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Resilienz: Eine Universalantwort auf die Krisen unserer Zeit?

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Resilienz im Spannungsfeld zwischen Entwicklung und Nachhaltigkeit

Zusammenfassung

Angesichts der wachsenden Sensibilisierung für die vielfältigen globalen Risiken und Herausforderungen heutiger Gesellschaften, wird in den letzten Jahren zunehmend die Frage nach vorbeugenden „Schutzfaktoren“ aufgeworfen, welche das gesellschaftliche System befähigen, mit mannigfaltiger Unvorhersehbarkeit umzugehen und unterschiedlichen Krisen zu widerstehen. Als Gegenbegriff zum jahrzehntelang vorherrschenden Begriff der Verwundbarkeit (Vulnerabilität) wird derzeit vor allem der durchaus unterschiedlich verwendete Resilienzbegriff diskutiert. Woher kommt der Resilienzbegriff und wie wird er verwendet? Welchen potenziellen Mehrwert bietet das Resilienzkonzept als „Ein-Wort-Antwort“ auf unterschiedliche Krisenarten (psychologische, politische, ökonomische, ökologische, soziale und andere Krisen) und über die Systemebenen (Individuen, Organisationen, Gesellschaften) hinaus?

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Notes

  1. 1.

    Übereinstimmend mit Antonovskis Konzept des „Kohärenzgefühls“ ist damit gemeint:

    • Die kognitive Fähigkeit, die Zusammenhänge des Lebens zu verstehen;

    • das Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit, sprich: die Überzeugung, das eigene Leben gestalten zu können;

    • der Glaube, dass das Leben einen Sinn hat. Dies belegen vor allem Vergleichsstudien mit religiösen und nicht-religiösen Folteropfern, beispielsweise vom Begründer der Logotherapie und Holocaust-Überlebenden Viktor Frankl. Seiner Theorie zufolge ist der Mensch existenziell auf Sinn ausgerichtet. Nicht erfülltes Sinnerleben könne demzufolge zu Krankheiten führen (Böschemeyer 2007).

  2. 2.

    Der Begriff der Spiritualität (von lat. spiritus = Geist, Hauch bzw. spiro = ich atme) wird sehr breit verwendet und lässt sich darum schwer prägnant definieren. Unabhängig von ihren spezifischen Ausprägungen in den unterschiedlichen Religionen lässt sich für die Spiritualität festhalten, dass sie sich stets auf das Prinzip der transzendenten, nicht-personalen letzten Wahrheit bezieht, welche zwar nicht sinnlich fassbar, aber dennoch erfahr- oder erahnbar ist. Diese sich in Form eines „Erwachens“ oder einer „Erleuchtung“ ausprägenden Einsichten erschließen sich über die Praktiken unterschiedlicher Weisheitstraditionen. Hierzu gehören z. B. sufistische oder christlich-gnostische Herzensgebete, schamanische Trancetänze, holotrope Atempraktiken, hinduistisches Yoga, kabbalistische Zahlenmystik, jainistische Askese, QiGong/Tai Chi, buddhistische Meditation oder Kontemplation. Spiritualität zeichnet sich also nicht dadurch aus, dass unhinterfragbare Dogmen einer Glaubensreligion befolgt werden, sondern vielmehr durch eine durch innere Arbeit hervorgerufene Überwindung des dualen Ego-Bewusstseins („Ich“ vs. „Umwelt“) sowie der Einsicht in die profunde Identität mit dem nicht-dualen Seinsgrund (Unio mystica).

  3. 3.

    Interessierten empfehle ich an dieser Stelle ein Training in Vipassana-Meditation. Die Technik basiert auf Achtsamkeitsmeditation und wurde von Siddharta Gautama entwickelt (dem Begründer des Buddhismus). In der Umsetzung ist sie relativ simpel. Vipassana-Lehrgänge werden weltweit angeboten und sind entsprechend standardisiert. Sie umfassen in der Regel zehn Tage und sind damit sehr intensiv. Bekannteste Anbieter in Deutschland sind Dhamma Dvara (www.dvara.damm.org und panyasara (www.panyasara.de).

  4. 4.

    Dieser Frage liegt ein Identitätsbegriff zugrunde, der sich durch Abgrenzung gegenüber anderen Identitäten definiert und dem eine Wahrnehmung des „Entweder-oder“ bzw. „Selbstkultur vs. Fremdkultur“ zugrunde liegt. Die politische Konsequenz ist meistens nach innen ein Ansatz der Assimilation bzw. des Schmelztiegels („Melting Pot“), bei der sich alle Einwandererkulturen nach einer übergreifenden Leitkultur ausrichten (wie z. B. in den USA oder Frankreich). Dieser Ansatz stellt das genaue Gegenteil von Multikulturalität dar, welches eher durch ein „Nebeneinander unterschiedlicher Kulturen“ gekennzeichnet ist (Beispiel: Kanada). Nach außen kann die Gesellschaft, die sich durch Abgrenzung identifiziert, variieren – dies würde dem von Samuel Huntington popularisierten „Kampf der Kulturen“ entsprechen oder in abgemilderter Form dem der „Interkulturalität“ (= konstruktive Verständigung zwischen unterschiedlichen Kulturen). Unabhängig davon, wie sich der hier gezeichnete Identitätsbegriff nach innen und außen politisch konkret ausprägt: Allen hier dargestellten Ansätzen ist gemein, dass Kulturen stets als in sich geschlossene, voneinander abgegrenzte, homogene „Kugelsysteme“ wahrgenommen werden (hierzu Welsch 2009).

  5. 5.

    Dieser Frage liegt also nicht der traditionelle Identitätsbegriff zugrunde, der durch eine abgrenzende und trennende „Entweder-Oder“-Auffassung geprägt ist. Vielmehr ist die Identitätswahrnehmung inklusiv – der Blick richtet sich nicht auf das Trennende, sondern auf kulturraumübergreifende Gemeinsamkeiten. Von dieser Auffassung ist der vergleichsweise wenig etablierte Ansatz der „Transkulturalität“ geprägt. Dieser Begriff wurde vom kubanischen Anthropologen Fernando Ortiz bereits in den 1940er Jahren eingeführt, doch erst in den 1990er Jahren von Wolfgang Welsch im deutschsprachigen Raum geprägt. Nach seiner Definition versteht sich unter „Transkulturalität“, dass die Begegnung unterschiedlicher Kulturen als Konsequenz zu einer Verwischung der Grenzen, sogar zu einer Aufhebung dieser Grenzen führen kann. Im Zuge voranschreitender Globalisierung und fortschreitender Vermischungen sieht Welsch nicht die Entstehung einer uniformen Weltkultur, sondern vielmehr Individuen und Gesellschaften, die transkulturelle Elemente in sich tragen. Erst die Kombination von verschiedenen Elementen verschiedener Herkunft mache so jedes Individuum transkulturell (Welsch, 2000).

  6. 6.

    Hier gilt der Historiker Greg Bankoff als bedeutender Pionier (vgl. z. B. Bankoff und Hilhorst 2009).

  7. 7.

    Ein wesentliches Schlüsselelement, das die in diesem Feld einflussreichen Konfliktforscher herausgearbeitet haben, ist der Aspekt der Nutzung von „Trauma“- und „Ruhm“-Mythen zur kulturellen Identitätsstiftung. Mit anderen Worten: erlittene Traumata oder als historische Siege tradierte Ereignisse können durch kulturelle Rituale und Symbole (wie z. B. Volksfeste, Volkslieder, Gedenkstätten etc.), in denen z. B. „gefallenen Helden“ oder „Helfern“ oder „unschuldigen Opfern“ aus dem eigenen Volk gedacht wird, eine sinnstiftende Wirkung entfalten, und damit den kollektiven Zusammenhalt fördern. Dieser Mechanismus der Traumabearbeitung zeichnet sich im Kontext von sozialen Konflikten, Krieg und Terrorismus zugleich durch den Aspekt aus, dass die Identitätsbildung abgrenzend und sogar abwertend und damit gewaltfördernd ist – denn es wird ein „Wir“-Gefühl auf Kosten eines „die Anderen“ erzeugt. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass sie vergleichsweise einfach anwendbar ist, weil sie die eigene Verantwortung und Mitschuld an dem traumatischen Ereignis auf „den Anderen“ projiziert. Der Nachteil besteht darin, dass dadurch die Möglichkeit eines Loslassens der Vergangenheit und eines Lernens aus eigenen Fehlern verhindert wird. Daher erweist sich diese Bewältigungsmethode als nicht besonders resilient im Sinne von Krisentransformation. Zugleich ist sie auch nicht besonders nachhaltig, da sie durch die Abwertung des Anderen gewaltfördernd ist – Galtung umschreibt diesen Aspekt treffend als „kulturelle Gewalt“.

  8. 8.

    Diese zweite Form der kollektiv-psychologischen Bearbeitung von Krisen sieht also die Verdrängung des Traumas aus der geschichtlichen Tradierung vor. Es wird einfach nicht mehr über den traumatischen Vorfall gesprochen und er wird gleichsam aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht. Inwieweit aber dies indirekte Auswirkungen auf ein kollektives Unterbewusstes hat, das möglicherweise auch mit epigenetischer Weitervererbung einhergehen kann, ist bislang noch nicht erforscht. Welchen Effekt hat die relativ geringe Aufarbeitung der Verantwortung der US-amerikanischen Gründerväter am Massensterben der indianischen Ureinwohner auf die heutige kollektive Psyche der US-Gesellschaft? Auch die hier beschriebene Verdrängungsmethode zeichnet sich durch den Vorteil einer relativ leichten Umsetzbarkeit aus, andererseits aber auch durch den Nachteil, dass Lern- und Aufarbeitungsprozesse und damit ein „Stärker-werden-aus-der-Krise“ verhindert werden.

  9. 9.

    Diese Form der kulturellen Traumaaufarbeitung beinhaltet eine inklusive Form der Identitätsstiftung; mit anderen Worten: eine Krisenbewältigung, die „den Anderen“ im Zuge eines Versöhnungsprozesses einbindet. Beispiele hierfür sind Rituale, in denen an Kriegsgedenktagen um die Opfer auf beiden Seiten (also auch beim Kriegsgegner) getrauert wird. Galtung sieht diese Art der Traumabearbeitung als typisch für eine „Friedenskultur“ an. Demgegenüber wäre eine Traumabearbeitung, die alle Verantwortung und Schuld auf „den Anderen“ überträgt und die eigene Seite einseitig mythisch verklärt, typisch für „kulturelle Gewalt“, weil sie erst den Weg zu weiterem Leiden ebnet (Galtung 1998). Dass die hier skizzierte Friedenskultur, die „Täter“ und „Opfer“ in einen gemeinsamen Identitätszusammenhang einbindet, nicht rein utopisch ist, zeigt sich konkret in vielfältigen bewährten Formen der Versöhnungsarbeit, die im Kontext unterschiedlicher Kulturen und Religionen praktiziert werden. Die Arbeit von Galtung bietet hier einen beispielhaften Überblick über unterschiedliche kulturelle und spirituelle Traditionen der Versöhnungsarbeit, z. B. von der buddhistischen Karma-Methode, über die christliche Beicht-Methode bis hin zur hawaiianischen Methode des Ho'o pono pono. Daneben finden sich auch an entsprechenden Stellen in den Schriften unterschiedlicher Weisheitstraditionen weitere Belege für eine Form der Identitätsstiftung, die das kollektive Ego überwindet und auch um den Gegner trauert (z. B. Kap. 31 des Tao Te Kings). Der Vorteil der hier vorgestellten Methode der kollektiven Traumabewältigung besteht darin, dass sie eine gründliche Aufarbeitung und ein Loslassen des traumatischen Ereignisses und zugleich ein Lernen aus der eigenen Mitverantwortung ermöglicht. Der Nachteil dürfte in der relativ schwierigen und schmerzhaften Umsetzung bestehen. Dass aber die innere Versöhnung einen sinnvollen Beitrag zu psychischer Resilienz leisten können, belegt das eindrucksvolle Werk des österreichischen Psychiaters, Neurologen und Holocaust-Überlebenden Viktor Frankl. Die von ihm entwickelte wegweisende Methode der Logotherapie entstand unter anderem auf der Basis seiner persönlichen Erfahrungen mit dem Holocaust (Böschemeyer 2007).

  10. 10.

    Eine nicht unumstrittene, aber durchaus diskussionswürdige Vision entwirft der Zukunftsforscher Erik Händeler, der in einem Gesundheitswesen, das auf den Säulen „Prävention“, „Selbstverantwortung“ und „Innovation“ basiert, den Weg in eine resilientere und zukunftsfähigere Gesellschaft sieht (direkt übernommen von Wellensiek 2011, S. 42–51).

  11. 11.

    Im Zentrum steht dabei die Frage, ob die aufstrebenden Volkswirtschaften der Schwellenländer, insbesondere der BRIC-Staaten (Russland, Brasilien, China und Indien), sich in Zukunft von der Entwicklung der Weltwirtschaft teilweise abkoppeln können. Demgegenüber steht die Antithese, dass die Volkswirtschaften zu stark miteinander verflochten seien, als dass sich einzelne Regionen von der Weltwirtschaft unabhängig machen könnten (Peña und Giné 2009).

  12. 12.

    https://www.bbk.bund.de/DE/Ratgeber/VorsorgefuerdenKat-fall/VorsorgefuerdenKat-fall.html

  13. 13.

    So zeichnen sich – wie an anderer Stelle noch zu erwähnen – Japan und Korea trotz hoher sozialökonomischer Entwicklung durch die höchsten Selbstmordraten aus und in den Umfragen zum subjektiven Wohlbefinden geben die Bevölkerungen tendenziell oft an, unglücklich zu sein. Hier deuten sich aktuell die kulturellen Grenzen der ländervergleichenden Glücksforschung an, da offensichtlich sehr unterschiedliche Wahrnehmungen und Begriffe zum Thema „Wohlbefinden“ und „Glück“ vorzuherrschen scheinen.

  14. 14.

    http://www.resilientsocieties.org/

  15. 15.

    http://www.drmonline.net/

  16. 16.

    http://www.lboro.ac.uk/service/publicity/news-releases/2012/72_resilience.html

  17. 17.

    https://www.gov.uk/government/policies/improving-the-uks-ability-to-absorb-respond-to-and-recover-from-emergencies

  18. 18.

    http://www.ready.gov/

  19. 19.

    https://www.fema.gov/

  20. 20.

    Beispielsweise der Report des in Asien durchgeführten Social Resilience Project 2010, als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise (PECC und JANCPEC 2010).

  21. 21.

    Eine tiefergehende Beschreibung kollektiver Krisenbewältigungsmechanismen in Japan findet sich in einer anderen Publikation von mir (Fathi 2019a).

  22. 22.

    „Konflikt“ stammt aus dem Lateinischen („confligere“) und bedeutet ursprünglich „Zusammenprall“. Die heute am weitesten verbreitete Definition des „sozialen Konflikts“ lautet sinngemäß: „Ein Zusammenstoß zwischen zwei oder mehreren Parteien, die unterschiedliche Interessen und daraus resultierende Handlungstendenzen verfolgen.“

  23. 23.

    Eine gute Einstiegslektüre zu alldem findet sich unter Galtung (1998).

  24. 24.

    http://poptech.org/the_city_resilient

  25. 25.

    http://www.stockholmresilience.org/

  26. 26.

    http://goetzis.at/gesundheit-soziales/zaemma-leaba

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Fathi, K. (2019). Resilienz: Eine Universalantwort auf die Krisen unserer Zeit?. In: Resilienz im Spannungsfeld zwischen Entwicklung und Nachhaltigkeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-26941-8_2

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