Zusammenfassung
Der vorliegende Artikel beschäftigt sich auf Basis einer Interviewstudie mit den Verwendungsweisen der Idee „psychische Störung“ im Feld der Sozialen Arbeit. Herausgearbeitet wird, wie komplex, verstrickt und folgenreich das Verhältnis zwischen der Profession der Sozialen Arbeit, den Wissensordnungen der Psychiatrie und der Lebenswelt der Klienten und Klientinnen gedacht werden muss und welche zentrale Rolle Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen bei der alltäglichen Reproduktion psychiatrischer Kategorien spielen. Mit dem Fokus auf psychiatrisches Wissen als „traveling concepts“ wird nicht nur auf Formen und Dynamiken aktiver Annahmen, Ablehnungen, Transformationen, Übersetzungen und/oder Verlebensweltlichungen fachfremden Wissens in Kontexten der Sozialen Arbeit fokussiert. Problematisiert werden soll darüber hinaus, mit welchen Paradoxien, Schwierigkeiten und (Selbst-)Thematisierungskonsequenzen die Übernahme medikalisierender/pathologisierender Konzepte in eine Profession einhergeht, die sich im Spagat zwischen diversen akademischen wie lebensweltlichen Wissensordnungen befindet.
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Harbusch, M. (2023). Reiserouten der Medikalisierung: Über Traveling Concepts und die verschlungenen Pfade zwischen Akademie und Lebenswelt. In: Schübel, T., Friele, B. (eds) Medikalisierung und Soziale Arbeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-40507-6_9
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