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Der sozialrechtliche Gehalt der Unionsbürgerschaft: Bedarfsabhängige Sozialleistungen

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Sozialraum Europa

Part of the book series: Europa – Politik – Gesellschaft ((EPG))

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Zusammenfassung

Mit dem Vertrag von Maastricht 1993 erfuhr der Adressatenkreis europäischer Politik schließlich eine letzte entscheidende Erweiterung: In das Primärrecht der Gemeinschaft wurde nun die Unionsbürgerschaft aufgenommen, womit alle Europäerinnen und Europäer, unabhängig von einer Marktteilnahme direkt in den Einflussbereich des europäischen Rechtsraums gerieten. Damit wurden jenseits des Status des Marktbürgers spezifische Rechte der Unionsbürger festlegt, also gewisse „Grundfreiheiten ohne Markt“ (Wollenschläger 2007) geschaffen.

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Notes

  1. 1.

    Innerhalb der Europäischen Union war zunächst lange Zeit umstritten, ob die Union überhaupt Kompetenzen jenseits des Marktes besitzen könne; erst im Zuge der Verhandlungen um den Vertrag von Maastricht setzte sich die Auffassung durch, dass die Union auch in Fragen der Freizügigkeit nicht-erwerbstätiger Personen Kompetenzen besitze (vgl. Calliess 2007, S. 13).

  2. 2.

    Dabei bezog sich der EuGH auf die Trias von Art. 12,1, Art. 17 und Art. 18,1 EG. Geregelt ist hier zum einen die unionsbürgerliche Freizügigkeit (Art. 18, 1), die unabhängig von einer wirtschaftlichen Tätigkeit ein Bewegungs- und Aufenthaltsrecht für alle Unionsbürger vorsieht; das in Art. 12,1 formulierte Gleichbehandlungsgebot, das unabhängig von der Staatsangehörigkeit eine „gleichmäßige Anwendung von gemeinschaftsrechtlich relevanten Vergünstigungen“ (Sander 2005, S. 1018) vorsieht („Diskriminierungsverbot“) und schließlich mit Art. 17 überhaupt die Feststellung des Anwendungsbereichs des EG-Vertrags („Unionsbürgerstatus“).

  3. 3.

    Vgl. Urteil des EuGH vom 12. Mai 1998, Rs C-85/96, Martínez Sala vs. Freistaat Bayern, Slg. 1998, I-2691.

  4. 4.

    Vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 20. September 2001, RS C-184/99, Rudy Grzelczyk gegen Centre public d'aide sociale d'Ottignies-Louvain-la-Neuve. Mit dem Urteil setzte sich der Gerichtshof von seiner früheren Rechtsprechung ab, in der er noch festgestellt hatte, dass Studierende nicht unter den EU-Vertrag fallen. Nun, mit Einführung der Unionsbürgerschaft und den damit verbundenen Rechten, sowie der Formulierung gemeinsamer bildungspolitischer Ziele der EU, sei dies allerdings neu zu bewerten (vgl. RS C-197/86 Brown versus Secretary of State for Scotland; s. auch Craig/ de Búrca (2008): 864)

  5. 5.

    Urteil des Gerichtshofs vom 7.9.2004, RS. C-456/02, Slg. (2004) I-7612.

  6. 6.

    RS C-209/03, Dany Bidar gegen London Borough of Ealing, Secretary of State for Education and Skills.

  7. 7.

    RS C-209/03, The Queen im Auftrag von Dany Bidar gegen London Borough of Ealing and Secretary of State for Education and Skills. Schlussantrag des Generalanwalts L.A. Geelhoed vom 11. November 2004. Slg. I – 2125.

  8. 8.

    Bereits 1989 urteilte der EuGH in der Rechtssache Echternach /Moritz, dass eine bedarfsabhängige Sozialleistung keineswegs an die Bedingung vorheriger Steuerzahlung geknüpft werden könne. Geklagt hatte ein Studierender, dessen Vater in einer Internationalen Organisation in den Niederlanden beschäftigt war und in diesem Status von nationalen sozialrechtlichen Regelungen ausgenommen war. Dennoch sah es der EuGH als erwiesen an, dass sich auch aus einem solchen Arbeitnehmerstatus direkt soziale Rechte für die Angehörigen im Sinne der Arbeitnehmerfreizügigkeit ableiten lassen (vgl. EuGH, Rs. 390/87, Urteil vom 15.03.1989).

  9. 9.

    Vgl. EuGH, Rs. C-503/09, Urt. v. 21.0.2011; EuGH, Rs. C-523/11 und 585/11 (Prinz/ Seeberger), Urt. v. 18.07.2013: „Nach ständiger Rechtsprechung darf jedoch der von einem Mitgliedstaat verlangte Nachweis für die Geltendmachung des Bestehens eines tatsächlichen Bandes der Integration keinen zu einseitigen Charakter haben, indem er einem Gesichtspunkt, der nicht zwangsläufig für den tatsächlichen und effektiven Grad der Verbundenheit des Antragstellers mit diesem Mitgliedstaat repräsentativ ist, unangemessen hohe Bedeutung beimisst und jeden anderen repräsentativen Gesichtspunkt ausschließt (vgl. Urteile D’Hoop, Randnr. 39, vom 21. Juli 2011, Stewart, C-503/09, Slg. 2011, I-6497, Randnr. 95, und vom 4. Oktober 2012, Kommission/Österreich, C-75/11, Randnr. 62).“

  10. 10.

    Genau diese Bedingung erübrigt sich dann nach einem Aufenthalt von fünf Jahren, nach dem jedem EU-Bürger ein Daueraufenthaltsrecht im jeweiligen Mitgliedstaat zusteht.

  11. 11.

    Und das bedeutet zum einen, dass soziale Leistungen nicht mehr nur aufgrund einer anderen Nationalität verweigert werden dürfen, sondern auch, dass der Bezug selbst – auch für die Staatsbürger- an ein Aufenthaltsprinzip geknüpft werden kann, wie der EuGH festgestellt hat.

  12. 12.

    Allerdings ist der Reflex, in Zeiten wirtschaftlicher Krisen die Grenzen zu schließen und den Zugang sowohl zu sozialen Sicherungssystemen als auch zu den nationalen Arbeitsmärkten zu beschränken, keineswegs neu. Bereits in den 1970er Jahren lassen sich in ähnliche Diskurse in der damaligen EG ausmachen (vgl. Guild 2009).

  13. 13.

    Schon im März 2018 erteilte EU-Sozialkommissarin Thyssen einem neuerlichen Vorstoß der deutschen Bundesregierung in dieser Angelegenheit eine klare Absage. Würde man die Kindergeldzahlungen ins Ausland mit Verweis auf geringere Lebenshaltungskosten kürzen, müsse man dies auch für Rentenzahlungen an deutsche Rentner nach Spanien in Betracht ziehen. Den „Regeln der Fairness“ in Europa entsprechend „gibt es keine Kinder oder Rentner zweiter Klasse. Für die gleichen Beiträge und Steuern sollte man dieselben Leistungen erhalten.“(zit. nach „Die Welt“, 23.03.2018)

  14. 14.

    Wobei festgehalten werden muss, dass diese Migrant*innen aus krisengeschüttelten EU-Mitgliedstaaten im reicheren Zentrum der EU vor allem als billige Arbeitskräfte zunächst sehr gerne gesehen und willkommen geheißen wurden (vgl. Wagner, Hassel 2017). Dies kippte erst, nachdem sich in den öffentlichen Diskursen, vor allem im Kontext des BREXIT und zunehmender Wahlerfolge rechter und rechtspopulistischer Parteien in weiten Teilen der EU eine Umdeutung durchgesetzt hatte (vgl. Fitzgerald, Smoczynski 2015; Tong, Zuo 2019; Donovan 2020).

  15. 15.

    Schon in der Vergangenheit zeigt sich eine deutliche Korrelation zwischen allgemeiner EU-Zustimmung und Offenheit gegenüber europäischer Freizügigkeit und Gleichbehandlung von Unionsbürgern (s. Bruzelius et al. 2014).

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Eigmüller, M. (2021). Der sozialrechtliche Gehalt der Unionsbürgerschaft: Bedarfsabhängige Sozialleistungen. In: Sozialraum Europa. Europa – Politik – Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32799-6_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-32799-6_7

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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