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Verhärtung: Von den 2000er-Jahren bis heute

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Politiken der Un-Ordnung

Zusammenfassung

Sowohl eine allgemeine, situationsübergreifende Theorie des Polizierens von Protest, als auch die Analyse polizeilichen Archivmaterials und Beobachtungen vor Ort zeigen, dass die unterschiedlichen Formen dieses Polizierens und damit der Verlauf der Ereignisse von einer differenzierenden polizeilichen Wahrnehmung der demonstrierenden Gruppen im Zusammenspiel mit deren Strategien sowie der Interventionen, der Politik bestimmt werden. Vor dem Hintergrund der neoliberalen Wende des Wohlfahrtsstaates, der Einsparungen im Bereich der Sozialpolitik und des Anwachsens der sozioökonomischen Ungleichheit, ist es nicht verwunderlich, dass die Regierenden versucht sind, die Modalitäten polizeilicher Einsätze zu verschärfen, nicht zuletzt angesichts der Vielfalt oppositioneller Haltungen in großen Teilen der Bevölkerung. Die Verhärtung fällt umso heftiger aus, als die Bewegung der Gelbwesten in den Jahren 2018 und 2019 einige Besonderheiten aufweist: Sie agiert in bisher ungewohnten Formen und wird von demonstrationsunerfahrenen Bevölkerungsgruppen getragen, weshalb sie in den Augen der Polizei und der örtlichen Behörden zunächst unter einem Legitimationsdefizit leiden, das sich erst allmählich legt.

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Notes

  1. 1.

    Zur Situation in den USA, Großbritannien und Deutschland siehe Seymour Martin Lipset (1971); Maureen E. Cain (1973); Rafael Behr (2008).

  2. 2.

    [Wie in allen europäischen Staaten besteht die Polizei auch in Frankreich ursprünglich aussschließlich aus Männern. In den für das Polizieren von Protest besonders relevanten CRS wurden bis 2009 gar keine Frauen beschäftigt, 2018 waren es dann 357, die 3,23 % der Einsatzkräfte ausmachten. Die städtische Polizei besteht in 2015 zu 16 % aus Frauen aller Dienstgrade, inzwischen werden auch einige der Polizeidirektionen der Départements (DDSP) von Frauen geführt. In die Gendarmerie wurden Frauen 1972 gesetzlich zugelassen, die erste Generalin wurde 2013 ernannt. In den Schwadronen der EGM machen Frauen bis heute jedoch einen verschwindend kleinen Anteil aus. Seit den 1970er-Jahren lässt sich also von einer schleichenden Feminisierung der Police nationale und der Gendarmerie sprechen, die aber nicht zuletzt durch den höheren Frauenanteil in administrativen und technischen Abteilungen bedingt ist. Siehe Geneviève Pruvost (2008) und Christophe Plourin (2015)].

  3. 3.

    Bei Lesley Wood (2014) finden sich ausgezeichnete Beispiele für Gerüchte und Legenden und ihre – auch internationale – Verbreitung von Polizei zu Polizei.

  4. 4.

    Im Bereich des Fußballs findet man z. B. Kategorisierungen nach ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Fans: „Die Fans und die Unerträglichen, die Verrückten“, formulierte es etwa Innenminister Brice Hortefeux 2010, zitiert in Nicolas Hourcade (2010, S. 125).

  5. 5.

    Dieses Schema beruht auf unseren Interviews. Die jeweilige Position der Elemente in jedem Quadranten verweist nicht auf eine statistische Auswertung, wenngleich sie einer geometrischen Analyse gleicht. Vielmehr handelt es sich um eine Illustration zur Verdeutlichung des Gegenstandes. Ferner entstammen unsere Interviewten ausschließlich der Polizeiführung. Interviews mit unteren Rängen hätten nicht die gleichen Ergebnisse gezeitigt. Unser Schema bezieht sich einerseits auf eine Typologie der Gruppen (in Kleinbuchstaben), zum anderen auf eine Typologie der Situationen (in Versalien).

  6. 6.

    Die Taktik der ‚anarcho-autonomen‘ Bewegung zielt auf die „Symbole des Kapitalismus“: Auf Banken oder Firmenzeichen von multinationalen Unternehmen; ab dem Jahr 2016 während der Proteste gegen die Arbeitsrechtsreform „El Khomri“ dann auch auf die lokalen Büros von Abgeordneten.

  7. 7.

    CPE (Contrat Première Embauche) bezeichnet den Arbeitsvertrag bei Ersteinstellung. Das Gesetz erlaubte, Arbeitnehmer*innen unter 26 Jahren in Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeiter*innen während der ersten zwei Jahre des Arbeitsverhältnisses ohne Begründung und ohne Vorwarnung entlassen zu können. Siehe zu den Demonstrationen gegen dieses Gesetz Fabien Jobard (2010) und Kamel Boukir (2018).

  8. 8.

    Dieser Begriff entstammt dem Sprachgebrauch der Polizeien Hamburg und Berlin. Er bezeichnet schwarz gekleidete und vermummte Einzelpersonen oder Gruppen, die im Rahmen von Antiglobalisierungs-Demonstrationen Straftaten begehen. Der Begriff kennzeichnet weniger einen festen Gruppentypus als einen Modus des Zusammenfindens (im weitesten Sinne in Form einer Bezugsgruppe) sowie die Praxis und Vorgehensweise, sich durch Uniformierung mittels schwarzer Kleidung und Vermummung zu anonymisieren, bevor Zerstörungen von Symbolen des Staates und des Kapitalismus in Angriff genommen werden und der physische Kontakt mit den Ordnungskräften gesucht wird. Siehe hierzu Olivier Cahn (2010); zur Geschichte und zur Philosophie des Schwarzen Blocks Francis Dupuis-Déri (2014).

  9. 9.

    Isabelle Sommier und ihr Team stellten, vor allem gestützt auf Berichte der Nachrichtendienste, eine Art Spezialisierung in der Auswahl der Ziele fest: Demnach sollen sich die Anarchist*innen eher auf Gewalt gegen Sachen konzentrieren, die Autonomen und vor allem die Antifaschist*innen die Konfrontationen mit den Ordnungskräften suchen – was bei den Letztgenannten im Wesentlichen einer ritualisierten und kontrollierten Ausdrucksform entspreche (Isabelle Sommier et al. 2021).

  10. 10.

    [Tobruk, Libyen, war während des Zweiten Weltkrieges eine heftig umkämpfte Stadt, die nach vorübergehender Besetzung durch alliierte Truppen im Sommer 1942 für kurze Zeit von deutschen Truppen des Afrika-Korps unter Rommel und den italienischen Verbündeten erobert wurde. „Un Taxi pour Tobruk“ ist ein bekannter Kriegsfilm aus den 1960er-Jahren.]

  11. 11.

    Manche Anstrengungen der Polizei können schon für sich genommen ihre Vorgesetzten in Bewunderung versetzen, wie es dieser hochrangige Polizeichef von Paris erklärt: „Sie vollbrachten wahre Wunder, sie rissen sich ein Bein aus, um Kontakte zu bekommen.“ (Interview, 2019)

  12. 12.

    Die Nachrichtendienste sind in sieben Abteilungen organisiert. Die Abteilung zur Beobachtung „gesellschaftlicher Sachverhalte“ war nicht in der Lage, eine derartig große Bewegung zu antizipieren. Einige Präfekt*innen übten Druck auf die Regierung aus, um die weitreichenden Befugnisse der Nachrichtendienste gegen die Gelbwesten einzusetzen (telefonische Überwachung, Observationen etc.). Sie stützten sich auf das Gesetz vom 24. Juli 2015 über die Nachrichtendienste, das im Artikel 811–3 CSI das präventive Einschreiten gegen Formen kollektiver Gewalt vorsieht, die den öffentlichen Frieden gravierend gefährden könnte.

  13. 13.

    Zur Sozialstruktur der Polizei siehe Geneviève Pruvost und Ionela Roharik (2011). Diese sozialdemografische Nähe zwischen Polizei und Gelbwesten wirkte sich insofern auch auf die Politik aus,  als die Beamt*innen von einer Welle des Misstrauens gegenüber der Regierung und, noch beunruhigender, gegenüber ihren eigenen Gewerkschaften erfasst worden waren. Siehe Camille Noûs, (2019); Marion Guenot (2019).

  14. 14.

    Zum Beispiel beschreibt die Journalistin Pascale Pascariello (2019) die Reaktionen der unteren Polizeiränge auf diese Bewegung und die ihnen gegebenen Anweisungen.

  15. 15.

    Wegen der Zerstörung der Mautstellen von Narbonne wurden 21 Personen zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt, darunter am 7. Januar 2020 eine Strafe von fünf Jahren für den Fahrer eines als Rammbock benutzten Fahrzeugs. Die Staatsanwaltschaft hatte sehr harte Strafen gefordert und Szenarien des Chaos, des Guerillakriegs und der Apokalypse heraufbeschworen, deren Verursachende Teil eine r „dummen und brutalen Menge“ gewesen seien.

  16. 16.

    Dieses Phänomen ist nicht neu. Ein Beispiel bildet die von Kranken- und Pflegekräften im Oktober 1991 veranstaltete Demonstration; die Teilnehmenden versuchten, sich den Gittertoren des Präsidentenpalastes zu nähern. Die Polizei setzte massiv Wasserwerfer ein (die daraufhin für etliche Jahrzehnte in den Garagen verschwanden).

  17. 17.

    Dasselbe Phänomen lässt sich bei den meisten Bewegungen beobachten, die aus großen Platzbesetzungen entstanden, sei es im Zuccotti Park, im Gezi Park oder während der Anfänge der Bewegung Black Lives Matter. Als der Juwelier Stephan Turk im September 2013 in Nizza einen Mann erschoss, der versuchte, seinen Laden zu überfallen, und sich in den sozialen Netzwerken Millionen von Unterstützer*innen fanden, erlebte Frankreich ein ähnliches Phänomen.

  18. 18.

    Tufekci analysiert das Phänomen der „Filterblase“: Es bezeichnet die algorithmische Selektion von Informationen nach den bisher bekannten Präferenzen und zugleich die Isolation, die sich einstellt, wenn man auf diese Weise Informationen immer derselben Art erhält.

  19. 19.

    Solche Feststellungen könnten die Kritik an der Mobilisierung über soziale Medien stützen. Die sozialen Netzwerke gelten als schwach, virtuell und demnach ineffizient. Sie sind jedoch für Gruppen mit geringen Ressourcen durchaus effiziente Mittel, um Zugang zu den Medien des Mainstreams zu bekommen, die soziale Kämpfe gewöhnlich schweigend übergehen (siehe das Kap. Die Medien).

  20. 20.

    Die Senghorbrücke ist eine Fußgängerbrücke über die Seine, die vom Musée d’Orsay abgeht. Auf dieser Brücke schlug der ehemalige nationale Boxmeister jenischer Abstammung Christophe Dettinger einen Gendarmen ins Gesicht. Dettinger wurde daraufhin zu 30 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

  21. 21.

    Diese umfangreichen und langwierigen Recherchen, wie sie sich eine Redaktion wie Le Monde noch leisten kann, sind wie strafrechtliche Ermittlungen strukturiert. Sie ersetzten den Gelbwesten und einem großen Teil der öffentlichen Meinung jene offiziellen Untersuchungen, wie sie die Generalinspektion der Police nationale (IGPN) einleitet. Solche Untersuchungen finden nur unregelmäßig statt und sind langwierig und intransparent. Sie wirken zudem unglaubwürdig, wenn die Direktorin der IGPN in der Tageszeitung Le Parisien verlauten lässt, sie „weise den Begriff ‚Polizeigewalt‘ gänzlich und entschieden zurück“ (Le Parisien, 14. Juni 2019).

  22. 22.

    In Paris folgt man diesen Strategien nicht notwendigerweise, da die hohe Zahl verfügbarer Ordnungskräfte es dort erlaubt, nach Maßgabe des Gesetzes von 2010 Einzelne durch präventive Festnahmen zu isolieren (siehe das Kap. Die Ordnung und ihr Recht).

  23. 23.

    Titelschlagzeile von Paris Match: „Les nouvelles hordes sauvages“ (Die neuen Barbarenhorden) (Nr. 2166, November 1990). Le Monde spricht von „städtischem Western in Originalformat“ und von einer „seit Mai 68 nicht gesehenen Verwüstung“ (14. November 1990).

  24. 24.

    Für eine detaillierte Analyse dieser Veränderungen siehe Donatella della Porta und Olivier Fillieule (2004) sowie Christian Scholl (2012).

  25. 25.

    Das erste Auftreten der Tute Bianche scheint 1998 anlässlich der Besetzung einer Abschiebehaftanstalt in Triest stattgefunden zu haben; der Aktion folgt die endgültige Schließung dieser Anstalt. Im Mai 2000 engagierten sich die Tute Bianche gegen die Abhaltung eines Neonazi-Kongresses in Bologna.

  26. 26.

    Für detaillierte Analysen dieser Veränderungen siehe Donatella della Porta und Olivier Fillieule (2004); Christian Scholl (2012).

  27. 27.

    Siehe den Dokumentarfilm von Maren Girgensohn, Tactical Frivolity (Mirabelle Productions, 2007), über den britischen Pink-and-Silver-Bloc auf dem Weg nach Prag.

  28. 28.

    Festzuhalten ist ebenfalls die Entstehung von Rosa Panther genannten Gruppen, die den Taktiken der Pink Blocs ähneln.

  29. 29.

    Diese Taktiken werden im Rahmen von Kursangeboten gelehrt. Man findet ein Beispiel in dem Handbuch, das Jon Davison ins Internet gestellt hat: https://www.jondavison.net/clowntraining.

  30. 30.

    Zur Theoriebildung dieser ZAD siehe Hakim Bey (2003).

  31. 31.

    Vgl. z. B. das Handbuch für die zum Polizieren von Protest eingesetzten Ordnungskräfte anlässlich des NATO-Gipfels von 2009 in Straßburg: http://media.de.indymedia.org/media/2009/04//246698.pdf.

  32. 32.

    Auch 2022 fand das G7-Treffen in Schloss Elmau statt.

  33. 33.

    Während des G8-Gipfels in Évian verfügte der Präfekt mit nicht weniger als zwanzig Dekreten Einschränkungen der Grundrechte in der „Roten Zone“.

  34. 34.

    Es ging auch darum, die Kosten der Ordnungsdienste in die Höhe zu treiben: Christian Scholl (2012) rechnet vor, dass der Bau der 125 km langen Barriere, die im Jahr 2007 das Konferenzzentrum in Heiligendamm abschirmte, 12,5 Mio. Euro kostete.

  35. 35.

    Die Abgrenzung von Zonen verändert die Stadtlandschaft (verbarrikadierte Schaufenster, Bewegungseinschränkung der Anlieger*innen etc.), was eine spannungsgeladene Atmosphäre erzeugt.

  36. 36.

    Ausbildungsliteratur der CRS zur „Stückelung“ von Umzügen vom September 2006 hebt hervor, dass eine solche Technik eine Demonstration in Teilen oder insgesamt zurückdrängen soll, um kleinere Gruppen davon abspalten zu können. Ferner gilt, „dass die Zusammensetzung der Demonstration bekannt sein muss, denn die Art des Eingreifens muss sich der Art der Menschen in der Menge anpassen (Frauen, Kinder, Neugierige etc.). Man darf Demonstrierende niemals in Sackgassen drängen“.

  37. 37.

    Diese Praxis wurde jedoch Gegenstand einer formellen Regelung durch die Polizeipräfektur von Paris, die dazu eine technische Handreichung erarbeitete. Siehe Défenseur des Droits (2017), S. 40.

  38. 38.

    In Hamburg wird dieses polizeiliche Vorgehen zwei Tage später eine Demonstration mit 50.000 Teilnehmer*innen zur Folge haben; es bildete sich daraufhin auch eine kritische Polizeigewerkschaft. Das Verwaltungsgericht Hamburg bewertete das polizeiliche Vorgehen als vorweggenommene Festnahme und erklärte es für unzulässig; jeder einzelnen auf diese Weise festgenommenen Person wurden 200 DM Entschädigung zugesprochen (Jochen Hofmann 1987).

  39. 39.

    Das House of Lords entschied, dass es sich um eine „nur restriktive“ und nicht um eine „freiheitsberaubende“ Maßnahme handelte und demnach keine Verletzung des Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstelle. Die Londoner Polizei führte dennoch folgende Verpflichtungen ein: vorherige Information aller Anwesenden über die beabsichtigten Maßnahmen (no-surprises approach), sofortige Evakuierung gefährdeter Personen, Bereitstellung von Toiletten und Aufrechterhaltung der Kommunikation während der gesamten Maßnahme (Peter Joyce und Neil Wain 2014).

  40. 40.

    Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Austin und andere vs. Vereinigtes Königreich, 15. März 2012, § 68 (Nr. 39692/09, 40713/09 und 41008/09). Einkesselung, stellte das Gericht fest, müsse jedoch verhältnismäßig sein, dem Zweck dienen, Verletzungen von Personen und Sachschäden zu vermeiden und dürfe nicht länger als vernünftigerweise notwendig aufrechterhalten werden. Siehe auch eine Auflistung aller Gerichtsentscheidungen, die Fragen des Artikels 5 behandeln, in EGMR (2022).

  41. 41.

    Défenseur des Droits (2017), S. 40. Auf der supranationalen Ebene erklärte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), derlei sei nicht zulässig, wenn „die Stärke der Ordnungsmannschaften nicht hinreicht, um Festnahmen Einzelner vorzunehmen, wodurch zahlreiche Teilnehmer ihrer Freiheit beraubt werden. Es gehört zu den positiven Verpflichtungen der teilnehmenden Staaten, für ausreichende Personalressourcen Sorge zu tragen, um das Versammlungsrecht zu schützen.“ Abgedruckt in Commission européenne pour la démocratie par le droit, 2. Ausgabe, 9. Juli 2010, S. 77. Das Original ist in englischer Sprache abgefasst.

  42. 42.

    Manuel Coisne wurde von der auf dem Helm eines street medic [Demo-Sanitäter] befestigten Kamera gefilmt, als er und seine Frau einen Ausweg aus dem Kessel suchten und eines seiner Augen von einer Tränengasgranate getroffen wurde. (Das dokumentierte insbesondere die Zeitung Le Monde, siehe Arthur Carpentier (2019). In Paris bediente man sich gerne dieser Techniken der Einkesselung. Siehe den Rahmenbeschluss des Défenseur des Droits (2020, S. 10) über das Polizieren von Protesten, in dem festgestellt wird, dass es für solche Einkesselungen keine rechtliche Grundlage gibt.

  43. 43.

    Franco Gabrielli, einer der verantwortlichen Polizisten zu dieser Zeit, sagte später über die Taten der Polizisten im Festnahmezentrum von Bozen, wohin man die Demonstrierenden verbrachte, aus: „In Bozen hat es Folterungen gegeben“ („Il G8 di Genova fu una catastrofe”: Gabrielli e la responsabilità di quei giorni, La Repubblica, 19. Juli 2017). Einer der Kommandanten der Spezialkräfte, Michelangelo Fournier, berichtete 2007 dem Gericht in Genua von dem „Gemetzel“ in der Diaz-Schule. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte den italienischen Staat, weil die inkriminierten „Folterungen“ weiterhin nicht verhindert wurden (EGMR Bartesaghi und andere gegen den italienischen Staat, 22. Juni 2017).

  44. 44.

    https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:42000A0922(02):de:HTML. Siehe auch Herbert Reiter und Olivier Fillieule (2006).

  45. 45.

    Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 147/1–5. Juni 1997. Siehe https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:1997:147:FULL&from=DE.

  46. 46.

    Siehe http://www.statewatch.org/news/2001/aug/7386-98.htm.

  47. 47.

    Fazit des Rates für Justiz, Innere Angelegenheiten und Zivilschutz, 13. Juli 2001, S. 7.

  48. 48.

    Sir Graham Watson war britischer Abgeordneter des Europäischen Parlaments.

  49. 49.

    EGMR, 26. März 1987, Entscheid Leander, Bd. 116, S. 6, § 59 und 60.

  50. 50.

    Manuel à l’usage des autorités et services de police, sur la sécurité lors d’événements internationaux comme les réunions du Conseil européen, doc. 12.637/3/02, ENFOPOL 123, 12. November 2002. Siehe http://www.statewatch.org/news/2003/jul/prothand12637-r3.pdf.

  51. 51.

    Siehe die vom unabhängigen Expert*innennetzwerk in ihrem Bericht Rapport sur la situation des droits fondamentaux dans l’Union européenne en 2003, Januar 2004, in Hinblick auf die Grundrechte formulierte Kritik (Charta of Fundamental Rights CFR-CDF).

  52. 52.

    Zur Grenze des Präventivrechts und allgemeiner zur Unterscheidung von freiheitlichen Demokratien und autoritären Regimen siehe die sehr aussagekräftigen Analysen von Olivier Cahn (2019).

  53. 53.

    Recommendations for Policing Political Manifestations in Europe. GODIAC, 2013. Siehe https://www.politieacademie.nl/kennisenonderzoek/kennis/mediatheek/PDF/92013.PDF.

  54. 54.

    Zum Projekt GODIAC, den Erwartungen und Ergebnissen siehe Gilles Descloux, Olivier Fillieule und Pascal Viot (2019).

  55. 55.

    Die zuständigen Behörden „können einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 vorliegen“ (§ 10 Absatz 1 PassG), was dann der Fall ist, „wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, daß der Paßbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet“ (§ 7 Absatz 1 Nr. 1 PassG). In solchen Fällen kann der Pass auch entzogen werden; ähnliche Bestimmungen gelten ebenfalls für Personalausweise. Verschiedene Verwaltungsgerichte haben diese temporäre Einschränkung der Reisefreiheit für zulässig erachtet.

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Fillieule, O., Jobard, F. (2024). Verhärtung: Von den 2000er-Jahren bis heute. In: Kretschmann, A., Legnaro, A. (eds) Politiken der Un-Ordnung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41398-9_4

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