Zusammenfassung
Um die in Kapitel 2 aufgezeigten Diskurse für die empirische Untersuchung greifbar zu machen, werden in diesem Kapitel die das Erkenntnisinteresse orientierenden grundlagentheoretischen Anschlussüberlegungen entfaltet. Dafür wird zunächst eine spezifisch gefasste Auslegung des omnipräsent und vielfältig verwendeten Bildungsbegriffs vorgenommen, indem den konzeptionellen Überlegungen Rainer Kokemohrs und Winfried Marotzkis nachgegangen wird, die Bildung als Transformation von Welt- und Selbstverhältnissen verstehen. Diese Überlegungen sollen durch weitere grundlagentheoretische Entwürfe angereichert werden, die an bestimmte Aspekte des zuvor entfalteten Bildungsbegriff insofern anknüpfen, als dass sie diesen weiter ausbuchstabieren sowie weitere wichtige Implikationen für die methodologischen und methodischen Anschlüsse liefern.
„Es ist offenkundig, daß es einen Unterschied ausmacht, ob man den Menschen im Augenblick seiner Geburt bereits voll mit allen Merkmalen des Menschseins ausgestattet sieht – oder ob man ihn lediglich mit der Möglichkeit der Menschwerdung ausgestattet sieht […]“
(J. Schwarte, Der werdende Mensch, 2002, S. 25)
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Notes
- 1.
Ebenso kann auf die Übersichten von Dörpinghaus/Poenitsch/Wigger (2012) sowie von Maaser/Walther (2011) verwiesen werden.
- 2.
Letztlich kann sicherlich auch darauf hingewiesen werden, dass im Zuge der Kontingenz theoretischer Möglichkeiten zur Durchdringung eines Erkenntnisinteresses auch die akademische Sozialisation des*der Forschenden Einfluss auf die Entscheidung für bestimmte theoretische Zugriffe nimmt. Von der Teilnahme an theoriegeprägten Lehrveranstaltungen im Studium bis hin zur Einbindung in Arbeits- oder Fachgruppen im Qualifikations- oder Arbeitskontext, die mit bestimmten Theoriesträngen bevorzugt arbeiten, reicht die Prägung, die die Beschäftigung mit ausgewählten gegenstands- und vor allem grundlagentheoretischen Zugängen mehr oder weniger bewusst mit leitet.
- 3.
An dieser Stelle verweist Kokemohr auf das Habitus-Konzept als Erklärungsmodell für das Zustandekommen von individuellen und kollektiven Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungslogiken. Dieser Anknüpfung wird im Abschnitt 3.3 weiter nachgegangen.
- 4.
Diesbezüglich lehnt sich Kokemohr (2007) an Bernhard Waldenfels ‚Topographie des Fremden‘ an, der darauf hinweist, dass das Selbst und das Fremde einander insofern bedingen, als dass „ich ich selbst werde durch Einbeziehung anderer“ (Waldenfels 1997, S. 19). Gemeint sind zum einen Andere, mit denen sich das Ich identifizieren kann und zum anderen Andere, von denen es sich differenzieren kann (vgl. ebd., S. 22). Das Fremde als das „originär Unzugehörige“ (ebd., S. 27) erfährt dabei nicht weniger Bedeutung als das Zugehörige. Beides hat seinen Ort in der Erfahrung, die Waldenfels als einen „Prozeß, in dem sich Sinn bildet“, versteht (Waldenfels 1997, S. 19). Zudem ist die Begegnung mit dem Fremden nicht als zeitlich begrenzt auftretendes Phänomen zu denken, sondern als eine das Ich dauerhaft mitkonstituierende Dimension: „Das Außer-ordentliche begleitet die Ordnungen wie ein Schatten“ (ebd., S. 33). An dieser Stelle wird deutlich, dass es sich bei dem differenzerzeugenden Fremden meist um etwas implizites handelt, was jedoch an bestimmten Stellen (in bestimmten Erfahrungen) bewusst wird und dann einen, wie Waldenfels es formuliert, Anspruch an das Subjekt stellt, welches mit einem „schöpferische(n) Antwortgeben“ seine „Selbstwiederholung“ durchbrechen kann (ebd., S. 142). Dieser Gedanke der Hervorbringung des Neuen durch ein autopoietisches System wird im Abschnitt 3.2 aufgegriffen.
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Möller, C. (2021). Subjektkonstitution in Bildungsprozessen grundlagentheoretisch betrachtet. In: Wissenschaftliche Weiterbildung als Ermöglichungskontext. Theorie und Empirie Lebenslangen Lernens. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32702-6_3
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