1 Einleitung

Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, an alterstypischen, chronischen Erkrankungen und funktionellen Beeinträchtigungen zu leiden (Kuhlmey & Blüher, 2014) – damit einhergehend steigt auch die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden. In Deutschland sind in der Altersgruppe der 60–65-Jährigen im Jahr 2018 4,3 % von Pflegebedürftigkeit betroffen, in der Altersgruppe der 80–85-Jährigen sind es bereits 19,9 % (Bundesministerium für Gesundheit o. J.). In den vergangenen Jahren ist ein Anstieg der Fälle zu verzeichnen, der sich fortsetzen wird (Statistisches Bundesamt, 2020). Waren im Jahr 2013 2,6 Mio. Menschen (Statistisches Bundesamt, 2015) pflegebedürftig, sind es aktuell bereits 4,2 Mio. Menschen (Bundesministerium für Gesundheit, 2020)Footnote 1. Ein gravierend hoher Anteil der Pflegebedürftigen leidet an einer demenziellen Erkrankung. Aktuell leben 1,6 Mio. Betroffene in Deutschland, 300.000 Fälle kommen jährlich dazu (Bickel, 2020).

Demenzielle Erkrankungen sind derzeit nicht kurativ behandelbar und führen aufgrund des progedienten Verlaufs zu erheblichen Beeinträchtigungen – dies betrifft sowohl die Menschen, die mit Demenz leben (MmD), als auch ihre versorgenden Angehörigen (Rothgang & Müller, 2018; Weyerer & Schäufele, 2006).

Als Konsequenz der Bevölkerungsalterung, der Zunahme von altersspezifischen Erkrankungen und dem damit einhergehenden Anstieg der Pflegebedürftigkeit ist die Frage nach Versorgungserfordernissen und -bedarfen zunehmend von Bedeutung – ein Anstieg der Nachfrage nach alternativen und integrativen Betreuungsformen ist dabei zu beobachten.

2 Versorgungskonzepte für Menschen mit Demenz in Deutschland

Um für MmD eine bedarfsgerechte Versorgung zu ermöglichen, müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Neben den Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen spielen das Stadium der Demenz, das individuelle Lebensumfeld, die finanziellen Ressourcen, die Wohnsituation sowie das Angebot im Umkreis eine Rolle (Sonntag & von Reibnitz, 2014; Wächtler, 2003).

Im internationalen Vergleich bietet Deutschland eine große Auswahl an Unterstützungsangeboten, deren jeweilige Verfügbarkeit jedoch vom Wohnort der Pflegebedürftigen abhängig ist. Ländliche Regionen, wie sie z. B. auch zu großen Teilen in Schleswig–Holstein zu finden sind, bieten i. d. R. ein weniger vielfältiges Angebotsspektrum, als dies in Ballungsgebieten der Fall ist.

Als eine alternative Betreuungsform, auch für MmD, hat sich in vergangenen Jahren das Konzept der Green Care Farms entwickelt und international erfolgreich durchgesetzt (Gräske et al., 2018; Jungmair & Meixner, 2016). Wissenschaftliche Ergebnisse hierzu liegen derzeit überwiegend aus den Niederlanden und Norwegen vor und berichten über positive Ergebnisse bspw. in Bezug auf physische Aktivität, bessere soziale Interaktion und Lebensqualität (de Boer, 2017a, b; de Bruin, 2011; de Bruin et al., 2009, 2010, 2015, 2019; Finnanger-Garshol et al., 2020a, b; Myren 2017; Schols & van der Schriek van Meel 2006; Sudmann & Børsheim, 2017).

Auch in Deutschland gibt es erste Entwicklungen: Das Kompetenzzentrum Demenz Schleswig–Holstein und die Landwirtschaftskammer Schleswig–Holstein haben im Rahmen der „Allianz für Menschen mit Demenz“ zwischen 2015 und 2018 das Projekt Bauernhöfe als Orte für MmD in Schleswig–HolsteinFootnote 2 initiiertFootnote 3. Bislang haben dort 14 landwirtschaftliche Betriebe ein Angebot, bei dem MmD stundenweise von fortgebildeten Ehrenamtlichen und Fachkräften betreut werden.

Ein verlässlicher Überblick über diese Betreuungsform, sowohl im Angebots- wie im Nutzerbereich, fehlt bislang in Deutschland. Dies ist jedoch notwendig, um das Konzept sachgerecht umsetzen zu können. Die Universität Bremen wurde daher im Jahr 2017 vom Kompetenzzentrum Demenz Schleswig–Holstein beauftragt, Daten zu dem im Aufbau befassten Angebot Bauernhöfe als Orte für MmD zu erheben, um damit dessen Entwicklung abzubilden.

3 Ziele und Methodik

Das Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, exemplarisch die Situation der Bauernhöfe als Orte für MmD in Schleswig–Holstein abzubilden, indem die Ressourcen und Barrieren des Angebotes aufgezeigt werden. Folgende Aspekte stehen dabei im Fokus:

  1. a)

    Sicht aus administrativer Perspektive auf das Versorgungsangebot,

  2. b)

    Erfahrungen und Erwartungen bisheriger und zukünftiger Anbieter*innen,

  3. c)

    Erwartungen vollstationärer und ambulanter Leistungsanbieter*innen und

  4. d)

    Erwartungen potenzieller Nutzer*innen an das Versorgungsangebot.

Die Erhebung erfolgte im Jahr 2017 mit einem Mixed-Methods-Ansatz, der zur Bearbeitung der Teile a) und b) Experteninterviews und zur Bearbeitung der Teile c) und d) standardisierte Querschnittserhebungen beinhaltete.

3.1 Experteninterviews

Für die Erhebung der administrativen Perspektive auf das Versorgungsangebot sowie der Sicht von bisherigen und zukünftigen Anbieter*innen des Angebotes wurden leitfadengestützte qualitative Interviews geführtFootnote 4, in denen Aspekte in Bezug auf die verschiedenen Leistungsangebote, die Finanzierung, Barrieren, Bedarfe etc. erhoben wurden. Die qualitative Auswertung des Interviewmaterials mittels induktiver Kategorienbildung erfolgte nach dem Verfahren der zusammenfassenden und strukturierenden Inhaltsanalyse nach Mayring (2003).

3.2 Standardisierte Befragung von Pflegeeinrichtungen

Die Erhebungen von Erwartungen (teil-)stationärer und ambulanter Leistungsanbieter an das Versorgungskonzept sowie das Erfassen möglicher Problemfelder und spezifischer Bedarfe/Wünsche erfolgte als schriftliche Querschnittsstudie und wurde per Online-Fragebogen umgesetzt. Zielgruppe waren voll- und teilstationäre sowie ambulante Einrichtungen in Schleswig–Holstein, die das Versorgungskonzept in Anspruch nehmen (könnten). Der Link zur Online-Befragung wurde an n = 485 ambulante Einrichtungen und n = 655 teil- und vollstationäre Einrichtungen per E-Mail versandt. Die Datenhaltung und -auswertung erfolgte unter Verwendung von Excel 2016 sowie SAS 9.3.

3.3 Standardisierte Befragung (potenzieller) Nutzer*innen

Ziel war die Evaluation von Erwartungen potenzieller Nutzer*innen an das Versorgungskonzept sowie die Ermittlung der Akzeptanz und der Erwartungen daran. Die Befragung der (potenziellen) Nutzer*innen des Versorgungskonzeptes und ihrer Angehörigen wurde als schriftliche Querschnittsstudie mittels standardisierter Fragebögen in Papierform durchgeführt. Es wurden n = 27 Träger von sogenannten Angehörigentreffen für pflegende Angehörige angeschrieben und darüber Kontakt zu insgesamt n = 48 Angehörigen hergestellt, die postalisch angesprochen wurden, sich an der Befragung zu beteiligen. Die Datenhaltung und -auswertung erfolgte unter Verwendung von Excel.

4 Ergebnisse

Zunächst werden die Ergebnisse der qualitativen Interviews berichtet, gefolgt von den Ergebnissen der Online-Befragung der ambulanten und teil- sowie vollstationären Einrichtungen und den Ergebnissen der schriftlichen Angehörigenbefragung.

An den Interviews beteiligten sich insgesamt 10 Personen, davon wurden n = 6 Interviews mit Expert*innen der administrativen Gruppe und je n = 2 Interviews mit Landwirt*innen mit bereits bestehendem bzw. mit geplantem Konzept geführt.

4.1 Experteninterviews auf der administrativen Ebene

Die allgemeine Versorgung von MmD in Schleswig–Holstein ist geprägt durch kleine und ländliche Regionen und Gemeinden, in denen sich teils kaum individuelle Betreuungs- und Versorgungsangebote finden. Deshalb gibt es aus Sicht der Expert*innen besonders dort hohen Handlungsbedarf, um die bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen. Viele Angebote seien zudem nicht auf die besonderen Bedürfnisse der MmD zugeschnitten. Handlungsbedarf wird darin gesehen, das Krankheitsbild Demenz zu „enttabuisieren“ und durch Aufklärung eine Entstigmatisierung der Krankheit zu erzielen.

Im Allgemeinen wird ein Anstieg von speziellen Betreuungs- und Versorgungsangeboten für MmD berichtet. Die Angebote mit Inklusionscharakter seien dabei besonders wertvoll, da sie einen vielversprechenden Teil zur Enttabuisierung und Entstigmatisierung beitragen könnten. Als Barriere für die Inanspruchnahme bestehender Angebote wird jedoch u. a. der öffentliche Nahverkehr in den ländlichen Regionen beschrieben: Dieser sei oft schwach ausgebaut und überwiegend am Schulbetrieb ausgerichtet. Es herrsche ein Mangel an Alternativen, wie beispielsweise Bürgerbusse. Als problematisch wird ebenso eingeschätzt, dass viele versorgende Angehörige sich in keinem entsprechenden Hilfesystem befinden. So würden bspw. Beratungsstellen oft nicht involviert oder aufgesucht. Dies führe wiederum dazu, dass die Vielfalt der Betreuungs- und Entlastungsangebote für demenziell Erkrankte oft unentdeckt bleibt.

Für die Landwirt*innen biete das Bauernhofprojekt potenziell eine zusätzliche Einkommensquelle, die zu mehr Stabilität in einem landwirtschaftlichen Betrieb beitragen könne sowie den Erhalt der ländlichen Regionen und Gemeinden fördere, von denen immer mehr vom Aussterben bedroht seien. MmD hätten von einem angeleiteten Aufenthalt auf einem Bauernhof einen unmittelbaren Nutzen: MmD würden auf emotionaler Ebene angesprochen, ihre Erinnerungen geweckt und es herrsche ein soziales Miteinander in einer anregenden Atmosphäre.

Eine wesentliche Hürde bei der Umsetzung des Bauernhofprojekts sei es, genügend ehrenamtlich Mitarbeitende zu finden, die in der Nähe der Höfe leben, regelmäßig einsatzbereit sind und zudem bereit sind, eine 30-stündige verpflichtende Schulung zu absolvieren. Es wird auch berichtet, dass die Preisgestaltung des Angebots ein großes Problem sei, denn konkurrierende Betreuungsangebote würden oft viel preisgünstiger offeriert. Speziell ambulante Einrichtungen versuchten selbst, Betreuungs- und Entlastungsleistungen zu erbringen, und den MmD und deren Angehörigen bleibe oftmals das Spektrum weiterer Betreuungsmöglichkeiten unbekannt.

4.2 Experteninterviews mit Landwirt*innen mit bestehendem Konzept

Landwirt*innen, die bereits das Versorgungskonzept Bauernhöfe als Orte für MmD durchführen, berichteten, dass es genügend Anfragen von vollstationären Pflegeeinrichtungen und Tagespflegeeinrichtungen gäbe, jedoch nicht von Angehörigen von MmD. Geplant sei auf den Höfen i. d. R. einmal wöchentlich bis zu acht MmD gemeinsam mit ehrenamtlich Helfenden für 2–3 h zu betreuen. Die Kosten der Angebote entsprächen mit 12–15 €/h den Empfehlungen, eine darüberhinausgehende finanzielle Förderung für die Projekte bestehe derzeit nicht. Je nach Gruppe sei die Preisgestaltung dabei unterschiedlich, was zu Verunsicherung und Konkurrenzproblemen führe.

Der Nutzen für die MmD wird in der Arbeit auf dem Hof und mit den Tieren gesehen, diese solle einen Zugang zu ihnen ermöglichen und ausgleichend wirken. Dem Bewegungsdrang der Besucher*innen komme die Weitläufigkeit des Bauernhofes zugute. Als Nutzen für sich selbst wird die Möglichkeit einer zusätzlichen Einkommensquelle zum landwirtschaftlichen Betrieb gesehen.

Mehr Berücksichtigung sollte die Einhaltung von eindeutigen rechtlichen Rahmenbedingungen erfahren bzw. die Abklärung von Versicherungsschutz für Anbieter und Betroffene.

Eine weitere organisatorische Schwierigkeit sei z. B. ein fehlender Ansprechpartner für Detailfragen. Als Herausforderung wird auch die räumliche Situation auf den Höfen empfunden, da diese nicht barrierefrei seien. Ebenso werden infrastrukturelle Schwierigkeiten benannt, wie die fehlende öffentliche Verkehrsanbindung.

4.3 Experteninterviews mit Landwirt*innen mit Interesse am Versorgungskonzept

Landwirt*innen, die an der Umsetzung des Versorgungskonzepts Bauernhöfe als Orte für MmD interessiert sind, geben als Motivation dafür an, dass ein persönliches Interesse an der Versorgung von MmD besteht. Aber auch ein zusätzliches Einkommen ist Grund für die Planung der Einführung des Angebotes.

Bei der Planung des Angebots begegnen den Interviewten einige organisatorische bzw. räumlich bedingte Umsetzungsprobleme, so fehle es bislang teilweise an barrierefreien Zugängen, z. B. zum Garten. Als infrastrukturelle Hürde wird ebenfalls der öffentliche Nahverkehr wahrgenommen.

4.4 Standardisierte Befragung von Pflegeeinrichtungen

Die Darstellung der quantitativen Ergebnisse wird nach Befragungsergebnissen der ambulanten, teil- und vollstationären Einrichtungen sowie der Angehörigenbefragung unterteilt.

4.4.1 Ambulante, teilstationäre und vollstationäre Einrichtungen

Die Ergebnisse entstammen der Online-Befragung, die einerseits an teil- und vollstationäre sowie ambulante Einrichtungen verschickt wurde. Auch wenn es sich, wegen teils verschiedener Strukturen, um zwei unterschiedliche Befragungen handelte, werden die Ergebnisse für ambulante und teil- bzw. vollstationäre Einrichtungen weitestgehend zusammengefasst berichtet.

Es liegen Daten für insgesamt n = 26 teil- und vollstationäre sowie n = 16 ambulante Einrichtungen vor.

Das Angebot Bauernhöfe als Orte für Menschen mit Demenz

Das Betreuungs- und Versorgungsangebot kennen 25 % (n = 4) der ambulanten bzw. 35 % (n = 7) der teil- bzw. vollstationären Einrichtungen bereits. Von den Einrichtungen, die das Angebot noch nicht kennen, schätzen 69 % (n = 9) teil- bzw. vollstationäre sowie 31 % (n = 4) ambulante Einrichtungen dieses als interessant ein (siehe Abb. 9.1). Nur eine teil- oder vollstationäre Einrichtung würde das Angebot den Pflegebedürftigen ihrer Einrichtung nicht empfehlen (siehe Abb. 9.2).

Abb. 9.1
figure 1

Bewertung des Bauernhof-Angebotes

Abb. 9.2
figure 2

Empfehlung des Angebotes an Pflegebedürftige

An einer regelmäßigen Kooperation mit Bauernhöfen als Orte für MmD hätten 63 % (n = 10) der ambulanten und 53 % (n = 9) der teil- bzw. vollstationären Einrichtungen Interesse.

Barrieren für die Nutzung des Angebotes stellen für die Einrichtungen vor allem eine unzureichende Finanzierung sowie die Organisation der Fahrdienste dar (siehe Abb. 9.3, Mehrfachnennung möglich).

Abb. 9.3
figure 3

Barrieren bei der Nutzung des Bauernhof-Angebotes

Dass ein Fahrdienst zu dem Angebot unabhängig von ihnen organisiert wäre, ist den meisten Auskunftsgebenden sehr wichtig (siehe Abb. 9.4). 40 % (n = 6) der ambulanten und 85 % (n = 17) der teil- bzw. vollstationäre Einrichtungen wären bereit, selbst einen Fahrdienst zu organisieren, 60 % (n = 9) der ambulanten und 15 % (n = 3) der teil- bzw. vollstationäre Einrichtungen jedoch nicht.

Abb. 9.4
figure 4

Bedeutung eines externen Fahrdienstes zum Bauernhof-Angebot

Aus der folgenden Tab. 9.1 geht hervor, welche Kosten aus Sicht der Einrichtungen für das Bauernhof-Angebot höchstens anfallen dürften, wenn das Angebot auf dem Bauernhof etwa vier Stunden dauern würde und u. a. einen Hofrundgang, das Beobachten und Streicheln der Tiere, Basteln mit Naturmaterialien und Kaffee trinken umfasst.

Tab. 9.1 Kosten je 4 Std., die für das Bauerhof-Angebot anfallen dürften

Für 85 % (n = 17) der teil- bzw. vollstationären bzw. 82 % (n = 13) der ambulanten Einrichtungen wäre es (sehr) wichtig, dass das entsprechende Angebot nur von speziell zum Thema Demenz geschulten Helfer*innen durchgeführt wird. Nur jeweils n = 3 Einrichtungen schätzen dies als weniger wichtig ein.

Dass das Bauernhof-Angebot regelmäßig stattfindet, halten 60 % (n = 12) der teil- bzw. vollstationären bzw. 87 % (n = 13) der ambulanten Einrichtungen für (sehr) wichtig und 40 % (n = 8) der teil- bzw. vollstationären Einrichtungen für weniger wichtig bzw. unwichtig.

Alle Einrichtungen bewerten die regionale Nähe (kurze Anfahrtswege) der Angebote als (sehr) wichtig, um diese zu nutzen, nur eine Einrichtung schätzt dies als weniger wichtig ein.

4.4.2 Standardisierte Befragung von potenziellen Nutzer*innen

Folgend werden die Ergebnisse der standardisierten Angehörigenbefragung berichtet. An der postalisch durchgeführten Befragung beteiligten sich n = 8 Angehörige, davon waren n = 3 Töchter und n = 4 Ehefrauen von MmD (n = 1 fehlende Angabe).

N = 7 teilnehmende Angehörige geben an, das Angebot Bauernhöfe als Orte für MmD nicht zu kennen. Die eine Person, die das Angebot bereits kennt, bewertet dieses als interessant und würde es weiterhin nutzen bzw. weiterempfehlen.

Die Kosten, die anfallen dürften, wenn das Angebot auf dem Bauernhof etwa vier Stunden dauern würde, gehen aus Abb. 9.5 hervor (n = 1 fehlende Angabe).

Abb. 9.5
figure 5

Kosten, die für das Angebot anfallen dürften

Der Mehrheit der Personen ist ein Fahrdienst zu dem Angebot auf dem Bauernhof, der unabhängig von ihnen als Angehörige organisiert wäre, sehr wichtig (siehe Abb. 9.6). Alle Personen geben an, dass sie bereit wären, für einen organisierten Fahrdienst ein zusätzliches Entgelt zu zahlen (n = 1 fehlende Angabe).

Abb. 9.6
figure 6

von Angehörigen unabhängig organisierter Fahrdienst

Um an einem Angebot auf einem Bauernhof teilzunehmen, würde die Mehrheit der Angehörigen einen Fahrweg von bis zu 20 km auf sich nehmen, eine Person würde bis zu 100 km zu dem Angebot fahren (siehe Abb. 9.7, n = 1 fehlende Angabe).

Abb. 9.7
figure 7

Kilometer, die Angehörige bereit sind zu fahren

5 Diskussion

Im vorangehenden Text sind exemplarisch die Erfahrungen mit dem und Erwartungen an das Versorgungskonzept Bauernhöfe als Orte für MmD im Bundesland Schleswig–Holstein der verschiedenen Akteure bzw. Personengruppen beschrieben worden. Hauptanliegen der Studie war es, die Ressourcen und Barrieren dieses Angebotes zu evaluieren. Im Folgenden werden die Ergebnisse daher in Bezug darauf diskutiert.

Ressourcen

Als positive Erfahrung in Zusammenhang mit den Bauernhöfen wird erwähnt, dass keine zusätzlichen Aspekte notwendig wären, da die vorhandenen Ressourcen Programm genug für die MmD wären. Die Weitläufigkeit auf den Höfen ist ein Aspekt, der besonders hervorsticht, gerade in der Betreuung von MmD, die teilweise einen hohen Bewegungsdrang haben und dem möglichst im Freien Raum gegeben werden sollte (Halek & Bartholomeyczik, 2006).

Durch die natürlichen Gerüche oder Geräusche eines Bauernhofes könne sich an frühere Zeiten erinnert werden, was im besten Falle Wohlgefühle mit sich bringe. Da diese umweltbezogenen, aktivitätsbasierten und psychosozialen Interventionen nahezu natürlich in die Umgebung und den Tagesablauf von Bauerhöfen integriert sowie gleichzeitig vorhanden und kontinuierlich präsent sind, wird angenommen, dass diese mehr gesundheitliche Vorteile für MmD aufweisen als beispielsweise reguläre Tagespflegeeinrichtungen (de Bruin et al. 2010). Dass Personen, die Green Care Farms besuchen, bessere kognitive und funktionale Fähigkeiten sowie eine deutlich geringere Beteiligung an passiven und sinnlosen Aktivitäten aufweisen als die Bewohner*innen traditioneller Pflegeheime, beschreiben de Boer et al. (2015, 2017a, b).

Mit Blick auf den Strukturwandel der Landwirtschaft in Deutschland, der sich u. a. in einem Rückgang der Anzahl von vor allem kleineren Betrieben abbildet (Statistisches Bundesamt, 2017; Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2016), sowie fehlender Versorgungs- und Betreuungsangebote in ländlichen Regionen, könnte das Versorgungskonzept sowohl für die MmD und ihre Angehörigen ein wesentlicher und innovativer Baustein in der Versorgungslandschaft sein, als auch eine zusätzliche oder gar alternative Einkommensquelle für Bauernhöfe darstellen.

Barrieren

Als Herausforderung wurde benannt, dass es mitunter schwierig sei, genügend ehrenamtliche Mitarbeitende zu finden. Hier sollten Regelungen zur Vergütung von qualifizierten Helfer*innen gefunden werden. Politische Entscheidungsträger*innen sind gefordert, die Stärkung des Angebotes auch durch finanzielle Regelungen voranzutreiben.

Die Erreichbarkeit des Angebotes bzw. den Fahrdienst dorthin sehen fast alle befragten Studienteilnehmende als relevantes Problemfeld. Die vorliegenden Ergebnisse decken sich dabei nicht mit einer Studie von Hochgraeber et al. (2014), die konstatiert, dass die Erreichbarkeit von Angeboten weniger Bedeutung hat als beispielsweise die Ausrichtung der Betreuung.

Die Preisgestaltung des Angebots ist ebenfalls ein großes Problem, da konkurrierende Betreuungsangebote oft viel preisgünstiger sind. Die ambulanten, teil- bzw. vollstationären Einrichtungen geben überwiegend eine Preisvorstellung von 5–15 € pro Besuch und Person an. Angehörige sind tendenziell bereit, mehr zu zahlen. Laut Hochgraeber et al. (2014) ist auch ein niedriger Preis weniger von Bedeutung als die Ausrichtung der Betreuung.

Bei der Umsetzung stellt das Fehlen von Ansprechpartner*innen eine organisatorische Schwierigkeit dar. In den Niederlanden, wo Green Care Farms bereits weitergehend etabliert sind, hat sich ein Verband gebildet, der z. B. die Interessen der Landwirt*innen vertritt, Hilfestellungen und Unterstützung beim Aufbau einer Farm gibt sowie ein Qualitätssicherungssystem entwickelt hat und dieses überwacht. Auf dessen Basis wird die Qualität der Pflege bewertet und durch ein Qualitätssiegel bescheinigt. Diesbezüglich existieren zudem ein Qualitätshandbuch und ein Kundenzufriedenheitssystem (Elings, 2012; Elings & Hassink, 2006; Hassink & van Dijk, 2006). Ein solch strukturiertes Vorgehen wäre für die Landwirt*innen in Schleswig–Holstein sowie deutschlandweit eine sinnvolle Bereicherung des Konzeptes.

6 Fazit

Um die mit der demografischen Alterung einhergehenden Herausforderungen insbesondere auch für MmD zu bewältigen, wurden in den letzten Jahrzehnten national wie international vielfältige neue und innovative Wohn- und Versorgungsformen entwickelt, darunter sogenannte Green Care Farms. Zusammenfassend lassen sich aufgrund der Ergebnisse verschiedene Handlungsbedarfe erkennen bzw. Handlungsempfehlungen für dieses Versorgungsangebot ableiten:

  • Betreuung ausschließlich durch gut ausgebildete Kräfte – Festlegung der Mindeststandards zur Qualifizierung durch fachlich einschlägige Personen und Organisationen,

  • Aufwandsentschädigung abhängig vom Umfang der Hilfestellung für qualifizierte Helfer*innen,

  • zentrale Unterstützung und Koordination der Akquise von (ehrenamtlichen) Helfer*innen,

  • transparente und landesübergreifend einheitliche Preisgestaltung,

  • Finanzierung durch leistungsrechtliche Regelungen,

  • Mobilitätshindernisse lösen, z. B. durch die Möglichkeit, Taxifahrten in einem bestimmten Umfang zu erstatten, indem diese Angebote in die „Krankentransport-Richtlinie“ des Gemeinsamen Bundesausschusses aufgenommen werden,

  • eindeutige Regelung zum Versicherungsschutz und zu rechtlichen Fragen,

  • (zentrale) Koordination und Vernetzung von bestehenden Versorgungsleistungen und dem Betreuungsangebot Bauernhöfe als Orte für Menschen mit Demenz,

  • verbindliche landeseinheitliche Qualitätssicherungskonzepte.

Gelingt es, das Konzept der Bauernhöfe als Orte für MmD erfolgreich zu verankern – in einem ersten Schritt als niedrigschwelliges Angebot, im Weiteren dann auch als Angebot zur Tagespflege oder als umfassendes Wohn- und Versorgungsangebot – so könnten alle Beteiligten davon profitieren.