ritual teilnehmenden Gemeinschaft selbst. Denn die vertrauten Dorfgemeinschaften, die enge dede-talip-Beziehung und „dieser [d]ede, dem alle Angehörigen der Gemeinschaft zugeordnet waren, das Ritual leitete, gehören […] der Vergangenheit an“ (Sökfeld 2005a: 210–211, Hvg. E.Y.).

  43. 43.

    Erste Alevitische Vereine hatten einen kulturellen Schwerpunkt: 1963 wurde in Ankara das erste, öffentliche cem vom „Hacıbektaş Turizm ve Tanıtma“-Verein durchgeführt (vgl. Massicard 2007: 55). Die Vereinsgründung wurde in der Türkei nach 1983 wieder zugelassen (ebd.: 74).

  44. 44.

    Hier z. B.: Politiker:innen, Geschäftsleute, Journalist:innen, Schriftsteller:innen (tr.: araştırmacı/yazar), ehemals linke Revolutionär:innen und linke Vereinsleiter:innen.

  45. 45.

    Mit dem „dede-Amt“ ist hier das dedelik gemeint (dt.: jmd., der dede ist und dies ausführt/das Verhalten als dede; bezeichnet das dede-Sein). Die Arbeit bevorzugt die türkische Schreibweise dedelik, um v. a. semantische Missverständnisse zu vermeiden. Denn mit der Bezeichnung Amt geht eine offizielle, eher institutionalisierte Position (im Staat, in der Gemeinde, in der Kirche) einher. Eine derartige Institutionalisierung des dedeliks, so die Annahme, liegt bei der alevitischen Glaubensgemeinschaft derzeit (noch) nicht in dieser Form vor.

  46. 46.

    Zum Wandel der religiösen Autorität des dedes in der Moderne vgl.: Dreßler 2013c.

  47. 47.

    Zum komplexen Verhältnis der Alevit:innen zum türkischen Staat vgl.: Bardakci et al. 2017: 97–131.

  48. 48.

    Zur Begriffsverwendung religiöse Glaubensgemeinschaft hier in Anschluss an Sökefeld (2005a): Mit der offiziellen Bezeichnung „der Alevitischen Gemeinde als ‚Glaubensgemeinschaft‘“ (ebd.: 219–220) geht die Schwierigkeit einher, dass eine Gemeinschaft, die sich überwiegend nicht als religiöse Gemeinschaft definiert, „sich [aber] im interreligiösen Dialog engagiert und Religionsunterricht erteilen möchte“ (ebd.). Diese „formelle Selbstdefinition als Religionsgemeinschaft“ (ebd.) gründe im „diskursiven und institutionellen Kontext […] und [ist] weniger ein […] veränderte[s] Selbstverständnis der Alevis“ (ebd.).

  49. 49.

    Der EGMR hat in seinem Urteil (vom 26.04.2016, Beschwerde-Nr. 62649/10, in der Prof. Dr. İzettin Doğan, Gründer und Ehrenvorsitzender der CEM-Stiftung, und andere gegen die Türkei klagten) eine Untersuchung zur finanziellen und organisationalen Situation des religiösen Lebens der Alevit:innen in der Türkei durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass der türkische Staat im Umgang mit Alevit:innen gegen die Religionsfreiheit (gemäß Art. 9 Europäische Menschenrechtskonvention, fortan: EMRK) sowie gegen das Diskriminierungsverbot (gemäß Art. 14 EMRK) verstößt (European Court of Human Rights. Grand Chamber 2016). Vgl. auch: Simsek 2016, Pressestimmen: Zeit Online 2016; Frankfurter Allgemeine 2016; Spiegel Politik 2016.

  50. 50.

    Wenngleich die Existenz des Diyanets von der Mehrheit der Türken befürwortet wird, kritisieren viele seine Dienstleistungen, weil sie sich ausschließlich auf die Sunniten beschränkten. Viele Türken sind der Meinung, die Diyanet-Dienstleistungen sollten auch auf „alevitische Muslime“ (KONDA 2014: 107, vgl. auch: KONDA 2019) ausgeweitet werden, weil sie defizitär einbezogen seien und das Diyanet als staatliche Institution die religiösen Bedürfnisse der gesamten türkischen Bevölkerung berücksichtigen müsse (vgl. Seufert 2017: 22).

  51. 51.

    Zu den Workshops und den detaillierten Forderungen vgl.: Dreßler 2013a: 12–13.

  52. 52.

    Weitere für diese Arbeit zentrale theoretische, methodische, begriffliche Konzeptionen und die jeweilige forschungskontextuelle Einbettung, Entwicklung, Explikation sowie Konkretisierung und (kritische) Reflexion erfolgen im Verlauf der Ausführungen.

  53. 53.

    Hier soll eine Auswahl an Forschungen, die für den Kontext dieser Arbeit von Relevanz bzw. zur Einbettung der Forschungsthematik in den größeren Forschungskontext notwendig sind, kursorisch erwähnt werden. Für einen ausführlichen Überblick der bisherigen Forschungen zum Alevitentum und zu Alevit:innen, differenziert nach Disziplinen vgl.: Yıldırım 2018.

  54. 54.

    Auch Oktay Uslu (2017) kritisiert das Fehlen ausgereifter spezifischer Methoden und Theorien.

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Yıldızlı, E. (2023). Einleitung. In: Multiple Übersetzung der Religion. Veröffentlichungen der Sektion Religionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-43218-8_1

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