Zusammenfassung
Der folgende Beitrag* richtet sich im ersten Teil zentral an Betriebsärzt*innen und stellt die grundlegenden Konzepte und Hintergründe eines betriebsärztlichen Gesundheitscoachings vor, das in einem dreieinhalbjährigen Forschungsprojekt mit der Zielsetzung, Gesundheit und Wohlbefinden von Beschäftigten mit digital vernetzter Arbeit zu verbessern, als eine besondere Form der betriebsärztlichen Beratung entwickelt und auf seine Wirksamkeit untersucht wurde. Hintergrund des Coachingansatzes, seine Einbettung in die betriebsärztliche Praxis sowie Rahmenbedingungen und praktische Durchführung werden erläutert. Die Wirksamkeitsprüfung wurde sowohl in einem randomisierten Interventions-Kontrollgruppendesign anhand verschiedener Gesundheitsfaktoren überprüft als auch anhand der Reaktionen der Teilnehmenden. Bezogen auf die betrachteten Gesundheitsparameter finden sich nur wenig Hinweise auf positive Effekte. Allerdings waren die Teilnehmenden mit der Maßnahme insgesamt sehr zufrieden und haben sie als sehr unterstützend erlebt. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse erscheint eine längerfristige Perspektive und enge Verzahnung mit verhältnispräventiven Maßnahmen sinnvoll.
*Kurzfassung einer Broschüre, die auf der Website des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin des Klinikums der LMU München zum Download zur Verfügung steht (http://ampa.arbeits.klinikum.uni-muenchen.de) (Heiden und Herbig 2022). Verzichtet wurde hier insbesondere auf einen Überblick über die wissenschaftliche Literatur zur Wirkung von Coaching sowie auf Zusatzinformationen wie Adressen und Links, die ebenfalls in der Broschüre zu finden sind.
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Notes
- 1.
Auf Ebene der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) wurde eine Kommission „Gemeinsam klug entscheiden“ eingerichtet (http://www.awmf.org/medizin-versorgung/gemeinsam-klug-entscheiden.html), die an einem Manual dazu arbeitet.
- 2.
Die genannten Empfehlungen zur Nutzung von Online-Formaten sind aus der Empirie der LedivA-Studie abgeleitet und nicht validiert. Es ist aber davon auszugehen, dass es aufgrund der enormen Zunahme von Video-Formaten in der Kommunikation in Folge der Corona-Pandemie in absehbarer Zeit eine breite Datenbasis zu Wirkung und Wirkfaktoren von Online-Trainings und auch -Coachings geben wird. Infolge wird die Durchführung von Reviews und Meta-Analysen möglich sein, die wiederum valide Aussagen bringen werden.
- 3.
Im Rahmen des Forschungsprojekts, auf dessen Ergebnissen dieser Beitrag beruht, endete das betriebsärztliche Coaching nach den Gesprächsterminen mit einer medizinisch-psychologischen Abschlussuntersuchung zur Gesamtevaluation der wissenschaftlichen Arbeiten. Inwiefern eine solche Untersuchung durchgeführt werden muss, ist abhängig von den betrieblichen Rahmenbedingungen. Sinnvoller als eine unmittelbar im Anschluss an ein Coaching durchgeführte Untersuchung sind regelmäßige Verlaufsuntersuchungen in bestimmten Zeitabständen, um Veränderungen physiologischer und psychologischer Parameter in Zusammenschau mit dem Coaching interpretieren und Verbesserungen auf ihre Nachhaltigkeit prüfen zu können.
- 4.
Arbeitsgruppe von etwa zehn Ärzt*Innen, die sich regelmäßig treffen, um unter Leitung eines/einer Psychotherapeut*in oder Supervisor*in über „Problempatient*innen“ zu sprechen, die Arzt-Patienten-Beziehung zu reflektieren und zu einem verbesserten Verständnis für und verbesserte Behandlung von Patient*innen zu kommen.
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Heiden, B., Herbig, B. (2023). Betriebsärztliches Gesundheitscoaching bei Beschäftigten mit digital vernetzter Arbeit. In: Heinlein, M., Neumer, J., Ritter, T. (eds) Digital vernetzte Arbeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-40615-8_10
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